Argentina
Mate de Luna

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Travelers at this place
    • Day 15

      Verregnete und verschlafene Weihnachten

      December 25, 2022 in Argentina ⋅ ☁️ 19 °C

      San Miguel de Tucumán, 24. und 25. Dezember 2022

      Wir haben Tucumán ausgewählt, weil wir an Weihnachten, wo ohnehin nichts los ist, nicht im letzten Kaff ausharren wollten. Die Stadt hat mit dem Umland immerhin 800.000 Einwohner.
      Zudem war schon vor der Buchung schlechtes Wetter für die ganze Region angesagt - und dies für fast alle Tage unseres Aufenthalts.
      Regine hat darum - wie immer :-) - ein gemütliches und sauberes Apartment im Zentrum von Tucumán reserviert: Da können wir (endlich) mal abhängen, durchatmen und „müssen“ kein Ausflugsprogramm organisieren.
      Das Wetter ist am 24. Dezember besser als erwartet und wir beschliessen, daraus einen Museumstag zu machen. Das Zucker-Museum und das über die Sängerin Mercedes Sosa sowie das der Stadt und eventuell ein paar kleinere im Zentrum fassen wir näher ins Auge.
      Im Touristenbüro erhielten wir am Vortag ausführliche Informationen, unter anderem auch den Hinweis, dass der 24. ein ganz normaler Tag sei und damit alles geöffnet habe.
      Wir beginnen mit dem Zucker. Die Region produziert über 90% des Zuckers für ganz Argentinien und das Museum soll sowohl die Geschichte als auch die Produktionsmethode erläutern. Das Museum liegt inmitten des riesigen Parque 9 de Julio, es ist also einen Spaziergang wert.
      Als wir näher kommen, beschleicht uns das ungute Gefühl, dass das Museum - entgegen aller Information (auch jenen im Internet) - geschlossen sein könnte. So ist es dann auch!
      Wir machen (wie immer :-) das Beste daraus und beschliessen, auch auf alle anderen Museen zu pfeifen… Auf dem Rückweg kaufen wir im nächstmöglichen Minimarket - wovon es viele gibt - noch für das festliche Wochenende ein: Rotwein, Fernet Branca (!) und abgepackten Kuchen. Den Rest für das Festmahl haben wir bereits.

      Wir kommen in Stadtmitte an der Kathedrale und an der Plaza de Independencia vorbei, wo die Vorbereitungen für ein grosses Fest am Abend laufen. Auf riesigen Grillrosten werden Hunderte von Hähnchen-Hälften gebraten, Freiwillige stellen rundherum unzählige Tische und Stühle auf, schneiden von riesigen Stoffballen rote Bahnen ab und verwenden diese als Tischtücher.
      Ein freundlicher Jugendlicher informiert uns, dass es sich um das Fest des Innenstadtviertels handele, zu dem alle (auch wir :-) herzlich eingeladen seien.
      Wir bedanken uns, werden aber zu Hause essen, weil wir als Intervall-Faster nicht bis 21 Uhr warten können :-).

      Regine hat schon am Vortag beim Besuch der Kathedrale angekündigt, dass sie in die Weihnachtsmesse gehen wird. Das tut sie dann auch und Martin bleibt daheim zum Lesen und Musik hören. Jedem das Seine!
      Kaum ist Regine um 20 Uhr weg, beginnt es zu regnen, zuerst wenig, dann immer mehr! Bald verwandelt der Dauerregen Strassen und Gehsteige in Tümpel und Bächlein und das geplante Strassenfest fällt sprichwörtlich ins Wasser :-(.
      Wie schade für die Menschen hier, die sich so sehr darauf gefreut hatten - vor allem auch nach den beiden Jahren der Pandemie.

