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  • Day 8

    trügerisches Trogir

    September 2, 2016 in Croatia ⋅ ☀️ 30 °C

    Rijeka ist schneller abgefrühstückt als die italienische Salami, die wir aus reiner Laune heraus in einem Anflug spätrömischer Dekadenz am Vortag verschlangen. Der innere Kompass zieht uns unvermeidbar Richtung Süden wie Zugvögel vor dem Einbruch von Väterchen Frost.
    Kurz vor Split, dem kapitalischen Maschinenraum des katholischen Kroatiens, ragt Trogir wie ein Schraptnel einer sowjetischen Panzergranate in das adriatische Meer. Am alten Hafen vorbei quälen wir uns wie in einer eifrigen Ameisenstraße über die einzige Brücke, die uns zum angesteuerten Campingplatz, der heutigen Zuflucht führt.
    Wie ein Handelskarren vor den Toren Konstantinopels, harren wir in freudiger Erwartung und gieren nach Einlass. Allerdings sind wir nicht die einzigen Reisenden, denen das ruhige Eiland zu gefallen scheint. Die bezaubernde Rezeptionistin, emotional hin und her gerissen zwischen unserem welpenhaften Charme und infantiler Starrköpfigkeit, verweist uns an einen wortkargen knorrigen Mitarbeiter der teutonisch belagerten Anlage und führt uns zum letzten verfügbaren Stellplatz, für unser vor Erschöpfung knarrendes WoMo. Fabian passt derweil auf unsere Sachen auf.
    Der hügelige Erdhaufen zwischen Spielplatz und Kantine überzeugt nur teils, schafft es aber, die vor Hitze und Bierdurst geifernde Mannschaft zur Kapitulation vor den eigenen Ansprüchen zu bewegen. Die Stimmung scheint angespannt. El Capitano Schmiol nutzt sein Vetorecht und befeuert den schwebenden Unmut seiner Matrosen bis hin zum überhasteten Rückzug in Richtung Split. Doch die anarchische Stimmung kippt und führt zu etwas Unfassbaren. Einigkeit und Brüderlichkeit erlangen erneut die Oberhand und ein par Telefonate führen zu der Gewissheit, soeben den falschen Herbergsvätern den Rücken gekehrt zu haben.
    Alles wird gut. Ob es das natürliche Gespür für den richtigen Weg unseres Kapitänes war, welches uns letztendlich doch noch einen Premiumplatz am Wasser bescherte, oder nur ein Wink des Schicksals, werden wir wohl nie erfahren.
    Nach ein paar geselligen Bieren, dem Schmierstoff unseren Geschichten, brechen wir auf in die Stadt. Unser Taxifahrer stammt noch aus einer Zeit in der Führerschein und Verkehrsregeln noch als naive Spinnereien gehandelt wurden. Unverständlich vor sich hermurmelnd preschen wir durch enge Gassen und wahnwitze Schlaglöcher, wie ein ausgehungerter Wolf auf der Jagd.
    Danach beginnt die wohlverdiente Gönnung. Leichtbekleidete Damen tanzen zu überhöhten Getränkepreisen zu unserer Unterhaltung. Ist dies das Gesicht des wahren, stolzen Kroatiens?? Nach einer Stärkung in einer Bäckerei, dessen Kundenkreis ausschließlich aus alkoholisierten Partytouristen zu bestehen scheint, ziehen weiter in den Nachtclub Monaco. Je später die Stunde, desto mehr zeigt sich das wahre Gesicht des schönen Landes in Gestalt von Balkanbeats und ausgelassen tanzendem Jungvolk. El Capitano, der dem aphrotisierenden Alkohol nach den Strapazen des Tages nicht mehr zu entsagen vermochte, ist peinlich betrunken und kichert wie ein Schulmädchen auf Traubenzucker. Es ist Zeit, wir müssen los. Auf der Suche nach einem Taxi treffen wir Antonio, nicht sicher ob dies überhaupt sein richtiger Name ist. Jay und der mittlerweile nüchtern wie eine Landratte wirkende Capitano, zweifeln an der Integrität des redseligen Gnoms, doch wir steigen schließlich ein. Giebels pochender Herzschlag wird übertönt von Antonios grandiosen Geschichten über Kultur, die Berliner Mauer, Gott und die Welt.
    Als würde er den vorherigen Höllenritt wieder gut machen wollen, schleichen wir zurück zum sicheren Campingplatz. 50 kroatische Dollar ärmer und einige Erfahrungen reicher, fallen wir sicher in unsere Kojen.
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