J&J make a halbe Weltreise

November 2019 - February 2020
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  • Let's talk about Cambodia #5 Politik

    February 22, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 31 °C

    Kambodscha heute - ein Land zwischen Aufbruch und Rückschritt

    Aus Zeitgründen, hat Jonas seine Recherche über die vietnamesische Besatzung Kambodschas ausgelassen. Er schildert euch in seinem letzten Beitrag den Übergang Kambodschas in die “Demokratie” und malt ein etwas deprimiertes und pessimistisches Bild der aktuellen politisch/gesellschaftlichen Lage in Kambodscha, weil es leider gerade auch sehr deprimierend ist...

    Wäre Kambodscha ein Fabelwesen, dann wäre es wohl ein Phönix. Ein Land, das aus der Asche jahrzehntelanger Auseinandersetzungen und Völkermord zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt wurde. Ein Land, dass sich von Diktatur und Fremdherrschaft befreite und nun unabhängig ist, sich auf dem Weg zur Demokratie befindet.
    Diese Erzählung würde Kambodschas Offizielle sicher gerne über ihr Land hören, doch während das BIP konstant steigt, herrschen weiterhin Ausbeutung von Arbeiter*innen in den Fabriken und Korruption vor. Vom Wohlstand profitieren nur wenige. Das Land wird mit jedem Jahr, das der Präsident Hun Sen an der Macht ist autokratischer. So autokratisch, dass die EU erwägt Handelsvorteile für den südostasiatischen Staat zu streichen. Im populären Freedom House Index wurde Kambodscha bereits 2017 nicht mehr als frei eingestuft. Laut des Berichts schrumpft der Pluralismus im Land konstant. Wo in den 90er Jahren noch eine der freisten und breitesten Presselandschaften vorhanden war, sind heute staatlich kontrollierte Medien und Einschränkung der Meinungsfreiheit an der Tagesordnung.

    Doch von Vorne - Kambodscha ist eine junge “Demokratie”, die sich erst 1993 von der vietnamesischen Besatzung befreite und eine eigene Verfassung erhielt. Zu diesem Zeitpunkt war der heutige Machthaber Hun Sen bereits Jahre an der Macht. Der Mann, den man als Prototyp eines Machtpolitikers beschreiben könnte, bekleidete seit dem Einmarsch der Vietnamesen hohe Ämter im Staat und führte seit 1985 das Land.
    Mit dem Ende des kalten Kriegs schien die kambodschanische Unabhängigkeit von Vietnam in greifbare Nähe gerückt. Einen “unabhängigen” Staat Kambodscha unter vietnamesischer und sowjetischer Vorherrschaft hätte “der Westen” nie akzeptiert. Ein Übergang in die Demokratie wäre vor 1990 unter der sozialistischen Besatzung jedoch auch nicht denkbar gewesen. Erst durch den Wegfall des mächtigen Partners Sowjetunion machte Vietnam den Weg für Wahlen einer verfassungsgebenden Versammlung frei. Die Jahre zuvor waren von Unsicherheit und wieder mal von bürgerkriegsähnlichen Zuständen geprägt gewesen. Die von der USA unterstützte Exilregierung und die Sozialisten beendeten diesen 1991 mit einem Friedensvertrag, aus dem eine neue Parteien hervorging, die Volkspartei unter Hun Sen (heute Cambodian Peoples Party - CPP). Die Volkspartei setzte sich vor allem aus dem alten Verwaltungsapparat unter den Vietnamesen zusammen und dominierte noch weiterhin die Behörden des Landes.
    Doch sie verlor die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung klar gegen die royalistische Partei des Sohns König Sihanouks (Norodom Ranariddh). Eigentlich kein Problem, hätte es sich zu diesem Zeitpunkt in Kambodscha um eine wirkliche Demokratie gehandelt. Hun Sen und seine Partei erkannten die Wahl jedoch nicht an - ein neuer Bürgerkrieg drohte.
    Denn trotz des fehlenden Rückhalts aus der Bevölkerung hatte Hun Sen eine entscheidende Machtposition. Dadurch, dass die Volkspartei stark im Verwaltungsapparat vertreten war, erklärten sich mehrere volksparteifreundliche Provinzregierungen nach der Wahl unabhängig vom Staat. Der Gesamtstaates drohte auseinanderzubrechen.
    Ein kalkulierte Risiko von Hun Sen? Vielleicht, denn kurze Zeit später begannen, unter Vermittlung des Sohns des Königs, die Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Als Lösung entstand die große royalistische Koalition, in der sowohl Hun Sen, als auch Norodom Ranariddh (Royalisten) Premierminister wurden und das Land bis 1997 gemeinsam führten. Der König blieb offiziell Staatsoberhaupt, hatte in der neuen Verfassung aber quasi keine Befugnisse mehr, sondern nimmt fast ausschließlich repräsentative Funktionen wahr.
    1997 fühlte sich Hun Sen mächtig genug um, wiederum durch kriegerische Auseinandersetzungen, die Macht komplett an sich zu reißen. Er wusste große Teile der Verwaltung, der Elite und des Militärs hinter sich. Demokratisch legitimiert war seine Machtergreifung nicht. Seit dem herrscht die CPP mit angeblicher Mehrheit über Kambodscha. Jede Wahl ist überschattet von Manipulationsvorwürfen und Einschüchterungen der Bevölkerung.
    Um das einmal zusammenzufassen: im Prinzip putschte sich jemand an die Spitze des “demokratischen” Staates, der offiziell nicht die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatte. Die Demokratie Kambodscha verlor also bereits bei ihrer ersten Wahl den Anschein einer Demokratie.

    Doch es gab Hoffnung, denn noch lange wurden Oppositionsparteien zugelassen, die sich klar vom Kurs der Regierung abhoben und diesen offen kritisierten. Stärkste Oppositionspartei war die CNRP, die Cambodian National Rescue Party, die 2012 durch den Zusammenschluss mehrerer Oppositionsparteien entstand. Dessen Vorsitzender Sam Rainsey galt lange als DER politische Gegenspieler Hun Sens. Er einte große Teile der Opposition und prangerte die Beteiligung von Teilen der aktuellen kambodschanischen Regierung an den Taten der Khmer Rouge an. Er forderte eine wirkliche Demokratie in Kambodscha. Rainsey ist sicher auch kein Heilsbringer, appelliert er doch daran, dass das gesamte Mekongdelta zu Kambodscha gehöre. Er ist jedoch einer der einflussreichsten Kritiker des Regimes, kritisierte viele der Menschenrechtsverletzungen in Kambodscha und setzte sich für mehr Freiheiten für die Bevölkerung ein.

    Wie oben beschrieben kränkelte die kambodschanische Demokratie bereits in den Kinderschuhen. Nach einer bekannten Definition zeichnen sich Demokratien u.a. dadurch aus, dass sie mindestens einen friedlichen Machtwechsel auf Grundlage von Wahlen durchmachten. Genau dies stand offensichtlich kurz nach Gründung der CNRP bevor. Die Stimmung in der Bevölkerung standen auf Wechsel. 2013 gewann die CNRP bereits 44,46% der Stimme, die CPP lag nur noch knapp vorne mit 48,83%. Ein Wahlsieg, der jedoch von der Opposition nicht anerkannt wurde. Denn mehr als 1,5 Millionen Menschen hatten nicht wählen können. Bei 9,6 Millionen Wahlberechtigten ist das ein entscheidender Anteil. Vor allem in Gebieten, in denen die Opposition traditionell stark war, waren Wahllisten gefälscht worden und viele Leute wurden aus den Wahlbüros unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt. Höchstwahrscheinlich hätte 2013 also ein Machtwechsel angestanden, den Hun Sen aber seit Jahren zu verhindern weiß - ein Zeichen, dass es sich eindeutig um keine Demokratie handelt.
    In den darauffolgenden Jahren ging er hart gegen die Opposition vor. Sein Kontrahent Sam Rainsey floh nachdem er wegen Verleumdung und anderen Vergehen angeklagt worden war. Hinter diesen Anklagen steckte laut der Opposition eine klare politische Intention. Als Rainsey einmal vom König amnestiert wurde und kurzzeitig nach Kambodscha zurückkehrte, wurde er in Phnom Penh von mehr als einer halben Million Menschen empfangen. Eine durchaus gefährliche Menge für einen Machthaber wie Hun Sen.
    So wurden weitere Verfahren eröffnet und Sam Rainsey wegen verschiedenster Vergehen verurteilt. Die Wahl 2017 wurde aus fadenscheinigen Gründen verschoben und erst abgehalten nachdem ein Gesetz die CNRP gänzlich verbot. Kurz zuvor hatte Hun Sen ein Gesetz verabschieden lassen, welches Parteien mit vorbestraften Vorsitzenden verbot zur Wahl anzutreten, bzw. wurden diese direkt verboten. Ein Rettungsversuch der CNRP scheiterte, als sie im September 2017 mit Kem Sokha einen Nachfolger bestimmten. Das oberste Gericht Kambodschas verbot kurze Zeit später trotzdem die CNRP und verurteilte Kem Sokha wegen Hochverrats.
    Die Sitze der CNRP wurden daraufhin zwischen den anderen, regierungstreuen Oppositionsparteien aufgeteilt (ebenfalls ein zutiefst undemokratischer Vorgang). Die Wahlen 2018 gewann die CPP “überraschenderweise” klar, viele Menschen boykottierten diese und so gelang Hun Sen ein Erdrutschsieg. Seine CPP gewann alle 125 Sitze im Parlament und herrscht nun ohne politische Opposition.
    Seit dem geht die CPP noch schärfer gegen außerparlamentarische Kritiker vor. Alle großen Medienanstalten sind nun unter Kontrolle der Regierung oder gehören Freunden und Verwandten von Hun Sen. Kritische Berichterstattung wird unter Strafe gestellt und es wurden mehrere Gesetze gegen zu kritisch agierende NGOs verhängt. Oppositionelle werden verfolgt, bedroht, angegriffen und verklagt.
    Ein Großteil der Richter*innen besitzt das Parteibuch der CPP. Sie sind nicht unabhängig vom autoritären Staatsgebilde, sind korrupt und entscheiden im Sinne der Regirung.