      Regine schafft es gerade noch rechtzeitig (20:30 Uhr) vor dem grossen Regen einigermassen trockenen Fusses in die Kathedrale zu gelangen. Sie benutzt den Seiteneingang und steht damit fast vor dem Altar… soooo nahe wollte sie dem Geschehen dann doch nicht folgen. Reihe 3 reicht auch! Wie immer möchte sie nicht nur hören, sondern auch sehen und dies ist hier - zumal sie nicht die Grösste ist - bestens möglich.
      Zur Begrüssung erschallt von „oben“ (von der Orgel) ein voluminöser Gesang; man könnte meinen, es seien sehr viele Sänger, aber weit gefehlt: Es sind nur 12, aber diese füllen mit „Kommet ihr Hirten“ die gesamte Kathedrale… auf Spanisch natürlich. Die Akustik ist unglaublich. Dieses Lied bleibt (bis auf „Stille Nacht“ am Ende) das einzige, das Regine kennt und zu ihrem Leidwesen werden beide Lieder nicht mal von der Gemeinde mitgesungen. Dafür umso kräftiger vom Pfarrer am Mikrofon und vom Chor. So singt Regine für sich allein vor sich hin… geht gut, niemand nimmt Notiz davon.
      Die Weihnachtsmesse ist mit circa 300 Gläubigen nicht allzu gut besucht - vor allen Dingen auch angesichts der Einwohnerzahl.
      Der Ablauf der Messe ist festgelegt, egal, ob sie in Europa oder in Lateinamerika stattfindet. Es treten Lektoren ans Mikrofon, der Pfarrer liest die Weihnachtsgeschichte vor, im Grunde die bekannte Liturgie.
      Plötzlich jedoch erheben sich alle Anwesenden, wenden ihre Köpfe nach hinten in Richtung Hauptportal und blicken gespannt nach hinten. Nein, nicht nach hinten oben zur Orgel und zum Chor (das macht nur Regine immer wieder).
      Vom Ende des Mittelgangs - direkt vor dem Haupteingang - schreiten fünf Personen ganz langsam nach vorne zum Altar: ein Mann mit zwei kleineren Buben an der Hand (etwa 4 und 6 Jahre), neben ihm eine Frau mit einem Mädchen (ca. 6 Jahre) an der einen Hand und - man staune - im anderen Arm einen Säugling.
      Regine muss zweimal hinschauen, bis sie erkennt, dass es kein Baby, sondern eine Puppe ist. Klar, die Krippe unmittelbar vor dem Altar ist bislang noch leer. Die Puppe - das Jesuskind - wird dort dann vorsichtig hineingelegt, der Pfarrer segnet es, die Familie verschwindet hinter dem Altar und die Messe nimmt ihren gewohnten Gang… mit Predigt (sehr lebendig und abhebend auf die Brüderlichkeit und Solidarität unter den Menschen), dem Friedensgruss, der Gabenbereitung (zelebriert mit zwei Frauen, den Mittelgang entlang schreitend und am Altar innehaltend) und der anschliessenden Kommunion,
      Nach dem Vaterunser, dem letzten Lied, dem Segen und einigen Grussworten seitens des Pfarrers scheint für Regine das Ende der Messe gekommen zu sein. Sie beschliesst, noch ein Weilchen sitzen zu bleiben und anschliessend die im Seitenflügel aufgestellte und beleuchtete Weihnachtskrippe mit den vielen Tieren aus Ton zu begutachten. Doch plötzlich erschallt ein gewaltiges Halleluja von der Empore und ein ebenso gewaltiges Orgelspiel, richtig erhebend.
      Gleichzeitig strömen alle Besucher - wirklich alle - durch den Mittelgang vor zum Altar. Nein, es wird nicht gedrängelt, genauso wenig wie an den Bushaltestellen!
      Obwohl Regine in Reihe 3 sitzt, hat sie Mühe, das Geschehen zu erfassen. Jeder Gläubige berührt das Jesuskind, zum Teil wird es auch geküsst - allerdings nur mit dem zuvor angefeuchteten Finger. Als alle „dran“ waren, bleiben noch einige Menschen stehen, um sich länger und auch einzeln dem Jesuskind in Anbetung zu widmen.
      Es werden viele Fotos und Videos gemacht - zum Erstauen von Regine, die in jeder Kirche das Fotografierverbot einhält. Ja, andere Länder, andere Sitten.
      Beim Verlassen der Kathedrale regnet es immer noch in Strömen und „Feliz Navidad“ ist das letzte Lied, das von der Bühne gegenüber an Regines Ohr dringt.
      Die Menschen bauen das ins Wasser gefallene Fest ab. Wirklich schade, wobei der Regen heiss ersehnt worden war; die Einheimischen berichten von monatelanger Trockenheit und Hitze.

      Nach Regines Rückkehr essen wir den Kuchen, den sie geschenkt bekommen hat und trinken Kaffee und dazu einen Fernet Branca. Danach liegen wir auf dem Bett und laden uns für irgendwann später einmal Filme von Netflix und Youtube auf Martins iPad herunter, denn hier hat es endlich einmal schnelles Internet! Wir hören noch ein bisschen Musik und schreiben Weihnachtsgrüsse an die Lieben daheim.

