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  • Day 10

    4. Juli und Glacier National Park

    July 6, 2022 in the United States ⋅ ☀️ 10 °C

    Der Himmel über SPOKANE vergießt am Tag unserer Abreise reichlich Tränen und auch auf dem Highway 2, der einmal quer mehr oder weniger entlang der kanadischen Grenze von Washington State bis nach Maine reicht, regnet es ordentlich. Die Temperaturen kühlen ab, Nebel liegt über den dichten Wäldern des ländlichen Idaho. Dort stoppen wir vorerst nur zum Tanken und erreichen so am frühen Nachmittag den kleinen Ort KALISPELL, dem Gateway zum einzigartigen Glacier Nationalpark.

    Wir nächtigen dort in einem Etablissement, das der Kette Econolodge angehört. "Econo" hat wohl etwas mit "ökonomisch" zu tun. Das definiert der Duden als "sparsam, mit möglichst großem Nutzen bei möglichst geringem Einsatz". Das trifft auf dieses Motel nur teilweise zu: Der "möglichst geringe Einsatz" im Bereich Wartung und Sauberkeit ist zwar nicht zu übersehen, allerdings ist es deshalb auch sehr schmutzig und sparsam nächtigen können wir hier auch keineswegs: In der Zeit um den Independence Day steigen die Preise selbst in den letzten Absteigen ins Astronomische, sodass wir mit den 150 $ auf durchgelegenen Matratzen zwar schlecht, aber vergleichsweise günstig nächtigen.

    Den 4th of July verbringen wir dann ab dem Nachmittag am Ufer des Flathead Lake in LAKESIDE im "Harbor Grille". Die Sonne strahlt, die nördlichen Rocky Mountains erheben sich am anderen Ufer, auf dem See sind zahlreiche Boote unterwegs (unter anderem eines, das mit dem unzweideutigen Banner "Fuck Biden" unterwegs ist, willkommen in Montana). Auf der Uferterrasse zwischen bunt bepflanzten Blumenkübeln und kleinen Lagerfeuern serviert gut gelauntes Servicepersonal in Stars and Stripes kühle Getränke und ordentliches Essen. Schon am Nachmittag steigen weiß-blau-rote Raketen als vereinzelte Vorboten des großen Feuerwerks am Abend nach oben. Ab 18 Uhr gibt es sehr rockige Livemusik, zuerst eine Frauen-, danach eine Männercombo (jeweils Bass, Leadgitarre, Schlagzeug und Gesang). In Montana scheint man es laut und hart zu mögen, Janosch bekommt vom Bassisten von "Chain Reaction" (die hier eine gewisse lokale Popularität zu haben scheinen) eine aufblasbare E-Gitarre geschenkt, mit der er dann zu Songs von Van Halen und Bon Jovi kräftig mitrockt. Immer mehr Gäste treibt es vor die Bühne, die Stimmung ist ausgelassen, jemand fällt vom Steg ins eiskalte Wasser des Sees und wird kräftig ausgelacht, wir werden darauf hingewiesen, dass das Feuerwerk dieses Jahr das beste aller Zeiten werden wird, man habe noch einmal 10000 $ mehr investiert als beim letzten Mal, Janosch spielt mit dem gleichaltrigen Miguel Fangen, Eltern und Großeltern trinken lokale I.P.A. und Hefeweizen (sehr gut) und importierten Rosé-Wein (sehr schlecht).

    Bis zum großen Feuerwerk um 11 p.m. halten wir leider nicht mehr durch (auch die Fünfjährigen mit den größten Akkus wollen irgendwann wieder aufgeladen werden), sodass wir das Knallen nur in der Ferne hören, das kaum das Dröhnen des Kühlschranks übertönt, während wir uns in den Betten liegend einreden, dass die Laken bestimmt frisch gewaschen sind und nur deshalb so müffeln, weil das Zimmer längere Zeit nicht vermietet war. So könnte es gewesen sein, aber vielleicht war es auch ganz anders.

    Am nächsten Morgen wuchten wir unser Gepäck früh aus dem zweiten Stock unserer "Herberge" zurück in den Chrysler in großer Vorfreude auf den GLACIER NATIONALPARK. Die ikonische "Going to the Sun Road" ist immer noch nicht freigegeben, erst vor wenigen Wochen gab es eine größere Lawine, die ein Passieren der berühmten Ost-West-Verbindung, die als eine der schönsten Panoramastraßen der Welt gilt und sich 50 Kilometer vorbei an Gletscherseen und Bergpässen durch die Natur schlängelt, unmöglich macht. Trotzdem benötigt man, um am nahe an KALISPELL gelegenen "Western Entrance" in den Park einzufahren ein zusätzliches Ticket, was die Anzahl der Fahrzeuge pro Tag begrenzen soll. Aber entweder waren die Tickets auf der Homepage noch nicht und dann plötzlich nicht mehr verfügbar. Kurzum: Da wir bereits Erfahrung darin haben, Nationalparks zu umrunden statt zu durchqueren, fahren wir in zweieinhalb Stunden auf besagtem Highway 2 zum "St. Mary Entrance" an der Ostseite, der viel weniger frequentiert und deswegen auch ohne zusätzliche Reservierung benutzt werden kann. Von dort können wir immerhin 14 Meilen der "Going to the Sun Road" fahren bis zum "Jackson Glacier Overlook". Auch dort ist das ewige Eis besorgniserregend zurückgegangen. Auf dem Weg drängt das unwirkliche Panorama immer wieder zum Anhalten, um Fotos zu machen, die doch nur unzureichend einfangen können, wie überwältigend die Natur sich hier präsentiert. Größere Wanderungen sind an diesem Tag nicht möglich. Janosch hat sich am Vorabend entweder beim Fangen- oder Gittarespielen eine Adduktorenzerrung zugezogen, außerdem wollen wir keine 50 $ in ein Anti-Bärenspray investieren, das auf allen Wegen dringend empfohlen wird, denn - wie die zahlreichen Schilder hinweisen - ist hier "Grizzly-Territory". Am Visitorcenter holt sich der Junge allerdings noch das Triple und ist jetzt nicht nur im "Olympic National Park" und im "Mount Rainier National Park", sondern auch im "Glacier National Park" vereidigter Junior Ranger.

    Nach einer knapp einstündigen Fahrt durch plötzlich flache Graslandschaft erreichen wir dann CUT BANK, den Verwaltungssitz des Countys, eine Kleinstadt mit 2900 Einwohnern. Hier macht auch der Schnellzug von Chicago nach Seattle Halt und laut Statistik steigen hier die zweitwenigsten Menschen ein oder aus (im Schnitt neun pro Tag) und das hat seine Gründe. Aber wir sind hier ja nur auf Durchreise, essen abends in einem urigen Lokal riesige Portionen von mariniertem und frittiertem Huhn, trinken dazu lokales Bier vom Fass (sehr gut) und Rotwein (auch sehr gut) und schlafen dann im in die Jahre gekommenen, aber in diesem Fall sehr sauberen und freundlichen Hotel der "Super 8"-Kette ein, wo ich seit 6 Uhr bei Kaffee und Orangensaft in der mit Holzmöbeln ausgestatteten Lobby sitze und diese Zeilen schreibe, immer wieder unterbrochen durch nette kurze Gespräche mit anderen Gästen. Draußen scheint die Sonne, es verspricht ein schöner Tag zu werden, an dem wir 300 Meilen in den Süden nach EMIGRANT im "Paradise Valley" fahren, wo wir für drei Tage ein Ferienhaus beziehen werden.
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