Satellite
  • Day 106

    In den Drakensbergen

    December 26, 2018 in South Africa ⋅ ☀️ 30 °C

    Wow!

    Die Schönheit und Erhabenheit dieser Berge macht mich sprachlos.

    Wir befinden uns inmitten der dramatischen Berglandschaft der Drakensberge. Diese 1000 Kilometer langen zerklüfteten, grünen Tafelberge bilden die natürliche Grenze zwischen Südafrika und Lesotho.
    Wenn man die Felswände aus Klippen und Schluchten aus nächster Nähe anschaut und man die gewaltigen Dimensionen mit den eigenen Sinnen erlebt, wird einem schnell klar, wieso die „Drachenberge“ eine maßgebliche Inspiration für Tolkien waren, als er sich den Schauplatz Mittelerde für „Herr der Ringe“ ausdachte.

    Mit Sack und Pack, Zelt und Isomatte, Sandwiches und Flachmann bepackt steigen wir über die sogenannte Chainleddar (jaaa, das ist wirklich eine Kettenleiter, die senkrecht den Fels hinaufführt. Und nein! Keine Sicherung!) auf eine der berühmtesten Felsformationen des Gebirges: das Amphitheater.
    Schon von unten sieht es unglaublich imposant aus.
    Von oben ist es dann sogar noch spektakulärer. Für den steilen Aufstieg werden wir mit einem majestätischen Bergpanorama belohnt, bei dem uns wieder mal bewusst wird, was Ehrfurcht bedeutet.
    Ich stehe in schwindelerregender Höhe am Rande der Klippe und schaue nach unten. 1000 Meter geht es vor mir senkrecht runter.
    Ahhhhhh! Vermutlich kennt jeder dieses Gefühl, wenn man an einem Abgrund steht, einem die Beine schwach werden und man sich in einem Sekunden-Tagtraum abstürzen sieht. Schaurig-schönes Gefühl. Obwohl man sich ja (ungewollt) vorstellt, wie man in den Tod stürzt, fühlt man sich gleichzeitig so außergewöhnlich lebendig. Prickelndes Adrenalin.
    Links von uns der Sentinel, rechts von uns der Mont aux sources, stehen wir in über 3000 Meter Höhe auf dem Hochplateau des Amphitheaters und der Wind pfeift uns nur so um die Ohren. Mit ihm schießen Adler und Geier über unsere Köpfe hinweg und zerschneiden mit einem scharfen „Fucchhh“ die Luft.

    Immer wieder begegnen wir Schäfern. Die meisten kommen angeblich aus Lesotho und bleiben für 5 Monate am Stück auf dieser Höhe bei ihren Schafen. Das Wetter in den Drakensbergen ist unberechenbar und es kann, egal zu welcher Jahreszeit, zu extremen Kälteeinbrüchen kommen. Kein Wunder sind die Schäfer in dicke Decken eingewickelt und tragen Wollmützen. Wir verteilen unsere Snacks an eine Gruppe Jungs, die zwar außer „Sweets?“ kein Wort Englisch reden, uns aber wild gestikulierend klarmachen, dass wir sie fotografieren sollen.
    Als ich für das Fotoshooting mitten in der Deckenumwickelten Jungenhorde stehe und den modrig-schweißigen Geruch einsauge, wird mir wieder mal bewusst, WIE unterschiedlich Menschenleben aussehen können.

    Wir halten Ausschau nach einem geeigneten Platz, um unser Nachtlager aufzuschlagen. Im Internet haben wir gelesen, dass man sein Zelt erst bei Dunkelheit aufbauen und dann kein Licht mehr anmachen soll, damit einen die Schäfer nicht sehen. Es ist wohl in den letzten Jahren immer wieder zu Überfällen gekommen, bei denen Zelte aufgeschlitzt und Wertsachen entwendet wurden.
    Ich muss zugeben, ich bin etwas nervös mit diesen Informationen im Hinterkopf. Und dass uns schon zwei Wanderer auf dem Weg erstaunt gefragt haben, ob wir es nicht zu gefährlich finden, da oben alleine zu zelten, macht mich nicht gerade entspannter.
    Aber es wäre einfach zu schön, morgen früh mit diesem fantastischen Ausblick den Sonnenaufgang anzuschauen.
    Also entscheiden wir, dass wir es durchziehen. Es ist mal wieder an der Zeit, unser Urvertrauen in die Menschheit auf die Probe zu stellen. Bisher haben wir nur gute Erfahrungen damit gemacht.
    Mittlerweile ist es 15 Uhr, ein Abstieg wäre ohnehin bald nicht mehr möglich.
    Da begegnen wir einer Gruppe Wanderer, ebenfalls mit Zelt und Isomatten bepackt.
    Sie versuchen uns jedoch zu überzeugen, dass es keine gute Idee sei zu zelten. „Guys I am South-African. This is my country and i know when there is trouble and when there’s not. I saw the Shepards and i don’t trust them. They already saw your camera and your iPhone. It is too dangerous guys. This is Africa, there are 50 murders a day. And tomorrow it’s another day.”
    Auch die anderen Männer der Wandergruppe reden auf uns ein und erzählen uns, dass sie schonmal hier oben gecampt haben. Heute finden sie das Verhalten der Schäfer jedoch so komisch, dass sie lieber die gesamte Ausrüstung und Verpflegung wieder runter schleppen.
    Wir bedanken uns für den Ratschlag und als die Gruppe abzieht, merken wir, dass wir ganz alleine auf dem Plateau sind. Die Tageswanderer haben sich bereits alle an den Abstieg gemacht.
    Bei dem pflichtmäßigen Gipfelschnaps aus dem Flachmann überlegen wir, was wir tun sollen.

    Die vom Sonnenuntergang warm beleuchtete Panorama-Aussicht auf das umliegende Gebirge verspricht einen unfassbaren Sonnenaufgang morgen früh. Die Südafrikaner von eben haben uns jedoch solche Angst gemacht, dass wir uns schweren Herzens entscheiden, doch nicht hier oben zu zelten.
    Better safe than sorry...

    Im Endeffekt ist es die richtige Entscheidung, da völlig unerwartet ein Unwetter aufzieht und wir vom Fuße des Berges aus sehen, wie das Amphitheater voll und ganz in dicke schwarze Wolken eingehüllt wird.

    Zurück in der Witsieshoek Mountain Lodge sprechen wir mit anderen Wanderern und Einheimischen, welche uns erzählen, dass sie schon öfters auf dem Amphitheater gezeltet haben und es nicht wirklich gefährlich sei. Die allermeisten Schäfer seien super freundlich.

    Kurz ärgern wir uns, dass wir uns nicht getraut haben, oben zu bleiben, doch als wir die grellen Blitze über dem Hochplateau sehen, sind wir ganz froh hier unten in einem kuscheligen Bett schlafen zu können.

    Was für eine unfassbar schöne und nervenkitzelnde Wandertour das doch war...
    Read more