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  • Day 84

    Bogotá, Kolumbien

    February 25, 2020 in Colombia ⋅ 🌧 19 °C

    Meine Lieben, meine persönliche „Kuba-Krise“ ist endgültig beendet 😉. Ihr wisst ja schon, dass ich gut gelandet bin in Bogotá und mittlerweile habe ich auch genügend Eindrücke und Fotos gesammelt, um sie mit Euch zu teilen.

    Der Flug von Havanna bis Bogotá dauert etwa 3,5 Stunden war ganz schön unruhig für meine Begriffe. Die Einreise verläuft vollkommen problemlos, allerdings sind die Grenzbeamten wegen des Corona-Viruses mit Mundschutz ausgestattet, weshalb ich sie, noch dazu hinter einer Glaswand, kaum verstehe. Nach zweimal Nachfragen verstehe ich endlich, dass ich herzlich Willkommen in Kolumbien geheißen werde und 90 Tage ohne Visum bleiben darf. Ohne Mundschutz kann ich das kolumbianische Spanisch ziemlich gut verstehen, nachdem mir der kubanische Dialekt in etwa so vorkam, als sei ich in einem spanischsprachigen Oberbayern gelandet. Spanisch ist für unsere Ohren ja doch ziemlich s-, c- und z-lastig, die Kubaner verzichten jedoch gefühlt auf sämtliche Zischlaute. So wird aus der Frage „Estás lista?“ („Bist Du fertig/bereit?“) auf Kuba schlicht und einfach „E ta li ta?“ und die Verwirrung ist perfekt🙈. Zumindest war sie das für mich.

    An der Gepäckausgabe (die dieses Mal außergewöhnlich schnell verläuft, Gregy dreht schon seine Runden auf dem Gepäckband und wartet sehnsüchtig auf mich) treffe ich Kaarel aus Tallin, Estland, der auch alleine in Südamerika unterwegs ist und mit dem ich erfolgreich die emsigen Taxifahrer am Flughafen verscheuche, während wir auf unser Uber warten. Als Kaarel mir zum Abschied in guter alter europäischer Manier höflich, aber distanziert die Hand gibt und mir somit nicht zu nahe kommt, könnte ich nach den vergangenen Wochen kaum dankbarer sein😆.

    Die Fahrt mit dem Uber durch die Stadt dauert gut anderthalb Stunden, der Verkehr in Bogotá ist schlicht gruselig. Ein paar Tage später lerne ich, dass man mit seinem Auto in Bogotá nur jeden zweiten Tag fahren darf. Es handelt sich hierbei um eine Maßnahme des Straßenverkehrsministeriums, um das übermäßige Verkehrsaufkommen zu steuern. An welchem Tag man fahren darf, sieht man an der letzten Ziffer des Nummernschildes - die geraden Ziffern dürfen Montags, Mittwochs und Freitags fahren, die ungeraden Ziffern Dienstags, Donnerstags und Samstags (oder umgekehrt, das weiß ich gerade nicht mehr). Sonntags dürfen jedenfalls alle fahren, die Situation wird völlig verrückt.

    In Bogotá wohne ich wieder in einer Gastfamilie, die ich über die App „Workaway“ gefunden habe. Über Workaway kann man weltweit Arbeit meist gegen Kost und Logis finden. Die meisten Angebote findet man in Schulen oder in Hostels, die Unterstützung benötigen, es gibt aber auch andere Aufgaben, zum Beispiel im handwerklichen oder landwirtschaftlichen Bereich. Als ich mir vor einigen Wochen die Angebote in Kolumbien angeschaut habe, bin ich auf die etwas ungewöhnliche Anzeige von Carolina und José gestoßen,
    die mich sofort angesprochen hat. Carolina und José sind große Deutschland-Fans, lernen seit gut drei Jahren Deutsch und verbringen jedes Jahr etwa drei Monate in Deutschland, da sie eine Wohnung in München besitzen. Über Workaway suchen sie deutsche Reisende, die mit ihnen Deutsch üben und sie ein bisschen im Haushalt oder bei handwerklichen Aufgaben unterstützen. Im Gegenzug bekommen die Reisenden ein Zimmer und Verpflegung. Ich freue mich riesig, dass ich für eine Weile bei ihnen wohnen darf und so die kolumbianische Kultur aus nächster Nähe erfahre. Carolina und José haben ein sehr hübsches Haus in einer der besten Wohngegenden Bogotás, dem Viertel Usaquen im Nordosten der Stadt.

    Witzigerweise ist José auch Anwalt und Carolina ist freie Journalistin für klassische Musik mit einer eigenen Radiosendung in Bogotá. Beide arbeiten freiberuflich von zu Hause aus - José hat sein Büro unter dem Dach und Carolina ihres im Souterrain. José ist begeisterter Birkenstock-Latschen-Träger, da fühle ich mich gleich wie zu Hause☺️.

