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  • Lady and Gentlemen...

    October 18, 2019 in Malaysia ⋅ ⛅ 29 °C

    ... ab jetzt wieder ohne die ‚Lady’ in den Lautsprecherdurchsagen des Käptns, Welcome to Malaysia.

    Hier hat mich der Frachter also an Land gespuckt, einen mächtigen Stapel Bücher später (mit dem Kindle macht’s nur nicht so viel her), mit frischen Bauchmuskeln und biegsam wie ne Weidenrute, dank meines täglichen Dates mit Adriene von der Yoga-App.

    So viele km Luftlinie weg von Deutschland - zum Glück ist die Seele so ein flinkes Organ, einmal kurz rüber zu Euch, in Gedanken, ist für sie nur ein Katzensprung, ganz ohne Jetlag. Ich hingegen bin gerade noch ganz dizzy von sechsmal Sommerzeit direkt hintereinander.

    Ich glaube, ich war eine ganz nette Passagierin, zumindest kein pensionierter Oberstudienrat aka Hobbykapitän.

    Die Überfahrt war ruhig. Es gab High Risk Areas mit Verdunklung, Ausgangssperre und alle Schotten dicht - aber keine Piraterie (bis auf die Raubkopie eines sehenswerten Tschernobyl-Fünfteilers, die mir der Kapitän gemacht hat). Es gab sanftes Wellengeschaukel, bei dem man Bäume und Kraniche beim Yoga knicken konnte - dafür schlafen wie ein Baby. Es gab für mich zur Abwechslung öfter mal das sri lankische Essen aus der ‚Arbeitermesse’ statt der chinesischen Offiziersverpflegung. Ich war echt happy herauszufinden, dass da noch was anderes in den Töpfen brutzelt - a little more spicy. I like spicy. Chef glücklich, ich glücklich. Sehr lecker.

    Es gab eine Offiziersparty, zu der ich eingeladen war. Erst Chinese Hot Pot und vom Master selbst reingeschmuggelten ‚Special Grape Juice‘ (Alkohol war an Bord tabu), und danach schauten wir gemeinsam die Übertragung der Parade zum 70sten Jahrestag der Volksrepublik. Wir haben es also richtig krachen lassen.

    Es hat ein bisschen gebraucht, bis ‚die Chinesen’ mir nicht mehr wie eine irgendwie andere Spezies vorkamen. Als wir gestern zum Abschied gemeinsam Chinese Dumplings gemacht haben, hat es sich beinahe schon nach Familie angefühlt. Hey, und die China Jungs konnten alle Kochen! Dabei sind diese Teigtäschchen eher filigran in der Herstellung, nicht wie ein Hühnchen auf ne Bierdose stülpen.

    Es gab viel Zeit mit mir selbst. Zwischendurch bin ich tatsächlich in einem ganz eigenen Space gelandet, als ob viel weiter Raum entsteht, wo sich sonst immer alles drängelt. Wenn ich das zulassen konnte, ohne mich aus dieser ‚Lethargie‘ herauszudisziplinieren, war es wie auf ner Wolke, schwebend und schön. Gar kein Zeitgefühl mehr. Falls es so ähnlich ist, wenn man alt wird und auf seinem Sofa sitzt, ist es gar nicht so schlimm. Man muss nur vergessen, wo man sein IPhone hingelegt hat. Oder besser gleich, dass man eins hat.

    Kurz hatte ich Schiss, das Handy wieder ‚scharfzuschalten‘. Wie vor ner Flutwelle.

    Quatsch natürlich... will ja wissen, wie es der Heimatbasis geht, und nicht auf ner Wolke einsiedeln. Aber vielleicht ist das mit zwei Wochen Kloster zwischendurch gar nicht so dumm wie ich immer dachte. Auch wenn die Beschreibung oben klingt, als könne man alternativ auch einfach nochmal Gras rauchen.

    Himmel, freu ich mich auf Bewegung, die Menschen und draussen sein!

    Ich werde die Freiheit feiern, mit nem Berg Obst und Gemüse. Hab meine Darmzotten eingeladen, die freuen sich auch schon und machen la ola Wellen.

    Und ich glaube Asien wird ganz schön crazy...

    Liebe Grüße, Anna
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