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  • København

    June 25, 2021 in Denmark ⋅ ☁️ 19 °C

    Am Dienstag erreichte ich gegen Mitternacht das Hostel, in das ich mich bis Samstag einquartiert hab. Ziemlich irritiert von den gefühlt hundert betrunkenen und ausgelassen feiernden 20-jährigen drängle ich mich mit meinem riesigen Rucksack durch die Menschenmenge und suche die Rezeption für den Check-in auf.

    Ein 10-Bettzimmer wartete auf mich. Da allerdings trotz Lockerungen der Coronamaßnahmen der Tourismus dennoch noch braucht bis er in Schwung kommt (lt. Hostel-Betreiberin sind lediglich 10% der Betten belegt), teile ich mir glücklicherweise nur mit vier anderen ein Zimmer. Wir sind ein ziemlich bunter Haufen aus Spanier, Amerikaner, Litauer und Österreicher, wobei nicht besonders viel gesprochen wurde, was mich allerdings auch nicht weiter störte.

    Meine Tage in Kopenhagen gestalteten sich sehr abwechslungsreich und vielfältig.
    Am Mittwoch habe ich nach einigen Besorgungen und Wäsche waschen den botanischen Garten besucht. Kaum einen Tag bin ich in der Stadt und sofort zieht es mich wieder ins Grüne.
    Später am Tag bin ich dann vorbei an einem der vielen Schlösser und über einige der vielen Brücken in Richtung des Freistaates Christiania.

    Das ist schon unglaublich faszinierend. Da liegt mitten in der Hauptstadt Dänemarks ein unbenutztes Militärgelände, dass infolge von Wohnungsmangel & steigenden Mietpreisen Anfang der 70er Jahre von Hippies besetzt wurde.
    Mittlerweile haben die etwa 1000 Bewohner das Gelände gekauft und eine eigene Art des Zusammenlebens etabliert. So werden Entscheidungen nur nach dem Konsensprinzip getroffen, das heißt alle müssen dafür sein. Neben einem ökologischen und nachhaltigen Zusammenleben soll hier jeder Mensch die Möglichkeit haben sich (kreativ) entfalten zu können, was auch an den wunderbar bunten Hausfassaden, den architektonisch-kreativen Häusern und Skulpturen sichtbar wird. Außerdem fordern die Einwohner Christianias die Legalisierung von Cannabis. Eine Verkäuferin in einem Kunstladen argumentierte, dass damit ein Markt, der sowieso existiert, besser kontrollierbar werden würde und der Staat zudem Steuern aus dem Verkauf einnehmen könnte. Kurz zuvor wurde mir auf jeden Fall auf der berühmten "Pusher Street" unzählige Male Haschisch zum Kauf angeboten.
    Später esse ich dann in einem kleinen vegetarischen Selbstbedienungsrestaurant zu Abend und lese nebenbei noch so einiges über die Geschichte von Christiania. Immer wieder ist es vor allem aufgrund des Drogenhandels zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und negativer medialer Berichterstattung gekommen. Ein weiterer Zeitungsartikel beschäftigt sich damit, dass viele Kinder die in den 70er und 80er Jahren in Christiania aufgewachsen sind oftmals von ihren Eltern vernachlässigt worden seien. In einer Dokumentation erzählen die Bewohner selbst davon, dass Christiania keine Utopie sei und nicht frei von Problemen.

    Bei all der Kritik, die öffentlich immer wieder an dem Freistaat geübt wird, wird mir bewusst, dass letztlich jede Gesellschaftsform vor ihren "eigenen" Problemen steht.
    Christiania ist für mich definitiv ein einmaliger und sehr spannender Ort, der so schön aufzeigt, dass es viele Möglichkeiten und Arten des Zusammenlebens geben kann und darf.

    Am Abend bin ich dann am Heimweg vorbei am klassischen Fotomotiv von Kopenhagen den Häusern des Nyhavn auf ein Sonnenwendfeuer gestoßen. "Sankt Hans" und damit der längste Tag des Jahres wird auch in Dänemark gefeiert. So wurde mir erzählt, dass die Dänen sowieso keine Gelegenheit zum Feiern auslassen würden. Die Kulisse war wirklich einmalig.

