Satellite
  • Day 75

    Trinidad, Kuba

    February 16, 2020 in Cuba ⋅ ☀️ 25 °C

    Meine Lieben, nach einer gut sechsstündigen Busfahrt bin ich gut in Trinidad angekommen. Bevor es losging, musste ich am Busbahnhof in Havanna erstmal lernen, dass man sich in Kuba noch einmal einchecken und sein Gepäck aufgeben muss, bevor die Reise losgeht. Der ganze Prozess dauert je nach Reiseziel noch einmal eine gute Stunde. Während ich warte, werde ich ganz schön nervös, denn die gekauften Tickets verfallen, wenn man sich nicht mindestens eine halbe Stunde vor Abfahrt des Busses eingecheckt hat. Einmal bekomme ich mit, wie die Tickets verfallen bzw. weiterverkauft werden, obwohl die Ticketinhaber deutlich mehr als eine Stunde vor Abfahrt am check-in-Schalter angestanden haben, aber eine halbe Stunde vor Abfahrt noch nicht an der Reihe waren. Das ist mir aber zum Glück nicht passiert. Die Busfahrt funktioniert ohne Probleme und führt teilweise direkt am Meer entlang bis nach Trinidad.

    In Trinidad am Bahnhof angekommen, werden sämtliche Neuankömmlinge gleich von allen möglichen Taxifahrern und Anbietern von Unterkünften in Beschlag genommen. Ich finde es ehrlich gesagt furchtbar anstrengend, denn es ist schon kaum möglich aus dem Bus auszusteigen, weil einem so viele Plakate mit irgenwelchen Wohnungsbildern ins Gesicht gehalten werden. Da man die Unterkünfte nur selten über das Internet buchen kann, ist es in Kuba durchaus üblich, einfach in eine Stadt zu fahren und sich vor Ort mehrere Unterkünfte anzuschauen, bis man sich für eine entscheidet. Der Kampf um die Touristen ist hart. Das Vermieten von Privatunterkünften ist in Kuba noch nicht so lange erlaubt und eine gute Einnahmequelle für die Kubaner. Das Ergebnis ist leider, dass man, je nach Ort, am Busbahnhof tierisch belagert wird. In diesem Moment bin ich sehr froh, dass Sissi mir meine Unterkünfte jeweils gebucht hat und mich die jeweiligen Gastgeber am Busbahnhof in Empfang nehmen. Das klappt auch in Trinidad gut und ich kann das Durcheinander schnell hinter mir lassen. Auf dem Weg zur casa particular von Irma und Ignacio, wo ich die nächsten drei Nächte bleiben werde, fallen mir sofort die vielen Pferdekutschen in den Straßen Trinidads auf, die neben Fahrradrikschas das Fortbewegungsmittel Nummer 1 sind. Schon morgens wird man vom Hufgetrappel geweckt, wenn nicht gerade der Brotverkäufer auf seinem Fahrrad, der ab etwa 6 Uhr in der Frühe lautstark auf sein Angebot hinweist, schneller war mit dem Weckruf. Oder auch der örtliche Hahn, denn Hähne sind beliebte Haustiere in ganz Zentralamerika und ich habe mich noch nicht so richtig daran gewöhnt.

    Irma und Ignacio sind wirklich sehr höfliche Gastgeber, an meinem ersten Abend schauen wir gemeinsam eine kubanische Comedy-Sendung („Vivir del Cuento“), in der die Kubaner sich selbst und die kubanischen Verhältnisse in Sketchen aufs Korn nehmen. Der erste Sketch könnte passender nicht sein: es geht um eine kubanische Familie, die den Opa nach Santiago de Cuba, also ans andere Ende der Insel, schicken wollen, um auch noch das letzte kleine Zimmer im Haus als casa particular vermieten zu können. Da das Busticket aber mit 25 CUC einem Durchschnittsmonatseinkommen der Kubaner entspricht, ist es zu teuer und Opa soll mit dem Zug fahren. Der kommt aber niemals an und so muss sich der Tourist das Zimmer mit dem Opa teilen. Ich gucke wohl leicht erschrocken, sodass Irma und Ignacio lachend beteuern, dass ihre Eltern bereits verstorben seien und ich keine Sorge haben müsse, mein Zimmer mit dem Opa teilen zu müssen😆. Tatsächlich habe ich ein sehr sauberes Zimmer mit Bad ganz für mich alleine.

