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  • Day 84

    ...in 80 Stunden nach Hause

    March 31, 2020 in Peru ⋅ ☁️ 25 °C

    Am 16.3.20 sind wir mehr als erleichtert, als wir bei Franziska und ihrer Familie ankommen und wir uns somit während der Quarantäne an einem sicheren Ort befinden. Trotzdem tragen wir uns in eine Liste des EDAs und der Schweizer Botschaft ein, um in naher Zukunft von einer Rückholaktion zu erfahren und hoffentlich auch zu profitieren. Nachdem wir das gemacht haben ist unsere Geduld gefragt. Leider hören wir lange nichts vom EDA und haben uns überlegt auf eigene Faust ein Flug zu buchen. Nachschauen kostet ja nichts, denkt sich Thomas: Air France ab Lima nach Paris am 31.3.2020: EUR 25'000 für zwei Personen... OK, aber immerhin Business, denkt er sich. Wie wäre es am 4.4.2020: EUR 15'000 für zwei Personen? ...OK, Laptop zu, "Ramona, ich glaube wir bleiben noch ein bisschen!!"
    Nebst den enorm hohen Preisen, war es zudem unsicher, ob die angebotenen Flüge auch effektiv fliegen würden. Zudem ist es aufgrund der Quarantäne unmöglich auf eigene Faust irgendwie nach Lima zu gelangen, ausser man wäre ein Hund, denn nur diese können sich aktuell ohne Einschränkungen weiterhin bewegen.

    Ein paar Tage später sollte es dann klappen. Laut dem EDA bekommen wir einen Platz im Flieger am Mittwoch dem 25.3.2020. Das heisst, dass wir am 24.3.2020 in Juliaca in ein von der Botschaft organisiertes Taxi steigen sollen um so nach Cusco zu gelangen. Nach einer Nacht in Cusco in einem Hotel, würden wir am nächsten Tag, 25.3.2020 mit einem gecharteten Inlandflug nach Lima fliegen um von dort am späteren Nachmittag mit der Edelweiss nach Hause zu kommen. Alles ist anscheinend organisiert und geplant, unsere Rucksäcke gepackt als wir am 24.3.2020 morgens die Nachricht erhalten, dass wir heute doch nicht reisen können. Der Inlandflug von Cusco nach Lima wurde von der peruanischen Regierung nicht bewilligt. Wir sollen bis auf weitere Anweisung der Konsularin und des EDAs dort bleiben wo wir sind, so heisst es. Tja, bleibt uns ja nämlich nichts anderes übrig...

    Für den zweiten organisierten Flug vom 31.3.2020 sollte es dann endlich klappen, so im E-Mail des EDAs. Die Reise nach Lima soll aber anders ablaufen als wie im ersten Anlauf geplant. Da das EDA und die Schweizer Botschaft in Lima keine Chance haben, einen Inlandflug nach und von Cusco zu organisieren, wird auf den Landweg ausgewichen. Bedeutet, dass am 29.3.2020 in einem Konvoi die meisten in Cusco und Umgebung steckengebliebenen Schweizer Reisende mit mehreren Bussen von Cusco nach Lima gefahren werden. So müsste uns wiederum ein Taxi von Juliaca nach Cusco bringen, sodass wir mit diesen Bussen nach Lima gelangen. Dafür bekommen wir Hilfe vom Konsulat in Cusco, in Person eine Frau Dätwyler. Sie ist sozusagen die lange Hand der Botschaft in Lima. Unsere erste Etappe ist in geheimer Mission, wir dürfen niemandem etwas weitersagen, da vor allem die Medien in der Schweiz "keine grosse Hilfe seien", wenn sie bereits Wind davon bekommen und die Leute spekulieren und falsche Hoffnungen walten lassen.

    Und dann sollen sie also beginnen, die 4-Tage-lange Reise nach Hause...

