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  • Day 1

    Abenteuer beginnt in 3… 2… 1…

    August 25, 2021 in Italy ⋅ ⛅ 18 °C

    So. Nun sitze ich hier zur Primetime mit einem kühlen Bier in der Hand und schaue grinsend auf die vom Sonnenuntergang rot gefärbten Dolomiten - endlich! Physisch bin ich demzufolge an meinem Tagesziel für heute angekommen. Meine Psyche hinkt allerdings noch etwas hinterher. Es ist noch alles etwas surreal. Denn ich sitze hier komplett alleine.

    Zugegebenermaßen nicht wirklich. Natürlich sind hier noch andere Leute, ich bin ja weiterhin in der Zivilisation. Aber ich habe niemanden auf meine Reise mitgenommen, den ich kenne. Ich reise zum ersten Mal mit mir selbst. Warum? Um es mal gemacht zu haben. Ob ich mir selbst eine gute Reisebegleitung bin? Keine Ahnung. Aber das finde ich nun heraus!

    Das führt mich auch zu dem Grund, warum ich dieses Reisetagebuch schreibe: Ich möchte meine Erinnerungen an dieses Abenteuer auf eine Art festhalten, die sicher stellt, dass sie nicht irgendwann verblassen. Darüber hinaus für den ein oder anderen interessierten Leser dort draußen meine Erlebnisse teilen. Ob dies nun zur Inspiration, Belustigung oder einem anderen Zweck dienlich ist, sei jedem selbst überlassen.

    Aber fangen wir doch ganz von vorne an: Bei der heutigen Anreise von Hannover nach Völs am Schlern (dort, wo ich gerade sitze). Ich kann vorwegnehmen: Eine Anreise komplett mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe ich mir deutlich entspannter vorgestellt, als es schlussendlich war. Es fing schon damit an, dass mein Ursprungsplan mit der Bahn zu reisen, am GDL Streik zu scheitern drohte. Dies wurde mir zum Glück rechtzeitig bekannt, sodass ich meinen Zug stornieren und stattdessen einen FlixBus buchen konnte. Gleicher Preis, Fahrzeit plus sechs Stunden - da kommt Freude auf. Aber gut, mit einer streikenden Bahn wäre ich wohl nie pünktlich hier gewesen. Oder doch? In meiner Entscheidung, den Bus zu buchen, fühlte ich mich bestätigt, als ich kurz vor Verlassen der Wohnung - am Mittwoch, den 24. August gegen 23 Uhr - eine Mail empfing, die mich über den Ausfall meines ursprünglich gebuchten Zugs informierte.

    Als ich mit meinem besten Freund Nicolas abends nochmal alles durchgegangen bin - um ja nichts zu vergessen (übrigens meine größte Angst) - empfahl er mir noch eine Schlafmaske und Ohropax zu besorgen. Für die Schlafmaske schenkte ich ich einen etwas verwundeten Blick, so wusste er doch, dass ich beim zu Bett gehen nie ein Rollo schloss. Jedoch ergaben die Stöpsel für die Ohren für mich durchaus Sinn. Also machte ich noch einen Abstecher zur Drogerie im Bahnhof bevor es zum ZOB ging. Ich weiß nicht was mich dazu gebracht hat, die Schlafmaske zu kaufen (wahrscheinlich wieder die Angst etwas nicht zu haben) aber ich habe es getan. Mein Einkauf wurde vom Kassierer mit „Sie scheinen aber einen sehr erholsamen Schlaf zu benötigen.“ kommentiert, was ich mit einem beschämten Lächeln unter meiner Maske beantworte, bevor ich weiter zum Bus ging.

    Beim letzten Mal, dass ich so aufgeregt war, als es in Urlaub ging war ich noch ein Kind. Ich war original eine Stunde vor Abfahrt am ZOB. Ich verbrachte die Zeit damit nochmal die Einreisebedingungen sowie das Coronaupdate aus Italien zu studieren. Derweil war es kurz vor zwölf und mein Handy signalisierte mir eine weitere Mail: Mein Zug fuhr nun doch. Sehr witzig. Zwei Minuten vor Zugabfahrt kam die Info. Kurz dachte ich noch über einen Sprint nach. Verwarf diesen Gedanken dann auch schnell wieder. Ich hatte mich jetzt für den Bus entscheiden, dann bleibt es jetzt dabei, auch wenn er nicht mein bevorzugtes Reisemittel ist. Also begann ich mir vor Augen zu führen, dass ich jetzt alles hab und entspannt meinen Urlaub beginnen kann. Mit abfallender Anspannung wurde ich müde woraufhin mir die Kälte in die Knochen kroch. Glücklicherweise kam dann auch endlich der Bus. Mittlerweile war es Donnerstag, der 25. August, 0:35 Uhr.

    Meine Kollegin Freya gab mir noch mit auf den Weg ich solle gut auf mein Gepäck aufpassen, ihr Backpack wurde ihr mal aus dem FlixBus geklaut. Nach der Info hätte ich meinen Rucksack am liebsten an mich gekettet (da ist sie wieder, die Angst) aber in Ermangelung von Platz im Innenraum des Busses und mich übermannende Müdigkeit gab ich mein Backpack dann doch in Kofferraum. Ich musste an das Gute im Menschen glauben und wurde dabei nicht enttäuscht.