      Wir schlafen bis 10 Uhr (was für Regine eine kleine Sensation ist, aber sie war schon um 6 Uhr wach und konnte entgegen alter Gewohnheit doch wieder einschlafen!) und bleiben noch im Bett liegen: Das Wetter verleitet nicht dazu, aus dem Hause zu gehen. Martin, das Murmeltier, schläft sogar nochmals zwei Stunden, womit der Vormittag schon vorbei ist.
      Es reicht dann aber noch für einen „Frühstücks“-Kaffee am frühen Nachmittag und da es nach wie vor regnet und auch ziemlich ungemütlich geworden ist (15 Grad), setzen wir keinen Fuss vor die Tür.
      Schliesslich ist es Zeit für das von langer Hand geplante Weihnachtsmenü:
      Nudeln mit Fertig-Tomatensauce aus dem Beutel, dazu argentinischer Parmesan und gemischten Salat mit Tomaten, Gurken, Oliven und Zwiebeln. Wir trinken einen schweren Rotwein aus der Gegend um Mendoza (wo wir noch hinkommen werden) und zur Nachspeise gibt es Kuchen, Kaffee und Fernet Branca. Zur Feier des Tages kocht Regine… und nicht mal schlecht :-).
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    • Day 17

      Nach El Cadillal und Tafí del Valle

      December 27, 2022 in Argentina ⋅ 🌙 24 °C

      San Miguel de Tucumán, Montag, 26. und Dienstag, 27. Dezember 2022

      Die Argentinier sind in (mindestens) drei Disziplinen Weltmeister: im Fussball, in der Freundlichkeit und im Organisations-Chaos. (Positiv gesinnte Menschen nennen dies „Improvisation“ :-). )
      Am Montag erleben wir ein Müsterchen der dritten Disziplin:
      Eigentlich wollen wir einen Ausflug nach San Javier machen, einem nahegelegenen Erholungsgebiet der Tucumanos. Dorthin fährt ein Stadtbus (der Linie 118) alle zwei Stunden ab dem zentralen Busterminal.
      Nachdem wir den mathematischen Durchschnitt aller Zeitangaben aus dem Internet und vom lokalen Tourismusbüro für die Abfahrt errechnet haben (Einen offiziellen Fahrplan gibt es nicht.), kommen wir auf eine Zeit um 12:30 Uhr.
      Wir sind um 12:25 Uhr an der Bus-Parkbucht (hier „plataforma“ genannt) und warten … und warten... bis um 13:30 Uhr - genauso, wie es andere Argentinier/-innen auch tun. Dann informiert uns ein freundlicher Jugendlicher (Woher er wohl weiss, dass wir nach San Javier wollen!?), der 12:30 Uhr-Bus sei schon weg (!) und der nächste fahre erst um 16:00 Uhr.
      Das scheint uns dann eine gar zu lange Wartezeit und wir planen spontan um: Die Museen sind alle geschlossen, es ist Montag. (Den zweiten Weihnachtsfeiertag kennen die Argentinier nicht; der 26. ist normaler Arbeitstag.)
      Da bleibt nur ein alternativer Ausflug übrig, nach El Cadillal, circa 25 km von Tucumán entfernt. Zum Glück fährt um 14:30 Uhr ein Bus dorthin, Fahrtzeit 45 Minuten.
      Der Bus ist eine ziemliche Schepperkiste, aber interessanterweise wird die Strasse immer besser, je weiter wir uns von Tucumán entfernen…
      El Cadillal ist ein typisches Naherholungsgebiet und verfügt als Sensation über einen (für uns uralten) Zweier-Sessellift auf einen 200 m hohen Hügel. Bei uns wäre ihm schon längst die Betriebserlaubnis entzogen worden! Von der „Gipfelstation“ aus sieht man den Stausee, und über Sojafelder und Zitronenhaine hinweg blicken wir sogar ins weit entfernte Tucumán.
      Martin - als Züricher - fühlt sich an den heimischen Hausberg erinnert, den Üetliberg, mit dem Blick auf den Zürichsee und die Stadt; Regine hingegen denkt eher an den Pfänder und den Bodensee :-).
      Oben begeben wir uns auf einen kleinen Rundweg durch die Yungas, die hiesigen Regenwälder mit der typischen Flora und Fauna, welche sich von Bolivien bis nach La Rioja ziehen.
      Nach einer Stunde bringt uns der Sessellift wieder ins Tal, denn einen Weg hinunter gibt es nur für wagemutige Mountainbike-Spezialisten. Normale Wanderer müssen mit dem Sessellift (aerosillas) Vorlieb nehmen. Nun denn… wir haben noch genügend Gelegenheit zum Wandern.