    Alles liest sich sehr deprimierend und bereits 2016, bei meinem letzten Besuch, zeichnete sich eine große Verdrossenheit innerhalb der Bevölkerung ab. Ich sprach mit einigen Einheimischen, an “geschützten Orten”, wie einem Wasserfall oder dem eigenen Restaurant, über die Zustände des politischen Systems. Alle bestätigten mir, dass öffentlich kaum bis gar nicht über Politik geredet werden würde. Man wisse nie, wer am Nebentisch säße und ob nicht eine zu kritische Aussage über die Regierung große Schwierigkeiten bedeuten könnte - deswegen die “geschützten Orte”.
    Nicht, dass es in Kambodscha Arbeitslager oder ähnliches gibt - Nein, es gibt in einem so korrupten Staat wie Kambodscha viel einfachere Mittel um Menschen zu drangsalieren und ihnen das Leben schwer zu machen. Bspw. indem sie keine offiziellen Dokumente mehr ausgestellt bekommen, weil der zuständige Beamte bestochen wurde, oder indem sie ihre Arbeit verlieren und auch nirgendwo mehr Arbeit finden. Verschiedene Leute bestätigten mir, wie vorsichtig man sein müsse um nicht die komplette Existenz zu gefährden, weil man zu kritisch über die Regierung rede. Für mich war das zutiefst erschreckend und deprimierend. Man weiß erst die Freiheit zu schätzen, die wir haben, wenn man darüber nachdenkt, das man mit der Teilnahme an einer Demo in Kambodscha Alles verlieren kann.
    Apropo Demonstrationen. Schon 2015 gab es nur einen einzigen Platz in ganz Kambodscha an dem offiziell demonstriert werden durfte. Auch eine sehr komische Auslegung des Begriffes Demonstrationsfreiheit. Alle anderen Orte waren verboten. Demonstrationen außerhalb des Parks werden oft geduldet, dürfen aber jederzeit niedergeschlagen werden.
    Meinungs- Demonstrations- und Pressefreiheit, Grundpfeiler unserer westlichen Demokratie existieren in Kambodscha nicht. Die privaten Medien wurden von staatlichen Organisationen übernommen, der öffentlich rechtliche Rundfunk wird von der Armee kontrolliert und alle anderen Fernsehsender gehören Freunden oder der Familie Hun Sens. Die zwei einzigen kritischen Zeitungen die Phnom Penh Post und die Cambodia Daily wurden dazu gebracht aufzugeben bzw. wurde von einem regierungsfreundlichen Verlag aufgekauft. Laut Reporter ohne Grenzen ist Kambodscha beim Thema Pressefreiheit mittlerweile auf Platz 142 von 180, Tendenz fallend (Stand 2017).

    Auch beim Thema Korruption belegt Kambodscha einen der hintersten Plätze. Dem bekannten Corruption Perceptions Index (CPI) zufolge ist Kambodscha eins der korruptesten Länder der Welt. In dem Index, der das Maß an Korruption anhand von 13 verschiedenen, unabhängigen Einzelindexen misst, belegte Kambodscha Rang 162 von 180. Die Korruption hat gravierende Auswirkungen auf das gesamte Leben in Kambodscha. Es ist geprägt davon. Jedes offizielle Dokument ist käuflich, die Polizei und Justiz bestechlich und im täglichen Leben findet sie ständig statt. Ein Fakt, der das Vertrauen in die Politik und in ein funktionierendes Staatssystem untergräbt und die Menschen der Willkür aussetzt, die es sich nicht leisten können Staatsbedienstete zu bezahlen. Die staatliche Antikorruptionseinheit geht natürlich nicht dagegen vor, sondern ist eher ein Mittel der Regierung zur Ausrottung kritischer Stimmen im eigenen Apparat. Korruptionsbekämpfung und das Thema Menschenrechte im Allgemeinen wird momentan ganz ganz klein geschrieben in Kambodscha.

    Doch bei all dem Elend und dem Fehlen von grundlegenden Merkmalen eines demokratischen Systems ist das System Hun Sen nicht unerfolgreich. Von einem der ärmsten Länder der Welt mausert sich Kambodscha seit der Jahrtausendwende zur schnell wachsenden Volkswirtschaft. Die junge Bevölkerung Kambodschas profitiert teilweise vom Anstieg des Mindestlohns und den neuen Konsummöglichkeiten. Neue Infrastruktur entsteht, die Hauptstadt Phnom Penh glänzt. Doch das alles zum Preis von Menschenrechten, Umweltstandards und der Unabhängigkeit von Großkonzernen und größeren Staaten wie China (siehe ersten Artikel von mir).

    Ich sehe kaum noch Hoffnung für Kambodscha nicht komplett zu einer Diktatur unter Hun Sen zu werden. Seit Jahren verschlimmert sich das Bild. All die beschriebenen Entwicklungen sind nur Teil eines viel größeren Puzzels an Ungerechtigkeiten in Kambodscha. Da sind Erschießungen von Textilarbeiterinnen, da sind große Enteignungswellen/ Land-grabbing, da sind Fischer, die monatelang auf Schiffen festgehalten und zur Arbeit gezwungen werden und da sind massenhafte Abholzungen von geschützten Regenwaldgebieten. Die Aufzählung könnte so noch lange weitergehen, denn im Staat Kambodscha läuft so einiges schief. All das ist ein Symptom davon, dass Kambodscha von einer kleinen Führungsrige als Selbstbedieungsladen gesehen wird. Der Staat ist nicht Dienstleister für die Menschen, sondern der Staat ist das Mittel zur Bereicherung weniger.

    Und auch die EU sieht die Gefahr eines Abgleitens in eine Diktatur. Seit dem letzten Jahr verhandelt sie darüber, ob Kambodscha die Zollfreiheit entzogen wird, die die EU den 50 ärmsten Ländern der Welt auf Exporte in die EU gibt, um diese zu unterstützen. Ein Akt, der Kambodscha durchaus hart trifft. Viele Bekleidungskonzerne, die in Kambodscha produzieren, profitieren von der Zollfreiheit. Sollte diese wegfallen, wäre die Produktion in Kambodscha unrentabel und einige Firmen sehen sich bereits nach neuen Produktionsstandorten um. Hun Sen und seine Führungsclique sollte das alles nicht so stark betreffen, da diese von den üppigen Deals mit China profitieren. Treffen würde es die vielen hunderttausend Arbeiter*innen in den kambodschanischen Fabriken, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könnten.

    Wie in der Türkei, in Brasilien oder Russland stellt sich für die EU die Frage - wie umgehen mit einem autoritären Führer in einem anderen Land? Sind Sanktionen und Handelshemmnisse wirklich die Lösung?
    In Kambodscha würde das Vorgehen der EU die Bevölkerung treffen und viele Menschen in extreme Armut stürzen. Soll das der Weg sein? Eine Bevölkerung so lange leiden lassen, bis das Regime nicht mehr tragfähig oder zutiefst destabilisiert ist?
    Ich glaube nicht. Doch was sollen westliche Staaten tun um Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und gleichzeitig Staaten nicht in die Arme Chinas zu treiben? Denn China achtet bei seinen Deals mit Entwicklungsländern nicht auf die Einhaltung der Menschenrechte.

    Es tut mir im Herzen weh an die vielen Kambodschaner*innen zu denken, die ich kennengelernt habe und sie in solchen globalen Abhängigkeitsverhältnissen gefangen zu sehen. Erstmals habe ich in Kambodscha so direkt erlebt was ein Abgleiten in ein autokratisches System bedeutet. Es ist wirklich erschreckend das so direkt zu beobachten und zu wissen, wie hilflos die Bevölkerung diesen Entwicklungen zur Zeit ausgesetzt ist.
    Wie die Geschichte gezeigt hat, kann sich in kurzer Zeit vieles verändern und vielleicht erleben wir in den nächsten Jahren auch einen demokratischen Aufbruch in Kambodscha. Oder wir sehen ein Ausbleiben des Tourismus auf Grund einer erneuten Destabilisierung des Landes. Die aktuellen Entwicklungen zeigen jedoch eher in Richtung weiterer Einschränkungen demokratischer Freiheiten und Stabilität durch Autokratie.
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  • Der schwerste Abschied

    February 19, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 30 °C

    Am 08.02. sind wir morgens in Phnom Penh in den Bus gestiegen, um die 10h Fahrt nach Banlung anzutreten. Diesmal waren wir die einzigen Westler*innen. Es war wieder ein kleiner, moderner Bus für ca. 12 Personen mit großen Sitzen, also war es sogar recht angenehm. Außerdem wollte Judith sowieso noch ihr Buch zu Ende lesen, für das sie in Phnom Penh keine Zeit gefunden hatte. (An dieser Stelle eine Riesen Empfehlung für "Eine Billion Dollar" von Andreas Eschbach, falls ihr das noch nicht gelesen habt!) Die Fahrt verlief unspektakulär, auf einem Teil der Strecke verwandelte sich die asphaltierte Straße in eine staubige Piste auf dem für Kambodscha typischen rostroten, sandigen Boden, mit vielen Unebenheiten und Schlaglöchern. Wir kamen also zeitweise nur noch langsam voran.

    Banlung ist die Hauptstadt der Provinz Rattanakiri im Nordwesten von Kambodscha und liegt sehr nah sowohl an der vietnamesischen, als auch der laotischen Grenze. Viel zu tun und sehen gibt es hier nicht. Aber Jonas hatte sein letzter Aufenthalt 2016 hier sehr gefallen und wir waren auf der Suche nach einem Ort gewesen, wo wir für wenig Geld längere Zeit bleiben konnten. So langsam brauchten wir nämlich mal eine längere Pause vom Reisen.
    Gegen Abend kamen wir an. Ein guter Indikation dafür, dass der Ort wenig touristisch ist, war die Tatsache, dass beim Aussteigen kein einziger Tuktuk-Fahrer bereit stand, der versucht hätte, uns zu einer Fahrt zu überreden 😁. Wir liefen also die knapp 15 min, um zu unserem Homestay am Rande des Örtchens zu kommen.
    Wir wurden herzlich begrüßt von Thyda, Rithea und ihren vier Pflegekindern. Sie sind zwischen 9 und 14 Jahre alt. Schon am ersten Abend bekamen wir von Thyda die halbe Familiengeschichte erzählt.

    Wir hatten ursprünglich erstmal für 6 Übernachtungen gebucht, aber schnell noch einige Male verlängert. Die Zeit hier tut uns beiden einfach sehr gut, denn wir brauchten mal einen Ort, wo wir etwas runterkommen können und nicht sofort wieder weiterziehen müssen. Das Grundstück vom Homestay ist sehr groß, es gibt mehrere kleine Bungalows und dazwischen pflegt Thyda mit großem Stolz ihren Garten. Vor unserem Bungalow gibt es eine Terrasse auf der wir jeden Tag in der Hängematte hängen können und einen von Thydas Fruchtshakes oder Eiskaffees schlürfen. Abends schlafen wir zu Grillenzirpen und "Geckooo"-Rufen ein und morgens werden wir von Hahnengekrähe und Hundegebell geweckt.
    Wir spielen mit den Kindern UNO und Jonas war einen Nachmittag mit Ihnen auf dem Fußballplatz. Manchmal helfen wir bei den Hausaufgaben (wovon sie immer reichlich viele haben). Im Gegenzug haben sie uns Zählen auf Khmer beigebracht. Das ist ziemlich simpel und logisch mit einem System über 5. Es gibt Zahlwörter von eins bis fünf und für die 10er und 100er usw. und dann wird addiert. 17 heißt beispielsweise 10-5-2. Irgendwie cool!
    Ansonsten knuddeln wir die Katze und den Hundewelpen oder unterhalten uns mit Thyda, wenn sie mal eine freie Minute hat.

