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  • Day 83

    Salento und das Cocora-Tal

    April 30, 2022 in Colombia ⋅ ⛅ 20 °C

    Am Samstag haben wir uns aus Bogotá verabschiedet und uns morgens um halb sieben Uhr in den Bus in Richtung Armenia gesetzt. Der Bus ist relativ modern, hat sehr bequeme Sitze, die man ziemlich weit nach hinten klappen kann und bietet wirklich viel Beinfreiheit. Allerdings steht einer damit halbwegs entspannten und ca. 8 stündigen Fahrt leider (wieder mal) nur die etwas anstrengende Fahrweise des Busfahrers entgegen. Als es in die Bergregion geht, wird nur Vollgas gegeben, vor der Kurve massiv abgebremst, um danach wieder Vollgas zu geben. Der Bus hat auch echt Power und so werden langsamere LKW auch mal in Kurven und anderen unübersichtlichen Stellen überholt. Zum Glück sehen wir nicht alles, was sich da vorne auf der Straße anspielt und versuchen hauptsächlich, irgendwie zu schlafen bzw. uns mit Podcasts abzulenken, um eine aufkommende Übelkeit zu unterdrücken 🤢.
    Nach knapp 6h machen wir ca. 30 Minuten Pause in Ibagué, können hier einmal aussteigen und uns eine Kleinigkeit zu essen kaufen, bevor es auf den letzten Streckenabschnitt geht. Auf diesen verändert sich die Fahrweise natürlich nicht und so schreckt der ganze Bus noch einmal auf, als der Busfahrer versucht, einen Hund mit Jungen nicht tot zu fahren. Ob ihm das gelungen ist, haben wir nicht mehr gesehen 😵🤐.

    Als wir in Armenia angekommen, sind wir erstmal froh, aus dem Bus aussteigen zu können und schnaufen durch. Wir sind zwar super pünktlich angekommen, eine Verspätung würde ich allerdings hier auch liebend gerne in Kauf nehmen, wenn die Fahrt dadurch sicherer wird. Aber vielleicht sind wir mittlerweile auch einfach zu ängstlich, zu spiessig, oder fahren einfach zu selten Bus… oder alles zusammen 🤷🏻‍♀️.

    In Armenia müssen wir aber nun noch in einen Kleinbus umsteigen, der von vielen Locals genutzt wird und uns in das kleine Dorf Salento bringt. Und diese Fahrt in dem kleinen und engen Bus ist dank des super entspannten Fahrers solch eine Wohltat, dass wir nach etwas weniger als einer Stunde glücklich in dem bunten Örtchen Salento in den Anden ankommen.
    Die Gemeinde hat knapp 8000 Einwohner und ist ein viel besuchtes Touristenziel, insb. als Ausgangspunkt für Ausflüge zu Kaffeefarmen sowie in das Cocora-Tal.

    Nachdem wir unser Gepäck in ein schönes, kleines Hostal gebracht haben, spazieren wir noch ein wenig durch die wenigen Gassen und sind total verzaubert, von den vielen bunt bemalten Häusern mit den beleuchteten Balkonen, den zahlreichen hübschen Cafés, Bars und Restaurant und den in alle Richtungen offenen Geschäften. Wir fühlen uns hier gleich richtig wohl und verlängern unseren Aufenthalt noch am selben Abend von den geplanten drei auf fünf Nächte 😅.

    Nach unserer ersten Nacht, genießen wir den super leckeren, lokalen Kaffee zum Frühstück und machen uns dann mit zwei gemieteten Fahrrädern auf dem Weg, ein wenig die Umgebung zu erkunden. Die sog. Kaffeeroute führt zunächst stetig bergab und an zahlreichen Kaffeefarmen vorbei, die auch tägliche Führungen anbieten. Da wir nun etwas mehr Zeit haben, ist eine solche Tour erst für die nächsten Tage geplant und wir radeln erst einmal weiter, machen hier und da Fotos, bis wir den Quindío River erreichen. Es geht nun noch einmal etwas die Berge hoch, bis wir in eine kleine Siedlung kommen, wo Kinder mit Wasserbottichen spielen und ein junger Mann uns erst wild gestikulierend aufhält und dann darum bittet, ihm zu folgen. Wir verstehen relativ schnell, was er uns sagen will: da vorne geht’s nicht so einfach weiter. Zwischen zwei Behausungen muss ein riesiger Erdrutsch einfach den Weg (und andere Häuser 😵😔??) in die Tiefe gerissen haben, es klafft jedenfalls ein ziemlich großes Loch dazwischen. Über einen sehr schmalen und steilen serpentinenartigen Weg, kommt man aber zu einer kleinen provisorischen Brücke aus Bambusstämmen einige Meter unter der eigentlichen Straße und kommt auf der anderen Seite wieder hoch zur Straße. Der junge Mann schnappt sich kurzer Hand nacheinander unsere Räder und trägt sie auf die andere Seite, worüber ich sehr glücklich bin, da der Weg sehr steil und eng ist und beim Versuch, mich und das Rad dort runterzukriegen, meine Beine schlottern lässt. Zum Dank (und wie erwartet) bekommt er ein paar Pesos und wir drei sind happy 😅👌🏽.

