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  • Day 223

    Das Universum in mir

    February 27, 2018 in Thailand ⋅ ☀️ 29 °C

    Da ich diese Seite auch ein wenig wie mein Tagebuch betrachte, möchte ich meine Erfahrungen im Meditationscenter gerne niederschreiben...

    Present sein
    Meditation ist der Fokus auf sich selbst. Der Fokus auf hier und jetzt.
    Wie viele Momente können wir nicht genießen, weil wir in Vergangenem schwelgen oder für Morgen planen. Hier und jetzt bedeutet den Wind auf der Haut zu spüren, dem Klang der Vögel zu lauschen und die Gedanken verstummen zu lassen. Dies ist aber nicht nur der schönste Moment in der Meditation, es ist auch sehr schwer zu diesem zu gelangen. Üben, üben, üben...

    Hunger
    Hunger ist ein Gefühl. So wie Schmerz oder Freude. Mit Hunger will unser Körper uns zeigen, dass er Nahrung zum Überleben braucht. Aber wieviel Nahrung ist wichtig? Gewöhnlich ist Essen überall verfügbar und häufig nur zum Genuss und nicht für das primäre Überlebensziel gedacht. Ich bin ein guter Esser und nicht selten überfresse ich mich. Doch ist der Magen zu voll, kann der Kopf nicht richtig arbeiten. Nur 2 Mahlzeiten am Tag zu bekommen, wobei Lunch schon um 11h ist und nur aus Salat und Reis besteht, ist eine echte Herausforderung für mich. Aber ich denke, diese Erfahrung ist ebenso wichtig. Essen zu schätzen und dem Körper nur das zu geben was er braucht und ebenso zu lernen Hunger als Gefühl zu spüren und auszuhalten. Das wird mich auf Dauer stärken.

    Anders als gedacht gewöhnt sich mein Magen nicht wirklich an die Schonkost. Es ist zwar auszuhalten, aber ich freue mich auf die Zeit, abends nicht mehr hungrig einschlafen zu müssen.

    An Gewicht hab ich aber in den 10 Tagen, wenn überhaupt, nur minimal verloren. Der Stoffwechsel wird, durch die wenige Bewegung, verlangsamt.

    Schweigen ist Gold
    In diesem Wat/Tempel wird nicht zwangsläufig geschwiegen. Dennoch habe ich mich für meine verbleibenden 7 Tage dafür entschieden, die Klappe zu halten. Und das ist wirklich Vorsehung. Promt an dem Morgen, als ich das Schweigen beginne, kommt der Mönch zu mir und sagt mir ich solle doch bitte die nächsten Tage schweigend verbringen. Und schwer fällt mir das ganze nicht. Obwohl viele Teilnehmer in ihrer Zeit hier nie ein Wort mit mir gewechselt haben, werde ich immer herzlich und mir besten Wünschen verabschieded, wenn sie wieder gehen. Für manches Zwischenmenschliche braucht man eben keine Worte.

    Aufzuhören zu reden und auszuhalten nicht zu sprechen, fällt mir nicht schwer. Allerdings kostet es schon Überwindung wieder damit anzufangen. Die eigene Stimme fühlt sich gleichzeitig fremd an und macht mich doch wieder komplett. Ein Moment, der mir fast die Tränen in die Augen treibt.

    Gelassenheit vs. Rastlosigkeit
    Schweigen ist de facto einfacher als nach 12h nichts mehr zu essen. Dennoch macht es einem noch stärker bewusst, welche Gefühle in einem aufsteigen. Besonders habe ich mit der inneren Unruhe zu kämpfen. Dieses Gefühl von Herzklopfen, ausbrechen wollen.