    An unserem ersten Abend haben wir ein schweizer Paar kennengelernt, beide Ende 50, die das Zimmer neben unserem hatten. Sie wollten am nächsten Tag eine geführte Dschungeltour machen und fragten, ob wir mit wollten, da es für vier Personen günstiger sei. Nach ein bisschen Überlegen ließen wir uns überzeugen. Am nächsten Tag wurden wir vier also mit dem Tuktuk ca. eine Stunde nördlich zu einem Fluss gefahren. Auf diesem ging es dann noch 30 min in einem schmalen, langen Holzboot den Fluss hinauf, bis wir am Ausgangspunkt der Wanderung ankamen. Unser Guide führte uns eine Weile über Feldwege, bevor es in den Wald ging. Zwischendurch blieb er immer wieder stehen und schlug mit einem großem Messer verschiedene Gewächse und Baumstücke ab, die er uns zum probieren gab. Zum Beispiel eine Frucht vom Cashewbaum und einige frische Cashews, Ingwerwurzeln, Mahagoniholz (dieses allerdings nicht zum Essen 😜), Süßholz und einige Kräuter und Baumstücke, die medizinischen Nutzen haben.
    Ein bisschen gruselig waren die zahlreichen Tarantulanester, die direkt am Wegesrand ihre Öffnungen hatten. Das Gift der Spinnen kann einen großen Wasserbüffel in 2 min töten. Man möchte Ihnen also lieber nicht begegnen.
    Unser Ziel war ein kleiner Wasserfall, an dem wir Mittag aßen und schwimmen konnten. Danach führte uns unser Guide zu dem Dorf, indem er lebt. Auch die Menschen hier sind keine Khmer, sondern gehören einer andern kleinen Volksgruppe an. Er führte uns ein bisschen herum und zeigte uns wie sie dort wohnen und arbeiten. Das Leben dort ist sehr einfach. Die Häuser sind die typischen Holzhütten, die man überall in Kambodscha finden kann. Sie sind auf Stelzen gebaut, sodass man während der Trockenzeit darunter im Schatten sitzen kann und es während der Regenzeit nicht überflutet wird. Die Menschen leben vom Reis- und Gemüseanbau. Strom und fließend Wasser gibt es nicht. Unten am Fluss konnten wir einige Kinder und Frauen beim baden und Wäsche waschen beobachten. Unser Guide zeigte uns außerdem die Schule und den Friedhof.
    Wir fanden es zwar sehr interessant, das alles zu sehen, aber haben uns auch etwas unwohl gefühlt. Wir konnten mit den Menschen dort ja nicht sprechen und nur hoffen, dass sie sich nicht so gefühlt haben, als wäre ihr Leben ein Museum für uns, weil wir uns dort alles angeschaut haben.
    Mit den Schweizern haben wir uns trotz des Altersunterschiedes gut verstanden und noch oft beim Frühstück und Abendessen unterhalten. Die beiden haben vor 30 Jahren mal eine ähnliche Reise gemacht, wie wir. Ebenfalls durch Südostasien und nach China, wollten dann die Transib nehmen, sind dann aber an der mongolischen Grenze nicht reingekommen. Später ging es für sie noch nach Australien. Dann kamen fünf Kinder und erstmal keine weiten Reisen mehr. Jetzt haben sie zwei Monate unbezahlten Urlaub genommen, um das erste Mal wieder eine längere Reise zu unternehmen. Vor Kambodscha waren sie einen Monat in Myanmar und haben uns das sehr schmackhaft gemacht. Vielleicht fahren wir nach Thailand dann also auch dort noch hin...

    Eines morgens beim Frühstück fragte Thyda uns und die anderen Gäste, ob wir Lust hätten, heute Abend mit auf eine Hochzeit zu gehen. Die Tochter eines Freundes von Rithea würde heiraten und sie hätten noch einen Tisch für 10 Leute übrig. So eine Gelegenheit wollte natürlich niemand ausschlagen. Danach entbrannte am Frühstückstisch eine Diskussion darüber, wie man denn jetzt noch an passende Kleidung dafür kommen könnte 😅. Thyda bestellte für den Nachmittag sogar zwei Frauen aus einem Haar - und Kosmetiksalon her, die sie und zwei Französinnen aus dem Homestay zurechtmachten. Judith hatte dankend abgelehnt, weil sie schon Fotos von Thydas Hochzeit gesehen hatte - dezentes und natürliches Make Up gibt es hier nicht. Die Haut wird komplett übergeschminkt und Fake-Wimpern sind das Mindeste.🤣 Am Abend fuhr Rithea uns dann in zwei Fuhren mit dem Auto in ein Dorf 5 km außerhalb.
    Natürlich war vor allem Judith total underdressed 😅Jonas passte mit seinem Hemd aus Hoi An dagegen ganz gut zu den weniger schick gekleideten Männern). Der Kleidungsstil der anwesenden Khmerfrauen war allgemein sehr ähnlich. Die Kleider sind meistens einfarbig in hellen knallig-leuchtenden Farben wie pink oder helltürkis und über und über mit Glitzersternchen oder Pailletten besetzt. Die meisten Männer sahen dagegen regelrecht langweilig aus mit Jeans und Hemd.
    Wir wurden an einem runden Tisch am Rande der Veranstaltung platziert und bekamen Essen aufgetischt. Bevor wir überhaupt fragen konnten, hatte Thyda außerdem die Menschen vom Catering angewiesen, einen Teller ohne Fleisch und Fisch für uns zu bringen. Wir hatten dann eine Art Glasnudelsalat mit Gemüsestreifen, Erdnüssen, Kräutern und jeder Menge Knoblauch. Außerdem gab es Bier soviel wir wollten. Immer wieder kamen einige gut gelaunte und nicht mehr ganz nüchterne Männer zu unserm Tisch und wollten mit allen anstoßen. Dabei forderten sie immer lauthals, dass wir das Glas komplett leeren sollten 😂. Zum Glück wird das Bier hier bei solchen Veranstaltung auf Eis getrunken und so immer etwas verdünnt, Jonas wurde trotzdem etwas abgefüllt von seinen kambodschanischen Trinkkumpanen🍻.
    Anschließend mussten wir natürlich tanzen gehen. Die ganze Veranstaltung fand draußen statt und die Musik kam von einer Bühne, auf der zwei Sänger und eine Sängerin Khmer-Pop zum Besten gaben und vier Frauen dazu tanzten. Um 22 Uhr wurden die Gäste schon deutlich weniger und als wir gegen 23.30 Uhr wieder zurück fuhren, waren nur noch wenige Menschen da und die Bühnenshow beendet. Khmer-Hochzeiten fangen nämlich schon sehr früh an (Thyda meinte, dass es völlig normal ist, wenn die Braut um 3 Uhr nachts aufsteht, um sich fertig zu machen und um 6 Uhr morgens geht es schon los), aber dafür gehen die meisten Gäste eigentlich nach dem Abendessen.

    An den weiteren Tagen waren wir meist abwechselnd einen Tag im Homestay und einen Tag einen Ausflug mit dem Moto machen. Es gibt einen größeren Kratersee in der Nähe, an dem wir einen Tag baden waren, und mehrere Wasserfälle unter denen man auch schwimmen kann. Besonders den 7-Steps-Waterfall fanden wir cool. Nachdem man eine Stunde mit dem Moto über die rote Sandstraße gefahren ist, sieht man schlimmer aus, als die Straßenhunde hier und aus weißen Sachen geht die Farbe auch nicht mehr raus. Dafür kann man dann aber unter dem siebenstufigen Wasserfall duschen und auf einem der Holzstege liegen, die in das Wasser reingebaut wurden - wirklich entspannend😎.
    Außerdem waren wir mehrmals auf dem Markt in Banlung. Das ist der beste Markt auf dem wir bisher waren. Wir wurden nämlich überhaupt nicht beachtet und mussten die Verkäufer*innen immer selbst ansprechen, wenn wir etwas wollten - was für ein Kontrast zu den Märkten in den großen Städten! Außerdem bekommt man ohne endlose Diskussion sofort einen vernünftigen Preis. 1$ für 1kg Passionfruit, das ist ein riesigen Beutel mit ca 16 Stück 😍. Außerdem frische Lychees, Ananas, Wassermelone, drei Mangos für 1$ oder eine Kokosnuss zum trinken für 50cent. Wir lieben das ganze tropische Obst hier und dass man es ohne schlechtes Gewissen in riesigen Mengen essen kann. In Deutschland würden wir das, der Umwelt zu liebe, nur sehr selten kaufen. Ab und zu gab es auf dem Markt auch kleine Donuts, die aus frittiertem Reismehl bestehen und mit karamellisiertem Zucker übergossen werden - super süß und fettig aber trotzdem sehr lecker 😋.

    So sind aus unserem Aufenthalt hier nun fast zwei Wochen geworden. Gestern haben wir uns dann entschieden, am 20. weiter nach Siem Riep zu fahren. Da wir auch in Kambodscha nur ein 1-Monats-Visum haben, sind wir durch unseren längeren Aufenthalt hier den Kompromiss eingegangen, in Kambodscha nicht ganz so viele verschiedene Orte zu sehen. Aber da Jonas ja auch schon mal hier war, konnte er ganz gut einschätzen, dass wir nicht zu viel verpassen. Für uns war es so genau das Richtige. Und DAS touristische Highlight Kambodschas, Angkor Wat, werden wir uns natürlich trotzdem nicht entgehen lassen, auch wenn es uns jetzt schon ein wenig graut vor dem Massentourismus und den schwindelerregenden Eintrittspreisen.

    Wir werden Banlung und die Gastfamilie wirklich vermissen. Ihre Herzlichkeit hat für uns die Zeit in Banlung unvergesslich gemacht. Falls wir jemals nochmal nach Kambodscha kommen, haben wir uns versprochen, sie wieder zu besuchen.
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  • Phnom Penh Tag 3

    February 7, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 34 °C

    Nach dem heftigen zweiten Tag gingen wir den dritten und letzten Tag in Phnom Penh etwas ruhiger an. Es hätte zwar auch noch das ehemalige Gefängnis S21 gegeben, wo wir uns noch mehr über die Verbrechen der Khmer Rouge hätten informieren können, doch wir waren schon genug geschockt von den Killingfields gewesen.

    Und so schlenderten wir durch die Straßen in unserer Umgebung und gingen im Russian Market shoppen. Judith gelang es mit viel Verhandlungsgeschick eine große Bambusmatte für 6$ zu erstehen, die wir für unsere zukünftigen Ausflüge und Strandaufenthalte gut gebrauchen können. Wir kauften noch 7 Passionfruits für 2000 Riel (50 Cent 🙊) und gingen gut gelaunt nach Hause. (Falls ihr euch übrigens über die Preise wundert: alles über 1$ wird hier in US Dollar bezahlt, alles darunter in Riel, wobei 4000 Riel gleich 1$ sind sind. Riel ersetzen quasi die Dollar-Cents)
    Statt des großen Tourisprogramms hatte Jonas für uns eine gute und günstige Massage herausgesucht. Das besondere dabei: wir wurden von Menschen massiert, die nicht sehen können. Für 10,50$ ließen wir uns eineinhalb Stunden durchkneten.
    Wir wurden ohne Öl massiert, nur durch Druck, was sehr angenehm war. Die beiden hatten es ziemlich drauf und vor allem Jonas war super fasziniert von seinem Masseur, der ganz ohne Worte genau die Stellen gefunden hatte, an denen Jonas etwas Druck vertragen konnte. Kurzum ein wirklich schöner Abschluss in Phnom Penh.

    Drei Tage in der sich gerade extrem schnell wandelnden Stadt gehen vorbei. Vor allem für Jonas war es spannend, die Veränderung zu sehen, die Judith so ja gar nicht bewusst sein konnte. Hochhäuser gab es vor viereinhalb Jahren quasi noch nicht, heute kann man sie kaum noch zählen. Plötzlich gibt es Ampeln und einen einigermaßen geregelten Verkehr. Das Chaos hat eindeutig abgenommen. Auch fahren plötzlich überall neue Tuk Tuks herum. Die alten, selbstzusammengescharubten Motorroller mit Anhänger werden immer mehr von modernen Dreirädern vertrieben.

