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  • Day 72

    Jericó

    August 15, 2021 in Colombia ⋅ ☁️ 19 °C

    Mein Ausflug nach Andes/Tapartó/Jericó war sehr ereignisreich. Ich fuhr über das lange Wochenende nach Andes und buchte mir da eine Unterkunft. Ich schlief das erste Mal in einer Finca und es war leider der totale Reinfall. Ich erwartete aber auch nicht viel bei dem Betrag. Andes ist eine Finca Gegend, es gibt kaum Unterkünfte. Einer der Gründe ist wahrscheinlich, dass es in Andes auch nichts gibt außer unglaublich schöne Natur. Mein Plan war auch nicht, Andes zu erkunden. Ich wusste bereits zuvor, dass Andes nicht eines der schönsten Dörfer von Kolumbien ist. Ich war bereits durchgefahren, als ich auf dem Weg nach Jardín war. Das ist die Sache. Andes ist ein Anschlusskaff. Es gibt eine Bushaltestelle mit Taxistand, ein paar Tiendas, (kleine Läden) in denen Tinto, Buñuelos (genau, ebenfalls frittiert... sehr leckere Teigbällchen) und Alkohol verkauft werden. Eine Kirche natürlich, ein paar Wohnhäuser und eine kleine Straße mit Bars und Stripclubs, auf der sich sich Stripper, Alkoholiker und Omi's, die der Lärm nicht stört, "buena noche" sagen. Es ist keineswegs übertrieben, was ich hier schreibe (diesmal nicht). Ich beobachtete ein sehr eigenartiges, für mich interessantes und lustiges Dorfleben, als ich hungrig von meinem Ausflug nach Jericó zurückkam und auf der Suche nach etwas Essbarem war. Ich hielt an einer kleinen Tienda, Restaurants gibt es in Andes nicht. Ich kaufte mir was leckeres, fettiges, typisch kolumbianisches, ein Bier und setzte mich hin. Ich war die einzige Frau in dem Laden. Aussen saßen ein paar Mädels mit einer süßen Omi und unterhielten sich. Drin saßen die Männer, schauten Fußball, tranken Rum (es war immerhin schon gegen 18.00 Uhr) da musste man schon als Einheimischer aus Andes auf einem guten Weg des Rausches sein, damit sich der Tag auch lohnt... sorry Leute, ich kann mir meinen Sarkasmus nicht verkneifen. Dieses Phänomen mit dem frühen Rausch beobachtete ich ebenfalls in NZ und Oz. Man kann es mit nem Tag an der Isar oder auch auf dem Oktoberfest sehr gut vergleichen. Man fängt einfach früher das Saufen an, sonst hat man ja nix vom Tag. Zurück zur Story. So saß ich nun da, als Frischfleisch, junge Europäerin, sola und die Männer glaubten ihren Augen nicht. Wer würde wohl mein Herz gewinnen? Ein junger Mann kam leicht schielend und wankend zu mir und bot mir an, ein neues Bier zu kaufen. Ich verneinte, ich hatte noch nicht mal die Hälfte meines ersten Bieres geleert. Nach ein paar Minuten ergriff ein weiterer Herr die Chance und setzte sich direkt mir gegenüber und bestellte einfach ein Bier. Ok, nehm ich gerne. Die Flasche war fast leer und "Pilsen" Bier schmeckt mir sehr gut. Warum nicht? Er löchterte mich mit Fragen,die ich recht gut verstand... noch... sein Durst war groß. Er gab mir wieder ein Bier aus. Na klar, gerne! Ich genoss das Dorfleben, beobachtete weiter die Leute um mich rum und unterhielt mich, soweit ich konnte mit dem netten Herrn, der mir gegenüber saß und mir anbot, mit zu ihm zu kommen. Nein danke, ich schlafe lieber in meiner kahlen, kühlen Finca. Eines muss man den kolumbianischen Männern lassen. Flirten und schöne Augen machen könn' se.