      Der Stausee hat wenig Wasser, was aber die Kinder nicht davon abhält, dennoch ihre Angeln auszuwerfen (eher zum Spass denn für den Fischfang) oder ein wenig im Wasser umherzuwaten. Die Sportart „Schwimmen“ scheinen die meisten Argentinier nicht zu kennen.
      Regine hat diesbezüglich ja schon einige Erfahrungen im Paraná-Fluss gesammelt.
      Im Ticketpreis für den Sessellift ist auch der Eintritt für ein archäologisches Museum enthalten, dem wir uns für eine Dreiviertelstunde widmen.
      Bei der Errichtung des Stausees vor gut 50 Jahren stiess man auf viele Fundstücke, die jedes Archäologen-Herz höher schlagen lassen. Sie stammen aus der Zeit von 4000 vor Christus bis in die Zeit der spanischen Kolonisation (15. Jahrhundert).
      Unzählige Tonkrüge, Schalen, Urnen, Mörser und Handwerksutensilien sind in Gänze erhalten, in Vitrinen ausgestellt und mit viel Text didaktisch aufbereitet. Wir sind die einzigen Museumsbesucher und haben hinreichend Platz zum Schauen, Lesen und Fotografieren.
      Jetzt haben wir alles gesehen, was dieser Ausflugsort bietet und steuern die Bushaltestelle an, bei der schon - in typischer Argentinier-Manier - die Touristen in einer „geordneten“ Reihe Schlange stehen.
      Wir machen während der Wartezeit die Bekanntschaft eines Eisverkäufers, der uns aus seiner Kiste „Granizado de Frambuesa“ anbietet (zerstossenes Himbeer-Wassereis).
      Es hat natürlich nie eine Himbeere gesehen, mundet aber trotzdem. Bei einem Schwätzchen tauschen wir Informationen über Länder und Klima aus und er kann sich nicht vorstellen, wie man bei uns in Europa mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt leben kann.
      Er fährt im selben Bus wie wir ein Stück zurück mit und bietet Regine freundlich seinen Sitzplatz an; er selber sitzt auf seiner Eiskiste und verabschiedet sich per Handschlag von uns beiden, wünscht uns Glück und eine gute Weiterreise. Muy amables, los argentinos!

      Am Dienstag fahren wir - da das Wetter nun wieder „ortsüblich“ sonnig ist - mit dem Bus nach Tafí del Valle (127 km entfernt), deeeem Höhenkur- und Frischluftort der Tucumanos.
      Im Tourismus-Büro hat man uns gesagt, in Tucumán zu sein und NICHT dorthin zu fahren, sei ein Verbrechen…
      Die Fahrt dauert zweieinhalb Stunden und führt am Schluss über viele Serpentinen und halsbrecherisch enge Stellen (die der Fahrer mit viel Routine und noch mehr Bravour meistert) in eine Art Hochtal mit dem grossen Stausee von La Angostura.
      Am Ende des Tals befindet sich - bevor es weiter hochgeht nach Cafayate - Tafí del Valle. Es ist ein richtiger Touristenort wie St. Moritz oder Garmisch etc., nur kleiner und weniger mondän. Die Touristen fehlen noch, werden sich aber in der kommenden Hochsaison (ab Januar) sicher einfinden.
      Die Preise sind einer Touristenhochburg entsprechend - auch jene der Unterkünfte.
      Wir machen eine Wanderung vom Dorf zum See, immer einem rauschenden Bergbach mit klarem Wasser entlang; ringsum die Berge, die zum Teil schneebedeckt schon von den Anden künden, am Weg frei grasende Pferde und Kühe mit ihren Kälbern, die völlig unbekümmert die staubige Strasse queren, um das beste Futter zu finden.
      Wenn man sich die starke Sonneneinstrahlung und die Höhe wegdenkt (Wir befinden uns oberhalb von 2000 m.), könnte man meinen, man befinde sich in den Schweizer, bayrischen oder österreichischen Alpen. Sattes Grün, frische Luft, freier Blick auf die Berge… herrlich!!
      Zurück in Tucumán wissen wir, weshalb die Einheimischen vor allem im Sommer dorthin fliehen - wenn sie denn können: Es ist im Hochland immer um 10 Grad kühler :-).
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    • Day 13