    Am nächsten Morgen erkunde ich zu Fuß und mit meiner Kamera das Städtchen. Man hat fast das Gefühl, die Zeit sei irgendwann stehengeblieben in Trinidad. Die Altstadt ist fast ausschließlich mit Kopfsteinpflaster ausgestattet und ständig wird man links und rechts von Reitern oder Kutschen überholt. Ich empfinde Trinidad als extrem touristisch und sehr anstrengend, da einem an jede Ecke irgendetwas angedreht wird. Das war in Havannas Altstadt auch so, aber da Havanna deutlich größer ist, hat man mehr Ausweichmöglichkeiten. Überhaupt empfinde ich meine Stadtspaziergänge als Alleinreisende extrem anstrengend. Der Lonely Planet für Kuba beschreibt die Situation folgendermaßen:

    „Was die persönliche Sicherheit angeht, ist Kuba für Frauen ein Traumziel. Auf den meisten Straßen kann Frau sich nachts problemlos aufhalten. Gewaltverbrechen sind selten und es wird einem freundlich Platz gemacht. Aber der kubanische Machismo hat zwei Seiten, er schützt auf der einen und verfolgt auf der anderen. Einheimische Frauen sind an die sog. Piropos (Pfiffe, Kussgeräusche und ständige Komplimente) gewöhnt und antworten vielleicht sogar darauf, wenn sie gut gelaunt sind. Für Ausländerinnen kann sich das jedoch wie eine andauernde Belagerung anfühlen. Piropos zu ignorieren ist der erste Schritt. Manchmal aber reicht das nicht, deshalb sollte man ein paar Antworten auf Spanisch parat haben.“

    Die Beschreibung der (männlichen) Autoren trifft es ganz gut, wobei ich Kuba für mich nicht als Traumziel beschreiben würde. Ich habe das Verhalten kubanischer Männer als extrem nervig empfunden. Sicher habe ich mich tatsächlich gefühlt, in dem Sinne als dass ich nicht das Gefühl hatte, irgendwo ausgeraubt zu werden. Auch hat die Ignoranz-Nummer hat meistens funktioniert (ein paar Mal habe ich sicherheitshalber einen Freund erfunden, der in der casa particular sehnsüchtig auf mich wartet 🙄), aber auch das Ignorieren ist durchaus anstrengend und hat bei mir dazu geführt, dass ich mich nicht wirklich frei gefühlt habe und mich an einigen Tagen zwingen musste, wieder rauszugehen und den Menschen eine Chance zu geben.

    Hierüber tausche ich mich an meinem ersten Tag in Trinidad nachmittags mit einer Tschechin aus, die ebenfalls alleine unterwegs ist und ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie ich. Sie beobachtet mich, wie ich in einem Café verzweifelt versuche, einen Cappuccino zu bestellen, denn eine besondere Servicementalität haben viele Kubaner nicht. Ich möchte dies nicht vollkommen verallgemeinern, ich bin ja nur für eine kurze Zeit hier, aber so habe ich das Verhalten, vorwiegend von Kellnern und Fahrkartenverkäufern an mehreren Orten erlebt und kann hier nur meine persönliche Wahrnehmung schildern. Die Reisende aus Tschechien muss total lachen, weil ich kurz davor bin, wieder zu gehen und setzt sich zu mir an den Tisch. Schließlich bekomme ich dann auch meinen Cappuccino (den ich letztlich bei verschiedenen Kellnern an der Theke bestellt habe) und wir tauschen uns über unsere Kubaerfahrungen aus. Nach kurzer Zeit schalten sich auch noch zwei Südkoreaner ein, die unserem Gespräch gelauscht haben und sich, zunächst sehr zurückhaltend, aber dann doch sehr deutlich über das Serviceverhalten beschweren, das nicht so ganz zum anschließenden und recht offensiven Trinkgeldverlangen passen will. Dieser Austausch mit anderen Reisenden wird besonders in Kuba für mich essentiell, es tut einfach gut, zu merken, dass andere Reisende verschiedene Situationen genauso oder ähnlich wahrnehmen und wenn man sich über die Erfahrungen unterhält, ist es meist nicht mehr ganz so schlimm.