    Vielleicht kommen wir ja in viereinhalb Jahren wieder und wundern uns ein weiteres Mal wie krass sich die Stadt verändert hat. Jetzt geht es erstmal in den Dschungel für uns - ab in den Norden, nach Rattanakiri, an die laotisch-kambodschanische Grenze.
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  • Phnom Penh Tag 2 - Killingfields

    February 6, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 34 °C

    Am zweiten Tag ging es an einen sehr bedrückenden Ort - die Killingfields. Zwischen 1975 und 1979 herrschten in Kambodscha die Khmer Rouge, eine Gruppe von fanatischen Kommunisten, die das Land in einen reinen Agrarstaat umwandeln wollten. Nur in der Armut und gleicher Arbeit auf dem Feld sei ein egalitäre Gesellschaft erschaffbar, so die Theorie. Feinde dieser Ideologie waren alle Menschen, die zur Intelligenz gehörten oder den Verdacht erregten, gebildet zu sein. Unter Verdacht geriet man bspw. bereits, wenn man eine andere Sprache sprechen konnte oder eine Brille trug. Massenhafte Vertreibung der Menschen aus den Städten auf die Felder und der Mord an 2-3 Millionen Menschen (ein Viertel der damaligen Bevölkerung) waren die Folge.
    Dem Morden fielen alle zum Opfer, ob durch zu wenig Nahrung bei der Feldarbeit oder weil jemand eine andere Person angeschwärzt hatte. Bereits für den Besitz von zwei Bananen konnte man erschlagen werden - es herrschte die Willkür und der Wahn.

    In diesem Kontext entstanden im ganzen Land die sogenannten Killingfields - Vernichtungslager für alle, die sich irgendwie verdächtig gemacht hatten oder unter Folter erfundene Geständnisse unterschrieben hatten. In ganz Kambodscha findet man noch Überreste dieser Orte. Dort wurden die Menschen mit allem hingerichtet was es gab. Da Kugeln zu teuer waren, wurden die Menschen mit Hacken und Hämmern erschlagen, erdrosselt oder ihnen wurde an einem Baum mit scharfen Kanten der Hals aufgeschlitzt. Am schlimmsten aber fanden wir, wie man die Kinder und Babys getötet hat, die Details ersparen wir euch.

    All diese und noch mehr Grausamkeiten wurden uns u.a. von Zeitzeugen (auf Deutsch übersetzt) im Audioguide erzählt. Unfassbare Gräultaten, die noch unwirklicher wirkten, da der Ort selbst auf den ersten Blick sehr friedlich ist. Viele grüne Bäume und freie Flächen säumen das Gelände. Vögel singen und man hört das Kreischen der Kinder von der Schule, die nebenan ist. Nichts erinnert an das Grauen - bis man die vielen großen Löcher im Boden sieht. Massengräber für mehr als 10.000 Menschen. Wir liefen über einen Steg an diesen Gräbern vorbei und waren einfach nur erschüttert. Und nicht nur sieht man die zerfurchte Landschaft, sondern man sieht immer wieder Kleidungs- und Knochenreste und Zähne im Boden. Durch die Erosion und den Regen kommen diese laufend an der Oberfläche zum Vorschein. Alle paar Wochen werden diese von den Mitarbeitenden eingesammelt und in eine Glasvitrine gelegt, die ebenfalls auf dem Gelände ausgestellt ist.
    An einem kleinen See hörten wir uns verschiedene Geschichten von Überlebenden und Tätern an, die uns tief berührten. Zum Schluss erreichten wir eine große Gedenkstupa. Ein viereckiges traditionelles Gebäude, in dem Schädel und Knochen von über 9.000 Personen aufbewahrt werden. Wir standen direkt vor den Glasscheiben, hinter denen sich diese vielen Gebeine erstreckten und konnten es nicht glauben. Wie können Menschen anderen Menschen so etwas antun?

    Das Ganze ist so beklemmend, weil es so greifbar ist. Man sieht die Gebeine der Toten, man sieht die Löcher in ihren Schädeln, dort wo sie vom Hammer erschlagen wurden und man findet immer noch Überreste im Boden. So als würde der Ort einfach nie zur Ruhe kommen. Noch lange werden die Hüter des Ortes Monat für Monat Knochen und Kleidunsreste auf dem Gelände einsammeln.
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  • Let's talk about Cambodia #4 Khmer Rouge

    February 6, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 34 °C

    Teil 4 - Steinzeitkommunismus

    Die Militärdiktatur war gefallen, viele Menschen feierten im ganzen Land den Beginn einer neuen Zeit. Die Führung der siegreichen Kommunisten, die sich selbst Khmer Rouge nannten, versprachen eine egalitäre Gesellschaft. Wie das dann jedoch in Kambodscha ausgestaltet wurde beschreibt euch Jonas in seinem vierten Post über Kambodscha.

    1975 begann eine neue Zeitrechnung im nun sozialistischen Kambodscha. Die Revolution kam und sie fegte im Nu alles Alte hinweg. Staatliche Institutionen wurden neu strukturiert, Religion, Geld und Privatbesitz verboten. Doch was den Kommunismus in Kambodscha so von den anderen Formen des Sozialismus/Kommunismus unterscheidet, war die Brutalität und Menschenverachtung, die komplett neue Dimensionen erreichte.

    Eine egalitäre, gleiche Gesellschaft, so die Theorie, könne erreicht werden, wenn alle "gleich arm wären", wenn alle Bauern und Bäuerinnen wären.
    Dieser Grundgedanke führte dazu, dass alle Städte in Kambodscha leergefegt wurden. Nur drei Tage nach der Einnahme war Phnom Penh quasi leer. Jede*r hatte sich zu seinem Heimatdorf zu begeben, um dort auf dem Feld zu arbeiten. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden jedoch auch Menschen wahrlos Dörfern zugeteilt und später wurden die familiären und dörflichen Bande durch Umverteilungen weiter zerstört. Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man sich die Lebensform in Kambodscha vor Augen führen. Oft wohnen mehrere Generationen unter einem Dach, die Verbindung zur Familie und auf dem Land auch zur Dorfgemeinschaft sind sehr sehr eng. Von der Familie verstoßen oder getrennt zu sein, bedeutet hier jedes sozialen Rückhalts beraubt zu werden. Die Khmer Rouge sprengten mit voller Absicht diese Bande und ließen viele Menschen auf sich allein gestellt zurück. Durch die Umverteilungen gab es in den neu zusammengewürfelten Gruppen keinen solchen Zusammenhalt und Widerstandskraft gegen die Willkür und Grausamkeit des Regimes. Man arbeitete gemeinsam mit Fremden auf den Feldern im ganzen Land.

    Von jetzt auf Gleich sollte die Produktion auf den Reisfeldern verdreifacht werden und das durch Arbeitskräfte, die noch nie auf dem Feld gearbeitet hatten. 12 und mehr Stunden arbeitete der Großteil der Bevölkerung auf dem Feld. Doch nicht um die eigene Ernährung zu sicher. Die Khmer Rouge exportierten einen großen Teil der Ernte nach China, um Waffen und Luxusgüter für die Armee und die Führungsriege finanzieren zu können. Die Bevölkerung hungerte und bekam während der harten Feldarbeit oft nur eine leichte Reissuppe pro Tag zu essen. Viele Menschen starben bereits nach wenigen Wochen.

    Doch nicht nur das führte dazu, dass unter dem Khmer Rouge ein Viertel der Bevölkerung starb. Sie machten systematisch Jagd auf jegliche Art von Intelligenz. Der Untergrabung des Bauernkommunismus verdächtig waren alle, die Bildung genossen hatten. So wurden Lehrer*innen und Akademiker*innen verfolgt, jede*r der*die eine andere Sprache sprechen konnte und auch Menschen, die einfach eine Brille trugen. Zudem wurden Minderheiten deportiert. Vor allem die vietnamesische Minderheit fiel dem nationalistischen Wahn zum Opfer. Und auch Nonnen und Mönche wurden interniert und getötet. Eine unglaubliche Masse an Vernichtungslagern verteilten sich über das ganze Land. Wir besichtigten die Killing Fields in der Nähe von Phnom Penh, wo zu Hochzeiten 300 Menschen pro Tag umgebracht wurden. Umgebracht von einem Regime, was zunehmend paranoid wurde. Grundlage für die Deportation konnte das "Stehlen" von zwei Bananen oder die erfundenen Anschuldigungen anderer sein. Nur der leiseste Verdacht den fanatischen Staat unterwandern zu wollen und sei es nur, weil man Liebesbriefe schrieb oder Hunger hatte, wurde bestraft. Die Menschen wurden dann so lange gefoltert, bis sie alles unterschrieben, was man ihnen vorlegte. Meistens gestanden sie ein, für amerikanische Geheimdienste spioniert zu haben. Danach wurden sie direkt in die Vernichtungslager deportiert.
    Nicht nur wurden unschuldige Menschen ermordet, nein auch ihre Familien fielen immer öfter dem Morden zum Opfer. Kinder der Opfer könnten sich ja rächen und gegen den allmächtigen Staat rebellieren, so die paranoiden Gedanken des Regimes.

    In Kambodscha geschah etwas, was auch in Deutschland vor 80 Jahren geschah. Die massenhafte Vernichtung von Millionen von Menschen. In Kambodscha waren es zwischen 2 und 3 Mio., bei einer Bevölkerungszahl von 8 Mio. Einwohner*innen. Umgebracht wegen einer verblendeten Ideologie, einer Idee von Gleichheit durch Armut, einer Idee davon lieber die Unschuldige umzubringen, als die Schuldigen vielleicht leben zu lassen.

    Doch wer tat dies? Wer machte sich dieser Verbrechen schuldig? Die führenden Personen waren teilweise gut gebildete Männer, die in Frankreich studiert hatten. Der Genosse Nummer Eins Paul Pot hatte während seines Studiums der Radiotechnik in Frankreich die französischen Kommunisten kennengelernt und war begeistert von Mao. Eine Begeisterung, die er in einer eigenen kommunistischen "Utopie" verarbeitete. Er selbst war in Kambodscha Lehrer und rebellierte gemeinsam mit anderen Lehrern gegen die französische Besatzung. Kollegen, die er wenige Jahre später vernichten lassen würde.
    Vernichten durch einfache Menschen, durch meist schlecht gebildete junge Männer vom Land. Rekrutierungstrupps kam in die Dörfer, wählten ein paar junge Männer aus und zwangen sie der Armee beizutreten. Ihnen blieb oft keine andere Wahl als zu folgen, sie wären sonst selbst Opfer des Regimes geworden.
    Ohne diesen Menschen die Schuld an den von ihnen verübten Taten abnehmen zu wollen, war es doch innerhalb der Armee kaum möglich zu widersprechen ohne sein Leben zu riskieren. Gut möglich, dass es auch viele gab, die an die Staatsideologie glaubten und deswegen im Namen der "guten Sache" Menschen töteten, doch gab es auch viele, die keine Wahl hatten als auf Befehl massenhaft Menschen zu vernichten.
    Im Verlauf der Jahre wurde das Regime immer paranoider, immer mehr Menschen wurden umgebracht und immer mehr Teile der Armee schlossen sich dem Widerstand gegen die Khmer Rouge an. Viele von ihnen flohen nach Vietnam.

