Verkrümelt.

August 2018 - October 2019
Ein Jahr Auszeit zwischen Biber, Bären und Bergen.  Read more
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  • Day 1

    Rucksackritzenstopfen.

    August 27, 2018 in Germany ⋅ 22 °C

    Wenn man unter 35 ist und noch keine Bank ausgeraubt hat, kann man mit ein bisschen Glück aus dem Lostopf der Fernwehler eines von 4.200 Working Holiday Visa ergattern. "Working Holiday" ist die kanadische Verpackung der Bürokratie für "Arbeiten und Reisen". Eine super Sache um herauszufinden, was es mit dem Land von Ahornsirup, Schnee, Bären, Bergen und Bartträgern auf sich hat.

    Der digitale Papierberg war letzten Sommer schnell gemeistert und so hatte ich das begehrte Zettelchen mit dem Segen der Behörde recht flott in meinem virtuellen Briefkasten. Geschafft. Jetzt ein gediegenes Jahr zur Vorbereitung, in dem man natürlich nicht alles auf den letzten Drücker macht.

    ...Von wegen. In dem Jahr hat sich zwar viel getan, dennoch wurden natürlich erst am letzten Abend die Ritzen des Rucksacks gestopft. Tims Hände haben dabei fleißig gedrückt und geknautscht, sodass aus einem unförmigen Berg, ein kompaktes 23,5 kg Häufchen wurde.

    Noch ein (vor-)letzter Besuch von den Liebsten, ein deftiges Essen im Bautzner Tor und ein, zwei Abschiedslikörchen, dann kann es morgen mit einem gut gefüllten Bäuchlein los gehen. Tschakka! 🙂
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  • Day 2

    Tschüssi.

    August 28, 2018 in Canada ⋅ 16 °C

    Nachdem Omis liebevoll geschnürtes Carepaket in jede freie Lücke des Handgepäcks gestopft wurde, ging es mit Familie Röseler auch schon nach Berlin Tegel. Nach vielen lieben Worten und Pipi in den Augen sowie einer beinahe vergessenenen Kamera saß ich dann auch fast schon ein bisschen zu flott im Flugzeug nach Reykjavik. 

    Trotz all der Zeit des Vorlaufs im Kopf habe ich erst beim Abheben - als die gut sortierten heimischen Vorstädte immer kleiner wurden - vollends realisiert, was da im nächsten Jahr alles vor uns liegt. Und seitdem das breite Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht wischen können. 😌

    Der Flug mit Icelandair war wirklich entspannt: eine gnädige Kontrolle, die über das halbe Kilo Übergepäck hinweg gesehen hat, ein Ladegerät am Sitz, so viel Platz, dass die Knie gut durchatmen konnten und sogar ein bisschen isländischer Fischgeruch an Bord. Nach jahrelangem Fliegen in der Ryan-Air-Holzklasse ein absolutes Träumchen. Für die Strecke Reykjavik - Vancouver wurde sogar noch mal ein bisschen Dekadenz drauf gelegt: mit Reisekissen und Flauschedecke.  

    Nachdem ich mich am Himmel satt gesehen und das virtuelle Malbuch im Kinderprogramm für mich entdeckt habe, sind wir auch schon über Island gewesen. Und das ist einfach nur wunderschön von oben. So schön, dass der Pilot direkt noch mal eine kleine Ehrenrunde gedreht hat. Der ernuschelte Grund ließ sich zwar nicht ganz verstehen, aber man schaut auch gern ein zweites Mal über die kluftige Küste. 

    Von Reykjavik ging es anschließend weiter nach Vancouver. Und auch wenn die letzten 2 Stunden des Sitzmarathons ziemlich qualvoll waren, sind mir trotzdem irgendwann die Augen zugefallen. Erst als das Flugzeug zum Landen angesetzt hat, konnte ich den ersten Blick auf Kanada erhaschen. Und der war schlichtweg atemberaubend. Man konnte die Weite zwischen den Gipfeln der Rockies nur so erahnen. Ein unbeschreibliches Gefühl. Kein Beton in Sicht. Nur unberührte Weite. 