    Das gilt auch für meinen zweiten Tag in Trinidad, als ich einen Reitausflug zu einem Wasserfall mit Naturschwimmbecken unternehme und auf der Tour zwei andere Deutsche, Martin und Mehmet aus München, kennenlerne. Nachdem mich der Tourveranstalter preislich tierisch über den Tisch gezogen hat und wir feststellen, dass diverse Touristen kubanische Prostituierte mit zu dem Wasserfall genommen haben und sich fleißig vergnügen, ist meine Stimmung ehrlich gesagt im Keller. Bei der Gelegenheit erfahre ich von Martin und Mehmet, dass die Prostitution tatsächlich das Thema ist, mit dem Männer, die ohne weibliche Begleitung reisen, in Kuba konfrontiert werden. Die beiden berichten mir von diversen Bar- und Clubbesuchen in Havanna, in denen es keine Minute dauerte, bis die ersten Damen an ihrer Seite auftauchten. Die beiden empfanden es als sehr anstrengend. Als ich einige Tage später jedoch einen Ausflug in Cienfuegos unternehme, treffe ich zwei deutsche Studenten, die das ganze völlig unverfänglich sehen und sich ebenfalls weibliche Begleitung für den Ausflug verschafft haben. Ich fühle mich in dem Umfeld ehrlich gesagt überhaupt nicht wohl und sehe es erst entspannter, als Martin und Mehmet mich mich Cuba Libre versorgen. Der ist hier verrückterweise häufig günstiger als Wasser.

    Nach dem Ausflug bin ich abends ehrlich gesagt am Tiefpunkt meiner bisherigen Reise angekommen. Ich fühle mich absolut unwohl und habe ständig das Gefühl, sehr gut auf mich aufpassen zu müssen, damit man nicht ständig abgezogen oder belagert wird. Hinzukommt, dass günstiges Essen nur schwer zu bekommen ist und mich dies mit meinem Backpacker-Budget sehr herausfordert. Zwar gibt es mittlerweile einige sehr vernünftige Restaurants in den Städten, die sind aber auch einigermaßen teuer, zumindest mit dem, was ich eingeplant habe. Die meisten von Euch wissen, wie gerne ich esse und so ist auch das ein Aspekt, der nicht unbedingt dazu führt, dass ich mich wohlfühle. Es war zwar klar, dass es bei einer solch langen Reise auch immer mal wieder Situationen gibt, die schwierig sind oder in denen man sich nicht ganz wohlfühlt, aber wenn man sich gerade in der Situation befindet, ist es eben nicht ganz angenehm. Zumal auch das Internet in Kuba nicht ständig verfügbar ist und ich mich so nicht immer, bei einem von Euch melden kann, wenn es mir gerade nicht so gut geht. Ohne ein paar ganz liebe und für mich sehr wichtige Nachrichten von Euch, die mich beruhigt, abgelenkt oder zum Lachen gebracht haben, hätte ich die Zeit sicher nicht so gut überstanden. Dankeschön nochmal 🥰.

    Einen Tag später geht es für mich weiter mit dem Bus in die etwa zwei Stunden entfernte Stadt Cienfuegos, wo es mir schon deutlich besser gefallen hat und auch die Erfahrungen insgesamt positiver waren für mich. Aber das erzähle ich Euch beim nächsten Mal☺️.

    Ganz liebe Grüße von Eurer Astrid😘
    Read more