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  • Day 14

    Eine riesige Schatzkammer

    June 1, 2017 in Russia ⋅ ☀️ 14 °C

    Die letzten beiden Reisetage führten uns durch die westsibirische Tiefebene mit ihren unendlichen Weiten. Dennoch ist die Gegend, insbesondere entlang der Eisenbahnlinien, deutlich stärker bevölkert als die zuvor passierten Regionen des sibirischen Berglandes und der Mongolei.

    Sibirien ist eine riesige Schatzkammer und verfügt über den grössten Vorrat an Bodenschätze der Welt. Die im letzten Jahrhundert durch die Sowjetunion intensivierte Gewinnung führte zu einer richtiggehenden Bevölkerungsexplosion in Sibirien. Aus kleineren Städten wurden so Millionenmetropolen, wie zum Beispiel die von uns als erste passierte Stadt Krasnojarsk, wo vor hundert Jahren nur knapp dreissigtausend Einwohner wohnten und die heute 1.1 Mio. Menschen zählt. Aber auch die Hauptstadt Sibiriens, Novosibirsk, ist mit ihren 1.6 Mio. Einwohnern bereits die viertgrösste Stadt Russlands, und die hell erleuchteten Wolkenkratzer, die sich uns bei der nächtlichen Durchfahrt präsentierten, erinnerten mehr an eine amerikanische Grossstadt als an das Herz von Sibirien, wie man es sich gemeinhin vorstellt. Vor Jekaterinburg, wo wir die nächsten beiden Tage uns nochmals mit Land und Leuten ausserhalb des Zugsabteils intensiver auseinandersetzen wollen, reiht sich eine Industriestadt an die andere. Man merkt es auch auf dem Bahnsteig oder im Zug. Es herrscht ein emsiges Treiben. Die Erschliessung Sibiriens durch die transsibirische Eisenbahn hat natürlich wesentlich zu dieser wirtschaftlichen und bevölkerungsmässigen Entwicklung der Westsibirischen Tiefebene beigetragen, denn erst so wurde eine effiziente Förderung der Rohstoffe möglich.

    Was findet sich denn in dieser Schatzkammer alles? Da ist natürlich das Holz aus der russischen Taiga, dem weltweit grössten Wald, wo ein Viertel aller Waldreserven unserer Erde zu finden sind, vor allem Nadelwald (Kiefer, Fichten und Tannen) dominiert. Die mich so faszinierenden, bekannten Birkenwälder bilden nur den Abschluss und machen lediglich etwa zwanzig Prozent aus. Unter dem Boden sind es dann vor allem die Energierohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle sowie die Metalle Eisenerz, Gold, Zinn, usw. die abgebaut werden, aber auch Uran (90% des weltweiten Vorrates). Entsprechend befinden sich auch strategische Zentren der russischen Rüstungsindustrie in dieser Gegend, wie zum Beispiel in Omsk, das zwischenzeitlich durch Touristen besucht werden darf, bis vor kurzem jedoch eine «geschlossene Stadt» war. Fotografieren ist teilweise immer noch verboten, wie wir unmissverständlich aufgeklärt wurden.

    Russland tut sich aktuell jedoch sehr schwer mit der Nutzung dieser Bodenschätze, die notwendigen Voraussetzungen für den Abbau können aufgrund der finanziellen Situation Russlands nicht geschaffen werden oder die vorhandenen Mittel fliessen in falsche Kanäle. Die vielen zerfallenen Industriebauten die wir entlang der Eisenbahnlinie sahen, verdeutlichten uns dies immer wieder.
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