    Alles in allem lief die Reise von Haustür zu Haustür super entspannt ab. Erschreckend entspannt. Das Gepäck war da und nach einem kurzen Techtelmechtel mit dem Immigration Office auch die Work Permit. Unterwegs habe ich noch eine sympathische Schweizerin kennengelernt, mit der sich die Zugfahrt super verplaudern ließ. Am Bahnhof in Surrey wurde ich von Stefanie und Joel, einer alten Schulfreundin und ihrem Freund, eingesammelt. Die beiden spendieren mir für die nächsten Tage ihre Couch.  Bei einem Glas Cider haben wir dann noch den Klatsch und Tratsch der letzten 10 Jahre aufgeholt. Beim zweiten Glas hab ich dann meinen Rucksack schaumig geschrubbt, nachdem das Shampoo ausgelaufen ist. Auch schön, wenn von der Zahnbürste bis zum Steckdosenadapter alles gut riecht. Nach 23 h Tageslicht und 27 h Wachkoma hol ich jetzt erstmal eine Mütze Schlaf nach.
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  • Day 3

    Groß. Größer. Kanada.

    August 29, 2018 in Canada ⋅ ⛅ 15 °C

    Die Äuglein gingen direkt für solide 12 h zu. Habe geschlafen wie ein Murmeltier. Der Tag startete dann mit einem gediegenen Pläuschchen und einem Abstecher zum Stoffladen. Stefanie hat sehr talentierte Finger und verbreitet ihre Kreationen nebenbei online. So hab ich zwischen Kunstleder und Baumwolle noch einen Crashkurs in Stoffkunde bekommen.

    Und weil hier Läden nie allein am Fahrbahnrand stehen, sondern sich immer in elbeparkähnlichen Dimensionen akkumulieren, haben wir auch noch einen Abstecher in einen kanadischen Supermarkt gewagt. Dieser galt für landestypische Verhältnisse noch als klein, für deutsche war er schlichtweg erschlagend. Hier ist alles XXL. Von der Milch über die Möhre bis hin zum Verkäufer.

    Die Supermärkte sind hier auch nicht das Einzige im XXL-Format: ein abendlicher Abstecher auf den Burnaby Mountain hat nicht nur einen Wahnsinnsausblick auf Vancouver geboten, sondern auch auf ein mal eben so hin gezimmertes Monument zur 25-jährigen kanadisch-japanischen Freundschaft. Die Säulen hatten dabei die bescheidene Höhe eines Prohliser Plattenbaus.

    Der Blick auf Vancouver, das idyllisch zwischen Pazifik und seinem Hausgebirge, den Rocky Mountains liegt, war durch den Rauch der hiesigen Waldbrände noch etwas vernebelt. Aufgrund des milderen Klimas und des ein oder anderen Regentropfens, der die letzten Tage hier runter geplätschert ist, hat sich die Situation allerdings schon verbessert. Die Vorstellung, ein Feuer würde auch nur in die Nähe einer Stadt gepustet, ist umso verheerender, wenn man bedenkt, dass die Häuser hier nur aus Spanplatten bestehen, die von Außen aufgepimpt werden.

    Aber auch wenn der solide Hausbau vielleicht nicht das größte Talent der Kanadier ist, dann ist es auf jeden Fall die Freundlichkeit. Das Zusammenleben hier ist geprägt von Multikulturalität, besonders durch indische und asiatische Einflüsse. Der Ton hier ist ganz dem Klischee der Kanadier entsprechend sehr respektvoll und höflich: Der Busfahrer wird beim Einstieg gegrüßt, beim Aussteigen wird sich artig bedankt und einen schönen Tag gewünscht. Dieses kleine Ritual kenne ich noch aus England. Und finde es wirklich schön, es hier wiederzufinden. Denn egal wie oberflächlich diese Höflichkeit ist, geht dieser Umgangston im Vergleich zum heimischen Ellenbogenausfahren butterweich die Seele runter.

    Den Rest des Tages wurde mit Kniffel spielen verbracht und der Entscheidung, morgen zum Footballspiel nach Seattle zu fahren.
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  • Day 5

