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  • Day 9

    Geschichte, Natur und Kultur Bosniens.

    April 28, 2019 in Bosnia and Herzegovina ⋅ ☀️ 19 °C

    Der Tag startete gut. Obwohl ich jede Stunde aufgrund eines Hustenanfalls aufwachte, schlief ich gut und mein Tag begann halbwegs energiegeladen. Für heute hatte ich nämlich einen Tagestrip geplant um die atemberaubenden umliegenden Orte zu besuchen. Mein Hostel bot solch eine Tour an der ich mich schließlich anschloss. Gott sei Dank war ich einigermaßen fit!
    Unsere Gruppe bestand nur aus Mädls, einer US-Amerikanerin, einer Australierin und einer Japanerin. Neno, unser Guide führte uns zunächst zu einer versteckten Flugzeughalle in der Nähe des Flughafens, die während des Krieges gebaut wurde, um Kampfflugzeuge schnell verschwinden zu lassen bzw. zu verstecken. Diese Halle, bzw. der Tunnel ist ca. 600m lang und stockduster. Erst in den 2000ern wurde diese Halle entdeckt und mit ihr Dokumente die wohl beschreiben wie man in dieser 7 Monate überleben konnte, auch bespielsweise nukleare Angriffe. Es gab Toiletten, Duschen..aber es war natürlich alles schon geplündert worden. Es war wirklich gruselig, aber auch echt beeindruckend. Es würde mich nicht überraschen wenn man noch weitere solcher Bauten findet.
    Unser nächster Stop war Blagaj, ein kleines Dorf dessen größte Attraktion ein heiliges Haus ist, welches direkt unter einer riesigen Felswand gebaut ist. Es gebe hier wohl eine spirituelle Energie. Okay. Von was ich mich aber definitiv überzeugen konnte, war die Reinheit des Wassers. Der Fluss Buna entspringt nämlich nur wenige Meter von dem gerade angesprochenen Haus, sodass das Wasser, das hier floss wohl als das reinste im ganzen Balkan gilt. Abgesehen davon, dass ich keinen Sinn für spirituelle Dinge habe, war es wirklich schön anzusehen. Der nächste Stop war Počitelj, eine Stadt die während des osmanischen Reiches entstand und ein sehr altertümliches Flair hat. Während des Krieges wurde hier sehr viel zerstört, sodass die gesamte Bevölkerung, geschätzt auf 900 Menschen, fliehen musste. Knapp 70 kehrten zurück und leben in der sehr verlassenen aber zum Teil rekonstruierten Stadt. Die älteren Damen versuchen auch vom Tourismus zu leben, in dem sie Früchte aus ihren Gärten oder frisch gepresste Säfte verkauften. In Deutschland werde ich wohl den frisch gepressten Granatapfelsaft vermissen. Um den höchsten Punkt der Stadt zu erreichen, musste man gefühlt 1000 Stufen zurücklegen. Und es war so warm. Angekommen hatten wir einen fantastischen Blick über die Stadt. Die Ruine, zu der wir hoch stolzierten war alles andere als EU-konform. Ich hätte bestimmt 20 mal stürzen können, nichts war gesichert - aber ich lebe noch. Es hat sich auch wirklich gelohnt. Auf dem Weg zum nächsten Stop hielten wir bei einem Bäcker, wir hatten nämlich Hunger. Es war sehr amüsant, denn die Mädls sprachen nur Englisch und die Verkäuferin Bosnisch und Deutsch und so fand ich mich schnell in der Rolle der Dolmetscherin wieder. Deutsch - Englisch. Englisch - Deutsch. In Bosnien. Sachen gibts! Weiter ging es zu den Kravice Wasserfällen. Auf dem Weg fiel uns auf, dass überall kroatische Flaggen hingen. Aber wir dachten uns nichts dabei. Angekommen bestaunten wir den unglaublich schönen Wasserfall. Wow! Das übertrifft definitiv jeden anderen, den ich bis jetzt gesehen habe. Im Café bestellte jemand einen typisch bosnischen Kaffee. Die Antwort: Wir sind nicht in Bosnien. Sowas gibt es hier nicht. Das muss man sich mal klar machen: Wir befinden uns in Bosnien und man sagt uns der Teil gehöre nicht zu Bosnien. Wir waren entsetzt. Natürlich wussten wir von dem nach wie vor existierenden Konflikt, aber wie zuvor beschrieben merkte man als Tourist nichts davon. Bis jetzt. Das erklärte auch die unzähligen kroatischen Flaggen, denn der Teil in dem wir uns befinden ist der Teil, den die bosnischen Kroaten für sich beanspruchen wollten und als Teil des großen Kroatien sehen. Immernoch. Desweiteren findet man Bilder und Grafittits des Mannes der in Den Haag vor dem UN-Gerichtshof als Kriegsverbrecher wegen Völkermordes verurteilt wurde, von den kroatischen Bosniern aber noch heute als Volksheld gefeiert wird und dementsprechend an jeder Ecke auftaucht. Da kann man sich echt nur wundern. Der Hass und der Konflikt hat nach wie vor Bestand zwischen den ethnischen Gruppen. Und das spürte man in dieser Gegend deutlich. Ich habe mich wirklich gefragt wie man das ändern kann in der Zukunft. Wie kann man ein so gespaltetes Land wieder zusammenführen? Das kann man nicht indem man die Ethnien teilt, unterschiedliche Geschichtsinhalte lehrt und die Vergangenheit nicht aufarbeitet. Auf meine Frage hin, ob der Hass nur von der älteren Generation aufgrund des Krieges gelebt wird oder auch von den Jungen, entgegnete Neno mir, dass der Hass unter den Jugendlichen das eigentliche Problem ist. Großeltern, Eltern, Geschwister, Lehrer erzählen den kleinen immer die gleichen Geschichten, sodass die Geschichte zur eigenen Wahrheit und schließlich gelebt wird. Vielleicht muss man das Territorium wirklich teilen? Aber das macht doch keinen Sinn. Bis zum Fall Jugoslawiens lebten doch auch alle friedlich zusammen. Es muss wohl ein(!) menschlicher, nicht korrupter und neutraler Politiker ran um die Sache in den Griff zu bekommen. Aber ohne Intervenieren eines Drittstaates, wird das definitiv nichts. Wirklich traurig.
    Mehr geschichtlichen Hintergrund erfuhren wir auf dem Hum Hill. Vom Hum Hill hat man einen großartigen Blick auf Mostar, dadurch war der Berg optimal um auf Mostar zu schießen, Mostar zu bombardieren, die Stadt militärisch zu kontrollieren. Mit dem Wissen fühlte es sich merkwürdig an hier zu stehen. Überall sind noch Minen, deswegen musste man äußerst vorsichtig sein, aber Neno hatte alles unter Kontrolle, also watschelte ich ihm einfach nach. Wir liefen zu einem halb eingestürzten Bunker und ich fand eine Patronenhülse einer Kalaschnikoff 47, wie mir Neno schließlich erklärte. Das war wirklich gruselig zu wissen, dass diese Patrone vielleicht ein Menschenleben auf dem Gewissen hat.
    Wir fuhren zurück ins Hotel indem unsere Hostelmama mit Pancakes auf uns wartete. Sehr lecker. Später ging ich mit den Mädels und Ahmed noch essen und wir ließen den Abend gemütlich ausklingen.
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