    Dieser Tag war von Anfang bis Ende ein Traum. Bereits um 6.00 Uhr morgens nahm ich die erste Chiva, die mich nach Jericó bringen sollte. Es fuhren insgesamt 2 Chivas am Tag. Ich rechnete mit einer Fahrt von gut ner Stunde. Doch da lag ich ganz schön falsch. Die Chiva tuckerte 2,5 Stunden durch eine atemberaubende Berg-und Flusslandschaft. Es war kühl, ein bisschen zu kühl für meinen Geschmack. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war müde vom Vortag und die Kälte ging durch alle Knochen. Im Dorf angekommen brauchte ich erstmal was zu essen. Ein kolumbianisches Frühstück (Arepa mit Quesito und Rührei) erschien mir wie der Himmel auf Erden. Der Kaffee half nicht, ich war soooo müde von der Wanderung an dem Tag zuvor, dass ich zu nichts zu gebrauchen war. Ich lief durch das wunderschöne, malerische Jericó, betrachtete die kleinen, bunten Häuser, stieg die steilen Straßen rauf und runter, kam in einen botanischen Garten und stieg den Hügel hoch, der mich zu einem wunderschönen Aussichtspunkt brachte. Dort verweilte ich ein wenig, beobachtete die zahlreichen Touristen, die alle ein Foto über dem Dörflein haben wollten und ging einen anderen Weg wieder nach unten. Im Dorf angekommen kaufte ich mir in weiser Voraussicht einen kuscheligen Poncho und ging weiterhin spazieren. Dieses Dorf hatte was! Ich fühlte mich inspiriert, Gedichte gingen durch meinen Kopf, Inspirationen überkamen mich. Ich wollte einfach nur malen und gemütlich einen weiteren Kaffee trinken. Ich Süchtling! Kolumbianischer Kaffee hat es mir einfach angetan! Relativ am Anfang meines Abkommens sah ich das "Café del arte". Dem musste ich unbedingt einen Besuch abstatten. Gedacht, getan. Ich wurde nicht enttäuscht. Das Café war der absolute Traum. Überall hingen Gemälde eines Künstlers in Acryl- und Ölfarben. Ich suchte mir einen gemütlichen Platz aus, mit Blick auf die Kirche, bekam den leckersten Cappuccino, den ich bisher getrunken habe und fing an, zu malen. Die Bedienung, ein lieber Mann wich mir nicht von der Seite. Ich hatte noch ne gute Stunde, bis meine Chiva nach Andes zurück fuhr. Er kam immer wieder zu mir, gab mir Insider Tipps über Medellín und die Umgebung und erzählte mir aus seinem Leben in Jericó. Jetzt wurde die Zeit langsam knapp, ich musste zur Haltestelle. Als ich zahlte, sagte er mir, es seien seine Werke, die im Café aushängen und er wollte mir eine kleine Führung geben. Die Zeit musste sein. Wir gingen gemeinsam durch das Café, das größer war, als ich dachte. Verdammt, ich wollte noch nicht abreisen... ich musste aber. Wir verabschiedeten uns, tauschten Kontakte aus und ich rannte Richtung Haltestelle. Auf dem Weg nach unten hörte ich, wie jemand "Profe" rief. Wie bitte?!? Profe?? Wer weiß, dass ich als "Profe" arbeite?? So werden alle Lehrer auf der deutschen Schule genannt. Ein Lehrer von meiner Schule erkannte mich wieder. Selbst auf dem Dorf hat man keine Ruhe... er fing einen Smalltalk an und ich wurde panisch. Ich durfte nicht meine Chiva verpassen. Ich verabschiedete mich und rannte los. In der Chiva angekommen, warteten schon die Leute auf mich. Von wegen deutsche Pünktlichkeit! Jetzt aber los! Zurück nach Andes und an den Start dieser Geschichte. Dieser Tag war der absolute Wahnsinn! Ab sofort grüßte ich den Lehrer, den ich getroffen hatte und merkte mir nun auch sein Gesicht. Klein ist die Welt!
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