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- Sep 9, 2023
- ☀️ 14 °C
- Altitude: 4,243 m
- BoliviaDepartamento de PotosíLípez OrcoCerro Rico19°36’29” S 65°44’53” W
Minentour im Cerro Rico
September 9, 2023 in Bolivia ⋅ ☀️ 14 °C
Am Vortag buchen wir bei Turismo Claudia eine Minentour im 4.800m hohen Cerro Rico. Der Berg ist für seine großen Silbervorkommen bekannt, welche hier seit fast 500 Jahren abgebaut werden, Potosí einst zu einer superreichen Stadt machten und das spanische Reich finanzierten. Hinzu kommen Blei, Kupfer, Zinn, Zink... Über 100 verschiedene Minerale/ Varietäten sollen hier bereits entdeckt worden sein. Wir entscheiden uns für eine abenteuerliche aber nicht für die gefährlichste Mine. Dennoch macht sich noch am selben Abend ein mulmiges Gefühl breit. Wollen wir da wirklich rein, in den "Berg, der Menschen frisst"?
Der Bergbau im Cerro Rico ist Glückssache - das erzählt uns Wilson während der Tour immer wieder. Jeder Minenarbeiter hat seinen eigenen fixen Bereich, in dem er arbeitet, allerdings erst nach drei Jahren Anlernzeit. Wer Glück hat wird reich und kann die Mine verlassen, andere hingehen finden fast nichts und sterben viel zu früh. Zwischen 8-10 Millionen Menschenleben sollen die rund 180 Minen im Cerro Rico schon gefordert haben, hauptsächlich ehemalige Sklaven, die in der sauerstoffarmen Höhenluft zu Höchstleistungen angetrieben wurden. Aber auch heutzutage bezahlen noch viele Arbeiter mit ihrem Leben, die meisten werden 45 bis 60 Jahre alt und sterben an den Folgen einer Staublunge. Natürlich ereignen sich aber auch tragische Unfälle. Offiziell ist es verboten unter 18 Jahren in den Minen zu arbeiten. Die Lage hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, aber es gibt leider noch immer viele Kinder und Jugendliche in den Minen, weil es nicht kontrolliert wird. Frauen dagegen dürfen in diesen Minen nicht arbeiten, sie bewachen nachts die Eingänge. Wieviele Menschen derzeit insgesamt hier tätig sind ist nicht bekannt und genaue Pläne der Tunnelsysteme gibt es auch nicht. Momentan gibt es am Cerro Rico 38 Genossenschaften, die völlig autonom handeln. Man sagt, dass der Berg irgendwann zusammenbrechen wird, weil er löchrig ist wie ein Schweizer Käse.
Unsere Tour beginnt am Mercado de los Mineros, dem wahrscheinlich einzigen öffentlichen Markt weltweit auf dem legal Dynamit gekauft werden kann. Dort essen die Arbeiter und wir kaufen Geschenke. Es ist kein Muss, doch Simon aus Deutschland, Diego aus Uruguay und wir zwei folgen der Empfehlung unseres Guides und nehmen Cocablätter und Limonade mit. Aber auch 96%iger Alkohol zum Trinken, Dynamit und Ammoniumnitrat für Sprengungen stehen hoch im Kurs.
Dann bekommen wir unsere Schutzausrüstung und es geht weiter zur Mine. Eigentlich wollten wir die Mina Rosario besichtigen, doch da ist heute keiner. Generell wird samstags nicht so lange gearbeitet, viele ärmere Mineros arbeiten dafür von Freitag auf Samstag oft 24h durch. Unser Plan B ist die Mina Grita de Piedra, ebenfalls eine alte, koloniale Mine. Der Eingangsbereich ist blutverschmiert - Lamablut. Jedes Jahr im Juni werden Lamas geopfert und die Minenarbeiter veranstalten gemeinsam ein großes BBQ. Wichtig ist, dass es immer eine gerade Anzahl an Lamas ist, denn ungerade Zahlen bringen Unglück. Ein weiteres Ritual ist, dass die Minenarbeiter am ersten Freitag im Monat El Tío und Pachamama um Dinge beten und jeden letzten Freitag im Monat danken sie.