    Seattle: Zwischen Kontrasten & Kaugummi

    August 31, 2018 in the United States ⋅ ☁️ 17 °C

    Durch einen (un-)glücklichen Zufall hatten Stefanie und Joel noch eine Karte für das Footballspiel der Seattle Seahawks gegen die Oakland Raiders übrig. Ein Pre-Season Spiel. Das heißt zum einen, dass das Team aus frisch vom College abgezapften Sportlern besteht. Zum anderen, dass die Karten noch erschwinglich sind. Wenn mich zu Hause das Fußballfieber nicht packt, dann doch vielleicht die Stadion-Euphorie des amerikanischen Nationalsports. Also ab ins Mietauto und los geflitzt. Zumindest bis zur amerikanischen Grenze, wo wir 2 Stunden warten mussten, um anschließend 10 Minuten intensiv gegrillt zu werden. Ein Grenzübergang in die Staaten ist schlimmer, als jede mündliche Abiturprüfung und selbst das reinste Gewissen fühlt sich danach schmutzig. "Aus welchem Grund reisen Sie in die USA? Wie lange haben Sie vor, zu bleiben? Haben Sie Obst dabei? Oder Waffen? Planen Sie einen terroristischen Anschlag?"

    Und während man sich bei der Beantragung des Esta (der Einreisegenehmigung in die USA) vor Ort verbal nackig macht, wehte uns über den Schreibtisch der Nationalstolz der Amerikaner entgegen. Überall Schilder mit opulent aufgeblasenen Worten und zwischendrin ein gerahmtes Bild von Trump. Man möchte brechen. 

    Nach weiteren 4 Stunden Fahrt hatten wir es dann geschafft. Seattle. Heimat von Amazon, Microsoft und Grey's Anatomy. Eine Stadt voller Kontraste. Links riesige Firmenkomplexe, rechts die Zeltstädte der Obdachlosen. Unten plätschert die Elliot Bay, von dessen Ufer nicht weit entfernt die Fischer Lachs auf dem Public Market verkaufen; oben thront die Spitze der Space Needle, einem ufoartigen Überrest der Weltausstellung von 1962 - heute das Wahrzeichen der Stadt. Und so ganz nebenbei findet man zwischen zahlreichen polierten Glasfassaden die zweit unhygienischste Sehenswürdigkeit der Welt, die sogenannte "Gum Wall": eine etwa 16 Meter breite Wand voller Kaugummis. Jeden Tag lassen dort Hunderte ihren angespeichelten Gruß an der Außenfassade eines Theaters zurück. Angefangen hat das Ganze in den 90er Jahren, als wartende Besucher Glücksmünzen mit Kaugummis an der Wand befestigten. Nachdem jemand sein Sparschwein aufgebessert hat, blieb irgendwann nur noch die klebrige Masse übrig. Ein ziemlich faszinierender Anblick, der jedem Hypochonder den Angstschweiß auf die Stirn treiben würde. 

    Zum Abend strömten die Menschen in Blau-Grün - den Farben der Seahawks - aus der Innenstadt Seattles in Richtung Stadion. Und auch wenn ich zu Beginn noch keine Ahnung vom Spiel hatte, sah ich Dank ausgeliehener Basecap und Fan-Leggings wenigstens so aus. Die Regeln erklärten sich dann in den nächsten 60 Minuten nebenher. Learning by cheering. 

    Das Spannendste war aber nicht unbedingt das Spiel an sich, sondern vor allem die Klischees, die sich währenddessen beobachten ließen: die Fans und Cheerleader, die riesigen Plüschmaskottchen, die Verkäufer, die Bier und Hotdogs zwischen den Reihen verkauften und natürlich die übergroßen Monitore, die der allgemeinen Reizüberflutung noch mal ein leuchtendes i-Tüpfchelchen aufsetzten. 

    Die Euphorie gönnen sich die Fans hier übrigens gegenseitig. Sympathisanten beider Mannschaften saßen auf ihren Klappstühlen nebeneinander oder prosteten sich über drei Reihen hinweg zu. Und damit hier auch keiner der 72.000 Besuchenden über die Strenge schlägt, wird akribisch auf potenzielle Pöbler geachtet. Ist jemand zu durstig, gibt es eine Alcohol Enforcement Unit, die unterstützt durch die Polizei Trunkenbolde aus dem Stadion begleitet. Nicht ohne lüstern gezückte Kameras anderer Besucher, die das Ganze filmisch festhalten. 

    Das Spiel ging mit einer Niederlage für das heimische Team der Seahawks aus, was die Laune der Fans allerdings keineswegs geschmälert hat. Kopf hoch. Basecap richten. War ja nur ein Pre-Season-Spiel. Prost. 