    Nachdem auch die Vernichtungswut gegen Vietnamesen immer weiter zunahm und das Regime Kambodschas, auf Grundlage der historischen Grenzen des Khmerreiches, ein Auge auf das Mekongdelta geworfen hatte, griff Vietnam ein. Im Dezember 1978 marschierte der sozialistische Nachbar in Kambodscha ein und beendete 1979 die Herrschaft der Khmer Rouge. Diese zogen sich in den Nordwesten Kambodschas zurück, von wo aus sie einen Untergrundkampf gegen die vietnamesischen Besatzer führten.
    Vietnam hielt Kambodscha bis 1991 besetzt, weswegen der sozialistische Staat Kambodscha von vielen Staaten der Welt nicht anerkannt wurde. U.a. die USA, UK, Frankreich und Deutschland sahen bis weit in die 90er Jahre die Khmer Rouge als offizielle Vertreter Kambodschas an. Noch bis 1993 vertraten die Khmer Rouge Kambodscha bei der UNO und erhielten sogar Gelder aus dem Westen. Unfassbar, wenn man nun im Nachhinein darauf schaut...

    Was bleibt nun von diesem Schrecken? Ein internationales Gericht unter der Leitung Japans sollte die Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufklären und die Hauptverantwortlichen verurteilen. Paul Pot starb bereits 1998 - wahrscheinlich in Gefangenschaft seiner eigenen Leute, die sich gegen ihn gewendet hatten. Wenige der Führungsriege wurden vor Gericht gestellt. Vom 2000 Personen umfassenden Führungskader wurden gerade mal drei verurteilt, zwei sind mittlerweile im Gefängnis verstorben. Insgesamt ein Armutzeugnis für einen internationalen Gerichtshof, der ein solch schreckliches Verbrechen aufklären soll.
    Dazu muss aber auch gesagt werden, dass die kambodschanische Regierung diesen nur unter Vorbehalt anerkannte und nicht eng mit ihm zusammenarbeitet. Hun Sen billigte nur die Verhandlung der oben genannten fünf Anklagen, keine weiteren Ermittlung oder Prozesse. Dies kann auch daran liegen, dass Teilen der jetzigen Regierung vorgeworfen wird, sie seien auch Teil der Führungsebene unter den Khmer Rouge gewesen. Der bekannteste Oppositionspolitiker (Ramsey) wurde wegen des Publikmachens dieses Vorwurfs gegen einige Minister angeklagt. Jahrelange politische Verfolgung waren die Folge. Das Hun Sen nicht will, dass diesem Vorwurf, unter der Leitung eines internationalen Gerichtshofes, weiter nachgegangen wird, scheint logisch.

    Die Aufarbeitung wird auch dadurch erschwert, dass das steinzeitkommunistische Kambodscha von der Außenwelt nahezu angeschnitten war. Einzig einige Diplomaten konnten offiziell einreisen. Es gab kaum Berichte über das Land und über die Gräultaten der Khmer Rouge. Es bleibt ein kollektives gesellschaftliches Trauma innerhalb der Bevölkerung. Denn viele Kambodschaner*innen haben die Zeit der Khmer Rouge noch miterlebt. In Gänze aufgearbeitet wird dies wohl nie. Eine gesellschaftliche Vergangenheitsbewältigung scheint unwahrscheinlich unter Hun Sen.
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  • Phnom Penh Tag 1 - der Königspalast

    February 5, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 34 °C

    Jetzt hatten wir also ein paar Tage Zeit, um uns Phnom Penh's nochmal richtig anzuschauen.
    Man kann Phnom Penh lieben und hassen. Hassen für die überfüllten Straßen, die Luftverschmutzung oder den allgegenwärtigen Müll, hassen für überteuerten Eintritte, die hässlichen Hochhäuser und viel höhere Lebenserhaltungskosten als im Rest von Kambodscha. Doch man kann Phnom Penh auch lieben, für die kleinen Refugien, wie unsere Unterkunft eine war, für die unzähligen komplett verwirrenden Sträßchen und Gässchen und für den Trubel, der einen irgendwie auch mitreißt. Man kann Phnom Penh für all die vielen schönen Erinnerungen lieben (wie Jonas) oder für die vielen neuen Dinge, die es zu sehen gibt (wie Judith).
    All dies und viel mehr nehmen wir aus Phnom Penh mit. Wir erlebten drei Tage in der Hauptstadt Kambodschas, die sich irgendwie wie eine Woche anfühlten und die vor allem eins hatten, ein klein wenig Alltag.

    Nachdem wir ausgeschlafen hatten, schleppten wir uns durch die Vormittagshitze in ein kleines veganes Café gleich um die Ecke. Es war recht fancy und hatte touristische Preise, aber eine angenehme Atmosphäre und eine schöne Mischung aus kambodschanischen und westlichen Gerichten.
    Danach liefen wir zum Russian Market, einem großer Markt, der gleichzeitig Ort zum Einkaufen für die Einheimischen ist und viel Krimskrams für Tourist*innen bereithält. Wir streiften etwas durch die Gänge und kauften eine riesige Avocado 🥑.
    Von da ging es dann zu Fuß durch die Straßen Phnom Penh's. Das ist eigentlich ziemlich dumm, die Einheimischen würden uns wohl für komplett verrückt erklären. Es gibt kaum Fußwege und wenn, dann sind sie mit allem möglichen zugestellt. So muss man quasi dauerhaft auf der vielbefahrenen Straße laufen. Außerdem war es nun noch heißer als am Vormittag - unser Wasserverbrauch hat sich enorm gesteigert und wir waren echt fertig nach einer halben Stunde Fußweg. Auf dem Weg ging es an Jonas alter Musikschule und Wohnung vorbei, er zeigte Judith seinen alten Kiez und den Ort, wo er am liebsten Mittags gegessen hatten. Judith diese Orte zeigen zu können, war schon was besonderes für ihn.

    Unser Ziel für den Tag war der Königspalast, den wir dann am Nachmittag besichtigten. Teile des riesigen Areals können von Besucher*innen angeschaut werden und vor allem Judith war ganz begeistert von den vielen kleinen Details an den Bauwerken. Besonders beeindruckend waren kleine Gebäude, die Jonas zufolge die Gräber der Königsfamilie sind.
    Ziemlich fertig ging es dann früh zum Essen, denn wir hatten für den Abend noch etwas vor. Wir gingen ins Kino Flicks, in dem Jonas früher auch schon öfters war. Es ist eine kleines süßes Kino, in dem man 4$ bezahlt und den ganzen Tag Filme schauen kann. Das Kino hat nur knapp 30 Plätze, von denen die Hälfte Liegen sind, sodass man in entspannter Chillposition ein paar Filme schauen kann. Da am Montag die Oscars verliehen werden, waren Oscarwochen und wir kamen in den Genuss "Richard Jewell" zu schauen, welcher für einen Oscar nominiert ist. Passend dazu lief davor der mehrfach ausgezeichnete Film "Just Mercy". Beide Filme fanden wir toll und berührend - können wir uneingeschränkt empfehlen. Für uns beide war der Abend wirklich etwas besonderes, da wir mal wieder etwas "Normales" gemacht haben und uns irgendwie auf eine andere Weise mit der Stadt verbunden gefühlt haben.
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  • Tropisches Inselparadies

    February 4, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 28 °C

    So, da sind wir wieder! Entschuldigt bitte die längere Pause hier. Unsere Abende in Phnom Penh waren immer so voll, dass wir nicht dazu gekommen sind, weiter zu berichten.

