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  • Day 21

    Der blaue See

    September 13, 2020 in Norway ⋅ ⛅ 11 °C

    Und dann endlich erreichen wir die Berggruppe. Die Sonne liegt jetzt hinter den Bergen, es ist schattig und wirklich kühl.
    Riesige Felsbrocken liegen zu Füssen der Berge. Nur kein See weit und breit.
    Sind wir falsch?....

    Wir sind etwas orientierungslos, als plötzlich oben auf dem riesigen Felswall eine Gestalt auftaucht, die sich einen Weg nach unten sucht.
    Naha, es geht da hoch. Nur es gibt keinen Weg, kein Pfad, nix. Es gibt die Ahnung vo etwas, was ein Trampelpfad sein könnte, aber offensichtlich sucht hier jeder seinen eigenen Zugang😉
    Neue Eilige drängen heran. Von oben nach unten, von unten nach oben. Es entsteht eine Art unsichtbarer Wettbewerb, wer zu erst am schnellsten und sowieso. Und während ich noch überlegte, welche Bergsteigerfähigkeiten ich aktivieren muss, rennt neben mir einer förmlich den Wall hinauf. Er nimmt nichts um sich herum wahr, will nur hurtig nach oben. Könnte er such im Hochhaus Treppen steigen. Irgendwie schon.
    Naja, der Austieg hat es in sich und doch, erreicht den Hof mit Müh und Not ( falls sich wer erinnert) und siehe da, da liegt er, der See. In einer Farbe, die einem den Atem verschlägt, hat man noch welchen übrig. Die Berge steigen schroff in die Höhe, karg, dunkelgrau umrandet sie den kleinen See. Der Gletscher glänzt weiss in der Sonne, ein wenig ist auch blaues Gletschereis zu sehen.
    Wisst ihr, wie die Farbe in den See kommt?
    Ganz einfach.
    Früher stieg jeden Morgen ein ganz freundlicher Norweger über das Geröllfeld hinauf. Im Gepäck einen Eimer Farbe. Und noch ehe der Tag erwachte, kippte er seinen Farbeimer in den See. Und je nachdem, wie er das Blau anmischte, wieviel Farbe er unterwegs vertröpfelte, wieviel Wasser im See war, wurde das Blau intensiver oder dunkler oder schwächer.
    In der heutigen Zeit fand sich keiner mehr, der täglich im frühen Morgengrauen da hinaufstieg. Und so wurde eine Maschine aktiviert, die den Bergsee sozusagen Photoshopt. Effinzienz und so. Die Farben können öfter gewechselt werden, intensiver gestaltet. Naja...😉
    Es ist eine durchaus unwirklich scheinende Szenerie. Alles spiegelt sich, vorne gleich hinter dem Wall scheint der Grund des Sees hellgrau zu sein. Wir können bis auf den Grund schauen. Dann, nur zwei Meter weg vom Ufer hat wer einen Strich gezogen und das helle, durchscheinender Karibikgletscherblau beginnt. Da muss man fast Intensität aus den Fotos nehmen, so eindrücklich ist das.
    Ach und dann sind ja da noch die Leute. Pausenbrote werden ausgepackt, man sitzt irgendwo in Bestlage und futtert. Der Selfiwahn erwacht. Jeder muss sein Konterfei mit Bergen und Lake dahinter ablichten. Ich frage mich immer, wer guckt diese ganzen, IchhaltemeinGesichtimmerundüberallindieKanera Fotos an? Schick ich die meinen Eltern, meinen Freunden? Aber die wissen doch, wie ich aussehe und wollen die wirklich in jedem Bild mein Gesicht sehen? Vielleicht ist das der Quellcode, dass man tatsächlich da war? Wenn ich bei Insta den Lake eingebe, schauen mit immer, vorzugsweise junge Frauen in künstlichen Selfiposen an. Das ist echt schräg. Und nimmt etwas den Spass, weil man so gar kein Plätzchen findet, wo man mal in Ruhe sitzen kann und die Szenerie in sich aufnehmen kann. Entweder kraxelt wer durch die Brotbüchse, oder baut sich vor einem auf um sein Gesicht, seinen Astralkörper vor der Kamera aufzubauen. Viele bleiben allerdings gar nicht so lange. Zack, Foto machen und hurtig zurück hasten.
    So schön es hier ist, so skurril ist es auch.
    Aber die Farbe ist echt genial.
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