Colombia
Las Mercedes

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Travelers at this place
    • Day 90

      Medellín

      May 7, 2022 in Colombia ⋅ ⛅ 22 °C

      Am Donnerstagmorgen verabschiedeten wir uns aus Salento und die nächste Busfahrt nach Medellín startete. Dieses Mal war es zum Glück eine sehr angenehme Fahrt und auch wenn sie anstatt 8h fast 11h dauern sollte, kamen wir sicher am Abend am Busbahnhof von Medellín an.
      Medellín ist die Hauptstadt des Departements Antioquia und nach Bogotá die zweitgrößte Stadt des Landes. Die 2,5-Millionen-Einwohner-Stadt befindet sich im breitesten Teil der als Valle de Aburrá bekannten Region in der zentralen Andenkette und erstreckt sich an beiden Ufern des Flusses Medellín.
      Einst war diese Metropole Medellin eine der gefährlichsten Städte der Welt. Nirgends wurden täglich mehr Menschen erschossen als hier. Drogen und Gewalt regierten den Alltag und die Stadt war fest in der Hand von Drogenbaron Pablo Escobar, einst der meistgesuchte Mann der Welt. Regierung und Polizei galten als korrupt. So war die Stadt in etwa der letzte Ort, den man als Tourist bereisen wollte. Glücklicherweise hat Medellin diese dunklen Zeiten mittlerweile (mehr oder weniger) komplett hinter sich gelassen. Die Stadt hat sich seit dem Tod Pablo Escobars in nur zwei Jahrzehnten zu einer der modernsten und sichersten Städte in Südamerika entwickelt. Das Wall Street Magazin hat Medellín 2012 sogar zur innovativsten Stadt der Welt ernannt.
      Medellín wird auch als „Stadt des ewigen Frühlings“ bezeichnet, da die Temperaturen selten über 30 Grad klettern oder unter 16 Grad fallen. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 22 Grad.

      Nach einer erholsamen Nacht machen wir uns erst am späten Vormittag auf den Weg zum Park Arví, einer riesigen Grünfläche mit 16.000 Hektar Wald und 54 km langen Wanderwegen.
      Wir fahren einige Stationen mit der Metro, bevor es per Metrocable (Seilbahn) die Hügel hinauf geht.
      Das Netz der Metro de Medellin mit 42 km und nur zwei Linien, ist sehr überschaubar. Zusätzlich gibt es noch die Seilbahnlinien, die an das Metronetz angeschlossen sind und mit dem Metroticket mitgenutzt werden können.
      Die Seilbahnen haben für die Paisas (so nennen sich die Einwohner von Medellin selbst) einen ganz praktischen Zweck: sie binden die Armenviertel an den Berghängen ans Stadtzentrum an. Für Touristen bietet sich aus den Gondeln und von den Haltestellen ein atemberaubender Blick auf die Millionenstadt und das Aburrá-Tal. Den Seilbahnen wird außerdem zugeschrieben, dass sie dazu beigetragen haben, die Stadt von einer der gefährlichsten der Welt in ein florierendes, innovatives Reiseziel zu verwandeln.
      Wir genießen in jedem Fall die Fahrt über den Dächern der Stadt und können uns trotz des noch anhaltenden Regens kaum sattsehen. Es ist wirklich beeindruckend, wie sich die Stadt die Hänge der Anden hoch schlängelt und nicht aufzuhören scheint.
      Die Seilbahn, die zum Park führt, muss noch einmal extra bezahlt werden und schwebt mit uns dann die letzten 25 Minuten über unendlich scheinenden Wälder bis zum Parkeingang. Hier erfahren wir, dass das Bewandern des Parks ~ 10€ pro Person kosten soll 😵 (ja, wir hätten uns vielleicht vorher einmal näher informieren sollen 😅) und sind zunächst etwas unschlüssig, was wir nun tuen sollen. Zum einen würden wir sehr gerne ein wenig in der Natur umherwandern, haben allerdings von der Seilbahn auch die vom Regen mittlerweile sehr matschigen bzw. komplett gefluteten Wege gesehen.
      Wir beschließen daher, erst einmal die Straße am Park entlangzugehen und wollen auf diesem
      Weg zu einem Teil des Parkes kommen, wo es Wanderwege und den See Embalse Piedras Blancas geben geben soll. Der Weg dorthin dauert ca. 30 Minuten und führt die ganze Zeit an einer so gut wie nicht befahrenen kleinen Straße am Rande des Parks entlang. Allerdings werden wir und ein weiterer Tourist durch einen netten Herren gestoppt, der uns unmissverständlich klar macht, dass der Weg gefährlich ist und es zu Überfällen kommen kann. Wir stehen also erneut etwas unschlüssig herum, schließen uns dann aber dem anderen Touristen an und wollen mit dem Bus, im Zweifel mit dem Taxi zu unserem Ziel fahren. Beides lässt aber auf sich warten und nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir uns alle drei einig, dass das heute keinen Sinn mehr macht. Die Zeit ist schon so weit fortgeschritten (der Park schließt um 17 Uhr), dass sich für uns der Eintrittspreis auch nicht mehr lohnt und so gehen wir nach einem kleinen Mittagessen etwas enttäuscht zurück zur Seilbahn. Immerhin ist aber nun die Sonne herausgekommen und wir kriegen auf der Rückfahrt noch einmal einen tollen Blick auf die Stadt geboten.

