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  • Day 41

    Tag 39: Von Dortmund nach Ratingen

    May 18, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 25 °C

    Das Ruhrgebiet. In ihm wohnen rd. 5 Millionen Menschen, zählt man auch noch die Rheinschiene dazu (für mich Norddeutsche gehören Düsseldorf und Köln sowieso zum Ruhrgebiet..) kommt man auf rd. 10 Millionen! Auch wenn die Stadtgrenzen oft nur anhand des Ortsschildes zu erkennen sind, so ist man hier dennoch sehr stolz auf seine Herkunft und besteht auch darauf. Man kommt zwar aus dem "Pott", aber immer noch aus Bochum, Wattenscheid, Gelsenkirchen oder eben Dortmund. Man nimmt hier kein Blatt vor den Mund...hart aber herzlich! Wunderbar! Man weiß einfach immer, woran man ist. Mit einer großen Offenheit, oft mit einem kumpelhaften "du", werden hier Fremde begrüßt und schnell und ehrlich in die Gemeinschaft aufgenommen. Man kann sich hier nur wohlfühlen (ich auf jeden Fall!)..und mit der schönen Landschaft kann ja noch werden..
    Der Bergbau, die Zechen, die Kokereien, die Stahlindustrie, alle mit ihren weit sichtbaren qualmenden und brennenden Schloten, prägten über Jahrhunderte die Region. Heute muss man ins Museum (unbedingt ins UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein in Essen), um die alte Zeit zu erleben. Eine verdammt harte Zeit, oft eine Gefahrengemeinschaft, die die Menschen hier prägte. Man musste miteinander, also konnte man es auch. Und das ist halt bis heute geblieben.
    Nicht eine Zeche ist mehr in Betrieb, die Abraumhalden werden nach und nach begrünt und mit zum Teil futuristisch anmutenden begehbaren Skulpturen versehen, die großen und kleinen Flüsse entgiftet und renaturiert. Eine Region im Wandel, den es in solch einer einschneidenden Form Anfang des 19. Jhd. wohl schon einmal gegeben hat. Wie im Münsterland oder am Niederrhein soll es hier ausgesehen haben...Duisburg und Dortmund als größte Städte hatten wohl nur rd. 5.000 Einwohner. Mit der Industriealisierung und der kommerziellen Erschließung des Bergbaus war es dann mit der Idylle vorbei. Das Ruhrgebiet als Lieferant von Kohle und Stahl, ein Garant für Arbeitsplätze. Innerhalb von wenigen Jahren explodierte die Bevölkerungszahl...leider war es auch mit der guten Luft vorbei.. Von der Wäsche, die frisch gewaschen nach draußen gehängt und grau gefärbt wieder reingeholt wurde, wissen die Alten noch zu erzählen.
    Ulla, Babsi und ich verlassen Dortmund über den Radweg "Rheinischer Esel", die ehemalige Bahnstrecke zwischen Dortmund und Bochum. Zechen mit den wunderbaren Namen "Gottessegen", "Ringeltaube" oder "Nachtigall" wurden damals beliefert, aber die Marktfrauen gaben der Bahnstrecke ihren Namen. Wie bepackte Esel trugen sie wohl ihre Waren mit sich....
    In Witten dann der Wechsel auf den Ruhrradweg, der uns die nächsten 50 km begleitet. Und wie schön ist er heute! Kaum zu glauben, dass wir mitten durch das Ruhrgebiet fahren. Nur grün um uns herum, wunderbare Auen, überall kleine und große Vögel, herrliche Gerüche der in voller Pracht stehendend Blüten und sogar Seerosen können wir bewundern.
    Plötzlich kommen wir nicht mehr weiter. Große Augen blicken uns an und weichen keinen Schritt zur Seite. Und wirklich Mut haben wir auch nicht...was also machen? Wir warten einfach mal und beobachten so halb relaxt ein Schlauchboot mit Managern zwecks Teambilding. Sie kämpfen sich durch...und wir auch. Allerdings mithilfe eines mutigen Radfahrers. Er klopft der "Liesel" auf den Hintern..und die Rinderherde lässt uns tatsächlich durch.
    Die so vielen Küken der Kandagänse interessieren sich an unserer Weiterfahrt auch nicht so recht, und so bleibt uns manches Mal nur ein Schlenker oder eine Vollbremsung, um sie nicht über den Haufen zu fahren. Ich find es total faszinierend und wunderschön, dieses besondere Naturerlebnis mitten im sonst so verschmähten Ruhrpott erleben zu könnnen.
    Und die Ruhr bietet noch so viel mehr. Der Hengsteysee, der Kemnader See, der Kettwiger See, alles Stauseen, die die Wasserversorgung des Ruhrgebiets sicherstellen sollen, sind auch riesige Freizeit- und Erholungszentren. Segeln, rudern, angeln, schwimmen, faulenzen, sich lieben..., alles erleben wir.
    Nur eins erleben wir nicht. Geöffnete Biergärten. 40 Kilometer mit "heute geschlossen", "heute Ruhetag", "wegen Renovierung geschlossen", "ab 15 Uhr geöffnet"... es ist zum Verzweifeln. und als es dann endlich soweit ist, gibt's nur noch zwei Stückchen Kuchen vom vergangenen Wochenende. Aber egal, die Rhabarberschorle schmeckt und natürlich kommt danach ein geöffneter Biergarten nach dem anderen...
    Und in Ratingen, unserer heutigen Station, krönt das "Alt" einen wunderschönen Tag (es ist schon wichtig zu wissen, dass man irgendwann den Bierdeckel auf das leere Glas legen muss, sonst bringt der Kellner unaufgefordert einfach das nächste...)
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