Satellite
  • Day 63

    Teil 2: Lage imposant, Stätte überfüllt

    March 4, 2020 in Peru ⋅ 🌧 17 °C

    Pancakes irgendwo im Nirgendwo. Wir sind begeistert, was unser Koch Juan mit seiner minimalen Küchen-Ausrüstung für uns bereits zum Frühstück herzaubert. So gestärkt verlassen wir frühmorgens unser Nachtlager. Heute geht es stetig abwärts, über eine saftig grüne Ebene, über kleine Bäche, vorbei an winzigen Siedlungen, die aus ein paar Häusern mit Strohdächern bestehen. Die Vegetation beginnt sich nun langsam zu wandeln. Es wird deutlich wärmer, mehr Mücken schwirren um uns herum und von den Pflanzen her fühlt man sich allmählich dem Dschungel nahe. Julio erklärt uns wiederum viel von seiner Kultur und dem Leben im ländlichen Peru. Wir erreichen nach ein paar Stunden unser nächstes Nachtlager. Was für ein Luxus: Es gibt sogar ein WC und zwei Duschen. Schnell hüpfen wir darunter, bevor die anderen zwei Gruppen ankommen. Die Duschen sind eiskalt und haben nur einen schwachen Strahl. Sie entsprechen auch nicht gerade dem, was wir gemeinhin als hygienisch bezeichnen würden und es tummeln sich zig Insekten in der kleinen Kabine. Es ist seit unserem Aufbruch jedoch die erste Möglichkeit zu duschen – und diese Gelegenheit wollen wir natürlich nicht verpassen. Am späteren Nachmittag besuchen wir die oberhalb des Nachtlagers gelegenen Inka-Ruinen gemeinsam mit Julio. Am Abend verwöhnt uns die Küchen-Crew nochmals so richtig und die Präsentation der Speisen ist der Wahnsinn: Es gibt Kartoffelknödel in Lama-Form, aus Karotten geschnitzte Rüebli und einen Schwan aus Sellerie. Dieses Abendessen stellt auch das Schlussfeuerwerk dar, anderntags werden sich Juan und sein Küchengehilfe leider bereits verabschieden. Zum feinen Znacht gönnen wir uns ein Bier, zumal wir den grössten Teil der Wanderung nun hinter uns haben. Wir verbringen einen wirklich gemütlichen Abend mit unserer tollen Gruppe, die aus zwei Kanadiern, einem Paar aus Australien, einem Neuseeländer und drei Briten besteht. Alles sehr „gmögigi“. Wir sitzen bei ein paar weiteren Bierchen und Musik von Scooter (das war nicht unsere Idee!) zusammen und sind anscheinend etwas zu gemütlich: Irgendwann werden wir von Wanderern einer anderen Gruppe gebeten, nun endlich ruhig zu sein und ins Bett zu gehen. Der Australier Tom meint dazu lakonisch, das sei das erste Mal, dass er bereits vor 21 Uhr gescholten worden sei, weil er zu laut war.

    Der nächste Tag kommt uns im Vergleich zu den ersten Tagen mehr wie ein Spaziergang vor. Nur noch einen kurzen, steilen Anstieg müssen wir überwinden. Wir werden dann mit einem Blick auf eine schöne Inka-Siedlung belohnt. In einem kleinen Dorf angekommen, warten wir auf den Minibus. Er bringt uns nach Ollantaytambo, von wo aus wir mit Peru-Rail nach Aguas Calientes fahren. Es ist ein sehr vornehmer und moderner Zug, in welchem uns das Personal Kaffee und einen feinen Schokoladenkuchen serviert. Durch die Panoramafenster können wir beobachten, wie sich die Vegetation nochmals stark verändert. Von grünen Hügeln kommend, dringen wir in den feuchteren und dichter bewachsenen Dschungel vor, während wir von gut 2’800 auf rund 2’000 Metern über Meer fahren. In Aguas Calientes haben wir uns Machu Picchu nun schon stark angenähert. Die kleine Stadt, welche am Fluss Urubamba liegt, ist sehr touristisch. Da derzeit aber Nebensaison herrscht, ist die Menge an Menschen noch erträglich. Wir sind sehr erfreut, dass wir in einem einfachen Hotel ein Zweierzimmer mit einem eigenen Bad erhalten. Wir geniessen eine erfrischende Dusche, bei welcher etwa zehnmal so viel Wasser rauskommt wie tags zuvor. In einem peruanischen Restaurant geniessen wir zur Vorspeise Avocados, welche auf der Zunge vergehen, und als Hauptspeisen Lomo Saltado sowie ein feines Quinoa-Gericht. Wir suchen unser Bett wie gewohnt früh auf, weil wir am nächsten Tag vor halb 5 Uhr loslaufen möchten.