      Nach einem kurzen Stopp im Supermarkt, gehen wir zurück ins Hotel und machen uns für unsere Abendveranstaltung fertig. Es geht in das Estadio Atanasio Girardot zum Spiel Atlético Nacional gegen Deportivo Pereira. Atlético Nacional ist neben dem Ortsrivalen Independiente Medellín der Fußballverein aus Medellín und zählt als alleiniger kolumbianischer Rekordmeister mit insgesamt 16 Meistertiteln zu den bedeutendsten Vereinen Kolumbiens.
      Allerdings hatte auch hier Herr Pablo Emilio Escobar Gaviría, der eine große Leidenschaft für Fußball hatte, seine Finger im Spiel. So soll er 1989 die Schiedsrichter eindrücklich darauf hingewiesen haben, dass sein Verein die Copa Libertadores (der wichtigste südamerikanische Vereinsfußballwettbewerb, vergleichbar mit der europäischen Champions League) gewinnen müsse, was er dann auch tat. Im Sport fand Pablo einen schnellen, einfachen und profitablen Weg, sein illegales Geld zu waschen und seiner größten Leidenschaft nachzugehen.
      Zum Glück sind diese Zeiten jetzt vorbei und so laufen wir bei strömenden Regen von unserem Hotel mit den zahlreichen Fans zum Stadion. Hier geht plötzlich alles ganz schnell, denn während wir uns eigentlich erst nach einem Ticketverkaufsstand umsehen wollen, stehen wir bereits am Einlass zum Stadion, der von der Polizei gesichert ist, ein Typ zieht seine zwei Dauerkarten über den Scanner, wir werden hineingewunken und stehen für ein paar Euro auch schon im Stadion 😜.
      Hier gibt es Unmengen an Essen und alkoholfreies Dosenbier, was erklärt, wieso die meistens Fans vor Spielbeginn noch vor dem Stadion herumstehen 😅. Aber allmählich füllt sich das Stadion, die Grün-weißen Fans sind natürlich eindeutig in der Überzahl und machen schon vor Spielbeginn ordentlich Lärm. Eine ganze Blaskapelle mit Trommlern versammeln sich auf den oberen Rängen der Fankurve und die Party ist eröffnet.
      Zugegebenermaßen, der Fussball, der uns hier präsentiert wird, ist unterirdisch, für den Drittplatzierten einer ersten Liga noch viel mehr, aber die Fans dafür umso grandioser. Ohne Pause jubeln, singen und tanzen sie die 90 Minuten durch und selbst nach dem 0:1 Rückstand werden sie nur noch lauter. Dabei stehen die hart gesottenen auf dem Oberrang direkt und ohne Geländer an der Kante und halten sich, während sie wild hüpfen und tanzen, dabei nur an den Fahnen fest. Das wäre bei unserem Sicherheitsfanatismus natürlich undenkbar, die Begeisterung ist hier aber richtig krass und schön anzusehen.
      Am Ende geht das Spiel (mit viel Glück für unser Team) 1:1 aus und wir hatten auf jeden Fall einen tollen Abend.

