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  • Tet - Frohes neues Jahr aus Vietnam

    January 28, 2020 in Vietnam ⋅ ⛅ 31 °C

    Frohes Neues Jahr euch allen! Hundert Jahre sollt ihr leben und eine Myriade von Dinge , die ihr euch wünscht, sollen in Erfüllung gehen.

    Ihr fragt euch jetzt: „Häh was haben die denn geraucht? Neujahr war doch vor knapp einem Monat.“ Aber nein, wir haben nichts geraucht (auch wenn Jonas ja schon zwanzigtausend Mal Marijuana angeboten wurde), sondern maximal ein Bier zum anstoßen getrunken und zwar an Tet (Fest des ersten Morgens) oder auch Lunar New Year genannt. Wie der Name schon verrät, richtet sich dieses Neujahrsfest nicht nach dem westlichen Sonnenkalender, sondern nach dem Mondkalender. Deswegen ist Tet auch jedes Jahr an einem anderen Tag. Gemeinsam mit den Vietnames*innen feiern u.a. auch 1,3 Milliarden Chines*innen dieses Neujahrsfest. Für viele Einheimische sind es die wichtigsten Feiertage des Jahres.

    Ihr könnt euch Tet wie Weihnachten und Silvestern in Einem vorstellen und das Ganze dann nochmal um ein paar Prozente steigern. Tet umfasst die drei ersten Tage des Mondjahres, die der Familie vorbehalten sind. Jede weitentfernte Tante/ Cousine usw. wird besucht oder eingeladen. Special Guests sind aber trotzdem willkommen. Denn die ersten Gäste des Jahres sind mitentscheidend über das Schicksal der ganzen Familie im nächsten Jahr. Am meisten Glück bringen übrigens verheiratete, ausländisch Paare mit möglichst vielen Kindern.

    Der letzte Tag des Jahres ist dagegen eher zum Party machen mit Freunden bestimmt und die Tage/Wochen davor sind von großer Betriebsamkeit geprägt. Riesige Einkäufe werden erledigt, Geschenkkörbe gekauft, Essen zubereitet und vor allem gibt es viele Blumen und Pflanzen zu erstehen. Das Äquivalent zum Tannenbaum ist ein Kumquatbaum mit reifen Früchten dran - je größer desto besser. Hinzu kommen verschiedene andere Pflanzen, sodass die Häuser schön grün aussehen und viele Gehwege vollstehen mit riesigen Blumenkübeln. Besonders in Hoi An war es manchmal schwer durchzukommen, vor lauter Pflanzenverkausständen und Blumentransporten.

    Wir haben viele Dinge in der Zeit vor Tet beobachten können, bei denen wir uns nicht sicher waren, ob sie in direktem Zusammenhang mit dem Fest stehen, deswegen haben wir dazu immer etwas recherchiert. Beispielsweise wurde sehr viel geputzt (das Jahr soll mit einem sauberen Zuhause beginnen). So sauber wie zu Tet soll Vietnam angeblich nie sein. Hinzu kam das Verbrennen von viel Papier auf den Straßen. Ob das der Müllbeseitigung oder rituelle Verbrennungen waren, war häufig nicht festzustellen. Große Tische mit Essen wurden mit vielen Räucherkerzen vor Geschäften und Häusern aufgestellt und ansich wurden sehr sehr viele Räucherstäbchen angezündet. Jonas hat gelesen, dass man sich am Ende des Jahres mit dem Küchengott gutstellen muss, der alle Vergehen an den Jade-Emperor weitergibt (was auch immer das dann für Konsequenzen hat). Zumindest helfen die Rituale wohl um im nächsten Jahr gut versorgt zu sein.
    Apropos Essen, es gibt viele Gerichte, die nur an Tet gekocht und verzehrt werden. Wir kamen in den Genuss, Bánh Chưng probieren zu können. Das ist ein Klebereiskuchen, der entweder mit Schweinefleisch oder mit einer Masse auf Mungbohnenbasis gefüllt ist. Das Ganze ist eingewickelt in Bananenblätter, es bekommt dadurch die typische grüne Farbe und ist so längere Zeit haltbar. Zusammen mit Sojasauce ein super Snack und perfekt zum mitnehmen.
    Wir fanden auch heraus, dass es spezielle Tet-Songs gibt. Von einem hatten wir ständig einen Ohrwurm, weil er in verschiedenen Fassungen quasi überall lief. Hier könnt ihr mal reinhören: https://youtu.be/dAdf1yofqmg

