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  • Day 41

    Ein Paisa erzählt was aus seinem Leben

    July 15, 2021 in Colombia ⋅ 🌧 23 °C

    Der folgende Blog entstand im Schreiben einer vorherigen Geschichte (vor gut 6 Wochen und jetzt wird er endlich veröffentlicht) und ich fand die Schreibweise sehr interessant, deswegen wird es ein eigener Bericht, da es doch sehr viel über die Paisas (Menschen aus dem Teil Antioquia) zu erzählen gibt. An manchen Stellen klingt der Blog sehr übertrieben, sarkastisch, fast schon abwertend, doch ich will im Vorraus erwähnen, dass er keinesfalls so gemeint ist. Ich wertschätze, toleriere und respektiere jeden Menschen, ganz gleich, wie er ist, wie er aussieht, was er isst, was er trägt und wie er seine Kinder erzieht. Es sind eher Informationen, die auf eine lustige, wie schon gesagt, sarkastische Art, beschrieben werden. Ich mag die Paisas sehr gerne und habe meine ersten Eindrücke mit ihnen sammeln dürfen. Aus ihnen und Geschichten von Menschen, die hier schon eine Weile leben, ergibt sich der folgende Mono-bzw. Dialog. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

    Die Paisas sind ein gemütliches, sehr stolzes, Tinto trinkendes, verpeiltes, ein bisschen langsames Völkchen. Es existiert kein Zeitdruck. Was liegen bleibt, passiert morgen... oder übermorgen, obwohl die Paisas doch eine starke Arbeitsmoral haben, vor allem die Bauarbeiter, die schuften wie die Irren, sehr gerne auch samstags 6.30 Uhr.... oder meine lieben Kolleg:innen (ich mach mal einen auf gebildet 😀). Da kann es schon mal passieren, dass 5 Leute um einen Kopierer stehen und das Rätsel lösen möchten, warum der liebe Kopierer nicht mehr kopiert. Mensch gegen Maschine! Wer wird den Kampf gewinnen?? Es gewann die Maschine bis eine 6. Kollegin kam und den Fehler behob. Ja ja, jeder gibt seinen Senf dazu. Reden können sie sehr gut, die lieben Paisas...

