Satellite
Show on map
  • Neue Insel, alte Schildkröten

    August 30, 2018 in Ecuador ⋅ ⛅ 22 °C

    Früh morgens machte ich mich auf zum Hafen, denn heute verließ ich Santa Cruz, um mit einer Fähre (2,5 h) nach Isabela zu fahren. Ein Wassertaxi brachte die Passagiere für jeweils 80ct zur Fähre. Dies war vermutlich ein Gefallen für die lokalen Wassertaxifahrer war, da es sich bei der Fähre um ein Speedboot handelte, welches ohne Probleme in den Hafen hätte fahren können. Im Taxi saß unteranderem auch ein jamaikanisches Paar. Er stolzen Bierbauch und Fette Goldkette, sie beachtlich hohen Silikonanteil am Körper. Sie beschwerte sich auf Spanisch beim Fahrer, was die 80ct sollen, und meinte mit einer Kopfbewegung in unteranderem meine Richtung "für die sind 80ct ja nichts, aber für uns schon". Wer mich kennt, weiß, dass Diskussionen aus dem Weg zu gehen - egal, wie unnötig diese sind - nicht zu meinen Stärken gehört. Somit musste ich das kurz richtig stellen und erklärte, dass ihre Aussage nicht stimmen würde. Langsam läuft das Spanisch doch ganz gut. Ihre Reaktion war doch tatsächlich "Ihr habt doch eh zu viel Geld". Und damit waren die Spiele eröffnet. Ich rechnete ihr als kleine Veranschauung den Unterschied des Wertes unserer Kleidung vor. Und schätze ihre Schuhe (Hilfiger) auf 150$ , Hose von Lewis ca. 80$, Unterwäsche Mal außen vor gelassen, T-Shirt von Suprime (gefälscht) 5$ - kein Einwand ihrerseits -, Pulli von Nike (Echtheit schwer abschätzbar) 40$. Brüste, Nase und Lippen ließ ich aus meiner Schätzung raus, da ich die Stimmung nicht vollends versauen wollte. Ihren Ring schätze ich auf 200$ und beobachtete die Mimik ihres Mannes. Diese veriet mir, dass ich mit meiner Schätzung vermutlich relativ nah lag. Die Ohringe vermutete ich als unecht, da ich hier aber ein sehr tiefes Fettnäpfchen witterte, ließ ich sie ebenfalls aus der Rechnung draußen. Somit kam ich auf 475$. Nun zu mir: Schuhe 15$, Hose 2,5$, T-Shirt 15$ - so schade, dass ich nicht mein 5$ Trikot trug . Insgesamt also 32,5$. Differenz von 452,5$ und ich fragte sie, wer von uns beiden zu viel Geld habe. Sie schwieg. Das wäre der Moment gewesen, an dem das Publikum in tosenden Applaus hätte ausbrechen müssen. Alle glotzten nur. Kein Verlass auf das schwache Publikum. Und so ging es auf die Fähre. Das Paar setzte sich vor mich. Sie (40) pubertierte etwas rum und quängelte ihn voll. Dee Kapitän lenkte das Boot über zwei Wellen und es herrschte sofort Stille auf Deck. Ich betete, dass alle brav ihr Frühstück drin behalten würden. Die Jamaikanerin wurde sichtlich seekrank. Um zu zeigen, dass ich ihr nichts böses wollte, erklärte ich ihr, dass sie aus dem Fenster schauen muss und sich aktiv vorstellen, wie sich das Boot im Vergleich zum Meer bewegt. So minimiere sie die Diskrepanz zwischen vestibulärem System (Lage des eigenen Körpers im Raum) und visuellem System (Sehen), was ihre Übelkeit verursache, da das normalerweise ein Hinweis auf eine Intoxikation sei *F1 (ich bin eine Fußnote). Die Ausführung leidete etwas unter der Sprachbarriere. Zwar wurde mir inzwischen bewusst, dass sie auch Englisch sprechen, wenn sie aus Jamaika kommen, allerdings weiß jeder, der schon in den Genuss meines Englisch kam, dass es auch hier problematische Defizite gibt. Der Kern meiner Botschaft kam trotzdem an und sie befolgte meinen Rat. Das bewirkte so eine Verbesserung, dass sie ihrem Mann wieder auf die Nerven ging. Diesem wäre es wohl lieber gewesen, wenn ich meinen Mund gehalten hätte. Als sie ihr Handy herausholte, wurde ihr - wer hätte es geahnt - wieder schlecht. Ihr war wohl nicht zu helfen *F2 (ebenfalls Fußnote). Als wir nach einer rauen Überfahrt auf Isabela ankamen, wurden wir im Hafen von einem Haufen Seehunden gebührend begrüßt. Auf der Suche nach einem Schlafplatz für meine Hängematte und mich kam ich in einigen Hostels und dem Marine Büro vorbei. Schließlich saß ich beim Bürgermeister der Insel, der mir die Sondererlaubnis erteilte, am Strand überhalb eines Restaurants zu übernachten. Als die Schlafsituation geklärt war, ging ich direkt zum "Concha de Perla" (einem Holzsteg). Dort schnorchelte ich mit beeindruckend vielen Fischen. Anschließend aß lecker zu Mittag und machte mich auf zum "Centro de Crianza", da ich schon wieder Lust auf Riesenschildkröten hatte. Auf dem Weg kam ich an einigen schönen Seen vorbei und konnte Galapagos Flamingos beim Filtern des Wassers beobachten. Auf diese Weise ernähren sie sich. Den Sonnenuntergang genoss ich mit einem leckeren Bier aus einer Hängematte in einer Strandbar und fand mal wieder Zeit, um zu lesen.

    Da die Verständlichkeit in immer verschachtelteren Sätzen und Ausschweifungen zu versinken droht, versuche es Mal mit Fußnoten.
    *F1: Der skeptische Leser wird sich an dieser Stelle berechtigter Weise denken, was für ein Klugscheißer ich doch bin. Damit liegt er vollkommen richtig, aber ich kann das nur schwer abstellen. Ein witzige Anekdote zu Klugscheißer: Vor vielen Jahren schickte ich meinen Eltern aus dem Zeltlager eine Karte. Darin stand unteranderem "... und Peter (Namen erfunden, da nicht mehr erinnert) ist voll der Glukscheißer..."

    *F2: Ich finde langsam richtig Spaß am Schreiben. Ich glaube, ich habe schon eine Erfüllung/Beschäftigung für die Midlife-Crisis: Die Welt mit einem weiteren von einem Möchtegern Schriftsteller verfassten Buch zu belasten.

    Conny
    Read more