      „Vol de Nuit“ nach San Miguel de Tucumán

      December 23, 2022 in Argentina ⋅ 🌧 22 °C

      San Miguel de Tucumán, Freitag, 23. Dezember 2022

      Es ist Zeit, den nördlichsten Punkt unserer gesamten Reise zu verlassen (Humahuaca, etwa 150 km von der bolivianischen Grenze entfernt) und Richtung Süden zu „segeln“. Unsere nächste Station ist das knapp 500 Kilometer entfernte San Miguel de Tucumán, kurz Tucumán genannt.
      Ab Humahuaca gibt es drei Verbindungen nach Tucuman, aber die einzige, die für unsere Ankunftszeit am frühen Nachmittag passt, startet um 3:00 Uhr - mitten in der Nacht.
      Wir legen uns in den Kleidern für ein Nickerchen ins Bett und marschieren mit Stirnlampen um 2:30 Uhr die 1,5 k Kilometer zum Busterminal. Die Strassenbe-leuchtung ist zwar besser als gedacht, aber ein bisschen mehr Licht hilft uns, weniger zu stolpern.
      Wir wecken auf unserem Weg alle schlafenden Hunde auf und lassen ein andauerndes Gebell hinter uns zurück.
      Der Bus wartet schon auf uns, wir steigen ein und es geht los. Regine legt sich wie die meisten Passagiere sofort schlafen. Schlafmaske und Oropax sind für sie zu unverzichtbare Utensilien geworden. Martin schaut durch die beschlagene Frontscheibe (wir haben die Logenplätze oben ganz vorne rechts), wie der Fahrer den entgegenkommenden LKWs und den vielen Bodenlöchern ausweicht.
      Obwohl die Reise über neun Stunden dauert, kommt sie uns relativ kurz vor; vielleicht, weil wir lange Busreisen schon gewohnt sind. Wie immer bei Nachtreisen haben wir schwarzen Kaffee und Kuchen dabei: Das senkt die Müdigkeit und hebt die Stimmung :-)
      Um 12:15 Uhr erreichen wir fast fahrplanmässig San Miguel de Tucumán, die Hauptstadt der gleichnamigen kleinsten Provinz in Argentinien. Hier wurde am 9. Juli 1816 die Unabhängigkeit von der spanischen Krone ausgerufen, wobei der Krieg gegen royalistische Truppen noch weitere 50 Jahre dauerte.
      Ausnahmsweise nehmen wir ein Taxi zur Unterkunft, jedoch nicht aus Bequemlichkeit!
      Martin versucht verzweifelt, eine lokale Buskarte zu erstehen, aber diese gibt es nur für waschechte Argentinier mit entsprechendem Nachweis, einer DNI-Karte (Personalausweis).
      Wir sprechen den Vermieter darauf an und er leiht uns spontan seine Karte aus; sie muss nur noch aufgeladen werden… Dazu gibt es die Tucu Bondí App, mit der wir den öffentlichen Verkehr in Tucumán problemlos nutzen können. Die offizielle App der Stadt lässt sich hingegen nur mit einem argentinisch eingestellten Smartphone installieren…
      Nach der dringend notwendigen Dusche und dem Waschen unserer Kleidungsstücke ziehen wir los, denn es gibt wieder eine ganze Reihe von Dingen zu erledigen:
      Zuerst wollen wir die ÖV-Karte laden. Im fünften Laden klappt es dann endlich, denn nur ganz bestimmte Geschäfte bzw. Kioske bieten diesen Service an.
      Weiter gilt es, das Tourismus-Büro zu finden, um Ausflüge zu planen. Es ist jedoch geschlossen, verriegelt mit einer dicken Kette... und keine 20 Zentimeter weiter links hängt ein Zettel mit der Aufschrift: Geöffnet! Drücken! Wir fragen im Geschäft nebenan, wieso das Touristenbüro geschlossen sei; im Internet stehe doch, es sei bis 20 Uhr geöffnet. Ja, man wisse das auch nicht so genau. Um 17 Uhr sei es gewiss offen… Wir möchten diese Aussage gerne glauben.
      Im Anschluss daran wollen wir bei Western Union Geld holen. Doch Regines Kreditkarten streiken (warum auch immer...), aber Silke und Julien sind wie schon so oft helfend zur Stelle :-)). Daraufhin geht es ans Einkaufen, denn morgen, am Heiligen Abend schliessen alle Geschäfte früher und am 25.12. geht gar nichts mehr. Man teilt uns mit, dass kein einziges Geschäft oder Restaurant geöffnet habe, auch werde es keinerlei öffentlichen Verkehr geben. Ja, die Busfahrer haben auch mal frei!
      Also brauchen wir Essen für drei Tage. Regine findet per Zufall ein (weiteres?) Tourist Office, das geöffnet ist und wo man uns bereitwillig und freundlich Auskunft zu möglichen Ausflügen und Besichtigungen gibt.
      Das ist prima, aber morgen werden wir aller Voraussicht nach - da Dauerregen angesagt ist - einen Museumstag einschieben; davon hat Tucumán einige zu bieten, unter anderem sogar ein Zuckermuseum.
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    • Day 18

      Tag der Museen in Tucumán

      December 28, 2022 in Argentina ⋅ ⛅ 25 °C

      San Miguel de Tucumán, Mittwoch, 28. Dezember 2022

      Unseren letzten Tag in Tucumán wollen wir ruhig angehen, schlafen aus und planen einen reinen Museumstag. Als einzige „Verpflichtung“ steht der Kauf von löslichem Kaffeepulver an. Wir fassen den riesigen Supermarkt am Busterminal dafür ins Auge. Das ist dann doch überschaubar :-).

