Es regnet. Landregen. Lang anhaltend, gleichmäßig, nicht heftig. Schon heute nacht bin ich mal kurz von dem Geräusch wach geworden und als ich gegen 9 Uhr zum Frühstücken in die große Scheune gehe, muss ich über das alte Kopfsteinpflaster flitzen, um nicht nass zu werden. Wie schön, dass heut mein Ruhetag ist.
Aber so ne kleine Wanderung könnt man ja machen.... Also Regensachen an und los. Vorbei an der fachwerkgesäumten Marktstraße, am "neuen" Rathaus aus dem 15. Jhd., dem Denkmal für die mutigen Ochsenfurter Frauen (die am 29.03.1945 gegen den Nazifbefehl Barrikaden entfernten und damit die Stadt vor der Zerstörung bewahrten), der alten Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen und Stadttoren (die Ochsenfurter Altstadt ist nahezu vollständig von einer Stadtmauer umrahmt), geht es zur "Alten Mainbrücke", die als zweitälteste Steinbrücke Deutschlands gilt. Für's Brückenschoppen ist es noch zu früh (könnt man ja heut abend noch mal drüber nachdenken...) und so mach ich mich mit Blick auf die Weinberge auf den Weg mainaufwärts.
Herzlich werde ich schon nach wenigen hundert Metern mit: "Wir begrüßen Sie auf dem Gelände der Südzucker AG" eingeladen, dort weiterzugehen und kurze Zeit später ist das riesige Werksgelände auch nicht zu übersehen. Von September bis Januar werden dort wohl mehrere tausend Tonnen Rüben angeliefert und rund um die Uhr zu Zucker verarbeitet, In weniger als 2 Sekunden soll der Jahresbedarf eines Bundesbürgers produziert werden....
Meine Regenjacke schützt mich wunderbar, aber der Weg durch das teils hohe Gras lässt Socken und Füße irgendwann "schwimmen". Umkehren? Keinesfalls! Also weiter, der Regen wird schon irgendwann aufhören. So erreiche ich die "Polisina", ein wohl ehemals idyllisches Plätzchen mitten im Wald - heute Campingplatz und Luxushotel. Wie war noch mal die Geschichte von der Großen Grünen Wiese? "Wie wunderschön ist es hier", dachte ein Mann aus der Stadt, der auf einem Ausflug eine einsame herrlich gelegene blütenübersäte Wiese entdeckte. Bei seinem nächsten Besuch brachte er Freunde mit, dann einen Campingstuhl- und tisch, ein Zelt zum Übernachten....ein Zaun wurde gezogen, eine Hütte, dann ein Steinhaus gebaut...und die grüne Wiese? In "Polisina" war es der Frickenhauser Hr. Stüdlein. Erst das schöne Plätzchen, dann 1945 eine einfache Hütte, dann Kost für die Wanderer, dann der Campingplatz und 1978 dann die Eröffnung des Hotels... (der Name Polisina soll übrigens von den italienischen Bauarbeitern stammen, die sich an diesem Plätzchen gerne nach ihrer schweren Arbeit beim Bau der Eisenbahnlinie Würzburg-Ansbach - eröffnet 1864 - zum Picknicken eingefunden haben sollen.)
Nichts mehr da von dieser Idylle, aber wenig später riesige Pilze mitten auf dem Weg. Seltsam in mehreren Schichten geformt, noch nie gesehen. Dann schnackel ich's, die wachsen gar nicht auf dem Weg, die sind vom alten Baumstumpf abgefallen! Ein "Fenchelporling", na klar....(zum Glück hab ich Google-Lens...).
So geht es dann mit Blick auf die "Via Romea" weiter in Richtung Marktbreit. Ich wusste nicht, dass die Nord- Südverbindung der Autobahn A7, die hier quer die Landschaft durchbricht, genau dem Verlauf der mittelalterlichen "Straße nach Rom" (von Wallfahrern bereits 1236 beschrieben) entspricht.
Noch ein Blick vom ehemaligen Galgenberg und es geht steil bergab ins Örtchen Marktbreit. Und mit mir geht's steil bergauf. Kein Regen mehr! Langsam trocknen Schuhe und Strümpfe, und als die Sonne hervorkommt, ist sogar wieder T-Shirt-Wetter angesagt.
Marktbreit hat viel Historisches zu bieten, das zweitälteste Gasthaus in Bayern, mit viel Liebe gestaltete und in die Stadtmauer eingebettete Gräber (um 1600), ein Schloss, mehrere Wehr- und Stadttürme und das Geburtshaus des Psychiaters Alois Alzheimer (ein bissl vergesslich bin ich manchmal ja schon..).
Ich lasse mir viel Zeit in dem kleinen Örtchen und so entdecke ich, dass Marktbreit nicht nur auf "alt" setzt. Überall sind modern gestaltete Skulpturen platziert, meist so intergriert, so lebensnah, dass man sie erst auf den zweiten Blick wahrnimmt. Gefällt mir total.
Auf der anderen Mainseite geht es dann - endlich! - durch die Weinberge zurück. Jetzt fahre ich schon so lange an ihnen entlang, habe aber noch keinen Schritt in sie gesetzt. Es wird also Zeit. Die Weinstöcke hängen voll mit einer Ahnung von etwas, was mal Trauben werden könnten, der Ausblick ist herrlich und mit einem Schmunzeln lese ich die Bauernregeln für Winzer. "August: Regen an Maria Schnee tut der Les empfindlich weh. Sankt Lorenz lass den Weinberg braten, dass die Trauben wohl geraten". Eine Regel gibt es auch zu "Sankt Stephanus". Er soll wohl als erster Märtyrer der Kirche gestorben sein, durch Steinigung. Was also liegt da näher, als dass er zum Schutzheiligen der Winzer wird. Durch seine Steinigung soll er sie vor "Kopfweh, Steinleiden und Seitenstechen" schützen.....
Noch ein Blick auf die in Form eines riesigen Scherenschnitts geschaffene Metallskulptur der Abendmahlszene von Leonardo da Vinci und es geht den Kreuzweg bergab nach Ochsenfurt.
Und jetzt geht's zum Brückenschoppen...Read more