    Die beiden sind wirklich außerordentlich gastfreundlich, die Küche ist mit allerlei Köstlichkeiten gefüllt und überall blinzeln mir dm-Bioprodukte oder die 6-Kräuter-Teemischung von Meßmer aus den Regalen zu😉. Gleich am ersten Abend kocht Carolina, die auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, köstliche Pasta mit Tomaten und Büffelmozzarella. Nach den letzten Wochen muss ich mich wirklich zusammenreißen, nicht die ganzen Nudeln auf einmal zu verschlingen🙈😆. Auch in den nächsten Tagen lerne ich nach und nach typische kolumbianische Hausmannskost kennen, die sich interessanterweise nicht grundlegend von der traditionellen deutschen Küche unterscheidet. Häufig gibt es Hühnchen oder sehr langsam gegartes Rindfleisch mit Salat. Wie fast überall in Lateinamerika isst man hierzu sowohl Kartoffeln als auch Reis, was für uns etwas ungewöhnlich ist. Mein Lieblingsessen ist schon bald die sogenannte „Ajiaco“, eine für Bogotá typische Suppe aus vier Sorten verschiedener Kartoffeln, Hühnchen, Kapern und Kräutern.

    Da Carolina und José besondere Liebhaber der deutschen und insbesondere der bayrischen Küche sind und Carolina eine gute Metzgerei in Bogotá aufgetrieben hat, bekomme ich an einem Abend sogar bayrischen Wurstsalat und an einem anderen Abends Leberkäse mit Kartoffelsalat☺️. Den Wurstsalat und unsere kolumbianisch-deutsche WG könnt Ihr auf einem der Bilder sehen.

    Frühstück gibt es meistens auf der schönen, von Bäumen umsäumten Terrasse, wobei wir meistens von einem Kolibri beobachtet werden, der in einem der Bäume auf der Terrasse herumschwebt. Da Carolina großer Fan von Musik und Heilkunst der Hildegard von Bingen ist, taufe ich den Kolibri Hildegard. Leider ist sie sehr scheu und wollte nicht für ein Foto für Euch posieren. Falls mir doch noch ein Foto gelingt, liefere ich es Euch gerne nach☺️.

    Eigentlich möchte ich nur eine Woche bleiben, da ich am 4. März nach Santa Marta fliegen möchte, um eine fünftägige Wanderung zur „Ciudad Perdida“, der „Verlorenen Stadt“, zu unternehmen. Die Klimaanlage im Flugzeug und wahrscheinlich auch die für mich anstrengenden letzten zwei Wochen haben jedoch für eine Mandelentzündung gesorgt und so entscheide ich mich, noch eine weitere Woche bei Carolina und José zu bleiben und die Wanderung um eine Woche zu verschieben. So habe ich noch ein bisschen mehr Zeit, Bogotá und das schöne Viertel Usaquen zu erkunden. Usaquen war früher ein Dorf, das mit der Zeit eingemeindet wurde und heute zu Bogotá gehört. Tatsächlich hat man aber immernoch das Gefühl, in einem Dorf zu leben. Es gibt einen kleinen Park mit einer Kirche, den ihr auf einem der Fotos sehen könnt, viele kleine Cafés, eine Eisdiele, Blumen- und Dekoläden, Bars, Restaurants und sogar ein kleines Kino, das sehr aktuelle Filme zeigt. An einem Nachmittag gehe ich mit Carolina ins Kino und schaue „Little Women“, der auf Spanisch „Mujercitas“ heißt und den ich, besonders den Mädels unter Euch, wärmstens empfehlen kann. Von dem Kino habe ich Euch ebenfalls ein Bild gemacht. Sonntags gibt es in den Straßen und Gässchen Usaquens einen tollen Kunsthandwerkermarkt, auf den ich gleich zweimal gehe, um ein paar Mitbringsel zu besorgen.

    Carolina und José erweisen sich für mich als Glückgriff, sie integrieren mich wirklich vollkommen in ihren Alltag und stellen mich vielen ihrer Freunde vor, die oft zum Mittags- oder Abendessen vorbeischauen. Es ist für mich sehr spannend, den Gesprächen beizuwohnen und so zu lernen, was die Kolumbianer bewegt und worüber man eben so spricht. Natürlich ist das Coronavirus auch hier ein großes Thema und ich muss mehr als einmal betonen, dass ich schon seit mehr als drei Monaten nicht mehr in Deutschland war und wohl niemanden anstecken kann😆. Bei einem dieser Gespräche lerne ich, dass die Drogenkartelle auch heute nach den Zeiten Pablo Escobars noch sehr viel Macht haben. Völlig skurriler fun-fact hierzu: es gibt tatsächlich ein Problem mit den Tieren aus Pablo Escobars ehemaligem Privatzoo, da sich unter anderem Elefanten und Nilpferde fleißig vermehrt haben und den kolumbianischen Dschungel übervölkern. Das kann ich zunächst kaum glauben, aber sowohl Carolina als auch José beteuern, dass dies tatsächlich so ist.