      Den (zumindest heutigen) „Faulenzern“ kommt entgegen, dass hier die Museen über die Mittagszeit alle schliessen (Ja, die Siesta wird in Argentinien strikt eingehalten.) und frühestens gegen 15 Uhr wieder öffnen.
      Aber um 14 Uhr soll es laut Info-Blatt des Touristenbüros eine Führung durch die Casa de Gobierno (Rathaus) geben, welches sich im Zentrum der Stadt bei der Plaza de Independencia befindet.
      Das passt gut, weil genau dort um die Ecke unsere Lieblings-Heladería ist (Eisdiele), in der wir uns vor dem Rundgang etwas stärken wollen.
      Auf persönliche Nachfrage bestätigt man uns im Rathaus die Uhrzeit, nicht ohne uns jedoch mit erhobenem Zeigefinger (!!) zum pünktlichen Erscheinen zu ermahnen. Wir sind sieben Minuten vorher da, aber die „Chica“ (das Mädchen), die uns angeblich abholen soll, taucht nicht auf… Um 14:10 Uhr werden wir dann mit Corona-Masken ausgestattet in den ersten Stock beordert, wo wir erwartet werden.
      Die „Chica“ ist eine 70-jährige kleine Dame mit kurzem blondierten Haar, die sofort allen Anwesenden klarmacht, was hier abgeht und wer das Sagen hat:
      Die Maske ist NICHT obligatorisch, aber sie MÖCHTE, dass alle (mit Ausnahme der Kinder) sie unbedingt aufsetzen.
      Als einige Verwegene der Besuchergruppe (unter anderem Regine) trotzdem kurz die Maske absetzen, hakt sie sofort nach und betont, wie wichtig es sei, immer und überall Maske zu tragen. Deshalb würde sie uns schon sehr BITTEN, dass jetzt alle die Masken sofort wieder aufsetzen. Ob die Dame das Ende der Pandemie verschlafen hat??
      Zudem kommen wir zu dem Schluss: Sie muss Erzieherin (gewesen) sein, denn sie ermahnt mehrfach die anwesenden Kinder zum Gehorsam und stellt ihnen dumme Fragen, die diese begeistert beantworten.
      Im selben Stil geht es weiter und ja, man darf fotografieren, aber nicht gleich, erst wenn sie das Zeichen dazu gibt (Regine war zu voreilig!), natürlich ohne Flash (wieso?) und nicht vom zweistufigen Podium aus, weil da manchmal die Regierung sitzt. Regine hat Mühe, angesichts der ständigen Ermahnungen nicht die Fassung zu verlieren.
      Im Empfangssaal mit schwülstigen Deckengemälden (die die Dame bis ins Detail erklärt), aber beeindruckenden Kristall-Leuchtern (deswegen heisst der Raum „Sala Blanca“) erfahren wir einige Allgemeinplätze zur Architektur (z.B. Spiegelsaal wie in Versailles) und Geschichte des Gebäudes.
      Anschliessend dürfen wir noch den Sarg des erlauchten Juan Bautista Alberdí bewundern, der angeblich die Verfassung von Argentinien geschrieben haben soll. (Laut Wikipedia hat er sie ideologisch massgeblich beeinflusst.)
      Nach knapp 20 Minuten beendet die Dame ziemlich abrupt die Führung und entlässt uns gnädigst durch den Haupteingang. Die Masken sollen wir bis zum Ausgang aufbehalten. Logisch! Haben wir jemals daran gezweifelt?

      Im Anschluss wollen wir die Casa Histórica in der Nähe besuchen, wo die Verfassung am 1. Mai 1853 unterschrieben worden sein soll. Gemäß allen Angaben öffnet das Gebäude um 15 Uhr. Aber um 15:10 Uhr bleibt der Eingang weiter verschlossen. Die Touristeninformation nebenan beharrt auf 15 Uhr und der dortige Angestellte fordert die Ungeduldigen auf, doch einfach noch ein Weilchen zu warten. Ein Händler - gegenüber dem Museum - gibt bekannt: Öffnung? Immer um 16 Uhr. Ja, wir haben mittlerweile gelernt, dass den Angaben zu Zeiten - sei es im Internet oder auf Info-Blättern - nicht unbedingt zu trauen ist. Wir stehen hier nicht das erste Mal vor verschlossenen Türen. Und noch eins: Aufs Warten muss man sich hier einstellen!

