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  • Hinduismus in Nepal

    May 7, 2022 in Nepal ⋅ ⛅ 24 °C

    Vor dieser Reise bestanden meine Assoziationen zu Nepal in erster Linie mit dem Himalaya-Gebirge und gerade in dieser Region des Landes durften wir den Einfluss des tibetischen Buddhismus mit den unzähligen bunten Gebetsfahnen, den zahlreichen Gompas (Klöster) und Chörten (Stupas) schließlich auch selbst erleben.

    Eine der größten Überraschungen noch vor der Reise nach Nepal war für mich allerdings jener Moment als ich davon gelesen habe, dass über 80% der Nepalesen hinduistischen Religionen angehören und Nepal somit nach Indien das Land mit dem zweithöchsten Anteil an Hindu-Gläubigen ist.

    Neben den vielen kleinen Tempelanlagen, die uns gleich an unserem ersten Tag in ganz Kathmandu aufgefallen sind, haben wir auch in Dharan und Muktinath bekannte Tempelanlagen besucht, die für die Gläubigen wichtige Pilgerziele darstellen.

    An unseren letzten Tagen in Nepal haben wir zwei weitere bekannte Stätten besucht: Dakshinkali und Pashupatinath.

    Im Ort Dakshinkali findet sich ein Tempel zu Ehren der Göttin Kali. Diese Göttin hat einen ausgeprägten Blutdurst. Um diesen Blutdurst zu stillen, bringen Menschenmengen jede Woche Samstags und Dienstags Tieropfer dar.
    So finden wir uns vergangenen Samstag in einem dicht gedrängten Bus zu diesem Ort wieder. Im Bus konnte ich leider keinen Sitzplatz ergattern und ja, der Bus war dann leider auch nicht so hoch, dass ich aufrecht stehen hätte können. Dementsprechend waren das etwas ungemütliche 1,5 Stunden während der ich die „Aussicht“ in die Gepäckablage über den Sitzplätzen „genoss“ (?!?). Neben Rucksäcken und Taschen hab ich da oben einige Meter von mir entfernt auch ein Huhn entdeckt.
    In Dakshinkali angekommen, wussten wir wieder einmal nicht so genau, was uns eigentlich erwarten würde. Auf einiges vorbereitet sahen wir dann Menschenmengen in Schlangen stehen. Neben vollgefüllten Opferschalen mit Reis, Blumen und anderen diversen Gaben entdeckten wir unter den Opfergaben auch (noch lebende) Hühner oder manchmal auch eine Ziege.
    Es wurden Schuhe ausgezogen, Füße gewaschen und schließlich Opfergaben dargebracht. Nach dem das Blut der Tiere an die Göttin überreicht wurde, machten sich viele Menschen auf den Weg zur Verarbeitungsstation des Fleischs, dass sie schließlich für den Eigengebrauch wieder mit nach Hause genommen haben.

    Eine aufregende, sehr aufgeladene Stimmung war das für uns an diesem für viele Menschen heiligen Ort.

    Der zweite hochbedeutende Ort für Hindu-Gläubige in Nepal ist Pashupatinath. Der Ort liegt direkt in Kathmandu und gilt als Pendant zu Varanasi in Indien, wo Hindu-Gläubige im Bagmati-Fluss bestattet werden.
    Dabei gibt es entlang des Flusses zahlreiche Plätze an denen Scheiterhaufen aufgebaut werden. Der in Tücher eingewickelte Leichnam wird, nach einer Waschung der Füße im Fluss, von dessen Familie am Scheiterhaufen platziert. Der ältestes Sohn, dem vor der Bestattung die Haare bis auf ein kleines „Schüberl“ am Hinterkopf vollständig kahl geschoren werden, hat die Aufgabe den Leichnam am Mund zu entzünden.

    Während all dies vonstatten geht, findet auf der gegenüberliegenden Seite am Abend nach der Dämmerung eine Art Gottesdienst statt. Es kommen viele Menschen. Es wird Musik gemacht und obwohl parallel dazu Menschen verbrannt und im Fluss bestattet werden, erleben wir eine schöne und ganz besondere Stimmung an diesem Ort.
    Als ich da so sitze und auf den Scheiterhaufen gegenüber blicke, spricht mich ein Nepali mit den Worten an: „Ist das Leben nicht wunderbar?“.

    Wie schön, wenn der Tod als eines der natürlichsten Dinge des Lebens eine so schöne Normalität im Leben dieser Menschen findet.

    Auch in den Tagen davor im Kloster von Kopan war der Tod Thema und vor allem unsere Schwierigkeiten damit und dass sehr viele Menschen ihr Leben leben und kurz vor dem Ende vom Tod „überrascht“ sind. Eigentlich verwunderlich und dennoch passiert das vielen Menschen?

    Wir sind auf jeden Fall sehr beeindruckt und berührt von diesem Ort und verbringen so einige Stunden vor Ort und lassen diese Atmosphäre auf uns wirken.

    Es sind exemplarische und sehr kleine Einblicke, die wir mit diesen beiden Orten und dem Holi-Festival in die Hindu-Religionen erhalten haben.
    Wir merken allerdings, dass im Gegensatz zum Islam – der auch in Europa weiter verbreitet ist und dem Buddhismus – mit dem wir uns schon mehr auseinandergesetzt haben - die Hindu-Religionen für uns eine ganz spezielle Fremdheit in sich tragen, die schwer greifbar ist und mit denen wir in unser beider Leben noch wenige Berührungspunkte gefunden haben.

    Das faszinierendste und spannendste für uns am Reisen ist und bleibt wohl, dass der Alltag von Menschen an anderen Orten dieser Welt so vollkommen anders aussehen kann.
    Wir durften die vielfältigsten Lebensrealitäten kennenlernen und immer wieder auch die Erfahrung machen, wie sehr uns der Ort an dem wir aufwachsen für unser weiteres Leben prägt.
    Zum Beispiel hängt die Frage, ob wir an einen Gott, mehrere Gottheiten oder gar keinen Gott glauben, zu einem nicht unerheblichen Teil davon ab, an welchem Ort dieser Welt wir aufwachsen.

    Es sind „Wahrheiten“ wie diese und noch so viele andere, mit denen wir tagein tagaus unser Leben gestalten. Anhand derer wir zumeist ganz automatisiert unsere Entscheidungen treffen und oftmals felsenfest davon überzeugt ist, dass das „richtig“ ist.
    Dass es dann Milliarden von anderen Menschen auf dieser Erde gibt, die das vielleicht völlig anders sehen und wiederum ihre ganz eigenen Wahrheiten haben, macht das eigene Leben um einiges bunter :-)

    Schön, dass es diese Vielfalt auf vielen Orten dieser Welt gibt!
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