    Am Donnerstag hab ich dann mein Boot gepackt und bin einige wenige hundert Meter von meiner Unterkunft zum Wasser gegangen.
    Auf den kleineren Kanälen war das ja noch recht idyllisch. Im viel breiteren Hafengelände wurde es dann schon richtig abenteuerlich. Sightseeingboote, Linienschiffe (als öffentliche Verkehrsmittel innerhalb der Stadt) und jede Menge Mietboote, die zurzeit vor allem von feierlaunigen Jugendlichen Verwendung, die gerade ihren Schulabschluss lautstark feiern.
    Und ich weiß jetzt zumindest, dass mein Boot auch einen stärkeren Wellengang ganz gut standhält. Ich hab mich natürlich bei all den großen Booten immer schön zurück gehalten und versucht möglichst früh schon auszuweichen - immerhin war das Kräfteverhältnis ja eindeutig geklärt.
    Ich muss sagen, dass ist mir auch wirklich gut gelungen. Bis auf das eine Mal. Es kommt mir ein großes, gelbes Schiff entgegen. Das ist eines dieser "Öffi-Schiffe". Ich versuche möglichst an der Seite entlang zu paddeln und wundere mich, dass das Schiff trotzdem weiterhin Kurs auf mich nimmt. Es kommt tatsächlich immer näher und mittlerweile gibt mir der Kapitän per Handgefuchtel zu verstehen, dass ich mich auf gut wienerisch "schleichen soi". Auch ein Passagier schlägt dann in die selbe Kerbe und ja da war ich dann im Kopf auch nicht gerade der schnellste. Aber irgendwann hab ich es dann auch verstanden, dass ich mich da gerade direkt vor der Haltestelle befinde, die er da gerade anfahren möchte. Ups.
    Dann hab ich doch ein bisschen einen Stress bekommen und hab versucht mich möglichst schnell aus dem Staub zu machen.
    Ich bin dann an noch so manchen großen Schiffen und auch Kriegstankern vorbeigekommen, bis ich mein Ziel - die Skulptur der kleinen Meerjungfrau - erreicht hab.
    Ja das war schon recht lustig und für den einen oder anderen Passanten dürft ich auch ein amüsantes Fotomotiv abgegeben haben.

    Nach meinem Bootsabenteuer bin ich dann in einem kleinen Club, in dem vorwiegend junge dänische Musiker auftreten, seit langem wieder einmal auf meinem ersten Konzert gewesen. Das war echt schön!

    So und heute war ich dann noch im Nationalmuseum. Spannend. Die gesamte dänische Geschichte von der Urgeschichte bis zur Gegenwart.
    Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so viele Stunden in einem Museum verbracht hab. Vor allem die Frühgeschichte hat es mir da heute angetan.
    Und als ich mich schon wieder auf den Weg machen wollte, wundere ich mich, dass hier so viele gut gekleidete Menschen herumlaufen, ein Catering aufgebaut wurde und eine kleine Musikgruppe gerade probte. Letztere spielt Musik der Wikinger nach und ein Bandmitglied erklärt mir, dass heute eine Ausstellung eröffnet werde und ich Glück hätte, da die dänische Königin Margarete II. zur Eröffnung käme (Am Foto die Dame mit dem roten Hut).

    Ja das mit dem Timing ist so eine Sache. Vieles lässt sich einfach nicht planen.

    Eine schöne Zeit hab ich da erleben dürfen in Kopenhagen, dass wie so viele andere Orte ja nicht auf meiner ursprünglichen Reiseroute gelegen ist. Ja so ist das mit dem Leben und den Plänen. Was einem wohl so alles entgeht, wenn man sein Leben nur nach den eigenen Plänen und Vorstellungen zu leben versucht?

    So für mich geht's morgen auf jeden Fall wieder weiter - und zwar quer durch Dänemark!

    Schönen Start ins Wochenende wünsch ich euch.
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