    Am 29.01. sind wir von HCMC in den Bus nach Phnom Penh gestiegen. Der Grenzübergang und das Visa on Arrival haben problemlos funktioniert und wir mussten noch nicht mal selbst etwas tun, weil die Busbegleiterin alle Pässe eingesammelt hat und alles geregelt hat (zugegebenermaßen hatten wir erst etwas Angst, dass das ein scam ist und wir dann viel mehr bezahlen, dem war aber zum Glück nicht so).
    Dann haben wir das erste Mal auf der Reise im Dorm geschlafen, weil die Preise für Doppelzimmer in Phnom Penh uns zu teuer waren und wir sowieso nur auf der Durchreise. Für die eine Nacht war es in Ordnung, aber ansonsten haben wir festgestellt, dass es uns eher stresst, wenn wir nach einen vollen, anstrengenden Tag keinen ruhigen Rückzugsort haben und keinen Platz, um unsere Rucksäcke richtig auszupacken. Zudem hatten wir einen sehr freundlichen "Mitbewohner" der uns, statt eines Hallos, zur Begrüßung gleich mal fragte, ob wir in China gewesen seien und das Corona Virus hätten. Nachdem wir mehrmal versichert hatten, dass wir schon lange aus China raus seien und es uns seither blendet ging und wir auch nicht in der Nähe von Wuhan waren, kriegte es sich wieder ein. Dafür ging er dann dazu über, uns wilde Verschwörungstheorien über das Virus zu erzählen. Das ist nämlich in Wirklichkeit - Leute, halte euch fest - eine chemische Waffe der USA, da war er sich ganz sicher.
    Wir sind noch ein bisschen durch Phnom Penh gelaufen und Jonas war völlig geschockt, was sich in den letzten Jahren alles verändert hat, seit er hier 2015 vier Monate gelebt hat (Ampeln! Hochhäuser! andere Tuktuks!). Dann waren wir noch sehr lecker und recht teuer indisch essen. Wir sind bisher ein bisschen verwundert, weil wir davon ausgegangen waren, dass Kambodscha nochmal günstiger sein würde als Vietnam.
    Am nächsten Tag ging es früh wieder los mit dem Bus nach Sihanoukville um von dort die Fähre nach Koh Rong Samloem zu nehmen. Der Minibus war voll mit anderen Westler*innen und wir sind dem in Südostasien sehr beliebten Tuktuk- bzw Taxiscam erlegen, bei dem der Busfahrer einen nicht an der Busstation, sondern ein ganzes Stück außerhalb rausschmeißt, wo dann eine Horde Tuktukfahrer wartet, die einen zu völlig überteuerten Preisen zum eigentlichen Ziel fahren. Leider hatten wir keine Wahl, da die Strecke zu weit zum Laufen gewesen wäre, Grab funktionierte in der kleinen Stadt nicht und wir waren noch nicht dahinter gekommen, dass es in Kambodscha noch eine andere Taxiapp, Pass, gibt. Nach endloser Diskussion ließ der Fahrer sich von 6 auf 4 Dollar pro Person runterhandeln. Wir haben später in der Pass App nachgesehen, die Strecke hätte eigentlich 2 Dollar gekostet und zwar wie üblich pauschal und nicht pro Person. Da auch noch zwei andere Frauen mit uns gefahren sind, hat er also für die Fahrt 16, statt 2 Dollar bekommen. Wir finden es immer schwer, bei sowas noch Verständnis aufzubringen dafür, dass die Menschen das Geld sicher nötiger haben, als es uns fehlen wird. In diesem Fall war es einfach völlig unverhältnismäßig, dreist und ein abgemachter Betrug - die eigentliche Busstation wäre fast direkt an der Anlegestelle der Fähre gewesen, wir hätten also gar kein Tuktuk gebraucht.
    Sihanoukville selbst ist eine komplette Baustelle. Es ist keine Übertreibung: jede Straße, durch die man fährt, ist aufgerissen, es gibt nur provisorische Möglichkeiten, von der Straße über die riesigen Löcher in die Häuser an den Seiten zu kommen. Und auch fast jedes Haus ist eine Baustelle. Jonas erklärt in seiner Reihe mit Hintergrundwissen zu Kambodscha (Teil 1), wieso das so ist.
    An der Fähre mussten wir noch einige Stunden Zeit totschlagen, da wir diese schon vorher gebucht hatten. Vermutlich hätten wir das auch bei Ankunft machen können, dann hätten wir einfach die nächste Fähre nehmen können.
    Am späten Nachmittag ging es dann endlich los. Die Fähre war etwas eine Stunde unterwegs, fuhr erst noch eine andere Station an und dann kamen wir am M'Pai Beach an. Direkt am Pier gibt es einige Bars, in denen sich zahlreiche Backpacker tummeln. Die Stimmung ist aber sehr gemütlich. Die Musik ist nicht zu laut und die Tische und Stühle stehen direkt am Strand im Sand. Überall hängen Lampions und Lichterketten. Die Insel hat sich erst vor wenigen Jahren dem Tourismus geöffnet und gilt als etwas entspannter und authentischer als die große Nachbarinsel Koh Rong, zu der die meisten Urlaubenden fahren und die als Partyinsel verschrien ist. Trotzdem war Jonas etwas überrascht, wie sehr sich Koh Rong Samloem, seit er das letzte Mal vor 5 Jahren hier war, auf den Tourismus eingestellt hat. Das kleine Dorf am M'Pai Beach hat sich sehr vergrößert, zahlreiche Westler*innen haben sich niedergelassen um eigene Cafés und Guesthouses zu eröffnen und auch die Einheimischen haben Shops und Restaurants eröffnet und leben wohl mittlerweile größtenteils vom Tourismus. Noch vor einigen Jahren gab es keinen Strom auf der Insel, es gibt keinen ATM, Wlan gibt es auch heute noch nicht in allen Unterkünften, auch kein Warmwasser (was niemanden stört, da es das ganze Jahr über heiß ist und das Wasser dadurch auch nie ganz kalt).
    Unser Guesthouse lag zwei Minuten vom Strand entfernt auf einem kleinen Hügel am Ende des Dorfs. Von der angeschlossenen Bar hat man einen schönen Blick aufs Meer.
    Die nächsten Tage waren wir damit beschäftigt, uns durch die Frühstückskarte eines veganen Cafés am Strand zu essen (es war unfassbar lecker und immer so viel, dass wir danach kein Mittag mehr brauchten) und die Strände in der Nähe zu erkunden. Obwohl der kleine Ort recht voll mit Backpackern war, waren die Strände so langgestreckt, dass wir oft einen ganzen Strandabschnitt für uns hatten. Vor allem am Clearwater Beach, zu dem wir eine Dreiviertelstunde einen kleinen unebenen Pfad durch den Dschungel laufen mussten, waren meist nur eine Handvoll anderer Menschen. Und die Strände auf der Insel sind absolute Traumstrände. Das Wasser ist kristallklar, türkis und sooooo warm. In den Buchten muss man ewig weit rauslaufen, bis das Wasser tief wird. Und der Strand besteht aus feinem weißen Sand und Palmen. Obwohl man denkt, dass es sowas nur in Reisekatalogen oder auf Instagramfotos gibt, haben sich tatsächlich Menschen die Mühe gemacht, Holzschaukeln an den Strand oder in das Wasser zu stellen, auf denen man das perfekte Urlaubsfoto schießen kann 😅.
    An einem Tag haben wir dann noch das Taxiboot zur Saracen Bay genommen, dem anderen großen Pier auf der Insel. Obwohl die Insel winzig ist, gibt es keinen Weg durch den dichten Urwald im Innenen der Insel und man muss daher mit dem Boot außen rum fahren. Vom Saracen Bay sind wir dann einmal auf die andere Seite zum Lazy Beach gelaufen. In dem fancy Resort direkt am Strand war Jonas damals mit seinem Onkel gewesen, bei dem er in Phnom Penh auch gewohnt hatte. Wir verbrachten den Tag dort an dem ebenfalls wunderschönen Strand.
    Eigentlich hatten wir nach den vier Tagen noch nicht genug Meerluft und Strandleben getankt. Kurz haben wir überlegt, ob wir in einem der Cafés und Guesthouses als Freiwillige gegen Kost und Logis arbeiten, das machen nämliche viele hier. Aber dann hätten wir so einige Reiseziele streichen müssen, um einige Wochen zu bleiben. Und um einfach so noch länger zu bleiben, fehlte uns das Geld, das Inselleben ist nämlich für kambodschanische Verhältnisse recht teuer und unser Bargeld war alle (wie gesagt, kein ATM auf der Insel).
    Am 04.02. waren wir also noch ein letztes Mal am Strand frühstücken, was den praktischen Nebeneffekt hatte, dass wir die Anlegestelle die ganze Zeit im Blick hatten. Um 12.30 kam dann unsere Fähre. Diesmal war es ein etwas kleineres Boot für ca. 20-30 Personen und es machte dem Namen "Speedferry" alle Ehre. Der Fahrer gab ordentlich Gas, wodurch das Boot nur so über die Wellen flog. Wir und die anderen Fahrgäste hatten tierischen Spaß daran, wenn das Boot zwischen den Wellen für einen kurzen Augenblick komplett vom Wasser abhob.
    Dann ging es zurück nach Phnom Penh, wo wir gegen Abend ankamen. Diesmal hatte wir ein Airbnb gebucht und staunten nicht schlecht, als wir von einer sehr durchschnittlichen kambodschanischen Straße (Durchschnitt = recht schlechter Zustand des Asphalts, Müll am Straßenrand und eigenartiger Geruch) durch ein Tor liefen und plötzlich in einem wunderschönen Innenhof standen. Der Boden war gefliest, zwischen den Häuserwänden hingen Laternen und Lampions und überall standen Pflanzen in Blumenkübeln. Eine Metalltreppe führte auf einen Balkon, von dem aus wir in unser Zimmer gelangten. Es war klein, aber sauber und modern. Wir finden es erstaunlich, wieviel besser man es es in einer großen, lauten, dreckigen und chaotisch Stadt aushält, wenn man abends eine kleine Oase als Rückzugsort hat.
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  • Let's talk about Cambodia #3 - 1863-1975

    February 3, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 32 °C

    Teil 3 - Das lange 20. Jahrhundert - von der Kolonie in die Unabhängigkeit

    Im dritten Teil von Jonas Bericht geht es um die Kolonialzeit und die Unabhängigkeit Kambodschas im 20. Jh.

    Das 20. Jh. war in Kambodscha ähnlich ereignisreich, wie das in Europa. Das Land hat in den letzten hundert Jahren insgesamt 8 verschiedene politische Systeme durchschritten. Von der französischen Kolonialherrschaft bis zur Demokratie, von der Monarchie zur Militärdiktatur, von der japanischen Besatzung zum Sozialismus unter vietnamesischer Vorherrschaft, vom vernichtenden Steinzeitkommunismus zur Autokratie. Die Geschichte des Landes ist genauso eine Geschichte der politischen Systeme und Umwälzungen, wie es die deutsche Geschichte ist. Es ist eine Geschichte der Befreiung, der Revolutionen, des unsinnigen Tötens und dem Streiten um Macht und Einfluss. Noch bis vor 25 Jahren wurde in diesem Land erbittert um die Macht gekämpft.

    Wir beginnen die Geschichte der verschiedenen Systeme in Indochina, dem südostasiatischen Kolonialreich Frankreichs. In diesem vereinten sich Vietnam, Laos und Kambodscha. Wie im letzten Artikel beschrieben, hatte sich Kambodscha 1863 freiwillig unter französischen Protektorat gestellt und so mehr Autonomierechte behalten als bspw. Vietnam. Das endete jedoch 1884, als Kambodscha in Indochina eingegliedert wurde und so auch praktisch Teil des französischen Kolonialreiches wurde.
    Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann die Ausbeutung des Landes. Khmer war die Möglichkkeit in hohe Ämter zu kommen versperrt. Diese wurden entweder von Franzosen oder Vietnamesen bekleidet, was den Khmer zusätzlich aufstieß, hatten sie sich doch vor der vietnamesischen Vorherrschaft bewahren wollen. Auch das Königshaus wurde nach dem I.WK. immer weiter entmachtet. Der Widerstand gegen die Fremdherrschaft der Franzosen wuchs stetig. Genauso, wie es in vielen anderen Kolonien der Fall war.

    Während des II. WK wurden die südostasiatischen Kolonien vom französischen Vichy-Regime (kollaborierte mit dem 3.Reich), dem mit Nazi-Deutschland verbündeten, Japan quasi übergeben. Japan erhielt das Recht Truppen zu stationieren und übernahm so die Macht in Kambodscha. Im Frühjahr 1945 wurden, unter japanischer Besatzung, alle Verträge mit Frankreich aufgelöst. Auf Grundlage dessen erklärte König Sihanouk die Unabhängigkeit Kambodschas. Was jedoch nach Kriegsende zurückgenommen werden musste - Frankreich bestand auf sein altes Kolonialreich.
    1949 gliederte Frankreich das Mekongdelta in das südvietnamesische Kolonialreich ein und schuf so Sprengstoff, der noch heute die Beziehungen zwischen Kambodscha und Vietnam belastet. Genauso wie in Laos und Vietnam entbrannte auf die Wiederherstellung des Kolonialreichs der Indochinakrieg in Kambodscha. Dieser führte 1953 zur Unabhängigkeit Kambodschas in den heutigen Grenzen. Diese wurde endgültig bei der Genfer-Friedenskonferenz 1954 bestätigt.

    Die wiedergeborene Monarchie führte Kambodscha in einen neuen Frühling. König Sihanouk investierte nach der Unabhängigkeit viel in den Bildungssektor. So eröffneten in Kambodscha die ersten Universitäten Südostasiens nach dem 2. Weltkrieg. Kinder der gesamten asiatischen Oberschicht wurden zum Austausch nach Kambodscha geschickt. In dieser Zeit war Kambodscha mit Abstand das reichste Land Südostasiens und wurde häufig auch die Schweiz Südostasiens genannt. Übrigens nicht nur wegen des Reichtums, sondern auch wegen der neutralen Haltung gegenüber der Konflikte im Nachbarland Vietnam. Verschiedene soziale und wirtschaftliche Reformen wurden durchgeführt, die Kambodscha langsam von einer agrarischen zu einer industriellen Gesellschaft verändern sollte. König Sihanouk legte dabei vor allem auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Bewährung der Traditionen wert. Kambodscha war auf dem Weg ein Erfolgsbeispiel ehemaliger Kolonien zu werden.