      Am nächsten Morgen werden wir von Juan abgeholt und lassen uns die nächsten Stunden von ihm die Stadt zeigen. Wir haben eine private Tour bei ihm gebucht und starten an dem Haus, wo sich Pablo’s Escobar zuletzt versteckt hielt und auf dessen Dach Pablo Escobar starb. Während es offiziell heißt, er sei dort von Sicherheitskräften erschossen worden, sagt der Sohn Escobars, er habe Selbstmord begangen. Während er sich versteckte, war seine Familie eine Geisel des kolumbianischen Staates. Escobar musste befürchten, dass man sie umbringen würde. Also beschloss er, alle Sicherheitsregeln zu verletzen und mehrfach das Telefon zu benutzen, damit die Sicherheitskräfte seinen Unterschlupf orten würden. Als das geschah, schossen sie ihm ins Knie und in die Schulter – dann tötete er sich selbst. Von ihm stammte der Satz: Besser ein Grab in Kolumbien als eine Auslieferung an die Vereinigten Staaten.

      Als nächstes geht es in die berühmt-berüchtigte Comuna 13, einst das ärmste und gefährlichste Viertel der Stadt. Hier gab es vor nicht all zu langer Zeit noch die höchste Mordrate weltweit, das Viertel war fest in der Hand skrupelloser Drogenkartelle paramilitärischer Milizen, es tobte ein unerbittlicher blutiger Bandenkrieg und Korruption war an der Tagesordnung.

      Nach dem Tod Pablo Escobars, beschloss die Regierung gegen Bandenkriege und Drogengangs durchzugreifen. Am 16.10.2002 ließ das neugewählte Staatsoberhaupt ein Exempel statuieren: die „Operation Orion“, bei der bis zu 3000 Einsatzkräfte mit Black Hawk Hubschraubern in das Viertel einfielen. Das Ausmaß der Offensive führte auch tatsächlich dazu, dass sich die Milizen, nachdem sie in den ersten Stunden Widerstand geleistet hatten, zurückziehen mussten. Was jedoch nichts daran änderte, dass die Hubschrauber die Dächer des Viertels weiter unter Beschuss nahmen und die gepanzerten Fahrzeuge wahllos um sich schossen, was die verzweifelten Einwohner in großer Zahl aus ihren Häusern trieb. Das Ergebnis waren 355 willkürliche Festnahmen ohne Haftbefehl sowie, offiziellen Angaben zufolge, 39 verletzte Zivilpersonen, sieben Verschwundene und drei tote Polizisten. Heute ist jedoch weit mehr über die Opfer bekannt. Die Überlebenden, die Familien der Opfer und selbst einige ehemalige Paramilitärs haben bestätigt, dass viele der "Verschwundenen" an einem Ort namens La Escombrera verscharrt wurden – einer Mülldeponie, die sich im höher gelegenen Teil der Comuna 13 befindet. Da von offizieller Seite keine wirkliche Unterstützung bei der „Suche“ nach Vermissten zu erwarten ist, so erzählt uns Juan, gibt es immer wieder Versuche von Hinterbliebenen, dort zu buddeln und irgendetwas (wie z.B. einen Familienring) zu finden, was den traurigen Verbleib einer vermissten Person bestätigen würde.

      Für viele Bewohner der Comuna 13 ist die Vergangenheit immer noch schmerzhaft und wird durch Kunst, insbesondere mit der Hip-Hop-Bewegung, und Graffiti als Kulturgut dargestellt. Und so ist das Viertel heute berühmt für tolle Straßenmalereien und Graffities, auf den Strassen geht es bunt und laut zu und Scharen an Touristen pilgern täglich in das Viertel, das als eine der Haupttouristenattraktionen der Stadt gilt. Dazwischen tummeln sich Straßenverkäufer, die ihre Leckereien verkaufen und Gruppen junger Tänzer, die ihr Können zu dröhnenden Hip Hop Beats und Reggaton unter Beweis stellen.
      2011 wurde die große Open-Air-Rolltreppe eingeweiht, die es den Anwohnern ermöglicht, sicher und vor allem deutlich einfacher (umgerechnet 28 Stockwerke in 6 Minuten) auf den Berg zu gelangen.
      Dennoch sollte man nicht den Eindruck haben, dass hier nun alle seinen rechten Gang geht. Zwar ist es mittlerweile kein Problem, sich hier (tagsüber) aufzuhalten und durch die Straßen zu gehen, das Gebiet wird aber weiterhin von kriminellen Gangs regiert, die sich Machtkämpfe liefern und ihre sehr konkreten Interessen verfolgen: die Kontrolle des Drogenhandels und –verkaufs, der Prostitution, der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger, der Schutzgelderpressungen und des Kleinhandels.
      Und auch Juan hält sich an die hier geltenden Regeln und lässt hier und dort einige Pesos liegen, um im Gegenzug seine Touren hier durch das Viertel unternehmen zu können.