      Nein, bis 16 Uhr wollen wir nicht warten und wer weiss, ob der Händler recht behält oder die Casa - wie andere Museen - nicht erst um 17 Uhr öffnet.
      Darum spazieren wir ins Museo de la Industria Azucarera (Zuckermuseum), immer in der Hoffnung, dort halte man sich an die angegebenen Öffnungszeiten - nicht wie vergangenen Samstag, als entgegen aller „offiziellen“ Angaben das Museum geschlossen war und wir unverrichteter Dinge wieder umkehren mussten.
      Als wir ankommen, werden wir von einer jüngeren Dame (Französischlehrerin… wie sich später herausstellt) so begeistert empfangen, als wären wir die ersten Gäste seit langem oder irgendwelche hochkarätigen Ehrengäste. Ganz begeistert ist sie von unseren exzellenten Spanischkenntnissen, von unserer langen Reise und von unserem Mut zu solch einer Unternehmung.
      Sie gibt uns eine gute Einführung in die lange Geschichte der Zuckerindustrie in Argentinien. Diese begann zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Priester, Politiker und Kaufmann Cambrero auf seinem Landsitz (dort, wo das Zuckermuseum heute steht) eine kleine Zuckerproduktion startete, die bald von vielen Kleinbauern kopiert wurde. Daraus entwickelte sich - verbunden mit vielen blutigen Arbeitskämpfen für gerechte Entlohnung und über mehrere Phasen - die heutige lokale Industrie, welche über 90% des Zuckerbedarfs von Argentinien deckt. (Und dieser muss hoch sein, denn die Argentinier sind richtige Schleckmäuler :-) )
      Wir studieren dieses spannende Kapitel der Geschichte Tucumáns mit Hilfe von Schautafeln, Videos und Original-Gegenständen und verabschieden uns mit grossem Dankeschön und einem Selfie bei der netten Dame, die - ganz argentinisch - nicht aufhört, unseren Dank mit einem wiederholten „No, por favor“ und „Era de menos“ kleinzureden. („Aber ich bitte Sie“ und „Das ist wohl das Mindeste“.)

      Jetzt fehlt nur noch der Kaffeekauf in dem riesigen Supermercado (ganz in der Nähe des Zuckermuseums), der - so meint Regine - ganz sicher unseren Lieblingskaffee, Marke „Virginia“ hat. Hat er dann doch nicht, beziehungsweise er ist gerade ausverkauft und wir begnügen uns mit einem anderen. Auch gut so: Man soll in Argentinien ja flexibel bleiben…
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    • Day 46

      Hinunter nach San Miguel de Tucuman

      February 15, 2018 in Argentina ⋅ ⛅ 25 °C

      Die versprochene Beurteilung des Weins aus Cafayate fällt eindeutig aus: an der Nahe wird besserer Wein gemacht. Vielleicht sind die fortwährende Trockenheit und die sandigen Böden doch nicht ideal. Argentinischer Wein kann jedenfalls nicht als Geheimtipp gelten.

      Auf dem Weg hinunter (nur 300 Höhenmeter!) nach San Miguel de Tucuman, das uns später mit 33 Grad freundlich-warm willkommen heißt, beeindrucken uns Riesenkakteen, die zugleich die Ruinen de los Quilmes bewachsen. Unnötig zu sagen, dass die indigenen Bewohner der Ruinen von den Spaniern umgebracht und verschleppt wurden.

      Danach wird es fast alpenländisch, wenn man einmal davon absieht, dass die Kuhhirten hier Gauchos heißen und - wie eh und je - auf Pferden sitzen, die sich wiederum mit eigentümlichen Trippelschritten (Tölt?) fortbewegen. Und da die Etappe kurz ist, bleibt Zeit, die Mopeds gründlich zu reinigen und insbesondere vom Salz der letzten Tage zu befreien.

      Das letzte Bild ist als Dank für Eure freundliche Blogbegleitung und freundschaftlicher Gruß an Euch gemeint, liebe Gabi und lieber Norbert. Soll ich mich hier für Euch um eine gebrauchte Zugmaschine bemühen? Ich denke, ich könnte sie preisgünstig erwerben ...
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    • Day 274

      On the road again

      October 28, 2017 in Argentina ⋅ ⛅ 26 °C

      Seit Aufruch aus dem Urwald reise ich mehr oder weniger Impuls-gesteuert, deshalb war der Oktober voller spontaner Entscheidungen, ungeplanter Aufenthaltsverlängerung und plötzlicher Aufbrüche. 😅 Das hat mich zuletzt nach Tucuman gebracht, wo ich nun wirklich nie einen Stopp einlegen wollte...