In der Mine ist es stockdunkel, lediglich unsere Stirnlampen spenden uns Licht. Die Gänge sind schmal, oft müssen wir gebückt gehen und gleichzeitig auf die großen Löcher im Boden achtgeben, die zu anderen Ebenen führen. Viel Staub fliegt durch die Luft. Hier und da funkelt es ordentlich, zum Teil haben sich aber auch Schwefel- und Kupferoxidkristalle an den Wänden gebildet, von denen wir uns fernhalten sollen. Je weiter wir hinein laufen, desto beklemmender wird das Gefühl. Außerhalb der Minen folgen die meisten dem katholischen Glauben, innerhalb der Minen hingegen beten sie zu El Tío (dem Gott der Unterwelt im Cerro Rico) und Pachamama (Mutter Erde). Gerade als wir El Tío und Pachamama Opfergaben bringen und um ihren Schutz bitten, treffen wir auf Don Humberto. Es wird Quechua gesprochen. Don Humberto ist 43 Jahre alt, sieht aber locker 20 Jahre älter aus. Man sieht ihm an, dass die Arbeit in der Mine kein Zuckerschlecken ist. Eine Schubkarre nach der anderen schiebt er aus der Mine, bessere Gerätschaften kann er sich nicht leisten. Und weil die Sprengung gestern nicht wirklich erfolgreich war, dürfen wir heute sogar bei einer kleinen Dynamitsprengung bzw. bei deren Vorbereitung dabei sein. Danach flüchten wir schnell in die sichere Zone und warten gespannt auf die Explosion der "sexy bombita".
Nach etwa 1,5 Stunden erblicken wir wieder Tageslicht. Es blendet, doch wir sind froh raus aus dem 'reichen' Berg zu sein. Das alles zu sehen ist sehr interessant, aber gleichzeitig ist der Anblick des Leids anderer Menschen schlimm und deprimierend. Ich frage mich, ist es richtig eine solche Tour zu machen und den Bergleute gar noch bei ihrer alltäglichen, gefährlichen und kräftezehrenden Arbeit im Weg herumzustehen oder sie zu fotografieren? Unser Guide Wilson arbeitet selbst in einer Mine, sofern er nicht für eine Tour gebucht wird. Er ist es, der uns immer wieder dazu auffordert Fotos zu machen und diese der Welt zu zeigen. Der Tourismus hilft wenigstens einigen Männern ihre Jobs in den Minen an den Nagel zu hängen.
Zum Abschluss besichtigen wir eine Aufbereitungsanlage, in der die wertvollen Mineralien von dem wertlosen Gestein getrennt werden. Lange können wir uns dort nicht aufhalten, denn es liegt ein beißender Geruch von Chemikalien in der Luft. Eine Dose Bier ist im Umlauf, erst ein paar Tropfen für Pachamama, dann bin ich an der Reihe. Ich lehne dankend ab, bekomme aber gleich einen Rüffel. Da ich weder unhöflich sein noch irgendwem Unglück bringen möchte, nehme ich doch einen Schluck und reiche die Dose weiter. Bevor es für uns zurück in die Umkleidekabine geht, überreichen wir noch die letzten Geschenke.Read more
Traveler Jetzt ist es aber gruselig genug, mehr ist nicht nötig.
Katja Schiller Versprochen Oma! Mehr ist nicht nötig.
Traveler Alle wissen es irgendwie, aber zu sehen wie diese Leute arbeiten macht es wohl erst so richtig real.
Traveler Das war ein intensives Erlebnis. Wir waren in der Ghostmine Mina Julia an der Grenze zu Chile. Dort wurde Schwefel abgebaut in 5300m Höhe. Man konnte sich die harten Arbeitsbedingungen in der Höhe und Kälte vorstellen. Das war über Tage. Im Berg ist das nochmals etwas anderes. Vor allen Dingen war eure Mine ja aktiv. Schade, dass ihr Mina Julia nicht gesehen habt. Berry hätte kämpfen müssen. Aber ihr hättet es geschafft. Mittlerweile habe ich euren Block komplett gelesen. Toll, was ihr vor unserem Treffen schon erlebt habt und seither. Wir folgen euch weiter. Ein wenig neidisch. Da kommt das Fernweh auf. Wir sind nun doch schon wieder über 2 Wochen zu Hause. Gute Weiterfahrt!!!!! Liebe Grüße Constance