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  • Day 138

    Aljucén - Alcuéscar

    April 10, 2017 in Spain ⋅ ⛅ 21 °C

    Die gestrige Herberge war in ihrer Ausstattung für mich die bisher Beste auf der Via. Leider habe ich keine Fotos gemacht, aber in meiner Erinnerung wird sie bleiben.

    Die Nacht war mäßig. Das lag vielmehr am Bett. Es handelte sich wieder um ein Doppelstockbett. Es sah eigentlich recht stabil und wackelfest aus, aber das war es nicht. Jede kleinste Bewegung von dem Mann unter mir reichte zum schwanken aus. Und er bewegte sich nach meinem Empfinden sehr häufig. Ja es machte mich sogar etwas wütend, so dass ich mich mit Absicht auch ein-zwei-mal stärker hin und her wälzte. Damit hoffte ich für ihn, dass er ein Gefühl dafür bekam, wie das eben so ist. Gegen 05:15 Uhr standen schon die ersten auf. Es waren Franzosen. Licht im Bad an, Tür auf und Tür zu, am Rucksack herum packen, wieder Bad, Tür auf Tür zu Rucksack, am Bett fummeln. Die versuche dabei leise sein zu wollen, störten mich am meisten. Egal. Die Nacht ist vorbei und ich stand mit einem strengen Blick zu meinem unter mir liegenden Bett-Nachbar auf. Ich nahm meinen bereits erneut am Abend zuvor gepackten Rucksack, meine Gürteltasche und Brille und verließ das Zimmer. Draußen zog ich mich an, bei langsam immer nervöser werden Mitpilgern, denn das Frühstück wurde schon am Abend zuvor bereitgestellt. Man möchte ja schließlich nicht nur bei den Unterkünften der oder die Erste sein ;-)

    Gegen 06:20 Uhr verließ ich die Albergue und machte mich auf dem Weg. Vorbei an dem Kiosko von gestern Abend, wo ich gut und günstig gegessen habe. Vorbei an der alten Kirche, welche von zwei Palmen eingerahmt war und vorbei an einem noch zu dieser Zeit beleuchteten Brunnen. Die kleine Ortschaft war schnell durchquert und ich musste erneut wegen der Dunkelheit meine Stirnlampe aufsetzen. Der Weg folgte einer alten Landstraße. Diesmal war wirklich niemand unterwegs. Der Mond schien sehr hell, es war zunehmender Mond - fast Vollmond. Ich überquerte den Rio Aljucén, kam an einer verlassenen Tankstelle vorbei und betrat den Parque Natural "Cornalvo". An einigen Schaubildern konnte man etwas zur Flora und Fauna erfahren, aber leider alles auf spanisch. Die Bilder waren aber sehr gut gestaltet. In weiter Ferne hörte man sehr leise aber präsent, die Autobahn. Und wenn ich stehen blieb, wurde ich von einem herrlichen Konzert der verschiedenen Vögel, leisen Kuh- und Schafsglocken und entferntem Hundegebell eingenommen. Einfach Fantastisch und völlig kostenlos. Immer wieder blieb ich so stehen und lauschte dem Konzert. Gaaaaanz laaaaangsam ging die Sonne auf und durch den Tau tauchte sie die Umgebung in eine glitzernde, mit blühenden Blumen und Pflanzen bestückte Landschaft. Dazu dann noch das Konzert der Tiere. Es war einfach wunderschön. Von dem Konzert nahm ich Audiotöne auf, mal sehen ob die zu Hause auch noch so gut klingen.

    Es ging gute 2 Stunden durch diesen Park. Hin und wieder mussten erneut ein paar Gatter geöffnet und auch wieder verschlossen werden. Rinder und Kälber lagen nur 5 m von mir frei auf den Wiesen und kauten genüsslich vor sich hin. Manchmal gab es kleine Steigungen, aber die sind eigentlich keine Erwähnung wert. Ein kleiner Bach musste über Steine überquert werden und dann verließ man den Naturpark. Aber es blieb weiterhin so schön. Blühender Lavendel, Ginster und Zistrosen, schmückten nun den Weg. Der Geruch war überwältigend.

