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  • Brandenburger Landpartie (2)

    June 13, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 17 °C

    Einmal mehr ist auf dem Land hier fernab jeglicher Stadt die Zeit stehen geblieben. Die aktuelle Situation erlaubt es jedoch schon wieder dieses zur Schau zu stellen und tief in unsere Vergangenheit einzutauchen. Mein Plan bestand ursprünglich darin möglichst schnell an den Oder-Havel-Kanal zu gelangen und ein wenig vorwärts zu kommen. Eine Museumseisenbahn in Sternebeck macht diesen Plan jäh zu Nichte. Wenn ich zwischen allerlei alten Wagons wandeln kann und diese Stück für Stück in sehr gut restauriertem Zustand sind kommt bei mir der kleine Eisenbahnfreund zum Vorschein. Es ist nicht allein die Eisenbahn, die den Leuten hier ein schönes Hobby beschert. Selbst die Kinder sind begeistert mit dabei und versuchen mir zu erklären was ein jeder einzelner Wagon gemacht hat. Auf den ersten Blick erscheint es anders jedoch hat man diesen Landbahnhof fernab jeder Haupttrasse sehr gut gepflegt. Die Kinder sagen mir 'hier von den Feuerwehrautos dort drüben waren auch immer schon zwei oder mehr stationiert. Wegen der Soldaten.' Ich schaue ungläubig. Auf dem Weg hier her hatte ich gar nicht mitbekommen dass in der Gegend ein aktiver Truppenübungsplatz oder sonst irgendein Sperrgebiet lag. Seit dem ich in Kanada meine Erfahrung damit gemacht habe bin ich eigentlich von der Neugierde in solchen Gebieten geheilt. Ich hole mein Navi raus und schaue auf die Karte. Nichts. reinzoomen. Immer noch nichts. Irgendwo nebenan im Wald taucht die Bezeichnung NVA-Museum auf. Zu Corona-Zeiten ist ein Museum nie ein Grund für ein paar Extra Kilometer. Noch weiter reinzoomen. Plötzlich tauchen versteckt mehrere Bezeichnungen um einen mysteriösen Ort auf. Hornekamp. Autopark. Atombunker. Ähh, dass hier in der Umgebung ein Kernkraftwerk steht kann ich ausschließen. Damit ist die Neugier bei mir dann doch wieder geweckt. In Hornekamp finde ich abseits der Hauptstraße sogar zwei kleine Wegweiser und folge dann mehrere Kilometer einem Kolonnenweg tief in den Wald. Links und rechts möchte ich mich nicht einmal als Reh in dieses Dickicht verirren. links folgt ein eingewachsener Zaun, darauf der Hinweis auf militärisches Sperrgebiet. Aber die Straße ist in meinen Augen frei zugänglich. Nach einem weiteren Stacheldrahttor folgt das besagte NVA-Museum. Eine zweistöckige ziemlich verfallene Baracke, einige Kameras aus vorsintflutlicher Zeit. Hier macht heute kein Museum auf. Ein zweites Tor und ein verlassenes Pförtnerhäuschen führen mich auf das Gelände einer ehemaligen DDR-Kaserne. Die Hallen scheinen restauriert und heute für Paintball-Schießen genutzt zu werden. Das steht zumindest am Eingang der Anlage. Der Weg führt weiter noch tiefer hinein. Bis ich irgendwann vor einem zweiten Pförtnerhäuschen und einem verschlossenen Tor stehe. Im Fenster werden einige alte Fotos gezeigt und der umliegende Zaun mit Starkstrom geschützt. Ich versuche gar nicht erst weiter zu kommen. Es ist alles so schon interessant. Fernab jeglicher neugieriger Blicke, fernab von Eisenbahn und Funkmasten hat die DDR-Führung hier ihre Hauptleitstelle für den Ernstfall eingerichtet. Unter die Erde hat man hier eine riesige 3-Etagige Wohn-und Arbeitskapsel gebaut und mit 3m dickem Stahlbeton ummantelt. Darüber wurden noch einmal 15 Meter Kies, Beton und Stahl aufgeschichtet um ein 'sicheres Haus' zu gestalten. Auf der oberen Etage befinden sich Kommando- und Arbeitsräume, Medizinischer Punkt und die Räume des ehemaligen Ministers. Darunter befinden sich Küche, Lagerräume, Speise- und Schlafräume und ganz unten die Technik, Wasser und die Stromversorgung. Die Kampfbesatzung (450 Personen) hätte hier ohne Versorgung von außen knapp einen Monat überleben können. Wenn ich vergleiche welchen Aufwand man bereits damals in den 70er Jahren betrieben hat will ich mir gar nicht denken was heute dem Stand der Technik einer solchen Anlage entspricht. Das ist schon gut dass da draußen immer Sperrgebiet dran steht.
    In Finow komme ich gerade noch rechtzeitig über die Kanalbrücke bevor die für den Schiffsverkehr hochgezogen wird. Der Ort liegt am Oder-Havel-Kanal und unweit steht Ostdeutschland größtes Schiffshebewerk. Ein 36 Meter Höhenunterschied wird hier seit 90 Jahren in gigantischen Dimensionen für Schiffe überbrückt. Als ich mir das Bauwerk aus der Nähe betrachte wird auch gerade ein Schiff abgesenkt. Für die 36 Meter benötigt es schlappe 20 Minuten. Da könnte man glatt einen Kaffee trinken gehen. Mein Magen knurrt eh. In der Gründerzeit wurde bekanntlich alles aus Stahl genietet. Somit fehlt zum Eifelturm also nicht so viel. In der Zwischenzeit baut man nebenan ein modernes Hebewerk und will in typisch deutscher Bauzeit seit 2014 fertig sein. Leider stehen die Bauzäune heute immer noch. Und als hätte es ein findiger Unternehmer geahnt: Für alle die sich jetzt an den Kopf greifen gibt es unweit davon seit zwei Jahren eine brandneue Destille um sich von dieser Ungnade abzulenken. Stefan und Jana haben hier einen alten Bauernhof restauriert. Aus der Scheune wurde ein Hochlager und im Stall befinden sich heute die Brennblase und das Labor. Über das Jahr werden je nach Saison mittlerweile 30-40 verschiedene Feinbrände, Geiste und Liköre vorwiegend aus heimischem Obst gebrannt. Aus Anlass der Brandenburger Landpartie ist heute so etwas wie Tag der offenen Tür inklusive Verkostung. Nachdem ich heute nun schon wieder die eine oder andere Verzögerung in Kauf genommen habe kommt es bestimmt nicht mehr darauf an wenn der ein oder andere Geist mich hier nun weiter aufhält. Morgen ist notfalls auch noch ein Tag und mein nächstes Ziel scheint ein Kloster zu werden. In früherer Zeit hieß das man soll erst Recht trinkfest sein. Traditionell abgefüllt wird im Übrigen in Apothekerflaschen. Auch von Standes wegen ist eine Qualitätskontrolle somit sehr zu empfehlen. :)
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