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  • Day 15

    Auf nach Gimsøy oder der Herbst ist da

    September 7, 2020 in Norway ⋅ ⛅ 12 °C

    Die Nacht hat den fiesen Fisselregen aufgefuttert. Der Morgen beginnt trüb aber trocken. Doch auch die Trübnes hält sich nicht. Die Sonne hat den unbedingten Drang, ab und an zwischen den Wolken durchzulunzen. Die lockeren Wolken vor den Bergen verleihen der Landschaft Bewegung.
    Ich hätte gern in einem der beiden Kafes hier gefrühstückt, aber die haben beide geschlossen. Anscheinend ist eine Frühstückskultur nicht so ausgeprägt. So gibt es ein Teilchen aus dem Laden, der auch die Souveniere verkauft.
    Wir können also los.
    Rüber über die beiden Brücken, hinaus in die Welt der Mittellofoten.
    Zunächst verläuft die Strasse dicht an den Felsen geschmiegt. Wie immer also und doch ist es jedes Mal anders. Die Felsen gehören zu den aufstrebenden Bergen rechts von uns. Links öffnet sich das Wasser mit weitem Blick auf die Bergketten der Mittellofoten bis hinunter Richtung Å. Ein paar spärlich bewachsene Inselchen, eher größere Felsplatten, liegen , günstig dekoriert, im türkisfarbenem Wasser. Diese Farben sind schon irre. Diese Vielfalt an Grün, türkis, blau innert kurzer Zeit ist genial schön .
    Weiter vorn, da, wo der Fjord endet, schimmert das Wasser grün, wie Pfeffilikör früher. Unfassbar, das niemand vom Poolservice gekommen ist und den Boden anmalte. Die Natur kann das ziemlich gut alleine vollbringen. Ich bin angemessen beeindruckt. Allerdings muss man klar sagen, je höher man steht um so mehr ist das grüne Leuchten zu erkennen . Unten am Strand wirkt es eher ausgewaschen.
    Wir wollen heute Strände schauen und nehmen uns als erstes die Insel Gimsøya vor.
    Also über die Brücke rüber und dann gleich scharf links abbiegen.
    Fv863 lautet völlig kühl der Strassenname.
    Es geht wie immer um den Berg herum. Also links der Berg, rechts das Wasser, gegenüber neuer Berg mit Strasse herum. Die Sonne scheint gerade mal zwischen zwei Wolkenlücken hervor. Sie taucht die nun doch zumeist schon herbstliche Landschaft in kräftige Farben.
    Der Herbst steht auf der Leiter und malt die Blätter an heisst es in einem Lied. Ohne Frage. Hier hat er schon mal gut gemalt.
    Gegenüber die Berge auf der anderen Seite der Bucht werden gerade von neuen dichten weissgrauen Wolken überrollt. Diese entziehen ihnen offenbar die Farben, dazu das Gegenlicht, so entsteht eine besondere Aussicht. Unsere Seite der Bucht leuchtet herrlich farbenfroh, die andere ist komplett vergraut und präsentiert sich in dunkelblaugrauer Einheitsfarbe.
    Am besten gefallen mir die kleinen Felder, die Straßenränder, die mit Fireweed bewachsen sind. Ich kenne die Blume aus Alaska und dort heisst es, wenn sie verblüht ist, der Sommer ist vorbei. In deutsch heißt die Blume schmalblättriges Weideröschen, den Älteren vielleicht auch noch bekannt als Trümmerblume.
    Hier kann sich der Somner noch nicht so richtig zum Gehen entschliessen, denn wir finden das Fireweeed noch in vielen Formen. Von mit Rosapinken Blüten übersäht, bis hin zu zur verblühten Version, wo die Samen schon aufgesprungen sind und ähnlich wie bei der Pusteblume, sich weiße kleine Federchen bilden. Es wirkt als hätte jemand dezent dünne, ganz feine Watte auf den Blütenstengeln verteilt. Die Blätter der Pflanze färben sich dann auch noch ein und schwupps, bunter, satter gehen keine Herbstfarben. Ich könnte jedesmal anhalten, einfach nur um mich an der bunten Pracht zu erfreuen. Nur einige Meter weiter breiten sie sattgrün Wiesen aus, als wäre es gerade Frühling geworden. Vögelchen zwitschern begeistert. Das Rote Haus auf der herrlich grünen Wiese vor dem blauem Himmel, den angeleuchteten Bergen, das kann kein Zufall sein. Das hat wer gemalt.
    Klar, ist kein Trollfjord, keine spektakuläre Wanderung mit Aussichten, die einem den Atem rauben. Es ist so gesehen nur Landschaft, an der viele mal eben vorbeirauschen um ans nächste spektakuläre Ziel zu gelangen. Aber was passiert, wenn man alles höher, weiter, toller erlebt hat? Was kommt danach? Der nächste Run auf Spektakuläres? Was steigert sich zu am tollsten, verrücktesten, gigantischsten? Leere?
    Wir sind ziemlich glücklich über diese unverhoffte Farbenpracht um uns herum. Wir bestaunen die kleinen Ortschaften, deren Häuser wie hingewürfelt die Landschaft verzieren. Wir halten Zwiesprache mit Frieda, einer Kuh, die interessiert auf uns zukommt und tatsächlich die Ohren spitzt, als ich mit ihr rede. Wir beobachten eine Gruppe Reiter, die wohl gerade ihren Ausritt üben. Artig in einer Reihe trabt ein Pferd ums andere daher. Richtig glücklich sehen die Leute auf dem Pferd aber nicht aus. Einzig der letzte Reiter der Gruppe lächelt. Ein Mann, der sich bemüht, recht locker im Sattel zu sitzen, als er langsam an uns vorüber zieht. Einen kurzen Augemblick treffen sich unsere Blicke und wir verstehen uns. Er wäre gerne woanders Cowboy. Im Radio läuft Slade, Far, far away, ich singe laut mit. I've seen t morning in the Mountains of Alaska ... mein Herz blutet ein wenig. Ich schniefe und bin trotzdem froh, hier zu sein. Nicht als Ersatz, sondern weil es mir gefällt. Vielleicht erobert mich Norwegen ja doch auf eine leise, feine, zarte Art, wer weiss?
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