    In pechschwarzer Nacht stehen wir dann am anderen Morgen mit rund 100 anderen Personen in der Schlange und warten darauf, den Anstieg nach Machu Picchu in Angriff nehmen zu können. Um 5 Uhr öffnen sich die Tore für den Weg, der über rund 1’700 Stufen zur legendären Inka-Stätte führt. Kaum geöffnet, wird der Weg überrannt. Mit Stirnlampe ausgerüstet, überwinden wir die teils sehr hohen Stufen. Obwohl noch früh am Morgen sind die Temperaturen schon hoch und wir sind aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit nach kürzester Zeit durchgeschwitzt. Die Strecke zieht sich. Immerhin haben wir hier nicht mehr mit der Höhe zu kämpfen. Nach gut vierzig Minuten sind wir oben am eigentlichen Eingang. Und dort treffen wird auf eine Menschenmasse, denn viele Touristen haben von Aguas Calientes her den Bus genommen. Gemeinsam mit Julio betreten wir «seine zweite Wohnung», wie er Machu Picchu schelmisch bezeichnet. In einer etwas ruhigeren Ecke zeigt er uns anhand vieler Visualisierungen, wie das momentan vom Nebel umhüllte Machu Picchu zur Zeit der Inkas ausgesehen haben könnte und präsentiert auch Fotos, die gemacht wurden, als der Amerikaner Hiram Bingham 1911 die Inkastätte entdeckt hatte. Julio lässt ihn allerdings nicht als wahren Entdecker der Kulturstätte gelten, hätten doch Bauern bereits Jahrzehnte zuvor an diesem Ort gelebt, ohne jemandem von der Inkasiedlung zu erzählen. Auf einmal lichtet sich der Nebel und wir können über den mystischen Ort blicken. Die Ruinen an sich sind beeindruckend, für uns noch imposanter ist jedoch die Lage zwischen den steilen Hügeln. Wie kamen die Inkas bloss darauf, an diesem verlassenen Ort und in solch schwierigem Gelände solche Paläste zu bauen?

    In Machu Picchu ist leider alles durchgetaktet. Nach einer gut einstündigen Erklärung von Julio müssen wir uns von ihm verabschieden. Die meisten Gruppenmitglieder haben ein Ticket für den Eintritt zu einem der beiden Aussichtsberge gekauft, für die es ein begrenztes Zeitfenster gibt. Wir wollen auf den Machu Picchu-Mountain. Bis 8 Uhr müssen wir mit dem Aufstieg beginnen. Noch mehr Stufen! Auf einem Schild lesen wir, dass es auf 2’700 Stufen 1’600 Höhenmeter zu überwinden gibt. Wir leiden. Noch mehr als am frühen Morgen. Die Stufen gehen heftig in die Beine. Der Nebel ist wieder aufgezogen und wir fragen uns, ob sich der Aufstieg überhaupt lohnt, oder ob uns der imposante Blick auf die Ruinen verwehrt bleiben wird. Immer wieder glauben wir, die Spitze erreicht zu haben, als sich vor uns weitere Treppen zeigen. Irgendwann werden sie schmaler und das Gelände abschüssig. Da die eine Hälfte von uns es mit der Höhenangst zu tun bekommt (es sind halt nicht seine bekannten Muotathaler Berge), machen wir kurz vor dem Gipfel kehrt. So können wir wenigstens in Ruhe zurückwandern. Irgendwann verschwinden die Wolken und wir haben einen schönen Überblick über die Inkastadt, wo einst ein paar Hundert Inkas, vor allem Priester und Adlige, gelebt haben sollen.

    Auf einem Rundgang um die Ruinen können wir diese nun aus der Nähe betrachten. Wir beginnen, durch die legendäre Inkastätte zu schlendern, es wird uns aber rasch zu viel mit den Menschenmassen. Es gibt viele Gruppen, welche eine Führung machen, und den Weg für die übrigen Besucher versperren. Wir treffen hier auf Touristen, welche wir auf unserer Reise glücklicherweise bisher kaum begegnet sind. Sie foutieren sich um die Regeln und missachten Absperrungen, sind mit sehr schlechtem Schuhwerk ausgestattet oder nur daran interessiert, für die Kamera zu posieren. So versuchen wir, einigermassen zügig, den Rundgang fortzusetzen und sind tragischerweise fast etwas erleichtert, als wir wieder beim Eingang sind. Wie voll ist der Ort wohl in der Hauptsaison? Eigentlich wollten wir uns den Abstieg zurück nach Aguas Calientes zu Fuss ersparen. Aber wir haben das Bedürfnis, raus aus den Leuten zu kommen und ziehen den Fussmarsch einem überfüllten Bus vor. Wieder in Aguas Calientes gönnen wir uns ein leckeres Zmittag, bevor es auf die lange Rückreise mit Zug und Minibus geht. Rund vier Stunden später erreichen wir Cusco, wo wir uns mit Wehmut von den anderen Paaren verabschieden. Es waren tolle, erlebnisreiche fünf Tage! Wir hoffen, die Engländerin Emily und den Neuseeländer Toni in Kolumbien wiederzusehen. Die Routen der anderen Paare decken sich leider nicht mit unseren Reiseplänen.
    Read more