    In der Blüte seiner Entwicklung erreichte der Vietnamkrieg den Höhepunkt. Ein Krieg, in dem sich das Königreich neutral verhielt. Neutral, aber im Sinne dessen, dass es sowohl süd- als auch nordvietnamesische Aktivitäten im Osten Kambodschas tolerierte. In der Provinz Rattanakiri findet man bspw. noch heute Überreste des berühmten Ho Chi Minh Pfades, über den die Guerillakämpfer versorgt wurden und über den sie sich zurückziehen konnten.
    Auf Grund dieser Unterstützung wurden Teile Ostkambodschas auch Opfer der amerikanischen Bombardements gegen den Vietcong. Noch heute finden sich extrem viele Blindgänger in der Grenzregion, weshalb viele Gebiete nicht ohne eine*n Führer*in betreten werden sollten. Gleiches ereilte übrigens auch Laos. In Laos und Kambodscha fielen während des Vietnamkriegs mehr Bomben als im gesamten zweiten Weltkrieg auf Japan abgeworfen wurden.

    Als das Bombardement Kambodschas die, aus Sicht der USA, allzu freundliche Haltung König Sihanouks mit den Vietcong nicht grundlegend änderte, putschte sich ein Teil der Armee an die Macht. Mit amerikanischer Hilfe wurde von 1970 bis 1975 eine Militärdiktatur errichtet. Der Wiederstand aus dem monarchistischen und den kommunistischen Lager wuchs stetig. Große Teile der Bevölkerung hungerten und litten unter der harten Hand des Militärregimes. Und so entschied sich König Sihanouk zu einem gewagten Schritt. Er verbündete sich mit seinem Erzfeinden, den Kommunisten, um das verhasste Militärregime zu stürzen. Chaotische Zeiten folgten, bürgerkriegsähliche Zustände und Unsicherheit prägten den Beginn der 70er Jahre. Der Vietcong drang weit in die Kambodschanischen Nordgebiete ein und der Vietnamkrieg wurde weiterhin auch auf kambodschanischen Boden ausgetragen. Dies endete erst, als sich die Amerikaner aus Südostasien zurückzogen und es den Khmer Rouge/ den Kommunisten gelang, 1975 Phnom Penh einzunehmen.

    Die siegreichen Kommunisten luden die Bevölkerung zur Siegesfeier nach Phnom Penh. Dies sollte der Anfang der schrecklichsten Jahre in der kambodschanischen Geschichte sein. Einige Historiker*innen gehen davon aus, dass erst die Angriffe der Amerikaner auf Kambodscha und die Militärdiktatur die Schreckensherrschaft der Kommunisten in Kambodscha möglich machte.
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  • Let's talk about Cambodia #2 - Angkor

    February 2, 2020 in Cambodia ⋅ ☀️ 27 °C

    Teil 2 - Die Anfänge das Reich der Khmer

    Spricht man Menschen an, was man in Kambodscha gesehen haben sollte sagen euch wahrscheinlich 100 von 100 Personen: Angkor Wat. Und ja, es ist ein beeindruckender Tempel. Doch viel beeindruckender ist die Geschichte dieses Ortes, denn um den Tempel Angkor Wat befand sich noch vor einigen Jahrhunderten die Hauptstadt der Khmer-Reiches Angkor. Um die Anfänge Kambodschas und die Entwicklung des Reiches bis zur Neuzeit soll es in Jonas zweitem Bericht über Kambodscha gehen.

    Angkor, die alte Hauptstadt Kambodschas und heutiger Touristenmagnet - das ist nicht nur der Haupttempel Angkor Wat, sondern hunderte Paläste in einem Bereich von mehr als 100 qkm Ausdehnung. Noch 50 km vom Haupttempel entfernt findet man beeindruckende Überreste der Hochkultur. In den Hochzeiten des Khmer-Reichs, im 12. Jahrhundert, war Angkor wahrscheinlich die größte Stadt der Welt. Während Berlin noch nichtmal gegründet war und sich in der größten europäischen Stadt Córdoba (Andalusien) nur 100.000 Menschen tummelten, lebten in Angkor schon mehr als eine Millionen Menschen. Eine unglaubliche Stadt, die noch immer eine Faszination auf knapp 5 Mio. Besucher*innen jährlich ausübt.

    Die ersten Spuren gesellschaftlichen, menschlichen Zusammenlebens in Kambodscha gehen je nach Quellen auf das 2. Jahrhundert n.Chr. oder sogar auf das 3.Jh. v. Chr. zurück. Seitdem entwickelte sich ein großes Reich der Volksgruppe der Khmer, welches ab dem 9. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte. Während dieser Zeit wechselte der Sitz der Hauptstadt immer etwas, so findet man im Umkreis Angkors Überreste mehrere älterer Hauptstädte. Grund für den Wechsel war die jeweils günstigere (Tal-)Lage. Die erste Hauptstadt entstand nah des hinduistischen Heiligtums Preah Vihear an der heutigen Grenze zu Thailand. In den Bergen Nordkambodschas war der Reisanbau jedoch deutlich schwieriger, weswegen neue Siedlungsgebiete in besserer Lage erschlossen wurden. Die Konzentration auf den möglichst ertragreichen Anbau von Gemüse, speziell Reis, verhalf dem Reich der Khmer zur vollen Blüte. Durch raffinierte Bewässerungssysteme war es möglich viermal jährlich eine Reisernte einzufahren. Dies wurde durch riesige Wasserbecken ermöglicht, die das Wasser aus der Regenzeit speicherten. In der Trockenzeit konnte dies dann für den wasserintensiven Reisanbau verwendet werden. Dieses für die damalie Zeit extrem fortschrittliche Bewässerungssystem und die militärische Stärke führten zur Blüte des Reiches.

    Im 12. Jh. gehörten große Teile Südostasiens zu Kambodscha und die Khmer prägten die Region nachhaltig. Beispielsweise fanden wir auch in Tuy Hoa Spuren der Khmer. Die Architektur der Khmer findet sich noch heute sowohl traditionellen, als auch in neuen Bauten in Kambodscha. Unglaubliche Details und Ornamente lassen sich an vielen Tempeln und heiligen Städten finden.
    In dieser Zeit wurde zudem der Grundstein dafür gelegt, dass der Buddhismus noch heute so präsent in der Region ist. Der bis dahin vorherrschende Hinduismus verschmolz mit dem Buddhismus und führte zu einer ganz eigenen Form der Glaubensausübung. In Kambodscha verbanden sich zu dieser Zeit Hinduismus, Buddhismus, Animismus (Geisterglaube) und die Verehrung von Einzelpersonen, wie dem König. Noch heute sind über 97 Prozent der Kabodschaner*innen Buddhist*innen, glauben gleichzeitig aber auch an verschiedene Firmen von Geistern, haben spezielle Ahnenriten und man findet auch viele Gestalten aus den hinduistischen Sagen.

    Bereits nach wenigen Jahrhunderten bröckelte jedoch die Macht der Khmer. Aus dem Westen eroberte Thailand große Teile des Reiches. Deswegen musste die Hauptstadt im 14. Jh. von Angkor nach Udong (in der Nähe von Phnom Penh) und dann nach Phnom Penh verlegt werden. Bis in die Neuzeit kam es zu Angriffen vietnamesischer und thailändischer Königreiche. Kambodscha schrumpfte mehr und mehr und stellten sich deswegen im 19. Jh (1863) freiwillig unter französisches Protektorat. Besser fremdbeherrscht, als gar kein Königreich mehr. Das Königshaus blieb bestehen und im Vergleich zu Vietnam war Kambodscha in einer deutlich privilegierteren Position im späteren Kolonialreich Indochina.

    Vom Großreich der Khmer ist die riesige Tempelanlage von Angkor erhalten geblieben. Das Wahrzeichen Kambodschas wird seit einigen Jahrzehnten touristisch genutzt. Noch in den 80er Jahren wurden jedoch illegale Backpacker-Technopartys im Haupttempel Angkor Wat gefeiert. Dabei wurden häufig Teile des Weltkulturerbes abgeschlagen und als Souvenir mitgenommen. Auch heute ist die Beschädigung durch kulturunsensible Tourist*innen ein enormes Problem. Diebstahl und die Belastung der Bauten durch die Massen an Besucher*innen sind nur einige der Probleme des Erbes des Khmerreiches.

    Auch die Zeit der Kriege mit Vietnam und Thailand haben noch deutliche Auswirkungen auf heute. Gebietsansprüche Kambodschas auf Teile der beiden Staaten und angespannte Verhältnisse zu den beiden Nachbarn sind Folgen dessen. So ist die Meinung, das gesamte Mekongdelta gehöre zu Kambodscha, innerhalb der Bevölkerung noch sehr verbreitet. Tatsächlich lebt dort eine große Minderheit an Khmer (bis zu 12 Mio. Menschen). Ob das ein Grund für kriegerische Auseinandersetzungen sein sollte ist die andere Frage. Auch mit Thailand gab es ähnliche Konflikte. Beide wurde offiziell von den Regierungen beigelegt, schwelen aber nach wie vor in der Bevölkerung.
    Der Stolz, auf die Größe des Reichs vor so langer Zeit, bleibt. Ähnlich wie in einigen europäischen Staaten, wie Serbien oder Kroatien nahm dieser Stolz auch schon vernichtende Züge an, als unter den Khmer Rouge in den 70er Jahren tausende Vietnames*innen deportiert wurden. Das war u.a. der Grund für den Einmarsch Vietnams in Kambodscha 1979. Es ist wirklich spannend, wie Patriotismus sich immer auf Glanzzeiten der Reiche bezieht, die aber häufig seit Jahrhunderten vergangen sind. Ähnliches begegnete mir bspw. in Polen. Nationalisten beziehen sich dort immer noch auf das Großreich Polen-Litauen aus dem frühen Mittelalter.

    Und so bleiben das Khmer-Reich und speziell Angkor weiterhin die wichtigsten nationalen Identifikationsmerkmale, auf die sich der kambodschanische Patriotismus aufbaut. Nicht umsonst ziert der Haupttempel Angkor Wat die Flagge des kleinen südostasiatischen Staates. Und erst durch Angkor ist das Land ein solcher Tourist*innenmagnet geworden.

    (Bilder aus Angkor gibt es dann übrigens im Post zu Siem Reap, wahrscheinlich um den 20.02. herum)
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  • Let's talk about Cambodia #1 - China

    January 31, 2020 in Cambodia ⋅ ☁️ 29 °C

    Teil 1 - Kambodscha und China

    Im ersten Teil von Jonas Berichten über Kambodscha verschlägt es uns nach Sihanoukville. Einer kleinen Stadt am Golf von Thailand, das zum Sinnbild chinesischen Expansionsstreben in Kambodscha und Südostasien geworden ist. Der Bericht besteht aus der Zusammenstellung vieler Artikel über den Einfluss Chinas und aus eigenen Erfahrungen und Gesprächen, die Jonas in Kambodscha sammelte.

    Die letzten Tage verbrachten wir auf der wunderschönen Insel Koh Rong Samloem. Kleine, kaum besuchte Strände und ein ruhiges entspanntes Inselleben erwartet uns. Um jedoch auf die Insel zu kommen, muss man unweigerlich die Fähre aus Sihanoukville nehmen. Auch wir fuhren also durch diese, nach dem Vater des jetzigen Königs benannte, Stadt. Dieser Ort erinnert in seiner ganzen Art an eine aufstrebende Kleinstadt im Herzen Chinas. Chinesische Schriftzeichen sind überall, fast jedes Geschäft hat das Schild auch auf Chinesisch übersetzt. Ob an Einkaufszentren, Baustellen oder kleinen Restaurants, überall ist Chinesisch zu lesen.
    Diese kleine Beobachtung spiegelt sich auch in anderen Bereichen wieder. Auch in der geschätzten Bevölkerungszusammensetzung Sihanoukvilles kann man sehen, dass die Stadt etwas chinesisches hat. Tatsächlich sind in Sihanoukville, verschiedenen Angaben zufolge, bereits bis zu 50 Prozent der Stadtbevölkerung chinesische Staatsbürger*innen. Andere Schätzungen gehen sogar davon aus, dass mittlerweile dreimal so viele Chines*innen als Kambodschaner*innen dort wohnen. Denn Sihanoukville ist für China das was Las Vegas für die USA ist - eine Stadt voller Kasinos und Hotels, eine Stadt zum Spaß haben und Party machen.