    Da Carolina als Journalistin regelmäßig Karten für Theater- und Operaufführungen bekommt, darf ich an einem Samstagabend mit in die Oper um Mozarts „Don Giovanni“ anzuschauen. Um die Karten abzuholen, fahre ich nachmittags mit dem Fahrrad zu einer Freundin von Carolina und kann es kaum fassen, dass ich tatsächlich durch eine Metropole wie Bogotá radel, als wäre es Köln oder Düsseldorf. Die Aufführung ist sehr modern inszeniert, Don Giovanni treibt sein Unwesen in der Damenwelt ausgestattet mit Kapuzenpulli und ipad, während er sich zwischendurch eine Line Kokain zieht. Ich bin doch einigermaßen überrascht. Nicht dass ich schon zehn Inszenierungen von „Don Giovanni“ gesehen hätte (es war meine erste😆), aber ich hatte bei Mozart traditionelle Kostüme erwartet. Als ein paar Tage später der Programmdirektor der Oper bei uns zum Abendessen zu Besuch ist, weil er viel mit Carolina zusammenarbeitet, erfahre ich, dass viele Zuschauer sehr allergisch auf diesen Kokain-konsumierenden Don Giovanni reagiert haben. Viele Kolumbianer sind es verständlicherweise leid, immer wieder auf die Kokainproduktion reduziert zu werden.

    Ein paar Mal fahre ich mit dem Bus von Usaquen aus ins Zentrum Bogotás, was mir wirklich richtig gut gefällt. Wegen des Verkehrs braucht der Bus für etwa 8 km, die immer geradeaus gehen, gut und gerne 70 Minuten. Im Zentrum angekommen wird man für die Mühe jedoch belohnt, es gibt unzählige Cafés und Straßenkunst, viele Museen und ein tolles, quirliges Studentenviertel mit einem Park, in dem es streetfood und frisch gepresste Säfte zu kaufen gibt. Ganz besonders gut gefällt mir, dass Bogotá von mit dichtem Grün bewachsenen Bergen umgeben ist. Da Bogotá bereits auf 2.600 m über dem Meeresspiegel liegt, sind die Bergspitzen manchmal von Wolken verhangen, was wirklich beeindruckend aussieht. Ein besonderes Highlight ist die Fahrt mit der Seilbahn auf den Berg Monserrate. Die Aussicht auf die Stadt vom Monserrate aus habe ich versucht, Euch in dem Video aufzunehmen. Leider war der Tag etwas diesig beziehungsweise versmogt , sodass die Dimensionen der Stadt nicht ganz so sichtbar werden. Vielleicht könnt Ihr sie Euch trotzdem vorstellen ☺️.

    Trotz des Verkehrs und der Armut, die in den Straßen Bogotás durchaus sichtbar ist, fühle ich mich ausgesprochen wohl. Es gibt viele Grünflächen und ich empfinde die Kolumbianer als sehr höflich. Vor allem die jüngeren Menschen sind super-hip gekleidet, Levi’s-Jeans im 80s-Style, DocMartens-Boots oder Vans-Sneaker sind genauso beliebt wie in Berlin oder Köln. Wenn ich nach der richtigen Bushaltestelle frage, wird mir sofort geholfen und viele sprechen prima Englisch, was bisher weder in Mexiko noch in Guatemala oder Kuba der Fall war und daher sehr auffällig ist (wobei ich immer schnell darauf verweise, dass ich lieber Spanisch üben möchte, was dann gerne angenommen wird ☺️). Eine Situation im „Juan Valdez Café“, dem kolumbianischen und wirklich ganz hervorragenden Analog zu Starbucks, verliere ich einen 20.000 Pesos-Schein, was etwa 5 EUR entspricht, und während ich ihn in meiner Tasche suche, kommt eine Stundentin zu mir und bringt mir den Geldschein, den sie aus meiner Tasche hat fallen sehen. Ich freue mich riesig und kaufe ihr zum Dank einen Schokokeks, woraufhin sie sich riesig freut. Wieder einmal merke ich, dass es diese ganz kleinen Dinge sind, die darüber entscheiden, ob man sich an einem Ort wohlfühlt oder nicht.

    Die nächsten Tage werde ich noch in Carolina und Josés schönem Haus genießen, bevor ich Euch demnächst von meiner Wanderung zur „Ciudad Perdida“ berichte. Bis dahin wünsche ich Euch allen ein erholsames Wochenende und sende Euch liebste Grüße aus dem schönen und spannenden Bogotá.

    Eure Astrid😘❤️
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