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  • Daumen hoch und schauen was passiert

    June 30, 2021 in Denmark ⋅ 🌧 19 °C

    Und so stehe ich gerade am Straßenrand strecke meine Hand aus und zeige mit dem Daumen meiner rechten Hand nach oben. Es ist ein merkwürdiges Gefühl und schon nach wenigen Sekunden, denke ich mir, dass ich das doch nicht machen kann.

    Ich gehe weiter. Mittlerweile habe ich mich etwa 9 Kilometer vom Stadtzentrum Kopenhagens entfernt. Ich möchte mir heut gerne die Domkirche in der früheren dänischen Hauptstadt Roskilde ansehen. Und so gehe ich die Hauptstraße entlang, die direkt dorthin führt und bin ständig auf der Suche nach einer passenden Stelle zum Trampen.
    Nach meinem ersten sehr kurzen Versuch starte ich den nächsten Anlauf und diesmal halte ich immerhin 5 Minuten durch, bevor ich an meinem Platz zweifle. Immerhin sollten mich meine potentiellen Mitfahrgelegenheiten rechtzeitig sehen und eine gute Möglichkeit zum Stehen bleiben haben. So setze ich also meinen Weg neuerlich zu Fuß fort und dennoch bleibt kurze Zeit später ein Auto neben mir stehen.

    Zu trampen war früher - so haben mir das viele erzählt - sehr verbreitet. Immerhin bietet es eine zumeist kostenlose Möglichkeit um von A nach B zu gelangen.
    Ich frage mich, warum das wohl weniger geworden ist?
    Vielleicht liegt es daran, dass uns die Zeit dafür fehlt?
    Vielleicht aber auch daran, dass es viel Vertrauen braucht, um sich in das Auto eines fremden Menschen zu setzen?
    Ist die Welt gefährlicher geworden oder hat sich unser Empfinden für Sicherheit verändert?
    Eine gesunde Mischung aus Vorsicht und Vertrauen ist zumindest das, was ich versuche dabei zu finden.

    Der Fahrer des kleinen weißen Autos, der neben mir am Straßenrand stehen geblieben ist, fragt mich wohin ich möchte und bietet mir an mich ein kleines Stück mitnehmen zu können. Er erzählt mir, dass er mich gesehen und extra umgedreht hat, damit er mich ein Stück mitnehmen kann.
    Nach etwa 7 Kilometer endet meine erste Tramp-Erfahrung in Dänemark. Erfreut darüber mache ich mich mit meinem Rucksack auf den Weg zu meinem nächsten Platz und mittlerweile fühle ich mich dabei auch etwas selbstbewusster. Und nach etwa 10 Minuten bleibt Ali (siehe gemeinsames Foto) stehen. Ein gebürtiger Türke, der seit 11 Jahren mit seiner Familie in Dänemark lebt. Er wohnt in einem Ort zwischen Kopenhagen und Roskilde, lässt es sich allerdings nicht nehmen, dass er mich dennoch bis direkt vor die Domkirche in Roskilde fährt.
    So sitze ich bereits zu Mittags vor dem beeindruckenden Dom, jausne und mach' anschließend eine Besichtigung davon. Im Mausoleum des Doms wurden zahlreiche dänische Könige gekrönt und beerdigt.
    Am Nachmittag wandere ich dann Richtung Süden und übernachte in meinem Zelt.
    Am Sonntag wandere ich durch den Nationalpark Skjolundgernes Land. Nach einer wunderbaren Mittagspause an einem See erreiche ich bald meinen Zielort, von wo ich weiter trampen wollte. Und es nehmen mich an diesem Sonntag vier verschiedene FahrerInnen insgesamt 50 km mit und dabei hat es nie länger als 10-15 Minuten gedauert bis ich das Glück hatte, das mich jemand mitnimmt.
    Audun, meine letzte Mitfahrgelegenheit, hat es dabei sehr lustig ausgedrückt. Er meinte, als er mich gesehen hat, dass ich nicht wie ein "Hells Angel" aussehen würde und er mich deshalb mitnehmen könne.
    Er war dann so freundlich und hat mich zu sich nach Svebølle eingeladen. Ich durfte in seinem Garten zelten und neben zahlreichen Geschichten und interessanten Gesprächen bekam ich von ihm ein Abendessen, eine Dusche, ein Frühstück und sogar ein Lunchpaket ToGo. Dabei war es ihm sehr wichtig zu betonen, dass er keine Gegenleistung dafür erwarte. Er wünsche sich lediglich, dass ich, wenn ich sehe, dass ein Mensch Hilfe benötige, ich ihm dann ebenso helfen würde.
    Eine wirklich schöne Geste und eine schöne Art und Weise, die Welt in der wir leben mitzugestalten.

    Am Montag bin ich dann zu Karin weitergewandert. Sie hat mir auf Christiansø angeboten, dass ich einige Tage bei ihr verbringen dürfe, wenn ich möchte und mich mein Weg bei ihr vorbeiführt.
    Und so bin ich nicht ganz eine Woche nach unserem Kennenlernen bei ihrem gemütlichen, kleinen Haus im Wald mit einem wunderbaren und sehr schönen Garten mit traumhaftem Weitblick auf den See gelandet.
    Und Karins Zuhause ist wieder so ein Ort des Ankommens, wo ich spüre, dass ich innerlich gleich ruhiger werde.

    Ich hab die Zeit bei und mit Karin sehr genossen. Sie hat mir ihr Zuhause gezeigt. Wir haben einen wunderschönen Sonnenuntergang erlebt, sind am Strand entlang gegangen, waren im Meer schwimmen und wir haben unglaublich interessante Gespräche über die verschiedensten Themen geführt.
    Und in der Zwischenzeit hab ich neben meiner Lieblingsbeschäftigung - im Garten mit einer Tasse Kaffee vor mich hinstarren - ein bisschen was im Garten gearbeitet, ein bisschen geschrieben, ein bisschen geschlafen, ...
    Es war eine sehr erholsame Zeit bei ihr und wird mir wohl als etwas sehr besonderes in Erinnerung bleiben.

    Und heute habe ich dann noch mit ihr mitfahren dürfen. Wir haben mit dem Auto die Insel Sjælland verlassen, sind über eine fast 20 Kilometer lange Brücke über das Meer auf die Insel Fyn und dann weiter auf die Halbinsel Jylland gefahren. In Skanderborg haben wir uns dann verabschiedet und ich bin dann noch weiter nach Åhrus, der zweitgrößten Stadt Dänemarks, getrampt, wo ich mittlerweile in einem sehr modernen und schicken Hostel ein Bett habe.

    Ich wünsch' euch, dass es euch allen gut gehen möge.
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