    Aus dem kleinen Fischerdorf ist mittlerweile eine Stadt voller Wolkenkratzer geworden. Überall wird gebaut und es entsteht ein Megahotel nach dem nächsten. Das komplette Straßennetz ist eine einzige Baustelle und von dem ruhigen Fischerdorf ist nichts übriggeblieben. Kein schöner Strand, keine entspannten Lokale, nichts. Kleine Straßenlokale müssen großen Shoppingmalls weichen, unbebaute Küstenabschnitte weichen riesigen Resorts. In der Theorie partizipieren an solchen Umbrüchen und der touristischen Entwicklung ja auch Teile der einheimischen Bevölkerung. Baustellen, Gastronomie und Gewerbe schaffen neue, und vielleicht sogar besser bezahlte Arbeitsstellen und der Lebensstandard steigt. So die schöne Theorie, doch die Praxis in der kambodschanischen Küstenstadt sieht ganz anders aus.

    Die vielen Bauprojekte werden von chinesischen Firmen gestemmt, die nicht nur das Know How und Baumaterial mitbringen, sondern auch gleich die Bauarbeiter*innen. Für die Einheimischen bleiben wenn überhaupt nur die Jobs, für die keinerlei Erfahrung und Qualifikation notwendig ist. Ein Kurzzeitvertrag folgt dem nächsten, Arbeitnehmer*innenrechte bestehen praktisch nicht. Tausende von Chines*innen sind mittlerweile auf den Baustellen beschäftigt.
    Die Lebenserhaltungskosten sind enorm gestiegen. So berichteten verschiedene Medien, dass die Miete für eine kleine 2-Zimmerwohnung innerhalb der letzten Jahre von 35$ pro Monat auf 150$ gestiegen ist. Eine Miete, die in einem Land mit knapp 190$ pro Monat Mindestlohn, schon existenzbedrohend ist. Oft werden auch Chines*innen als Mieter*innen bevorzugt und Kambodschaner*innen gekündigt.
    Die vielen chinesischen Arbeiter*innen und Tourist*innen gehen zudem ausschließlich in chinesische Restaurants essen, kaufen bei Chines*innen ein usw.. Einheimische Familienbetriebe, die seit Generationen ihr Restaurant/Shop in der Stadt betreiben, werden durch diese neuen Betriebe verdrängt und haben sowieso nicht mehr genug Kundschaft. Mittlerweile werden 90 Prozent aller Hotels, Restaurants und Kasinos von chinesischen Staatsbürger*innen betrieben.
    Mit der Gruppe der chinesischen Tourist*innen hat die einheimische Bevölkerung quasi nichts mehr zu tun. Neben den eigenen Restaurants werden auch die Hotels und Kasinos komplett von Chines*innen betreut. Von der Putzkraft bis zum Dealer am Pokertisch gilt, wer kein lupenreines Mandarin spricht hat keine Chance auf einen der lukrativen Jobs. Selbst eigene chinesische Fahrer*innen gibt es mittlerweile.
    Das ganze ist noch skurriler, da die über 100 Kasinos in Sihanoukville von den Einheimischen sowieso nicht benutzt werden dürfen. Glücksspiel ist Kambodschaner*innen nämlich gesetzlich untersagt.
    Gleichzeitig häufen sich zudem die Beschwerden über die chinesischen Tourist*innen, die respektlos mit den Einheimischen umgehen würden. Interviews mit der einheimischen Bevölkerung zeigten, dass das chinesische Investment sehr kritisch gesehen wird. Viele Anwohner*innen stören sich an den lauten und oft betrunkenen Gruppen an Chines*innen. Beschweren sich die Anwohnenden würde sie jedoch eher bedroht und beschimpft, als das auf sie Rücksicht genommen werden würde. Die einheimische Bevölkerung hat all dem im korrupten Ein-Parteienstaat Kambodscha nichts entgegenzusetzen. Jeglicher Protest gegen die chinesischen Investments und die Tourist*innen wird unterbunden.

    Und auch in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh gibt es sie, die chinesischen Kasinos. Im Luxuskasino Nagaworld verspielten 2017 nur die High-End-Spieler (die reichsten der reichen Zocker) 21 Mrd. Dollar, was ungefähr dem BIP Kambodschas entspricht. Die meisten von ihnen waren neureiche Chines*innen. Profitieren tuen davon jedoch vor allem die chinesischen Betreiberfirmen.
    Auch in Phnom Penh sieht man überall die chinesischen Baustellenschilder. In den letzten 5 Jahren sind so viele Wolkenkratzer aus der Erde gestampft worden, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Die chinesische Regierung beteiligt sich zudem mit Millionenbeträgen an Infrastrukturprojekten. Schätzungsweise ein Drittel aller Straßen im Land sind von chinesischen Firmen gebaut worden. Auch eine neue Mekongbrücke finanzierte China mit 57 Mio. $. Bei der Einweihung dieser Brücke fasste der kambodschanische Premierminister Hun Sen die Situation aus seiner Sicht zusammen. Er sprach davon, dass China keinerlei Forderungen im Gegenzug zur Untersützung Kambodschas erhebe. Die westlichen Entwicklungsgelder seien aber immer an Dinge, wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Umweltstandards, geknüpft. Die chinesische Regierung würde ihn (Hun Sen) auf Augenhöhe behandeln, die westlichen Geberländer hätten dies nie getan.
    Doch was liegt der chinesischen Regierung daran so viel Geld in Kambodscha zu investieren wie alle anderen Staaten zusammen (Stand 2014, Tendenz steigend)?

    Eine Antwort darauf könnten Dokumente liefern, die im Herbst letzten Jahres bekannt wurden. Einige der insgesamt 17 Kooperationsabkommen Chinas mit Kambodscha wurden geleakt. Aus den nicht öffentlich einsehbaren Dokumenten geht u.a. der Verkauf von 20 Prozent der Küstenlinie an chinesische Investoren hervor. In der, von Sihanoukville westlich gelegenen, Provinz Koh Kong soll eine noch größere Tourist*innen-City aus dem Boden gestampft werden. Ein Flughafen für 10 Millionen Fluggäste jährlich und eine Schnellzugverbindung sind geplant. Zum Vergleich wird der Flughafen in Sihanoukville zurzeit von weniger als einer halben Millionen Menschen jährlich genutzt. Ein Flughafen für zwanzigmal so viele Passagiere in einer Provinz, die bis jetzt kaum touristisch erschlossen ist, wirft Fragen auf. Das sieht auch das amerikanische Verteidigungsministerium so. Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen stellte dieses fest, dass die Landebahn deutlich zu lang für eine rein zivile Nutzung ist. Startbahnen dieser Größe benötigen normalerweise nur Militärflughäfen. Grund sich vor Chinas zweiten außerchinesischen Militärstützpunkt zu fürchten?

    Laut einiger renommierter amerikanischer Zeitungen und der amerikanischen Regierung lautet die Antwort eindeutig: Ja. Denn neben dem neuen Flughafen bereitet auch das Projekt "Dara Sakor" Sorgen. Unter diesem Projektnamen entsteht an der Küste Koh Kongs zur Zeit ein riesiger Hafen. China investiert in diesen Hafen mehr als 3,8 Milliarden US-Dollar. Dieser soll laut offiziellen Angaben rein logistisch genutzt werden. Amerikanische Medien, u.a. das Wallstreet Journal stellen dies, auf Grundlage der bekanntgewordenen Geheimdokumente, jedoch in Frage. Daraus geht die Planungen eines Marinestützpunkt Chinas an der Küste Kambodschas hervor. Erste chinesische Militärschiffe wurden bereits in Sihanoukville gesichtet.
    Bereits im vorletzten Jahr fragte der amerikanische Vizepräsident Mike Pence offiziell bei den beiden Regierungen nach und verlangte Aufklärung, bis jetzt ohne Erfolg. Hun Sen tat bisher alle Berichte über angebliche Militärstützpunkte Chinas als Falschnachrichten ab: "Das ist die schlechteste ausgedachte Nachricht gegen Kambdoscha, die es je gegeben hat".
    Ganz so weit hergeholt ist das ganze jedoch nicht. Das zeigen nicht nur die geleakten Dokumente. Analysten sehen in einem möglichen chinesischen Stützpunkt im Golf von Thailand eine klare Taktik um Gebietsansprüche Chinas gegenüber dem gemeinsamen Nachbarn Vietnam durchsetzen zu können. Die beiden Länder streiten seit langem über Inseln im südchinesischen Meer (unter denen u.a. Erdgas vermutet wird). Zudem könnte China seinen Einfluss im Golf von Thailand auszuweiten und so mehr Kontrolle über einen der wichtigsten Seewege der Welt, die Straße von Malakka, gewinnen.

    Wirtschaftlicher und militärischer Machtgewinn müssen in der chinesisch kambodschanischen Kooperation also zusammengesucht werde . Neben der möglichen militärischen Nutzung ist das Projekt "Dara Sakor" nämlich auch Teil des weltweiten Infrastrukturprojektes "Neue Seidenstraße", von dem sich China eine deutliche Steigerung des Handelsvolumens mit angeschlossenen Ländern erhofft. So soll das Handelsvolumen mit Kambodscha bis Ende 2020 auf neun Milliarden Dollar anwachsen. Teil dieses Projektes ist auch der Ausbau der Infrastruktur in andere ostasiatische Länder wie Laos oder Thailand.

    Momentan profitieren von Chinas Investment die immer gleichen Personen, die in Kambodscha seit Jahren gut leben können. Immobilienmarkler, Oligarchen und korrupte Beamte und Politiker gewinnen enorm durch das chinesische Interesse an dem kleinen Staat. Die Zivilbevölkerung bleibt dabei auf der Strecke. Im ganzen Land gehen chinesische Investoren und kambodschanische Regierung Hand in Hand gegen die einheimische Bevölkerung vor. Gleichzeitig wird immer klarer, was China mit seinem Investment in Kambdoscha bezwecken möchte - Expansion durch wirtschaftliche Macht unter Einbezug der lokalen Eliten, Ausdehnung des militärischen Machtbereichs und Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen kleinerer Staaten zu China. Dem Großteil der kambodschanischen Bevölkerung stößt dies böse auf, sie sprechen bereits von China als neuen Invasoren.

    Hier noch ein paar Artikel zum weiterlesen:
    Spiegel (24.04.2019): https://www.spiegel.de/politik/ausland/china-in…

    NDR (17.10.2019): https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/e…

    Handelsblatt (22.07.2019 und 07.11.2019): https://amp2.handelsblatt.com/politik/internati…
    https://amp2.handelsblatt.com/politik/internati…

    Die Zeit (14.03.2018): https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-03/kambodsc…
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