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  • Horst Muys – Karnevalist und Grenzgänger

    July 9, 2020 in Germany ⋅ ☁️ 20 °C

    Horst Muys – Karnevalist, Grenzgänger und Rampensau

    Erinnert ihr euch noch an ihn? An seine Zeit beim Eilemann-Trio, an seine Zeit als Karnevalist oder an die vielen Schlagzeilen, wenn er mal wieder alle Grenzen überschritten hat? Oder kennt ihr dieses „Stehaufmännchen“ gar nicht? Dann lasst euch erzählen…
    Horst Alfred Muys, 1925 in Mülheim an der Ruhr geboren, in Duisburg aufgewachsen, Schauspielausbildung in Berlin. Er war in den 50er-60er Jahren in Köln eine große Nummer im Kölner Karneval und doch immer umstritten. Die Menschen rieben sich an ihm manchmal auch auf. Denn bei ihm ging es permanent rauf und runter, konstant war nur, dass er garantiert von sich reden machte. Regelmäßig.
    Aber seine Kölner Zeit begann viel früher, belegt ist, dass er schon 1945 zum Ensemble des Millowitsch-Theaters gehörte und hier bereits sein Talent zum „Clown“ und zur „Rampensau“ unter Beweis stellte. Und das mit der Rampensau darf man wirklich ernst nehmen, er war genial auf der Bühne und schoss mit seinen versauten Zoten oftmals komplett über das Ziel hinaus. Man bedenke die Zeit…
    Jedenfalls wurde Günter Eilemann auf ihn aufmerksam, denn neben seinen Qualitäten auf der Bühne spielte Muys auch ganz akzeptabel Kontrabass. Eilemann und sein Kollege Karl-Heinz Nettesheim konnten so einen gut gebrauchen für ihr Eilemann-Trio. Und das Trio legte gleich richtig los, ihr Song „Eetz kütt et rut rut rut“ wurde ein Hit. Auch, oder ganz besonders wegen der komödiantischen Ader ihres Bassisten.
    Leider stand Muys auch abseits der Bühnen oft genug im Mittelpunkt. Alkohol und Glücksspiel waren seine privaten Freunde, und damit nicht genug, war das Rotlichtmilieu sein zweites Zuhause. Er kannte all die schweren Jungs und die leichten Mädchen, und da er nicht so furchtbar gut mit Geld umgehen konnte, war es mehr als einmal an Günter Eilemann, ihn irgendwo auszulösen. Aber er war eben genial auf der Bühne und so hielt er seine Bandkollegen auf Trab und sich bis 1961 im Eilemann-Trio. Hier hatte Willy Schweden mittlerweile den Platz Nettesheims eingenommen.
    Ab 1961 machte Horst Muys dann solo als Redner und Sänger weiter. Nebenher spielte er kleinere Rollen im Fernsehen und trat auch schon mal im Radio auf. Selbst für Auftritte bei Kaffeefahrten war er sich nicht zu schade. Vielleicht brauchte er aber auch einfach nur das Geld.
    Er war solo sehr erfolgreich, stand sich aber leider auch hier selbst im Weg. Zum einen darf man sagen, da stand in diesen eher „verklemmten Zeiten“ einer auf der Bühne, der, sicher auch durch sein privates Umfeld, ein wenig aus der Rolle fiel. Seine Witze waren mehr als unter der Gürtellinie für die Zeit und so kam, was kommen musste. Der nächste Skandal…
    Publikum und auch der eine oder andere Elferrat hatte seinen Spaß an ihm und da Horst das natürlich mitbekam, ging er immer noch einen Schritt weiter und weiter.
    1968 kam es dann zum Eklat, erzürnt über seine Sprüche, verließ der damalige OB Burauen während seines Auftritts den Saal. ..zack, Schluss mit Lustig. Und Burauen tat dies in Zukunft immer. Irgendwie sehe ich da Parallelen zu Brings, soweit mir bekannt, gab es auch in Ihrer Anfangszeit Honorige, die den Saal verließen. Gottseidank haben die Jungs es ausgehalten. Aber zurück zu Muys. Wie immer im Leben waren die Leute, die ihn angestachelt hatten, es noch wilder zu treiben, jetzt nirgends zu sehen. Und so wurde Horst mit einem Auftrittsverbot belegt. Und da es ja nicht nur auf der Bühne rund ging, sondern auch in seinem Privatleben, so kam neben der Zockerei und dem Alkohol an sich, noch Widerstand gegen die Staatsgewalt und Alkohol am Steuer dazu, um nur einige Sachen zu nennen. Im Karneval aber ging das Volk auf die Barrikaden und so war Horst bereits 1969 wieder auf der Bühne.
    Überhaupt Auftritte, was für einen Spagat er da hingelegt hat, ist unglaublich. Auf der einen Seite trat er mit dem Karnevalisten Harry Fey als das Duo „Wildsäue“ auf, und ich sage euch, der Name war Programm, und das ist eher untertrieben. Auf der anderen Seite sang er wunderbare Evergreens und hatte Riesenerfolge damit. „Heidewitzka, Herr Kapitän“, „Heimweh nach Köln“, wunderbar interpretiert übrigens, oder „Ich bin ne kölsche Jung“. Einen Knaller landete er im Duett mit Lotti Krekel mit dem Song „Ne Besuch em Zoo“. Hans Knipp hatte erfolglos versucht, den Titel an den Mann zu bringen. Erst Muys war bereit diesen, naja, fast Kindertext, zu singen. Er meinte lapidar „Ich han ald esu vill Dress jesunge, da kann ich dat och noch singe“. Überhaupt, Muys und seine Sprüche. Er saß auch im Klingelpütz ein, nannte diesen aber „Hotel zu den sieben Stäben“. Als der Klingelpütz abgerissen wurde, kommentierte er dies augenzwinkernd zu seinem Namen „Natürlich reißen die das ab, die hatten da zu viel Müüs".
    Privat bekam er leider kein Bein auf die Erde. Taschenpfändungen waren keine Seltenheit, dazu kamen heftige Schicksalsschläge. So starb sein Sohn mit zehn Jahren nach einem Unfall. Am nächsten Tag nahm er den „Kölsche Jung“ auf und zeigte eine neue, verletzliche Seite. Bei diesem Lied, von ihm gesungen, ist Gänsehaut angesagt.
    Eine Woche nach seinem 45. Geburtstag starb Horst Muys an einem Magendurchbruch. 7000 Menschen erwiesen ihm bei seiner Beisetzung auf Melaten die letzte Ehre. Auch seine Beerdigung war typisch für ihn. Denn hier kam es zum Schluss noch zum Eklat. Die Friedhofsgärtner hatten bereits angefangen, das Grab zuzuschaufeln, bevor alle am Grab waren, so kam es an seinem Grab noch zu heftigen Prügeleien. Irgendwie passend.
    Etwas sehr Schönes und Versöhnliches noch zum Schluss. Im Dezember 2015 gab die Stadt Köln das Ende der Nutzungsfrist für sein Grab bekannt, dieses sollte nun entfernt werden. Das wurde durch eine Spendenaktion verhindert. Die Grabstätte konnte so restauriert werden und wurde im Februar 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt.
    Jetzt im Juli hätte er Geburtstag gehabt, ein guter Grund an ihn zu erinnern. Horst Muys, du bist unvergessen. Alles Gute zum Geburtstag.

    Bleibt neugierig und achtsam

    euer Ronald

    Dankeschön an Monika Salchert, ihr wunderbares Buch „Schräge Typen“ hat mich inspiriert. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen. Es enthält ganz wunderbare Geschichten. ISBN: 9783937795553
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