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  • Day 76

    Das Orakel von El Djem

    December 4, 2019 in Tunisia ⋅ ⛅ 20 °C

    Bevor ich mich auf den Rückweg nach Norden begebe, fahre ich noch ein kleines Stück ins Landesinnere, um in El Djem das beeindruckende Amphitheater zu besichtigen. Auf dem Weg dorthin beweisen die Tunesier auf ein Neues, was für ein freundliches und fröhliches Volk sie sind. Ständig winken mir Leute und Kinder fangen am Straßenrand an Tänzchen aufzuführen oder salutieren grinsend, wenn ich vorbeifahre. Von den Mofafahrern werde ich mehrmals zu "Rennen" aufgefordert und die Freude ist ihrerseits riesig, wenn ich dann bei 35 km/h vorgebe, nicht schneller zu können und zum Sieg gratuliere.

    Als ich in El Djem vor der Abfahrt noch tanke und anfrage, ob ich den Gewitterschauer in der trockenen Halle nebenan abwarten dürfte, wird mir dann das volle Ausmaß tunesischer Gastfreundschaft zuteil. Bevor ich recht verstehe, was geschieht, führt mich der Tankstellenbesitzer schon in sein Haus nebenan und stellt mich stolz seiner 102 Jahre alten Mutter vor. Die steinalte Frau sitzt Gebäck mampfend auf einem Sofa, lächelt mich freundlich an und küsst meine Hand, als ich hereingeführt werde. Das altersfreundliche Tropenklima im Wohnzimmer lässt mir unter meiner gefütterten Motorradkluft zwar umgehend den Schweiß ausbrechen, ich möchte mich aber nicht unhöflich breit machen und somit verzichte ich darauf, mich auszuziehen. Dann bekomme ich von der Oma selbst hergestelltes Zuckergebäck gereicht und die Frau des Hauses bringt mir einen Kaffe. Damit ich mich aufwärmen kann, wie mir der Tankstellenbesitzer lächelnd erklärt. Während ich mir gerade den Mund mit Gebäck vollstopfe, beginnt die Großmutter plötzlich damit, mich mit Duftöl aus eigener Herstellung zu parfümieren und schiebt mir anschließend eine Schale mit wohlriechenden Räucherkräutern unter die Nase. Dann schaut sie mich an und meint grinsend, dass wir uns in 10 Jahren wieder hier treffen würden. Genau in diesem Moment hört der Regen schlagartig auf und die Sonne scheint in den Innenhof. Trotz eingelegtem Transpirationsmodus bekomme ich eine Gänsehaut. Schließlich werde ich noch für die weitere Reise gesegnet und bekomme sowohl reichlich Gebäck, als auch Räucherkräuter eingepackt. Dann verabschiede ich mich von diesen drei unglaublich freundlichen Menschen und fahre Richtung Monastir. Bis in 10 Jahren...
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