    Am Sonntag, 29.3.2020, 7.00 Uhr werden wir auf dem Plaza Bolognesi in Juliaca erwartet. Edgar und Antony begleiten uns glücklicherweise mit dem Fahrrad und befördern unsere schweren Rucksäcke. Alle ausgestattet mit Mundschutz, was für die Reise obligatorisch ist. Falls man keinen Mundschutz kaufen könne, muss man sich eine basteln, wird uns mitgeteilt.
    Manuel, ein von Frau Dätwyler organisierter Taxifahrer, soll uns in ca. 6 Stunden mit einem weiteren Schweizer Paar, aus Puno kommend, nach Cusco fahren. Dass er es in weniger als 5 Stunden schaffen wird, ist uns in diesem Moment auch egal - wir sagen euch; Er ist gefahren wie Sau!! Anyway. Als ehemaliger Tourguide, hält er das eine oder andere Mal sogar an und fordert uns auf von den schönen Alpacas und Lamas oder einer alten Inkaruine ein Foto zu schiessen. Er hat einen cheiben Spass und so schafft er es bei uns die etwas angespannte Stimmung immerhin es bitzli aufzuheitern.
    Nach unzähligen Polizeistopps und -kontrollen (ein Polizist kurz vor Cusco ist trotz vorhandenen Botschaftsdokumente ziemlich hartnäckig und lässt uns lange 5 Minuten warten um uns schliesslich nach einem unnötigen Telefongespräch lässig durchzuwinken). Merci!! Wir versuchen ihm unsere Stimmung mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zu zeigen, aber das klappt mit einer Gesichtsmaske im Gesicht leider nur bedingt.
    In Cusco werden wir von einem Mitarbeiter der Frau Dätwyler im Schweizerischen Konsulatsgebäude erwartet. Er kocht uns ein leckeres Mittagessen, sodass wir gestärkt um 17.00 Uhr auf den Bus nach Lima fahren können. Manuel, unser Taxifahrer, meint es gut mit uns und fährt uns bis zu diesem Treffpunkt, wo wir nicht die Ersten sind. Nach einer kurzen Registration bei Frau Dätwyler, können wir auf das von der Polizei bewachte Busareal vorschreiten, wo wir nacheiander, im Abstand von 1.5 Metern stehen bleiben und wieder warten müssen. An dieser Stelle stehen wir dann anderthalb Stunden, bis alle ca.120 angemeldeten Personen hier in einer Reihe stehen, die ganze Zeit bewacht von mehreren Dutzend Polizisten. Während der Wartezeit dürfen wir uns auf einer weiteren Liste eintragen und müssen sicher stellen, dass wir die Einverständniserklärung für die Rückbringung in die Schweiz ausgefüllt und dabei haben.
    Als es dann endlich weiter geht, laufen wir gestaffelt zum nächsten Checkpoint um dort unsere Körpertemperatur messen zu lassen. Nach dieser Kontrolle dürfen wir erneut warten. Zumindest können wir von hier aus die Busse schon sehen. Nach einer weiteren halben Stunde, mittlerweile ist es am eindunkeln, schaffen wir den letzten Schritt, den Schritt in einer der Busse, der uns hoffentlich nach Lima bringen wird. Die Personen hinter den zwei provisorisch aufgebauten Pulten vor den Bussen bitten erneut nach dem Pass und vergleichen unsere Daten ein weiteres Mal mit einer Liste.
    Schliesslich werden wir der Busnummer 1 zugewiesen. Sehr höflich und hilfsbereit werden wir beim Verladen unserer Rucksäcke unterstützt bevors dann in den Bus geht. Die Plätze dürfen wir selber auswählen. Auf jedem der Bussitze befinden sich eine Tüte mit Snacks, Getränke, eine WC-Rolle und einen Müllsack. Mit all diesen Sachen und mit dem selber mitgebrachten Proviant sollten wir die nächsten 20 Stunden Busfahrt sehr gut klarkommen. Mit einer Stunde Abfahrtsverspätung geht es am Abend des 29. März endlich los. Unser Konvoi stellt sich auf in: Polizeiauto, Minivan mit Botschaftsmitarbeitern, 4 Reisebusse und wieder ein Polizeiauto (beide mit Rotlicht). Während der Fahrt wird der Konvoi immer wieder von Polizeikontrollen angehalten. Geschlafen wird nicht wirklich viel. Man ist mehr damit beschäftigt eine angenehme Sitzposition zu finden.
    Am Morgen, es ist draussen schon hell, erwachen wir in einem stehenden Bus. Ist ja nichts aussergewöhnliches denken wir uns. Aber trotzdem sind die nachfolgenden Busse nicht hinter uns. Nach ein paar Minuten weist uns ein "Mitreisender" darauf hin, dass angeblich Bus Nr. 3 einen Unfall hatte. Erschrecken und Ungewissheit macht sich breit... Einige schreiben Whatsapp mit den Personen die im Unfallbus sitzen, andere lesen die Nachrichten vom EDA oder andere Medien, die schon fast zeitgleich in der Schweiz berichten. So tauchen schon bald Bilder des Unfallbusses auf. Es gibt keine Verletzten, dann heisst es wieder Schwerverletzte, aber 'nur' der Buschauffeur usw. Wir sehen wieder einmal wie unseriöser Journalismus funktioniert und dies zu Verwirrung und zu noch mehr Panik unter den Leuten führt.
    Nach drei Stunden warten, verarzten, organisieren, werden die Personen aus dem Unfallbus auf die Busse 2 und 4 verladen, sodass die Reise fortgeführt werden kann. Eine "offizielle" Information über den Vorfall erfahren wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Jetzt heisst es aber sputen. Mehrmals wurde gesagt, dass wir vor der totalen Ausgangssperre, also vor 20.00 Uhr in Lima sein müssen, da wir sonst aufgehalten werden und die Nacht im Bus verbringen müssen. Der Adrenalinspiegel steigt ein weiteres Mal.
    Die weitere Fahrt nach Lima verläuft glücklicherweise ohne weiteren Vorfälle. Kurz nach 20.00 Uhr fahren wir in Lima ein. Die Autobahnen sind leer, keine Menschen auf der Strasse und wir werden sogar von der Polizei durchgelassen und gelotst, dank Vermittlung der Schweizer Botschaft. Endlich bleibt der Konvoi vor einem grossen Hotelgebäude stehen. Es heisst für uns nach 26 Stunden Busfahrt: Rucksäcke fassen, einchecken, Zimmer beziehen, im 21.Stock Abendessen, zurück ins Zimmer um zu Duschen und endlich zu Schlafen. Nächster Treffpunkt 9.15 Uhr vor dem Hotel.

