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  • Die Straße der Inseln (1)

    October 29, 2019 in Canada ⋅ ⛅ 3 °C

    Auf in den Sturm! - war die letzte Ansage die ich von Lesern mitbekommen habe. Dann erwarten mich durchgängig den ganzen Tag Windstärke 5 als Gegenwind auf dem Weg in ein entlegenes Dörfchen. Ich bin es ja nun gewohnt mittlerweile.
    Ich glaube viele runzeln die Stirn bei dem Gedanken. Für die Fahrt nach Twillingate nehme ich 160km Umwege bei miserablem Wetter in Kauf und die! Attraktion in der Hauptstadt der Eisberge ist seit Juli geschmolzen. Ab und zu habe ich mich in den letzten drei Tagen selbst schon gefragt. Habe ich mir nun einmal sowas in den Kopf gesetzt ist es schwer wieder dort weg zu bekommen...
    Die ersten vierzig Kilometer verlaufen recht glimpflich. Danach kennt das Wetter kein Pardon mehr. Statt Regen spritzt Gischt über die Straße und es gilt alles fest zu krallen während ich unentwegt versuche vorwärts anstatt rückwärts zu rollen.

    Ich muss ziemlich bald einsehen dass ich meine Distanz heute überschätzt habe und lasse mich erschöpft neben einer Kirche nieder.
    Der nächste Morgen hat immer noch den gleichen starken Nordwind. Anstatt weiter zu kämpfen entscheide ich weiter zu entdecken und gehe wandern. Am Nordende Neufundlands geht das Festland in viele winzig kleine Inseln über. Heute ist alles durch eine Straße ziemlich leicht zugänglich. Früher waren das alles Outports. Dörfer im Hinterland. Nur über einen kleinen Hafen mit dem Festland verbunden. Wer hier lebte war Teil einer starken Gemeinschaft die in wirklich allen Belangen auf sich selbst angewiesen war. Egal ob in der Saison zum fischen oder wenn der Nachbar mal für eine Woche aufs Festland nach St Johns musste.

    In der Nebensaison gibt es keine Eisberge oder Wale. Ich entscheide mich daher für eine andere außergewöhnliche Tour. Während meiner Wanderung finde ich Ende Oktober noch viele viele Blaubeeren frisch am Busch. *yam yam* Viele Anwohner kommen ebenfalls her und pflücken die Beeren. Sie essen davon aber die wenigsten. Der Großteil geht zur Winzerei. Richtig! Wenn schon keine Trauben hier wachsen aber vergären lässt sich immer etwas. Aus Lokalen Blaubeeren, Himbeeren oder Rhabarber wird mithilfe von extra gesammeltem Eisbergwasser feinster Wein hergestellt. Ich muss zugeben der süße Desertwein war der leckerste beim verkosten. =)

    Ungewohnt und daher schon mit leichtem Kopf radle ich zurück in die Stadt. Es fällt mir echt schwer weiter zu fahren. Irgendwie fehlt auch die Lust. Also auf in den nächsten Pub und fragen ob es irgendwie ein Zimmer für die Nacht gibt. Das ist total ungewohnt ich weiß. Aber aller paar Tage braucht es nun mal etwas zum aufwärmen und erholen. Es gibt aber keine bezahlbaren Zimmer in der Nebensaison. Als das der einzige weitere Gast im Pub mitbekommt lädt er mich spontan zu sich ein. Wo sonst sollte ich einen alten Segler antreffen als in seinem Pub wenn er im Heimathafen ist. Aber es ist ein schöner Zufall. Wir verbringen den ganzen Abend mit allem rund ums Segeln.
    Er will es jedoch auch noch einmal wissen und plant nach verschiedenen Atlantiküberquerungen mit seinen 80Jahren einen Solotrip auf die Azoren und zurück. Ich sags doch immer wieder. Der Mensch braucht Ziele!

    Im Gespräch erinnert er mich daran warum auch ich nach sechs Monaten unentwegt weiter mache. Was treibt Menschen jeden Alters an auf eine lange Reise zu gehen? Ist es der Ehrgeiz? Das Streben nach Glück? Oder alles viel simpler!? Immer wieder ist es dass ich tue was ich im Augenblick am meisten liebe. Davon hält mich auch kein mieses Wetter ab. Und ich bin dankbar dass ich diese Chance nutzen kann.
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