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  • Day 6

    Plötzlich in der Zona Rossa

    March 8, 2020 in Italy ⋅ ☁️ 9 °C

    "Welcome to the Red Zone". So werde ich in gutem Englisch vom Proprietario der 'Casina Caiella' begrüßt. Meine ihm zur Begrüßung entgegen gestreckte Hand möchte er nicht schütteln, weicht stattdessen noch einen Schritt zurück. Ich sei sein letzter Gast für die nächsten Wochen, meint er, alle anderen Gäste hätten kurzfristig storniert.
    Oh, tatsächlich? Also, wenn man wandert, kriegt man vom kurzfristigen Tagesgeschehen ja nicht alles mit. Das will ich ja auch gar nicht. Heute Nachmittag bei der Kaffeepause in der Cascina war die Welt doch auch noch tutto bene. Was ist denn passiert?
    Meine Herberge liegt zwischen Motta Visconti und Casorate Primo auf dem platten Land, In der Herberge bekomme ich nichts zu essen. Also muss ich noch mal raus. Ich gehe nach Casorate Primo, weil eine schöne Pizzaria gleich am Ortseingang liegen soll. Doch die hat geschlossen, obwohl sie laut Google Maps geöffnet haben sollte. Auch im Ort sind alle Restaurants zu. Die Pizzeria am Markt ebenso wie die um die Ecke. Alles hat zu, die Läden sind verrammelt. Vereinzelt begegnen mir Menschen, andere stehen in Grüppchen beisammen und tuscheln. Doch auf meine Fragen, was hier los sei, bekomme ich keine befriedigende Antwort. Offenbar spricht man kein Englisch. Die Pizzeria "Mar Rosso", eher schon eine Döner Bude, ist offen, nimmt meine Bestellungen durch die halb herunter gelassene Jalousie noch entgegen. Ich bestelle eilig eine Pizza Tonno zum Mitnehmen. "Besser einfach, als gar nichts", denke ich, während mein Herz sich immer weiter zusammen zieht. Da kommt ein älterer Herr in eigenartiger Uniform um die Ecke, ermahnt den Pizzabäcker mit italienischen Worten, die für mein Ohr sehr scharf klingen, der daraufhin nervös und hektisch wird. Schnell reicht er mir eine Pappschachtel mit meiner Pizza. Andere Wartende kriegen ihre Pizzen auch noch. Dann - rums - ist die Jalousie unten. Nun ist alles dicht in diesem kleinen Ort. Meine Beklemmung wächst weiter. In Gedanken versunken gehe ich mit meiner Pappschachtel in der Hand zurück zur Unterkunft. Was geschieht hier gerade? In meiner Unterkunft verdrückte ich die kalt gewordene Pizza, rufe zu Hause an und frage meine Frau Britta, was sie Neues aus Italien weiß. In solchen Momenten ist es überaus tröstlich, eine vertraute Stimme zu hören. So erfahre ich, was gerade los ist: Italien hat seinen Norden abgesperrt, das Herz seiner Wirtschaft verschlossen. Die gesamte Lombardei und auch andere Regionen gehören ab heute bis mindestens 2. April in eine Sicherheitszone, die nicht mehr ohne gewichtigen Grund betreten oder verlassen werden darf. Eine Sperrzone für 16 Millionen Menschen ist entstanden.
    Und ich bin mitten drin.
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