    Im Bus durfte ich zwei Plätze für die gesamte Fahrt mein eigenen nennen, sodass ich es mir so gut es ging gemütlich machte. Natürlich nicht ohne die kurz vorher errungenen Schlaf-Verbesserung-Gadgets zu verwenden. Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich mich dafür wahrscheinlich selbst ausgelacht. Endlich musste ich das Radio, surrende Geräusche und grelle Lichter nicht mehr wahrnehmen und war weg. Es hätte so schön sein können, wenn neben mir, nicht auch ständig sämtliche meiner Körperteile eingeschlafen wären. Allem voran Hintern und Beine. Ach und der Nacken war auch ganz groß darin sich zu verkrampfen (Nein, ich hatte kein Nackenhörnchen dabei, mein Kissen für die Wanderung musste reichen). Irgendwann hatte ich aber meine Position gefunden. Als ich aufwachte war es immer noch stockfinster. Ach nee. Ich hatte ich das lächerliche Ding auf den Augen. Und dann kam die Erleuchtung. Im wahrsten Sinne! Als sich meine Augen wieder an das Licht gewöhnt hatten, stellte ich fest, dass ich meinen doch recht langen Schlaf in diesem Bus dieser Maske zu verdanken hatte. Mittlerweile war es viertel vor acht. Ich war begeistert und recht fit dafür, dass ich gerade sieben Stunden, sitzend in einem Bus geschlafen hab.

    Um halb zehn trafen wir in München ein. Ab jetzt hatte ich zwei Stunden Aufenthalt. Diese waren überraschend schön. Gut, wie ich mich in meiner alten Wahlheimat auskannte, konnte ich gezielt sämtliche Besorgungen machen und mich dann entspannt in die Sonne setzen. Dort gabs dann erstmal ein Vicky-Frühstück: Kaffee mit Pizza, denn Pizza kann ich immer essen.

    Frisch gestärkt ging es dann um 11:30 Uhr weiter mit dem nächsten FlixBus Richtung Bozen. Die Fahrt war sehr angenehmen. Aufgrund eines Staus auf der Autobahn, den wir umfuhren, gab es landschaftlich einiges zu bestaunen. Darunter auch die bayrische Karibik: Den Walchensee.

    Nachdem wir in Innsbruck eine kurze Pause und ich mein erstes Bergselfie gemacht hatte, ging es weiter auf den Brenner. Zumindest war das der Plan. Jedoch kamen wir nicht auf die Autobahn, ein brennendes Auto war die Ursache für die Sperrung. Während ich beobachtet wie Autofahrer keine Rettungsgasse bilden konnten und sich der Stau bis sonst wo bildete kam mir der Gedanke „ Da macht der Brenner seinem Namen alle Ehre.“ Ist dem so? Ich hatte keine Ahnung. Google wusste mehr: Der Name Brenner geht gemäß meiner Recherchen auf den rätischen Volksstamm der Breconen zurück, die in vorchristlicher Zeit aus Nordtirol über den Pass nach Süden vordrangen. Seit 1288 ist dort urkundlich "der Hof eines Prennerius" bekannt, dessen Name sich prosaisch von seinem Gewerbe des Kohlenbrennens ableitet. Also tatsächlich hat es was mit dem Brennen zu tun.

    Nach einer halben Stunde ging es dann weiter und das schaukeln des Busses wog mich in einen seichten Schlaf. Dieser fand ein jähes Ende. Ich schreckte hoch als jemand höflich aber bestimmt sagte „Geben Sie mir bitte Ihren Personalausweis.“ Huch! Was? Ja, klar! Noch im Halbschlaf öffnete ich meine Tasche, um an mein Portemonnaie zu gelangen als ich feststellte, dass der Polizist, der im Bus stand gar nicht mich sondern den Mitreisenden vor mir meinte. Wir waren in Italien und direkt in einer Grenzkontrolle - die hätte ich mal eben verpennt. Kontrolliert wurde nur stichprobenartig, dies nahm aber auch eine halbe Stunde in Anspruch bevor wir unsere Reise fortsetzen konnten.

    Um kurz vor fünf kam ich endlich in Bozen an. Bozen Süd um genau zu sein. Ich fand mich mitten im Nirgendwo zwischen einem Messegelände und Fabriken wieder. Ich suchte aber die Bahn. Google Maps half dabei zuverlässig wie eh und je. Wie ich eine Fahrkarte erwerben sollte erschloss sich mir allerdings nicht. Überall hingen Geräte zum scannen oder entwerten der gekauften Karten aber weit und breit kein Automat. Kurzum fragte ich einen Passanten. Dieser erklärte mir, dass ein Kauf in der Bahn erfolgt. Glücklich über diese Auskunft wartete ich bis entsprechende eintraf und schaute mich nach einem Automaten oder SchaffnerIn um - nichts. Was soll ich sagen, letztlich bin ich die Strecke schwarz gefahren. War nur eine Station aber wohl fühlte ich mich nicht. (Und für die Klugscheißer unter uns: Nein, online konnte ich auch kein Ticket erwerben) in Bozen angekommen fand ich nach kurzem Orientieren einen Fahrkartenschalter und den Bus für meine heutige, letzte Etappe. Dieser brachte mich bis fast kurz vor die Tür meiner Pension, bei der meine eigentliche Reise beginnt und endet. Völlig erschöpft aber glücklich war ich um 19 Uhr endlich angekommen.

    Nach meiner Dusche lief ich ein paar Meter zum nächstgelegenen Restaurant in dem ich nun besagtes Bier und ein Risotto genieße. Den Abenteuerbeginn hatte ich in meinem Kopf eigentlich erst auf morgen gebucht. Doch damit lag ich falsch, mein Abenteuer inkludiert die Anreise. Morgen geht’s dann aber richtig los mit meiner Hüttentour. Drei Tage wandern durch die Dolomiten. Morgen um diese Zeit gucke ich mir die Berge bereits aus einer ganz anderen Perspektive an.

    Erkenntnis des Tages: Eine Schlafmaske ist ein von mir komplett unterschätztes Gadget - nie wieder ohne!
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