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  • Day 23

    Vercelli

    September 29, 2020 in Italy ⋅ ⛅ 16 °C

    7 Uhr klingelt der Wecker, um 8 Uhr gibt's Frühstück und um 8:45 Uhr geht's wieder los.
    Das Frühstück ist ähnlich wie das gestrige, unterscheidet sich aber auf zwei Weisen. Zum einen gibt es heute etwas deftiges: zwei Weichkäsesorten, die selbst mir erstaunlich gut schmecken; zum anderen frühstücken wir heute aus einem fein verzierten Porzellanservice und auch sonst hat Enrica beim Anrichten viel Auge aufs Detail gelegt. Das Frühstück ist einem alten Landschloss würdig.

    Gestärkt machen wir uns auf den 20 Kilometer weiten Weg nach Vercelli. Da wir außerhalb Santhìas geschlafen haben, sind wir abseits der via francigena und lassen uns heute mal wieder von Google Maps leiten. Wir laufen durch die gelben Reisfelder auf einem Weg, der noch ganz nass ist vom Morgentau, die Sonne im Rücken und vor uns eine Aussicht über das Flachland Piemonts. Kurz darauf fühle ich mich schlauer als Google und entschließe, dass wir einem Weg folgen, der nicht auf Maps verzeichnet ist, aber wahrscheinlich eine Abkürzung darstellt. 10 Minuten später stehen wir mitten auf dem Feld vor einer Sackgasse und müssen den gesamten Weg zurücklaufen. Da es morgens ist und wir noch voller Kräfte sind, ist dieser kleine Umweg schnell vergessen und wir laufen motiviert weiter.

    An dieser Stelle ist es Zeit für ein kleines Suchbild. In Bild 4 hat sich ein kleiner Kollege versteckt, der auf die "tot stellen"-Taktik gesetzt hat. Seine vielen Artgenossen, an denen wir täglich vorbeilaufen, setzen eher auf die "Flucht in den Bach"-Taktik und sind damit schwieriger vor die Linse zu kriegen. Wer findet das Tier in Bild 4, das übrigens auch in einigen Regionen Italiens eine Delikatesse darstellt und nicht nur in Frankreich?

    Zurück zum Wesentlichen: Den Weg teilen wir mit einer Mittagspause in "Olcenengo" in zwei. Es gibt Tortelloni von gestern, eine Salatgurke (ich merke, dass ich nicht mehr allein über das Essen entscheide) und einen Proteinriegel. Nach der Pause auf einer schattigen Steinbank werden die restlichen 10 Kilometer in Angriff genommen. Diese bestehen aus genau 10 Kilometern kerzengerader Landstraße, auf welcher wir uns mit Diskussionen über interessante Themen (Politik) ziemlich effektiv die Zeit vertreiben.

    Um 13:30 Uhr kommen wir in Vercelli an, wo wir uns kurz ausruhen und um 14 Uhr ins Touristenbüro gehen. Dort holen wir uns Stempel ab und lassen uns erklären, was es in Vercelli zu sehen gibt und wo man etwas essen kann. Letzteres setzen wir zuerst in die Tat um und genießen ein Bier und eine Piadina am Hauptplatz Vercellis. Danach machen wir uns an die Besichtigung der drei Kirchen, die uns empfohlen wurden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Vercelli 46.000 Einwohner hat und es deutlich mehr Kirchen gibt, als die drei besichtigten.
    Kirche Nummer 1 ist die "Chiesa di San Cristoforo" (Bild 6+7). Diese könnten wir nur zwischen 15:30-16:30 Uhr besichtigen, es würde sich aber wegen den beeindruckenden Wandmalereien lohnen. Um 16:25 Uhr sind wir dann auch wirklich dort und erstaunen. Jede freie Wand ist bemalt oder auf eine andere Art verziert. Die Deckenbemalung könnte man sich stundenlang ansehen und würde immer noch neue Besonderheiten bemerken. Zusammen mit der spärlichen Beleuchtung ergibt sich ein leicht geheimnisvolles Ambiente, ganz anders als man sonst von Kirchen gewöhnt ist.
    Die zweite Kirche ist die Kathedrale von Vercelli (Bild 8+9). Hier muss man die Einwohnerzahl im Hinterkopf behalten, denn während die Kathedrale fast so groß ist wie der Frankfurter Dom(!), ist sie deutlich, deutlich schöner und majestätischer. Als Laie kommt sie mir von der Architektur mit ihren marmorbesetzten Säulen und hohen weißen Decken schon fast altgriechisch vor. Zudem wurde hier auch nicht an goldenen Verzierungen und sonstigen Zurschaustellungen des Reichtums der katholischen Kirche gespart. Der goldende über dem Alter hängende Jesus alleine ist mehr als lebensgroß (Mann im Bild zum Vergleich).
    Last but not least kommt die "Basilica di Sant'Andrea" (Bild 1 +10). Diese gehört zu einem größeren Gebäudekomplex und bietet daher von außen den besten Fotohintergrund von den dreien dar. Die Türme und Wände aus roten Backsteinen, abgewechselt mit weißen Elementen und die spitzen Turmspitzen geben ihr den begehrten "Hogwarts-Look". Im Inneren ist sie dafür sehr schlicht gehalten und lässt erkennen, dass es hier mehr um die Funktionalität als Glaubensstätte und nicht zur Darstellung von Reichtum geht. Außerdem hat die Fertigstellung der Basilika damals nur 8 Jahre gedauert. Für die Größe und das Alter eine sehr kurze Zeit.

    Nach diesem Tribut an das Pilgerdasein gehen wir zum "B&B la Rosa Bianca". Hier wollten wir uns um 18 Uhr mit dem Besitzer treffen. Als wir ankommen und den Besitzer anrufen, gesteht er uns aber, dass er im Stau steht und erst um 19 Uhr kommt. Das bedeutet eine Stunde warten, obwohl es sowieso schon spät ist. Der Gedanke, stattdessen in ein nur geringfügig teureres Hotel zu gehen, steht auf jeden Fall sehr präsent im Raum, wir entscheiden uns aber dagegen. Unsere Geduld macht sich schließlich zumindest teilweise bezahlt, denn das B&B ist klein, aber gepflegt und der Besitzer entschuldigt sich mit einer Portion Spaghetti und Wein bei uns. Beides lassen wir uns munden und bereiten uns anschließend auf den nächsten Tag vor.
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