    Die Zeit vor Tet war wirklich aufregend. Die Menschen waren sehr geschäftig und an vielen Orten wurden die Stadt dekoriert oder auch repariert. So renovierte ein ganzer Straßenzug an Anwohner*innen in Ninh Binh ihre Straße selbst (wir vermuten, dass es mit Tet in Verbindung stand). In Hanoi und Hué sahen wir schon die Vorbereitungen für die Blumen-/Prachtstraßen. Fast jede Stadt dekoriert nämlich eine Straße. Auf diese sind die Bewohner*innen besonders stolz. Dort werden dann bspw. Umzüge und Veranstaltungen stattfinden. In HCMC hatten wir das Glück, eine dieser Straßen zu besuchen. Es war schon sehr kitschig, aber trotzdem krass wieviel Arbeit in die Dekoration der größten Fußgängerzone HCMC geflossen ist. Dementsprechend gut war die Straße besucht und voll von Menschen, die sich vor allem möglichen fotografierten. Hauptthema waren übrigens Mäuse und Ratten (es hat das Jahr der Metall-Ratte begonnen).

    Was uns schon lange Zeit im Voraus Kopfzerbrechen bereitet hatte, waren die geschlossenen Lokale und ausgebuchten Züge. Da Tet ja ein großes Familienfest ist, reisen immer große Teile der Bevölkerung durchs Land und dementsprechend voll sind die Züge (im übrigen ist das auch ein großes Problem in China, da dort ja z.Z. das Corona-Virus grassiert). Da wir zum Glück antizyklisch fuhren (die meisten fahren vor Tet von Süd nach Nord und nach Tet zurück), bekamen wir alle Verbindungen und auch vernünftige Unterkünfte. Viele haben über Tet geschlossen oder haben erhöhte Preise. Genau das gleiche gilt für Restaurants. So zahlten wir in Hoi An, Tuy Hoa und HCMC bis zu 20% mehr beim Essen. Wir deckten uns zudem schon in Hoi An mit genug Vorräten ein, um notfalls auch zwei Tage ohne einen Restaurantbesuch in Tuy Hoa zu überleben. Denn auch die meisten Märkte und Shops haben mindestens drei Tage (25.-27.) geschlossen. Wir fanden dann aber doch ein Restaurant, welches zumindest noch am 24. offen hatte und haben dort auch noch ein paar Bánh Chưng als Verpflegung für den 25. erstanden. In HCMC haben wir an einigen Tagen mehrere Restaurants abgeklappert, bis wir ein offenes fanden (übrigens auch noch am 28.). Zudem gab es kaum Straßenstände mit Obst oder Gemüse, was sehr unüblich ist. Dementsprechend verlangten die paar Stände auch den doppelten Preis. 80.000 Dong (knapp 3€) für ein paar Bananen war uns dann aber eindeutig zu viel...

