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  • Day 59

    Schock auf der Mainroad

    March 26, 2022 in Cambodia ⋅ ⛅ 10 °C

    Mein vorletzter Eintrag für diese Reise beginnt mit einem tragischen Unfall auf dem Rückweg von Mondulkiri nach Phnom Penh.

    Erschöpft und müde liege ich neben meinem kambodschanischen Mitreisenden in der engen Koje des Schlafbusses. Wieder mal bin der einzige Europäer. Im Gang unterhält man sich in Flüsterlautstärke auf Khmer. Mein Körper ist schwer, der Kopf voll mit Eindrücken und mit angewinkelten Beinen, den Rucksack unter den Knien döse ich ein.

    Ohne Vorwarnung ertönt nach circa vier Stunden die laute Hupe, mehrmals schnell hintereinander und dann ein lang anhaltender Ton, dann knallt es, der Bus kommt zum stehen. Niemand sagt etwas. Ich strecke meinen Kopf in den Gang und schaue nach vorn, leises Getuschel, der Fahrer öffnet die Tür per Knopfdruck und begibt sich nach draußen. Einige Passagiere treten in den Gang, die Schuhe wie immer in Plastiktüten unterm Arm, und folgen ihm.

    Als ich aus dem Bus steige, begutachtet eine kleine Gruppe die gesprungene Frontscheibe und die ramponierte Front des Fahrzeuges. Stoßstange und Nummernschild fehlen ebenso wie die Blenden der Frontscheinwerfer. Es sieht nicht gut aus. Im Schein des Warnblinklichtes schaue in besorgte Augen. Kopfschütteln, gesenkte Blicke, leises Gemurmel. Vorbeifahrende Fahrzeuge werden langsamer, manche halten an und fragen, was passiert ist.
    Eine weitere Gruppe macht sich auf den Weg zur anderen Straßenseite und findet im Graben die fehlenden Teile des Busses. In circa dreißig Metern Entfernung liegt neben der Fahrbahn im Gras das einzige wirkliche Opfer des Crashes. Ein riesiger Wasserbüffel schnauft und stöhnt, bewegt sich aber nur noch schwach. Es ist ein trauriger Anblick. Die Augen des Tieres sind weit aufgerissen und glitzern, die Beine ragen ausgestreckt seitlich in die Luft. Der Koloss ist dem Tode nah. Dem Schock weicht Betroffenheit, ich fühle Mitleid.

    Noch beim Start hatte ich das Gefühl gehabt, dass der Bus vergleichsweise schnell unterwegs gewesen war. Wir waren mit Verspätung aufgebrochen und hatten eine frühe, lange Pause gemacht. Der Bus hatte geschaukelt, es wurde viel gebremst, beschleunigt und gehupt.

    Ich kann die Gemütslage meiner Mitreisenden nur schwer einschätzen. Alle tragen Masken, kaum einer sagt etwas. Ich bin müde und frage mich, wie es weitergeht. Der Bus wird von der Straße geholt, die Fahrbahn ist wieder frei. Nach einer Stunde erreicht uns ein zweiter Fahrer, welcher nun übernimmt. Der Rest der Fahrt verläuft ruhig und ich wache erst wieder auf, als wir mitten in Phnom Penh sind und um mich herum die Plastiktüten mit den Schuhen knistern.
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