    Heute wollte ich mit Absicht keine lange Etappe machen. Es sollten 20km sein, denn heute war mein Geburtstag und den ich wollte ihn in einer schönen Atmosphäre verbringen. Leider gab es in Alcuéscar kein Hotel oder andere nette Unterkunft für mich alleine, so dass ich wohl dann in die Albergue der "Kongregation der Brüder und Schwester und der Armen" gehen musste. Es war nicht nur eine 100 Betten Herberge (ich bezweifle sehr, das diese voll geworden wäre), sondern auch eine Wohnstätte für Behinderte. Auf Spendenbasis, gab es ein gemeinsames Abendessen und Andacht. Hmm... habe ich darauf an meinem Geburtstag wirklich Lust? Nicht wirklich. Ich las meinen Reiseführer erneut und benutzte Google. Bei Google wurde ich nicht fündig. Aber in einem meiner Reiseführer stand etwas von einer Deutschen, die hieß Dorothea und sie möchte eine kleine private Herberge für Pilger aufbauen. Zum Stand der Redaktion 2016, war Dorothea noch nicht sehr weit mit dem Aufbau der Pilgerherberge. Jedoch nehme sie bei Voranmeldung Pilger auf. Das klang zwar etwas unsicher, aber es war besser als die Alternative noch weiter zu gehen und in ein noch kleineres Dorf zu gelangen, wo es keine Einkaufsmöglichkeit gab. Das war mir dann doch nicht so recht. Also rief ich Dorothea an und sie ging auch gleich an das Telefon. Eine sehr freundliche und offene Stimme. Wir duzten uns gleich und sie sagte, klar könne ich bei ihr übernachten. Im Moment wäre ich auch der einzige. Wo ich den wäre? Ich sagte ihr, dass ich bereits in Alcuéscar bin und an dem Konvent stehe. Sie beschrieb den Weg zu einem Café, welchen in 5 Minuten entfernt lag. Sie sei gerade noch in der "Landschaft unterwegs", käme aber in 15 Minuten vorbei und hole mich ab. Gesagt getan. Ich ging zu dem Café, wo der Besitzer gerade den Fußboden mit Wasser säuberte Deshalb konnte ich dort keinen Kaffee trinken. Dann stellte ich mich eben daneben. Sie wird mich schon finden. Und tatsächlich. Nach guten 20 Minuten kam eine schwungvolle ältere Dame und fragte mich auf deutsch, ob ich Guido sei - sie sei Dorothea. Eine sehr nette Frau. Sie kam zu Fuß und wir gingen kurz durch zwei Gassen und waren auch schon bei ihr. Sie wohnt in einem Haus und teilt ihre Wohnung mit pilgern. Sie gibt Auskünfte zu Herbergen, dem Weg, der Stadt und Einkaufsmöglichkeiten. Ich hatte viele Fragen 😬. Aber sie leider keine Zeit. Sie hätte noch Besuch. Es waren zwei Klientinnen, welche sie noch zum Flughafen von Sevilla bringen muss und käme erst gegen 20:00 Uhr wieder zurück. Sie zeigte mir alles was zu beachten ist und auch, wenn neue Pilger kämen und überließ mir einen Schlüssel zu ihrer Wohnung. Was für ein Grundvertrauen in Menschen muss diese Frau haben? Einfach toll. Sie war die Via schon 3,5 mal gegangen sagte sie. Auch die anderen großen Jakobswege habe sie schon gemacht. Im Flur hingen die Pilgerausweise mit den Stempeln und die Urkunden. So wie ich ihre Wohnungseinrichtung deute, arbeitet Dorothea mit Heilsteinen. Das Wasser holt sie immer aus einer Quelle in der Nähe und hat es auch mir empfohlen. Wer mich kennt weiß, dass ich jetzt schon begeistert bin.

    Als Dorothea mit den zwei Klientinnen weg war, wusch ich meine Wäsche und duschte. Dann klingelte es auch schon zum ersten Mal. Ich ging hinüber und öffnete. Es war Kai, welchen ich in der dritt vorletzten Herbergen kennengelernt hatte. Er war aus Hannover und hat eine Tochter. Auch ein ganz netter Kerl. Der machte jedenfalls große Augen als ich die Tür öffnete. Ich zeigte und erklärte ihm alles und kam mir dabei wie ein Hospitaliero vor. Ein saugutes Gefühl. Einkaufen musste ich auch noch, denn alle meine Reserven sind durch das vergangene Wochenende drauf gegangen.

    Kai und ich quatschten erst einmal eine Runde lang. Dann wollte er einkaufen gehen, was nicht ging, weil alles zwischen 13 und 17 Uhr geschlossen hatte. Irgendwie wollte er es nicht ganz glauben. Also ging er los und kam geläutert nach 30 Minuten zurück. So quatschten wir weiter, wobei er sich über sich selbst wunderte, warum er mir als eigentlich wildfremden Menschen so viel privates aus seinem Leben erzählte. So ginge er die Via, um am Ende eine Entscheidung zu treffen. Letztes Jahr sei er den Camino del Norte gegangen und habe eine Frau kennen und lieben gelernt. Nun gehe er die Via, um zu erfahren, welche Entscheidung am Ende die Beste sein sollte. Neue Liebe oder alte Liebe. Und noch so andere Dinge kamen auf den Tisch, außer was zu essen. Wir hatten Hunger und so gingen wir kurz vor 17:00 Uhr los, um rechtzeitig was zum Essen kaufen zu können. Aber Pünktlichkeit von Öffnungszeiten, wird in Spanien anders definiert. So gingen wir zuerst in die Kirche und konnten dort zusehen, wie "Jesus auf dem Pferde" zum bald beginnenden Osterfest sauber gemacht wurde. Es handelte sich dabei um eine 1:1 Statue. Den Altar zeigte man uns auch voller Stolz. Machte sogar die super Beleuchtung dazu an und erklärte uns, das die Madonna dort im Altar die Schutzpatronin des Ortes sei. Voller Ehrfurcht und Demut gingen wir einkaufen. Nach dem Einkauf trafen wir auf dem Rückweg Nico, ein junger studierender Däne, der mit seinem Vater auf der Via unterwegs ist. Der Vater hat unglaublich viel Blasenpflaster an den Füssen . mindestens 15 habe ich gezählt. Nico erwähnte, dass er in dem Konvent sei und dort eine ganz schreckliche Atmosphäre herrsche. Wir waren froh bei Dorothea untergekommen zu sein. Zurück gab Brot, frisches Gemüse und eingekochte Bohnen. Dazu Weißwein - lecker. Und natürlich haben wir wieder gequatscht. Alles in allem ein schöner Abend.

    Motto von heute: Trau dich!
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