    "Lass mal lieber noch einen Tinto (leichter Kaffee, gibt es an jeder Ecke) trinken. Dort drüben, da sieht es es nett aus. Ja, genau da, wo es auch Empañadas (verschieden gefüllte, frittierte Pasteten), Papas (saulecker, Kartoffeln mit Hackfleisch in einer Form eines frittierten Balles) und anderes frittiertes Zeug gibt. Wie?! Die Abgase stören dich?! Ich rieche das schon gar nicht mehr. Ist doch nicht so wild. Wie bitte? Lärm? Das ist doch kein Lärm. Da solltest du mal an die Küste von Cartagena gehen, da ist Lärm. Die paar Motorräder sind doch ein Witz, in Cartagena ist es mindestens 5-fach so schlimm. Da hupen sie nämlich noch dazu. Doch nicht hier im schönen Medellín! Ach, und die paar Unfälle mit Motorrad- und Autofahrern sind doch auch nicht viele. Carmen, die heilige Jungfrau wacht über den Straßenverkehr und wir feiern sie jedes Jahr im Juli mit ganz viel Gehupe, noch mehr Lärm, berittenen Pferden, kleinen Mototaxis, viiiiiielen Autos und bunt bemalten Chivas und jedes Fahrzeug bzw. Transportmittel trägt ein buntes Schleifchen. Am Abend lassen wir es richtig krachen mit ganz viel Feuerwerk! Ja, da hast du Recht! Wir lieben Feuerwerk! Sogar am Tag böllern wir rum, weil es so viel Freude bereitet und wir nehmen gerne unsere Hunde mit. Was?!? Das hab ich ja noch nie gehört! Hunde mögen das nicht?!? Aber ich muss doch meinen Hund meinen Freunden präsentieren. Ich habe ihm erst vor kurzem ein neues Westchen, eine neue Leine und Glitzersteinchen für sein Fell gekauft. Hunde brauchen doch keine Erziehung! Was redest du da? Ich brauch doch nicht konsequent sein, weder zu meinem Hund, noch zu meinen Kindern. Das Wort Konsequenz sagt mir nichts. Ich lege auch keinen Wert auf Anstandsregeln am Essenstisch, weder bei mir, noch bei meinen Kindern. Gabel und Messer? Häh! Was das denn?!?! Man kann doch alles mit dem Löffel essen, das Schneiden funktioniert damit auch, wenn ich nur g'scheit fest drück und den anderen Teil mit meiner anderen Hand fest halte. Na klar, auch mit Fleisch! Fleisch, Suppen, Bohnen, Linsen und Frittiertes stehen auf dem Speiseplan. Ne, Gemüse und Obst sind zu gesund, da bin ich nicht so der Fan von. Lieber Patacones, (Reiberdatschi auf Kochbananenbasis, natürlich frittiert, könnt ich mich reinlegen) und Torte. Backen? Auch noch nie gehört. Lieber geh ich zum Laden "Deli" nebenan und kaufe eine wunderschöne, reichhaltige, mit Zuckerguss überzogene und Creme befüllte Torte. Nein, doch nicht der "Tortas y Tortas" in diese Richtung! Spinnst du?! Das sind ca. 500 m! An der Kreuzung da vorne ist doch ein "Deli". Da spar ich mir 400 m Fußweg. Vielleicht nehm ich auch das Taxi, denn ich liebe es, das Taxi zu nehmen. Eigentlich überall hin! Nicht nur ich. Alle tun es. Zu Fuß gehen ist nicht so meins, Fahrrad fahren auch nicht. Nur Sonntags. Ne, ich bin nicht so der Bewegungstyp, ich schau mir lieber Sport im Fernsehen an. Ja, richtig! Fußball maaaaan!!! Was?!? Du verstehst den Moderator nicht? Is' ja 'n Ding! Ja, er redet schnell, aber ihn mit einem Presslufthammer zu vergleichen, ist ja nun wirklich übertrieben. Du machst gerne Sport oder, "Flaca" (dünne Frau, als Mann "Flaco")? Da bist du eine der wenigen Frauen hier. Ich mag Speck auf den Hüften, da hat man so richtig was zum Anlangen! Nö, stört mich überhaupt nicht, die paar Pfunde mehr und claro que sí, jede Frau darf ihren Bauch und ihre Brüste zeigen, ganz egal, wie groß was ist. Ich mag das! Ich geh gerne aus und tanze mit allen Frauen gleich gerne. Hauptsache der Arsch wackelt zu Salsa, Banchetta und Reaggaton. Wir Paisas wissen, wie man tanzt und feiert. Wenn ich keine Tanzpartnerin habe, tanze ich für mich alleine und halte mir die linke Hand an den Bauch oder an mein Herz. Die führende Hand steht vor mir in der Luft und führt und hält die imaginäre Frau. Du findest das schön anzusehen, ja? Ja, wir Paisas sind sehr gefühlvoll! Bei allem eigentlich, bei jedem Gefühl. Wir sind sehr freundlich, hilfsbereit, sehr eifersüchtig, lieben voller Inbrunst und wenn wir jemanden nicht mögen, dann zeigen wir es auch. Aber so richtig! Wir haben intensive Beziehungen zu unseren Familien. Urlaube, Wanderungen und Ausflüge verbringen wir immer gemeinsam. Manche haben ihre eigenen kleinen Fincas (original kolumbianische Häuser) in der Natur. Wir leben sehr lange zusammen. Hahahahaha! Davon hast du schon gehört? Ja, die Männer bleiben sehr lange bei ihren Müttern. Das ist doch ganz normal, dass man mit Mitte oder Ende 30 erst auszieht. Was?!?! Du bist mit 17 ausgezogen? Hast du denn keine Bindung zu deiner Familie? Wie bitte? Das ist normal in Deutschland, dass die Kinder so früh ausziehen? Der Wert der Familie steht bei uns an oberster Stelle und selbst wenn der Junge eine Ausbildung macht, kümmern wir uns trotzdem drum, dass er eine Arepa (eine Art flaches Brot) mit Quesito (ein bisschen geschmackloser "Käse", schmeckt aber schon lecker, ich mag es sehr gerne, wurde in einem der vorherigen Blogs bereits erwähnt, Quesito kommt überall rein, in die heiße Schokolade, ins Eis, ins Gebäck mit Arequipe (eine Art Karamell), auf die Oblea und halt auf die Arepa) in die Arbeit bekommt und die Wäsche gewaschen ist. Ich selbst wurde ab und an früher von meinen Eltern rausgeworfen, durfte aber immer wieder einziehen. Die Entscheidung wurde immer kurzfristig getroffen und wie gesagt, sind die Paisas nicht wirklich konsequent in ihren Aussagen und sehr gefühlvoll. Da passierte es schnell, dass das Fass zum Überlaufen kam. Ja, so sind wir. Auch Religion ist uns sehr wichtig. Viele von uns machen das Vater unser, wenn wir an der heiligen Jungfrau Maria vorbeigehen oder fahren und davon gibt es sehr viele überall. Weihnachten wird bei uns riiiiiiesig gefeiert und auch Neujahr. Man erkennt die Stadt nicht mehr wieder. Überall hängt leuchtende Deko. So wie in Amerika eben. Was die können, können wir schon lange, auch wenn wir eigentlich kein Geld für Lichter, Böller und Dekorationen haben. Man kann es ja auf Raten abzahlen. Auch meine adidas-Schuhe zahl ich noch ab. Ja, die sehen alt aus, weil sie nunmal schon abgetragen und alt sind. Ich wollte sie halt unbedingt..."

    Ich hoffe, ihr konntet euch einen kleinen Eindruck schaffen. Wie bereits geschrieben, soll der Blog nicht in den falschen Hals geraten. Ich mag die Paisas und bin sehr gerne hier. Ich bin gespannt auf weitere Eindrücke und freue mich schon, euch bald wieder berichten zu können.
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