    Nun kann es weitergehen und kurz nach diesem Erlebnis, kommen wir an einen total schön hergerichteten Stand mit Sitzgelegenheiten, wo es die besten frischen Säfte geben soll. Da wir durch die hohe Luftfeuchtigkeit (~ 85 %) schon beim
    Bergabrollen ganz schön ins Schwitzen gekommen sind, kommt und so eine fruchtige Erfrischung gerade recht und wir machen hier eine kleine Pause. Wir schauen dem netten Kellner dabei zu, wie er das frische Obst heranträgt und haben kurze Mixzeit später zwei eiskalte und leckere Säfte (Ananassaft für Manu und Brommbeersaft für mich) vor uns stehen. Dazu gibt es noch ein kleines Konfekt, ein sog. Bocadillo, welches aus Guavengelee gemacht wird und in Südamerika anscheinend gerne gegessen wird. Zu Recht, wie wir finden, es schmeckt wirklich gut.

    Nach dieser Stärkung geht es dann auf den Rückweg, was bedeutet, dass es nun stetig bergauf geht 🥵. Wir strampeln also aus dem wunderschönen Tal die Straße, die wir schon mit dem Bus gekommen sind, immer weiter hinauf und kommen komplett durchgeschwitzt und schnaufend, aber auch sehr glücklich über die schöne Tour, wieder in Salento an. Mit schmerzenden Hintern und frisch geduscht geht es noch zum Abendessen und so schnell ist dann der erste Tag hier auch schon wieder vorbei.

    Den nächsten Tag bummeln wir durch die Gassen, steigen zur Aussichtsplattform hinauf, mischen uns unter die anderen Touristen und Einheimischen, schlendern auf dem belebten Plaza Bolívar mit der Kirche Nuestra Señora del Carmen umher und genießen diesen Ort bei Café und frischer Pasta. Viel mehr passiert heute nicht, denn für Morgen ist dann die größere Wanderung im Cocora Tal geplant.

    Und so geht es am nächsten Morgen mit den sog. Willy vom Placa Bolívar direkt ins ca. 11 km entfernte Cocora Tal. Die Jeeps fahren los, wenn sie voll sind und voll heißt hier auch wirklich voll. Acht Menschen werden auf die Rückbänke gequetscht, weiter vier können sich auf das Trittbrett hinten stellen und dann geht es los. Zwanzig Minuten später kommen wir am Parkplatz an und können bei wunderbarem Sonnenschein los laufen. Zum Glück haben wir den Rat von unserer Gastgeberin befolgt und sind nicht am Wochenende hierher gekommen, denn heute sind insgesamt nur wenige Touristen mit uns hier. Und so wandern wir durch das wunderschöne Tal und zu den zwei offiziellen Aussichtspunkten, mit tollem Blick auf diese wahnsinnig großen Palmen. Sie wehen dabei mit ihren doch dünn wirkenden Stämmen im Wind auf und ab, so dass man glaubt, sie brechen jede Sekunde ab.

    Good to know:
    Das Cocora Tal ist berühmt für die Quindío-Wachspalme, die sonst nur in sehr wenigen anderen Gegenden Kolumbiens vorkommt. Sie kann bis zu 60 Meter hoch und rund 200 Jahre alt werden, die ausgewachsenen Palmen haben eine dicke Wachsschicht auf der Rinde. Sie gilt als die größten Palmenart der Welt, wurde 1801 von Alexander von Humboldt entdeckt und ist seit 1985 der Nationalbaum Kolumbiens.
    Leider gibt es immer weniger Exemplare der imposanten Palme, die ein wichtiger Bestandteil des hiesigen Ökosystems ist und deren Früchte zahlreichen Insekten, Vögeln und Säugetieren als Nahrung dient. Ein Großteil des umgebenden Waldes wurde abgeholzt, um Weidefläche für Vieh zu schaffen. Dies hat zur Folge, dass das Vieh die Keimlinge frisst, so dass es kaum noch junge Bäume gibt. Neben dieser Bedrohung werden die jungen Palmwedel außerdem übermäßig für die Palmsonntagsprozession und andere religiöse Feste verwendet. Auch hierzu versuchen vereinzelte Kampagnen ein Umdenken einzuleiten, da vielen Kolumbianer/innen wohl gar nicht bewusst ist, dass ihr geliebter Nationalbaum vom Aussterben bedroht ist.
    Neben dem Valle de Cocora wird allerdings geschätzt, dass in der aufgrund des Bürgerkrieges bislang wenig erforschten Region Tochecito 70% des kolumbianischen Gesamtbestandes wachsen könnten. Die Hoffnungen ruhen daher auf diesem heute wieder sicheren Gebiet. Mit Sorge beobachten aber Wissenschaftler, dass sich auch dort immer mehr Farmer ansiedeln, was wiederum zu einer Bedrohung der Wachspalme führen könnte.