    Auf dem Rückweg nach Kanada bin ich übrigens das erste Mal in meiner zweijährigen Autofahrkarriere mit Automatik über den Asphalt gesaust. Eine ziemlich langweilige Erfahrung für den linken Fuß. Autofahren ist hier in der Theorie auch um einiges simpler als zu Hause. Darum reicht es in den meisten Staaten auch, seine Pflichtstunden als Fahrschüler neben Mami oder Papi bis zur Prüfung abzusitzen. Je nachdem wie gut die Eltern sind, ist der Nachwuchs dann auch auf der Straße unterwegs. 

    Da wir kurz vor der Haustür auch noch einen Abstecher im Canadian Superstore gemacht haben, hier noch ein kleiner Nachtrag zum Einkaufen in kanadischen Großmärkten: Aaaahhh! Hier gibt es 18 Liter-Reissäcke und Klopapier im 36er Pack. SECHSUNDDREISSIG. Und wenn man denkt, man hat mit diesem Quartalsvorrat den Sparfuchs eingepackt: Nein. Die Steuern kommen erst an der Kasse noch zusätzlich dazu. Überraschung. 

    PS: Kleiner Funfact aus den amerikanischen Radionachrichten, mit der man auf der nächsten Familienfeier den Cousin zweiten Grades unterhalten kann: In den USA gibt es mindestens ein Dutzend Kinder mit dem Namen ABCDE, was ausgesprochen ungefähr wie Äpsedi klingt. Und wir kichern über Kevins und Chantalles...
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  • Day 8

    Kalte Füße

    September 3, 2018 in Canada ⋅ 21 °C

    Nach Seattle ging es am Samstag gleich in die nächste Metropole: Vancouver. Dort sind wir im Stanley Park, der grünen Oase der Stadt, am Ufer entlang geschlendert, auf dessen einer Seite sich die Geschosse der Hochhäuser stapelten, auf der anderen die Gipfel der North Shore Mountains. An diesen Anblick von Kanadas Vielfalt kann ich mich gar nicht oft genug gewöhnen. 

    Da der Park allein 200 Kilometer Asphalt zum Beine vertreten umfasst, sind wir anschließend mit unseren wunden Füßen in einer Bar versackt. Einem Geheimtipp, wie man munkelt. Als wir ankamen, wurde auch schnell klar, warum: der Eingang war so gut getarnt, dass er eher einer öffentlichen Toilette glich. Demzufolge bestand auch die eine Hälfte der Besucher aus Stammgästen, die andere hat vermutlich der Harndrang fälschlicherweise dort hin gelockt. Und diese Sucher des stillen Örtchens sind dann anscheinend einfach gleich dort versackt und haben die Blase wieder aufgefüllt.

    Am nächsten Tag sind wir über den Highway 99 in Richtung Whistler gefahren und haben einen ersten bergigen Vorgeschmack auf die Wintersaison erhascht. Ziel war das idyllische Fleckchen Shannon Falls Provincial Park. 

    Ein kleines Schild am Eingang warnte vor Bären, die uns eventuell über den Weg tapsen könnten. Das Tröpfchen Angstschweiß war allerdings völlig unbegründet, denn bevor der plüschige Geselle vor unseren Füßen gestanden hätte, hätte er sich schon an allen anderen Touristen satt gegessen. 

    Der Park bestand aus etwas Grün und ganz viel Wasserfall, der uns entgegen geplätschert ist. Wie Pocahontas in unvorteilhaften Jeans sind wir über die Steine nach oben gekrabbelt. Und für diesen Ausblick haben sich kalte Füße und nasse Hose definitiv gelohnt.🙂
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  • Day 11

    Kompakte Bürokratie

    September 6, 2018 in Canada ⋅ 🌙 18 °C

    Die Bürokratie in Kanada ist ähnlich der in Deutschland, nur kompakter: sowohl in der Größe des Papierbergs, als auch in der Anzahl der Ämter. Denn als Work and Traveller braucht man hier lediglich eine Sozialversicherungsnummer. Die erhält man in einer der zahlreichen Service Canada Offices, wo die Zeit in den überfüllten Wartezimmern mit einem vergleichbaren Enthusiasmus abgebummelt wird, wie in Deutschland. Der erlösende Moment bis zum Aufrufen hat auch zwei, drei Anläufe gebraucht, da der Mund der englischen Muttersprachlerin wohl nicht auf Anhieb wusste, was er mit meinem Nachnamen anfangen soll.

