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  • Mit Rückenwind nach Oberösterreich

    April 28, 2021 in Austria ⋅ ⛅ 14 °C

    Marbach/Donau, Persenbeug, Ybbs/Donau, Neustadtl, Kollmitzberg, Ardagger Stift, Wallsee-Sindelburg, Strengberg, Erla, St. Pantaleon, Mauthausen, Ried i. d. Riedmark, Langenstein, Abwinden, Steyregg, ... All diese Orte hab' ich seit Sonntag entlang des Mostviertler Jakobsweges besucht und gehend kennengelernt. Nach terrassierten Weinbergen der Wachau, Christbaumkulturen rund um den Jauerling bin ich nun die sanft-grünen Hügeln des Mostviertels während der Kirsch-, Apfel- und Birnbaumblüte durchwandert.

    Es war noch recht frisch in den Nächten und vor allem an den Vormittagen hat es der Wind nochmals richtig kalt gemacht.
    Dabei hatte ich das Glück bei zumeist strahlendem Sonnenschein mit ständigem Rückenwind unterwegs sein zu dürfen. Dabei beflügeln zudem noch die Begegnungen, die mich am Wegesrand so erwartet haben.
    So legte ich am Montag am späten Vormittag in Neustadtl eine Pause ein, um mich zu stärken. Am Kirchenplatz unweit der örtlichen Volksschule suchte ich mir ein Bänkchen. Eingepackt in Daunenjacke und Haube, aber zur "Entlüftung" meiner Füße ohne Socken und ohne Schuhe jausnete ich im, wie schon erwähnt kalten Wind, als sich eine Schulklasse samt Pfarrer und Lehrerin näherte. Thema war gerade der Jakobsweg und ein bisschen hab ich es ja dann schon kommen sehen, als der Pfarrer schon ruft: "Und hier sitzt wohl ein leibhaftiger Jakobspilger!?" Sichtlich enttäuscht zeigte er sich als ich schließlich erklärte, dass ich nicht nach Spanien sondern nach Norwegen unterwegs sei. Die Lehrerin beäugte skeptisch meine Laufschuhe ("Sind das wirklich die richtige Schuhe dafür?") und bat mich noch um ein Foto für die Schulwebsite.
    Als ich gut zwei Jahre die Schule als Schulpsychologe betreute, ist es mir das nicht gelungen, dafür muss ich schon nach Norwegen gehen.

    Am Abend nach einer langen Etappe denk ich dann schön langsam an ein Plätzchen für die Nacht. Es dauert dann meist noch etwas bis aus den Gedanken, dann letztlich wirklich der Entschluss heranreift die nächste Gelegenheit dafür zu ergreifen und so geh ich gerade einen der vielen Hügeln des Mostviertels hinauf, sehe zwei Bauernhäuser und entschließe mich beim linken nachzufragen. Auf der Suche nach einem Zeltplatz fand ich schließlich unverhofft ein Zimmer, eine Dusche, bekam eine Jause, ein Bier und ein Frühstück. Was ich erst dann erfahre und entdecke, ist, dass die Familie seit Jahren in ihrer Bushaltestelle den Pilgern eine "Jakobs-Lounge" mit Gästebuch bietet. Ich durfte die Einträge einer Vielzahl von Pilgern der letzten 5 Jahre lesen und auch selbst einen kleinen Beitrag hinzufügen. Zahlreiche Menschen haben in dieser Hütte bereits eine Pause gemacht, viele die ein Teilstück zurückgelegt haben und einige wenige, die bis nach Santiago de Compostela gepilgert sind.
    Vielen Dank liebe Fam. Hagler für eure Gastfreundschaft!

    Am Abend darauf durfte ich schließlich eine ehemalige Arbeitskollegin besuchen, die mich, sobald sie von meiner Wanderung erfahren hat, gleich zu sich eingeladen hat. Und so wurde ich schon wieder mit einem leckeren Abendessen und Frühstück, schönen Gesprächen, ... verwöhnt. Und am nächsten Morgen war die Aufregung und Neugierde von Felix (3 Jahre) schon sehr groß, sodass er mir zeitig in der Früh seine ganzen Spielsachen präsentierte und ich direkt von der Couch mit dem Spielen begonnen hab, Dominik (1) war da auch ganz interessiert mit dabei.
    Liebe Angelika, danke für die Einladung und die schöne Zeit bei euch.

    Schließlich führte mich mein Weg zum ehemaligen KZ Mauthausen, dass ich zuletzt zu Hauptschulzeiten besuchte. Es war das erste und bislang letzte Mal dort und so war es mir ein Bedürfnis diesem Ort einen neuerlichen Besuch abzustatten. Nach wie vor ist es für mich unvorstellbar, welche Gewalt hier von Menschen an Menschen verübt wurde. Lt. Wikipedia wurden nach Mauthausen und seinen Außenlagern bis 1945 etwa 200.000 Menschen mit über 30 Nationalitäten deportiert. Etwa 120.000 Menschen fanden dort ihren Tod. Unfassbar.
    Viele Fragen drängen sich in mir auf, als ich die kraftvollen Gedenkmonumente der verschiedenen Nationen auf mich wirken lasse...

    Eine Frage beschäftigt mich immer noch sehr:
    Wie kann ich oder wie können wir unser Vertrauen gegenüber uns selbst und jedem anderem Menschen so stärken, sodass unsere positiven Qualitäten, die jeder Mensch in sich trägt, zum Vorschein kommen und diese stets weiter verfeinert werden? Was brauche ich dafür? Was brauchen wir dafür?

    Die Eindrücke des Besuchs stehen in starkem Kontrast zu der Offenheit, Gastfreundlichkeit, schlicht Menschlichkeit, die mir bereits so oft und so unverhofft auf dem noch so kurzen Stück meines Weges begegnet sind.
    Das Spektrum des Mensch-Seins, das Spektrum des Lebens ist sehr breit und umfassend, dazu gehört meines Erachtens auch ein klares Bewusstsein sowohl über die Schatten- als auch die Sonnenseiten dazu, dabei möchte ich die Dinge gerne so sehen, wie sie sind.

    Während ich mir darüber Ge(h)danken mache, komme ich Linz Schritt für Schritt näher. In den Donau-Auen mache ich nochmals eine Pause, ehe ich über die Steyregger Brücke gehe und bei meinem Bruder in Linz ankomme.
    Die ersten gut 200 Kilometer liegen hinter mir. Es war bereits eine sehr schöne Zeit für mich. Nun werd' ich ein bisschen Pause machen, ehe ich weiterziehe. Ich bin gespannt, was da noch so kommen mag.

    Habt eine schöne Zeit!
    Bernhard
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