      Ein vorteilhafter Ausgangspunkt um positiv überrascht zu werden. Ich dachte ja die salteños wären herzlich, dabei habe ich die tucumanos noch nicht kennen gelernt. 😯 Kaum aus dem Bus gestiegen, wurde ich von einem Touri-Info-Menschen mit dem Bus bis hin zu meiner Unterkunft für die 1. Nacht begleitet. Dies war ein Nobel-Appartement mitten im Zentrum, wo ich mit höchstem Service in Empfang genommen wurde. 😊 Ein Couchsurfer-Paradies!
      Je nach Region schreibe ich so etwa 5-20 Gastgeber an und mir antwortet ein/e oder zwei Gastgeber/innen. In Tucuman antworten alle, inkl. Entschuldigungen fürs "spät" antworten, Einladungen zu Events, Infos und Empfehlungen bzgl. Tucuman etc. auch wenn sie mich gar nicht beherbergen können bzw. ich schon wo anders untergekommen bin. 🙈 So war ich in 3 Tagen mit 6 verschiedene Hosts in näherem Kontakt und konnte meine Unterkunft aus 5 Zusagen auswählen. 😉
      Wohl da weniger touristisch, sind die Leute hier super aktiv und einige haben eine WhatsApp-Gruppe zur Unterstützung von Reisenden gegründet. 😊

      Mein Wochenende war somit voller interessanter Menschen mit ausergewöhnlichen Geschichten, dem Gefühl von Gleichgesinntheit und Hoffnung auf Weltverbesserung. 😊

      Eine Russin aus Novosibirsk, die in ihrer 5. Reise nach Indien einen Argentinier kennengelernt hat, mit ihm nach Buenos Aires gegangen ist, nachdem das in die Brüche ging mit einer Belgierin das Land bereist hat und letztendlich auf einer brasilianischen Insel mit einem Brasilianer zusammengekommen ist. Das Paar erobert nun mit Gitarre, unglaublicher Stimmgewalt und Kochkünsten ganz Südamerika. 😍

      Ein argentinischer Sprachenkünstler, der noch mit 27 nur Spanisch konnte, ist seiner damaligen Freundin vor 10 Jahren nach Deutschland gefolgt, die ihn - überrascht dass ein Latino sein Wort hält - nie dort in Empfang genommen hat, so dass er zunächst illegal auf der Straße lebend bis hin zu einem gut bezahlten Hotel-Job auf Fermentera, im Endeffekt 7 Jahre in Europa gelebt hat. Ursprünglich stuiderter Jurist hat er seine Liebe für Sprachen und Unterrichten entdeckt, ist nun Portugiesisch- und Feldenkreis-Lehrer und wartet auf Ausbildungsabschluss um in seine Heimat Patagonien zurückzukehren und ein nachhaltiges Haus zu bauen. Endlich ein männlicher Feminist, der dies auch in der Praxis bis ins kleinste Detail lebt und sich für seine Schüler gegen sexistische Traditionen (und somit alle seine Kollegen) einsetzt. 💪
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    • Day 67

      Tucumán - Ein ungewollter Zwischenstopp

      February 8, 2020 in Argentina ⋅ 🌧 24 °C

      Es läuft nicht immer nach Plan - Aber wenn man keinen genauen Plan hat, dann ist das auch egal!

      Eigentlich wollte ich von Cafayate direkt über Nacht nach Mendoza fahren, das ging aber nicht und ich musste in Tucumán umsteigen und eigentlich sollte ich auch nur den Busbahnhof von Tucumán sehen, aber alle Nachtbusse nach Mendoza waren schon ausgebucht. Also in die Stadt in das nahegelegenste Hostel und auf einen neuen Tag warten! Mein Zimmer hatte zum Glück eine Klimaanlage, es gibt nichts was einen bei solchen Temperaturen mehr freut!

      Der nächste Tag; Regen!

      Als es dann doch endlich mal aufgehört hat, bin ich noch los um die Stadt ein bisschen zu erkunden. Meine Fazit, relativ hässliche Großstadt mit dem ein oder anderen ganz schönen kolonialen Gebäude zwischendurch. Zwei große Kathedralen und das eigentlich coolste Gebäude, die Casa de Gobierno de Tucumán. Ein sehr altes Gebäude mit vielen Verzierungen und vielen Palmen außen herum.

      Um 7pm geht es aber dann endlich weiter knapp 1000km in den Süden, immer mit dem nächsten Ziel vor Augen - Mendoza!
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    Mate de Luna

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