      Nach diesen ganzen Eindrücken sind wir ganz schön platt. Die Geschichten sind wirklich grausam anzuhören, das Viertel heute mit den vielen Farben richtig schön und durch die (wie ich finde, wahnsinnig guten) Strassentänzer lebendig und offen. Irgendwie ist das alles schwer zusammenzukriegen.

      Nachdenklich geht es nun zurück zum Auto und wir machen uns auf den Weg zum öffentlichen Friedhof der Stadt. Hier liegt Pablo Escobar neben seiner Familie begraben. Auf seinem Grab liegen immer frische Blumen und auch hier zahlt Juan an einen anderen Typen ein paar Pesos …
      Etwas befremdlich schauen wir einer Reisegruppe zu, wie sie in Escobar-Shirts neben dem Grab posieren und sich in „coolen“ Posen ablichten lassen 🙄😐. Juan erklärt uns, dass man, gerade in Medellín, aufpassen sollte, wie man sich in der Öffentlichkeit zu ihm äußert, die meisten Kolumbianer stehen seiner Person sehr negativ gegenüber, viele haben seine Opfer in der eigenen Familie zu beklagen und könnten durchaus nicht immer nur friedlich auf solchen Tourismus reagieren.

      Der nächste und letzte Stopp ist der Parque Conmemorativo Inflexión. Einst stand hier das Wohnhaus von Escobar, welches vor noch nicht all zu langer Zeit gesprengt wurde und wo nun seit 2019 den 46.612 Opfern des Drogenhandels mit einer 70 Meter langen schwarzen Steinmauer, durchbohrt von 46.612 winzigen Löchern, gedacht.
      Auf der Rückseite findet man einen erschütternden Zeitstrahl über die Von den Drogenkartellen verübten Bombenanschlägen ab 1984. Spätestens jetzt wird uns nochmal klar, dass es hier nicht um kleinkriminelle Bandenkriege und Gangster mit ein paar Waffen ging (was natürlich nicht weniger schlimm ist), sondern über Jahre ein wirklich blutiger und grausamer Krieg geherrscht hat.

      Die Statue „Der Friedensstifter“ ist eine Hommage an die toten, vermissten und verletzten Polizisten, ihre Familien und diejenigen, die weiterhin der zerstörerischen Macht des Drogenhandels ausgesetzt sind. So wurden u.a. Notfälle simuliert, um zahlreiche Polizisten in einen Hinterhalt zu locken und zu erschiessen. Es gab eine Menge Geld für die Polizeimarken…

      Außerdem befinden sich noch einzelne Steine mit den Namen bekannter Personen, die ebenfalls den Drogenkartellen zum Opfer fielen. Darunter der Verleger des El Espectador, Cano Isaza, der Präsidentschaftskandidat Luis Carlos Galán und die oberste Richterin, Myriam Rocio Velez, um nur einige zu nennen.

      Juan lässt uns zum Abschied an einem Steak-Restaurant in El Poblado raus, wo wir ein hervorragendes kolumbianischen Steak und leckeren chilenischen Wein bekommen, den heutigen Tag noch einmal Revue passieren lassen und nicht zu vergessen, auf 3 Monate Weltreise anstoßen 🥂 !!
      Und da wir schon mal hier sind, verbringen wir auch den Abend in El Poblado, dem Ausgeh-Viertel von Medellín und schlagen uns hier zum Abschied aus der Stadt noch die Nacht um die Ohren 🍻🥰.

      Uns hat Medellín richtig gut gefallen, wie sich die Stadt an den Berghängen der Anden ausbreitet und nicht aufzuhören scheint, das mittlerweile so bunt daherkommende Viertel Comuna 13, die modernen Seilbahnen und Metro und die Tatsache, was diese Stadt in den letzten 20 Jahren aus sich gemacht hat. Die grausame Geschichte dahinter haben wir zumindest ein wenig besser verstanden und sind froh, diese von einem Local so unzensiert und nicht verherrlicht dargestellt bekommen zu haben. Zugegebenermaßen hatte der Name Pablo Escobar auch für uns etwas Faszinierendes an sich, sicherlich auch verstärkt durch die ein oder andere Serie. Nun, am Ort des Geschehens und mit viel mehr Hintergrundwissen, denkt man doch noch einmal differenzierter darüber und ist hier und da auch einfach mal sprachlos. Hoffentlich entwickelt sich die Stadt (und auch Kolumbien insgesamt) weiterhin in eine friedlichere Richtung.
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