    In einer Welt, in der immer etwas passieren muss, immer mit Hinblick auf die nächsten Erlebnisse, die Zukunft gelebt wird, ist es schwer einfach im Augenblick zu verweilen. Dieser Punkt kommt auch in der Meditation. Das Gefühl kommt auf und fühlt sich an wie ein innerer Niesreiz. Gibt man nach und denkt "Ja, ich habe jetzt wirklich genug meditiert und kann wieder etwas produktives tun.", so wird man wohl nie an den tiefen Meditationspunkt gelangen, der zu einem selbst führt. Schafft man es jedoch, dieses Gefühl aktiv auszuhalten, einzupacken und als stiller Beobachter von außen loszulassen, gelingt die Kunst der Meditation. Die Kunst Gefühle wahrzunehmen, zu beobachten und zu beurteilen, aber die eigene Involviertheit zu vermeiden. Auch negative Gefühle wie Ärger, Kummer und Wut lassen sich durch diesen Trick ganz objektiv betrachten. Probleme können analysiert und gelöst werden und eigene Fehler ohne Missmut akzeptiert und damit behoben werden.
    So habe ich es geschafft dem rastlosen Gefühl nicht nachzugeben und das erste Mal eine ganze Stunde meditiert.

    Zeit nehmen und Zeit geben
    In diesem Meditationscenter bleiben die meisten nur 3 Tage. Es herrscht also ein laufendes Kommen und Gehen. Ich bin froh, mich für 10 Tage entschieden zu haben. Jetzt, an meinem achten Tag, merke ich ganz deutlich die Veränderungen. Gefühle objektiv, als stiller Beobachter, wahrzunehmen öffnet mir in vieler Hinsicht die Augen. Gestern habe ich alles in Frage gestellt. Wollte lieber, dass die Zeit hier schnell vergeht und ich in die "wirkliche" Welt zurück kann. Doch nichts ist von Dauer. Alles ist im ständigen Fluss. Man muss nur mal einen Schritt zurück treten, um dies auch zu erkennen. Heute bin ich glücklich, gelassen, ausgeglichen.
    Dieser Ort macht tatsächlich etwas mit mir.

    Vorurteile und das Ego-Ich
    Ich bin das Zentrum meines Universums. Das war noch vor kurzen mein Lei(d)tspruch. Doch wer ist dieses "Ich"? Wenn sich alles ständig verändert, wie kann es da ein beständiges Selbst geben? Das eigene Ego erzeugt Gefühle und leider macht es uns häufig unglücklich. Selbstkritik, Unzufriedenheit, Missmut. Um uns aufzuwerten stellen wir Vergleiche an. Jeder, der uns begegnet wird Versuchskaninchen in unserer eigenen Aufwertung. Ist er nicht ein seltsamer Vogel? Seh ich genauso gut aus wie sie? Das machst du aber falsch, ICH kann das besser!
    Was bringen uns diese Wertungen? Jeder kennt die Gefühle die sie auslösen. Meist sind es negative. Völlig losgelöst vom Charakter des Gegenüber entscheiden unsere Bewertungen "Den mag ich, den nicht!" und häufig führt eine vermeindlich falsche Tat des Anderen dazu, dass wir ein schlechtes Gefühl entwickeln sobald wir ihn sehen. Alles erzeugt am Ende Leiden. Schneiden wir im Selbstvergleich schlechter ab, machen wir uns klein. Werten wir uns durch andere auf, so entstehen meist nicht nur im Kopf kleinere und größere Lästertiraden. Darunter leidet der Andere. Ein Teufelskreis.
    Hier setzt mein Handeln an. Abstand nehmen, Gefühle analysieren und der Welt mit Offenheit, Unvoreingenommenheit und Freundlichkeit begegnen. Nur das macht auf Dauer Glücklich.

    Fazit
    Diese intensive Me-Time wird mir noch lange gute Dienste in der Selbstentwicklung leisten. Ich bin mir sicher, dass sich viele Aha-Momente erst nach einiger Zeit zeigen werden. Ich bin gespannt, ob ich schon jetzt ein anderes Bild von mir und anderen in der "normalen" Welt habe. Wertvoll und empfehlenswert ist diese Erfahrung aber allemal & ich gehe mit einem puren Glücksgefühl im Bauch!

    ...mehr fotos folgen später
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