    Bis ich dann das wertvolle Blättchen Papier in den Händen hielt (das sich wider meiner Ordnungswut übrigens nicht in eine popelige A4-Hülle stopfen ließ, da das Standardblattformat hier exotische Maße hat), vergingen nicht einmal 10 Minuten charmanten Plauderns. Mit der Sozialversicherungsnummer als solide Grundlage standen mir jetzt alle Türen offen: Kontoeröffnung, SIM-Karte, gut bezahlte Karriere auf dem Traktor, ... 

    Auf der Suche nach den besten Konditionen für Work and Traveller kann man sich bei der Recherche übrigens einiges an Nerven und Hornhaut an den Fingern sparen, wenn man sich in die entsprechenden Facebook-Gruppen einschleust. Nur für die Auto-Suche wühlt man sich durch das recht zähe Überangebot auf Craigslist und Kijiji, den Ebay Kleinanzeigen Kanadas. Aber selbst wenn man nicht auf Anhieb den richtigen Wagen erwischt, können beim Stöbern auch unverhofft die wunderbarsten Bekanntschaften entstehen. So wie mit Merav und Tom. Die Beiden wollten ihren geräumigen Flitzer nach drei Monaten in British Columbia und den Rocky Mountains verkaufen, bevor es wieder zurück nach Israel ging. Ein Farmer fortgeschritten Alters war zwar leider schneller und ist jetzt glücklicher Besitzer dieses Autos. Nichtsdestotrotz haben wir uns aufgrund ausgiebiger E-Mail-Sympathie auf ein ungezwungen herzliches Pläuschchen getroffen. 4 Stunden später hab ich mich mit einem gut gefüllten Kopf voller Tipps und einer neuen Bratpfanne wieder von den beiden verabschiedet. Schade, dass sie diese Woche schon wieder abreisen.

    Übrigens gab es nachts einen ersten Besuch von Kanadas wilder Tierwelt. Ein Stinktier hat sich unter den Balkon verirrt. In welcher Gefahr wir uns tatsächlich befanden, hat uns später aber erst das Internet verraten. Wikipedia hat den gefährlichen Analdrüsen des kleinen Stinkers immerhin einen ganzen Absatz gewidmet.
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  • Day 13

    Über die Geduld der Kanadier

    September 8, 2018 in Canada ⋅ 🌧 15 °C

    Jede große Stadt hat diesen einen charmanten Markt mit Liebe zum Detail. Wo der Brokkoli per Hand abgepult und gesäubert wird und man seinem Pulli beim Genäht werden zusehen kann. In Vancouver ist das der Granville Market. Hier gibt es alles von allem von überall. Auch Kinderherzen ist hier eine eigene Halle gewidmet, in der sie sich im Erdgeschoss analog und im Obergeschoss digital austoben können. 

    Granville Market ist ein beliebtes Fleckchen Vancouvers, das man normalerweise nur unter intensivem Körperkontakt mit Einheimischen und Touristen genießen kann. Wir hatten uns den Besuch für einen verregneten Freitagnachmittag aufgespart und damit offenbar einen guten Zeitpunkt getroffen. Abgesehen von hungrigen Möwen war der Andrang überschaubar. Beim Schlendern fiel übrigens auf, dass Vancouver mit ihren 132 Jahren nicht nur eine recht junge Stadt ist (da fühlt sich Dresden schon fast ururururgroßmütterlich an), sondern auch eine sehr junggebliebene. Das spiegelt sich nicht nur in der Architektur, sondern auch den Menschen wieder. Und auch in ihrer Liebe zu Brettspielen. Man stolpert hier häufig über Läden, in denen Menschen dieser Leidenschaft frönen können. Ein schöner Anblick, wenn sich eine Gruppe Teenager in der hinteren Ecke eines Spielzeugladens auf eine Runde Risiko stürzt. 

    Überhaupt gelten Kanadier als die freundlichsten und höflichsten Menschen. Dass sie auch  fluchen, ist eigentlich nur ein Gerücht. Allerdings sind meine Fahrkünste offenbar so dürftig, dass sie sogar Gerüchte wahr werden lassen. Bei einer Testfahrt mit einem auf Craigslist erspähten Auto unserer Begierde (gefühlt ein Panzer, offiziell getarnt als Dodge Grand Caravan), habe ich leider mit der Felge den Bordstein geküsst. Da ist meinem Beifahrer direkt ein kleines "FUCK! JESUS!" entfleucht. Hoppla...
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  • Day 14

    Hipphipphurra!