    Nach einer erholsamen Nacht stehen wir mit unserem Gepäck um 9.15 Uhr vor acht aufgereihten Bussen, die uns zum militärischen Flugplatz in Lima bringen. Erneut in einem Konvoi fahren wir eine Stunde quer durch die Stadt. Am militärischen Flugplatz angekommen, werden wir gebeten die Busse zu verlassen und uns mit unserem Gepäck unter die grossen, weissen Zelte zu begeben. Dort stehen in mehreren Reihen im Abstand von 2m Stühle, wo wir Platz nehmen müssen. Wir erhalten den Ausreisestempel und werden auf einer Liste eingetragen. Unser Gepäck wird in der Mitte der Stuhlreihen ausgelegt, von den Drogenspürhunden beschnuppert und schliesslich in Gepäckanhänger verladen. Anschliessend steigen wir wieder in die Busse um ein paar Minuten zum Flugzeug zu fahren. Vor dem Flieger bleiben die Busse stehen. Wir beobachten wie der Flieger für den Abflug bereitgemacht, die Edelweiss-Crew vorgefahren wird und kurze Zeit später das Flugzeug betritt. (Thomas fragt sich noch, wer wohl den Schlüssel für den Vogel hat!?) Nach wieder einer Stunde warten können die ersten Personen den Flieger betreten. Die Mitarbeiter/innen der Schweizer Botschaft verabschieden sich winkend von uns und ein Augenblick später werden wir an Board mit einem lächelndem Grüezi begrüsst. Gegen 16.30 Uhr fliegt das Flugzeug mit uns und vielen anderen von Lima in Richtung Zürich, ab nach Hause.

    Kein Scherz, wir landen am Mittwochmittag, 1. April wohl behalten nach 12.5 Stunden Flug in Zürich und stehen wenig später Zuhause ein bisschen "näb de Schuäh" in unserer Wohnung.

    Eine bis anhin unglaublich schöne Reise mit einem noch unglaublicherem Ende. Mit den (knapp) 80 Stunden (auf der Flucht?) beenden wir viel früher als geplant unsere Reise. Das doch sehr abrupte Abbrechen unserer halbjährigen Reise fällt uns schwer, sind aber gleichzeitig froh zumindest in der Nähe unserer Liebsten zu sein. Es ist komisch und wir sind verwirrt. Immer noch, trotz einer langen Heimreise. Zutiefst dankbar sind wir aber für die vielen unvergesslich schönen Momente in Südamerika, die uns positiv nach Vorne schauen lassen.

    Heute heisst es Tag für Tag zu nehmen und gesund zu bleiben. Daher grüssen wir euch aus der Selbstisolation (diesmal von Zuhause) und drücken euch digital, aber hoffentlich schon bald wieder so richtig richtig!

    Ob wir irgendwann und irgendwo weiterreisen werden? Bestimmt! :)
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