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  • Day 10

    Dem Eisbär in die Augen schauen

    June 23, 2017 in Svalbard and Jan Mayen ⋅ ⛅ 4 °C

    Nach zwei Seetagen erreichten wir Longyearbyen, Spitzbergen. Die zwei vorangegangen Seetage waren entspannt, hatten wir doch unterem anderem einen Wellnesstag im hauseigenen SPA-Bereich auf Deck 12 eingelegt.

    Dunkel wird es seit Tagen nicht mehr. Wir befinden uns in der Zeit der Mitternachtssonne. Ein Highlight gab es allerdings noch. Die Fahrt vorbei an der Insel “ Jan Mayen“. Früher Ausgangspunkt für den Walfang und die Ausrottung des Polarfuchses, dient die heute zu Norwegen gehörende Insel in der Grönlandsee als Wissenschaftsstandort und ist außer von Offizieren, Mitarbeitern und Forschern nicht weiter besiedelt. Touristische Aufenthalte sind nicht erlaubt und wir hatten Glück, die Insel überhaupt so gut sehen zu können. Denn in der Regel ist diese (bis zu 340 Tage im Jahr) im Wolken und Nebel eingehüllt. Mitten drin liegt mit über 2.200 Metern der zweithöchste Vulkan Europas.

    Aber nun erreichten wir den nördlichsten Punkt unserer Reise am Rande des arktischen Eismeers, die Insel Spitzbergen. 1906 als Bergarbeiterstadt gegründet leben die Bewohner von Longyearbyen heute vor allem vom Tourismus und der Forschung. Hier befindet sich unter anderem das Langzeitlager für Saatgut. Sozusagen ein Backup aller bestehenden Lager, die weltweit existieren.

    Ja, Spitzbergen ist abgelegen, aber es ist mit Sicherheit der Forschung zu verdanken, dass die Menschen hier dank eines 20 GBit/s Unterwasserkabels vom norwegischen Festland mit Breitbandanschlüssen versorgt werden. Hauptanliegen der Touristen vor 1973, die Eisbärenjagd. Seit dem Washingtoner Artenschutzabkommen ist dies zum Glück verboten.

    Rund 3.000 Einwohner leben auf Spitzbergen. Mehr als 2.000 in der Hauptstadt, der Rest in kleinen Siedlungen verteilt. 2/3 Russen, 1/3 Norweger. Das Straßennetz umfasst rund 60 Kilometer, häufig nicht asphaltiert. Hauptverkehrsmittel sind Boot und Schneemobile. Daneben natürlich Schlitten, die meist von Alaskan Huskeys, eine Kreuzung aus Huskeys und Grönlandhunden, gezogen werden. Die private Hundehaltung dieser Rasse ist in der City auch aus Lärmschutzgründen verboten, das Gejaule und Geheule ist zu laut. Und so werden auch die Privathunde kurz vor der Stadt in einem Hundeclub mit Außenanlagen versorgt.

    Außerdem verboten ist das Kinder gebären, hierzu muss die Schwangere bis zu drei Wochen vor dem Geburtstermin aufs Festland. Für Papa bedeutete das meist, dass er die Geburt nicht miterlebt. Denn nach der Meldung, dass die Wehen eingesetzt haben, muss Vati ja noch einen Flug chartern und zum Krankenhaus aufs Festland zu kommen. Aber die Bewohner wissen ja worauf sie sich einlassen. Die durchschnittliche Verweildauer der Bewohner liegt bei vier Jahren. Nur wenige bleiben dauerhaft, gerade Eltern von Teenagern entscheiden sich häufig wegzugehen. Bietet die Insel den Jungs mit Outdoorktivitäten wie der Jagd und dem Fischen noch Hobbys, so ist es für junge Mädchen hier besonders schwer. Insbesondere weil man sich die Freundinnen und Freunde in diesem Alter kaum aussuchen kann. Es sind einfach zu wenig Teenager da.

    Aber nicht nur das Gebären ist verboten, auch das Sterben. Oder sagen wir besser die Bestattung. Der Boden lebt, verschiebt sich ständig durch Erosionen und man möchte vermeiden, dass der „permafrostierte“ Körper nach Jahren kaum verwest wieder zu Tage tritt. Aber, nach Überführung und Verbrennung auf dem Festland, darf die Urne auf Spitzbergen bestattet werden.

    Auf unserem kleinen Trip durch die Stadt bei milden 4 Grad, besichtigten wir Kohleminen, das Zuhause des Weihnachtsmannes, ein Schlittenhund-Centre, und den Eingang des Saatgut-Tresors. Sahen zahlreiche Eida-Enten und auch ein paar Rentiere. Alles unter Aufsicht und Ermahnung des Guides, sich vom Bus nicht zu weit zu entfernen. Zwar sei es unwahrscheinlich auf Eisbären zu treffen, aber leider gab es auch im letzten Jahr wieder tödliche Zwischenfälle. Nicht dass die Eisbären auf der Suche nach Menschen seien, aber bei einem Zusammenstoß könnte ein Angriff möglich sein. Das zurückgehende Eis im Norden der Insel und die damit schlechteren Möglichkeiten an Robben zu kommen, machen die Tiere aggressiv, so dass sie in größter Not auch nicht auf einen mageren Menschen verzichten. Besonders nicht auf gutgenährte Kreuzfahrer.

    Übrigens, Schiesstraining ist hier Pflicht. Jeder Student, Doktorant oder sonst wer beginnt sein Zeit auf Spitzbergen mit diesem einwöchigen Training. Und wer glaubt, hier gebe es außer arbeiten und lernen nichts zu tun, der irrt sich. Neben Outdoor-Aktivitäten wie Angeln und Wandern, ist ein beliebter Treffpunkt in den dunklen Wintermonaten der Pub. Gemeinschaftliches trinken und kulturelle Angebote helfen über die düstere Zeit hinwegzukommen und die Depressivität zu vertreiben. Ein etwas anderes Hobby hat sich der amerikanische Koch Ben gesucht. Er betreibt – erfolgreich – das einzige Gewächshaus Spitzbergens und verfeinert seine Gerichte mit selbst angebauten Kräutern. „Ein Spinner“, so unser Guide. „Wie wir alle, die hier leben“.

    Der Ausflug war toll. Auch preislich hat es sich gelohnt, in der örtlichen Toutistikzentrale den dreistündigen Ausflug zu buchen. Die Preise für ähnliche AIDA-Ausflüge begannen bei rund 80 EUR und endeten bei 150 EUR pro Person. Wir zahlten lediglich 45 EUR.
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