    Als wir die Wanderung fortsetzen wollen, kommen uns bereits ein paar andere Wanderer entgegen und teilen uns mit, dass der Weg weiter oben gesperrt ist und der insgesamt ca. 12 km lange Rundweg nicht gegangen werden kann 😓. Etwas traurig kehren wir daher wieder um und setzen uns stattdessen noch in ein schönes Restaurant im Tal und können das für Salento typische Essen, eine Forelle aus dem Cocora-Tal, genießen. Das ist schon auch in Ordnung 😋.

    An unserem letzten Tag setzen wir uns direkt wieder in ein Willy, diesmal aber in die andere Richtung, zur Kaffeefarm Don Elias. Hier bekommen wir mit drei Franzosen zusammen eine kleine, aber sehr nette und informative Führung von Jesus.

    Good to know:
    Da Kaffeesträucher nur unter bestimmten Umständen wachsen, die man ausschließlich in den Gebieten um den Äquator findet, ist es nicht verwunderlich, dass die Länder Brasilien, Vietnam, Kolumbien und Indonesien die vier größten Kaffeeproduzenten der Welt sind. Obwohl es gut 60 verschiedene Kaffeesorten gibt, sind nur zwei für den Weltmarkt von Bedeutung: Arabica (Coffea Arabica) und Robusta (Coffea Canephora). Während Arabica-Pflanzen erst ab einer Höhe von 400 bis 2.100 m wachsen, wächst die Robusta-Pflanze auf 0 bis 900 m.
    Für das Pflanzen neuer Sträucher verwenden die Kaffeebauern etwa acht Wochen altes Saatgut. Dabei wird die Bohne, frei von Fruchtfleisch und Hülle, einige Zentimeter tief in einen idealerweise leicht sauren Boden gedrückt. Nach fünf bis sechs Wochen pflanzen die Bauern die Setzlinge in Einzelbehälter um. Nach weiteren acht Monaten sind die Sträucher groß genug, um sie auf der Plantage zu den anderen Sträuchern zu pflanzen.
    Nach drei bis vier Jahren trägt der Kaffeestrauch zum ersten Mal Früchte. In den meisten Anbaugebieten wird einmal, je nach Art und Nähe zum Äquator in manchen Gebieten auch zweimal jährlich geerntet.
    Wann geerntet wird hängt von der Lage des Anbaugebiets ab: Nördlich des Äquators werden die Früchte zwischen September und Dezember geerntet. Befindet sich das Anbaugebiet südlich des Äquators, wird zwischen Mai und August geerntet. Und daher helfen wir fünf Jesus gerne ein bisschen in der gerade stattfindenden Erntezeit.
    Es gibt verschiedene Arten der Ernte, das Picking (nur die einzelnen Reifen Früchte werden geerntet), das Stripping (die ganze Pflanze wird auf einmal abgezogen, wobei alle Früchte in ein auf dem Boden liegendes Tuch fallen) und die maschinelle Ernte (alle Früchte werden mit einem Mal geerntet).
    Jesus und viele Bauern hier im Kaffeeanbaugebiet wenden das „Picking“ an und erhalten durch die Verarbeitung ausschließlich reifer Früchte die höchste Qualität.
    Ist diese sehr arbeits- und zeitintensive Arbeit geschafft, wird die Kaffeekirsche in einer speziellen Maschine, den Pulper, weitestgehend vom Fruchtfleisch befreit und dann für zwölf bis
    36 Stunden in einem Wasserbecken gelagert. Dort findet ein Gärungsprozess statt. Anschließend werden die Bohnen getrocknet, entweder mechanisch mit Heißluft, oder wie hier an einem
    speziellen Trockenplatz (Patio).
    Die getrockneten Bohnen werden sodann geröstet. Je länger Kaffeebohnen geröstet werden, um so dunkler fällt ihre Farbe aus und desto intensiver ist ihr Geschmack - denn bei einer länger andauernden, schonenden Röstung werden komplexere Aromen freigesetzt. Die sog. „Dark Roasts" sind vor allem in
    Südeuropa, insb. Italien (Espresso) beliebt.
    Nun müssen die gerösteten Bohnen nur noch gemahlen werden und mit heißem Wasser zu dem von vielen so heiss geliebten Kaffee zubereitet werden. Lecker!

    Die Tour hat uns super gefallen, Jesus war witzig und konnte alles wunderbar erklären, die Gruppe war angenehm klein und fühlte sich überhaupt nicht wie eine Massenabfertigung an. Zudem war das ganze Gelände neben den Kaffeesträuchern, voll mit Bananen-, Limetten-, Orangen- und anderen Obstbäumen und sah einfach total schön aus.

    Anschließend ging es mit dem Jeep wieder nach Salento, wir besorgten uns noch zwei Bustickets für den nächsten Tag nach Medellin und schauten das (wirklich krasse) Champions League Halbfinale mit völlig ausrastenden Kolumbianern in einer kleinen Bar an 🤪🤪.

    Wir würden sagen, das waren richtig schöne Tage in diesem kleinen Dorf, das so freundlich und offen daher kommt und von einer ganz tollen, hoffentlich noch lang erhaltenen Natur umgeben ist.
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