    In Tuy Hoa war es dann soweit. Endlich war der letzte Tag des alten Mondjahres gekommen. Auf unserer Mototour sahen wir viele junge Menschen, die schon tagsüber gemeinsam feierten und Karaoke sangen. Karaoke ist ja hier sowieso ein riesen Ding, aber zu Tet hört man wirklich überall Menschen Karaoke singen und zwar prinzipiell immer mit der Musikanlage auf maximaler Lautstärke. Da es verschlossene Haustüren in Vietnam eigentlich nicht gibt, wird dadurch dann immer die komplette Straße beschallt.
    Abends warteten wir dann auf das Feuerwerk. Viele junge Menschen waren auf der Straße. Die Lokale waren voll und es herrschte eine gespannte Atmosphäre. Wir hatten uns auf einen zentralen Platz eingefunden, der sehr voll war. Überall saßen Menschen auf dem Boden oder auf ihren geparkten Motos. Kurz vor 0 Uhr kehrte Stille ein, nur noch ein paar Motos und Kinder waren zu hören. Und dann ging das 15-minütige Feuerwerk los. Mit viel Ohs und Ahs wurden die bunten Lichter bejubelt. Doch kein Countdown, kein Anstoßen, keine Privatböllerei. Bereits nach 15 Minuten löste sich die Versammlung langsam auf und die knapp 1000 Menschen drängelten sich mit ihren Motos oder zu Fuß durch die Menschenmenge nach Hause. Irgendwie lustig, die Party war dann relativ schnell wieder vorbei. Auf dem Weg nach Hause wurden wir häufig angesprochen, uns wurde ein frohes neues Jahr gewünscht oder, wie berichtet, wurden wir sogar zu Mr Ly nach Hause eingeladen.

    Am ersten Tag des neuen Jahres waren die Straßen dann leergefegt. Es war nichts los. Jonas zog, wie es Brauch ist, seine neue Kleidung (sein in Hoi An geschneidertes Hemd) an, denn am ersten Tag von Tet sollen alle neue Kleidung tragen.
    Nur am Strand war ein bisschen was los. Hier waren auch ein paar Stände und Cafés offen. Ansonsten waren alle Geschäfte verrammelt und dank der leeren Straßen kamen wir, ohne uns in Lebensgefahr zu begeben, zu Fuß an unser Ziel. Der Kontrast zur Neujahrsnacht hätte nicht größer sein können.
    Abends waren dann doch einige Stände und Straßenimbisse geöffnet. Alles verlief trotzdem ruhiger und entspannter, als wir es aus Vietnam bisher kennen. Während wir mit dem Bus in Richtung HCMC fuhren, sahen wir in einigen Orten auch kleinere Feierlichkeiten und die schön beleuchteten Prachtstraßen.

    Auch an den zwei anderen Tagen von Tet war es in HCMC erstaunlich ruhig. Von den 8 Mio Einwohner*innen sind zu Tet angeblich nur 3 Mio. noch in der Stadt. Jonas hatte ja den Vergleich und merkte deutlich den Unterschied zu seinem letzten Besuch. Für Judith war die Stadt immer noch sehr wuselig. In den kleinen Gässchen saßen Familien zusammen im offenen Eingangsbereich, aßen, tranken, spielten Karten und ... sangen Karaoke. Es war irgendwie schön, so ein klein wenig Teil des Festes zu sein, da man in viele Räume reingucken konnte. Am ersten Tag sahen wir zudem noch eine traditionelle Artistikvorführung, die begleitet von Musik mitten auf der Straße stattfand. Jonas fehlten etwas die Worte, als wir zudem von unserem Hostel ein kleines Geschenk zu Tet bekamen. Wir bekamen einen kleinen roten Umschlag mit etwas Geld drin. Das Geld ist dabei eher symbolisch und soll Glück und Reichtum bringen. Kinder bekommen häufig besonders viel Glücksgeld und bessern damit ihr Taschengeld auf, für uns war es einfach eine super nette Geste.

    Insgesamt war es wirklich spannend die Zeit um Tet in Vietnam mitzuerleben. Wir haben uns vorher etwas zu viel Gedanken drum gemacht, letztendlich sind wir aber nicht gestrandet/ verhungert oder vor Langeweile gestorben. Die Atmosphäre in den Städten war durch Tet irgendwie besonders und vor allem in Tuy Hoa merkte man den Menschen die gute Laune an Tet deutlich an.
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