    September 9, 2018 in Canada ⋅ 🌧 14 °C

    Nine und Christian sind da, um drei Wochen durch Kanada zu reisen.🙂 Mit nassen Schuhen und tiefen Augenringen haben sie heute schon ein Stückchen der Stadt erobert. Die beiden sind aber nicht der letzte Import aus Deutschland. Morgen kommt Tim gut bepackt und nach einem kleinen Abschiedsabstecher über die Alpen auch nach Vancouver. Ich freu mich riesigst über dieses Sahnehäubchen des kommenden Jahres: All die Eindrücke mit diesem wunderbaren Mann an meiner Seite machen zu können.Read more

  • Day 30

    Lebenszeichen aus virtueller Abstinenz

    September 25, 2018 in Canada ⋅ 10 °C

    In der digitalen Lücke der letzten 15 Tage hat sich einiges getan. Wir haben in Vancouver die letzten Pigmente für unsere ohnehin schon vom heimischen Brutkasten verwöhnte Haut erhascht, sind auf Vancouver Island mit eingezogenen Bäuchen durch Höhlen gekrabbelt, haben unseren ersten Bären gesehen, Lachse gezählt (und gegessen), unsere Waden beim Wandern ordentlich glühen lassen, sind im Regen durch die Idylle gepaddelt, haben uns immer wieder aufs Neue von der Natur, ihren jahrhundertealten Bäumen mit elefantenschenkeldicken Durchmessern, den riesigen Berghaufen, den Weiten der türkisblauen Seen und der Freundlichkeit der Kanadier begeistern lassen.

    Wir haben übrigens auch ziemlich flott ein Auto gefunden: Travel Toni. Unseren Dodge Grand Caravan. Der Name stammt noch von seiner Vorbesitzerin Sabrina. Die hat einen Freund, der um die Welt reist und sich dafür auch einen eigenen Sticker gegönnt hat. Und der lachte uns direkt von der Kofferraumklappe an. Travel Toni sieht ein bisschen aus wie Jesus. Also ein Reiseschutzpatron mit fescher Frisur? Passt, dachten wir. Und haben noch ein Paar Wackelaugen drauf geklebt. Für die persönliche Note Glamour. 

    Travel Toni hat nicht nur das Reisen um einiges erleichtert, sondern auch unser Sparschwein. Zum einen, weil in Kanada - je nach Provinz - immer noch mal zarte 12% des Kaufpreises als zusätzliche Steuer abgehen, zum anderen weil man ohne einem gut gebügelten Nachweis über 10 Jahre unfallfreies Fahren ziemlich viele Scheine für die Versicherung hin blättert. Und so sind wir an einem harmlosen Dienstagnachmittag mal eben $4,000 los geworden. Der Prozess des Umschreibens bei der hiesigen Versicherung ist übrigens recht flott gemeistert: 2 bis 3 Unterschriften. Kreditkarte glühen lassen. Kennzeichen wechseln. Tàtà! Travel Toni war nun ganz offiziell unser neues Heim auf vier Rädern. 

    Nach 2 Runden beherzten Aussaugens, 70 verschrubbten Desinfektionstüchern und 35 Wattestäbchen war der Dreck der letzten 13 Jahre aus den Lamellen verschwunden. Eine Wonne für den inneren Spießer. 
    Unser Hab und Gut in 5 Kisten verstaut, die dekadente Ikea-Matratze mit unseren Schlafsäcken bezogen und Toni war komplett für die Reise frisiert. 

    Das Leben auf 6 Quadratmetern lässt einen übrigens ziemlich schnell zum Hygiene-Schmarotzer werden: Zähne putzen auf dem Walmart-Klo oder heimlich nachts auf Campingplätze schleichen, um eine überfällige Dusche zu ergaunern. Auch das Odeur mit Zwiebel, Knoblauch, Weichkäse und nassen Schuhen zu teilen, sorgt beim Türenöffnen immer wieder für einen Krieg der Düfte. 

    Reisen im Auto lässt einen aber auch erkennen, wie wenig man eigentlich braucht. Und wie schön es ist, morgens über die beschlagene Scheibe zu wischen und der Sonne beim Aufgehen zuzusehen. Anhalten zu können, wo man will, frühstücken zu können, wo man will und genießen zu können, wo man will.
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