Satellite
Show on map
  • Day 28

    Zu dritt

    May 18, 2019 in France ⋅ 12 °C

    T5, Tag 28, WT 23:
    Le Barp – Lugos, Église Notre-Dame (20,5 km, H160, A190), reine Gehzeit 4:05, Samstag, 18.5.2019

    Bereits beim Frühstück war es schon wieder recht lustig. Mit Rahul gab es immer etwas zu lachen, ein witziger Typ.
    Eigentlich kommt er aus Kaschmir in Indien, lebt aber mit seiner Familie seit vielen Jahren in Singapur. Dort bekam Rahul als jugendlicher von der Regierung ein Informatik-Stipendium, danach bleib er. Seit dreizehn Jahren sind wir Geschäftspartner und haben in Singapur ein gemeinsames Unternehmen.

    Wir zwei „Wanderprofis“ wussten nicht so recht was wir von unserem neuen Wanderbuddy erwarten sollten. Zwar hatten wir ihn gut gebrieft, aber wir rechneten dennoch mit allem, zum Beispiel mit schlechter Ausrüstung, wer geht in Singapur, bei dreiunddreißig Grad Tagestemperatur und neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit, schon langstreckenwandern? Wir jedenfalls nicht!
    Auch hatten wir Bedenken bezüglich seiner Kondition, unsere Tagesstrecken waren meist lang und brachten uns mittlerweile trainierte schon hart an unsere Grenzen, wie würde es dann erst Rahul ergehen? Auch das Trainieren in Singapur war bei dem Klima dort alles andere als easy, außer man geht ins klimatisierte Fitnessstudio.
    Wie auch immer, wie sich herausstellte waren alle unsere Befürchtungen unbegründet, sein Equipment war mindestens genauso gut -, wenn nicht noch besser, als unseres und seine Kondition versetzte uns ins Staunen.
    Wir waren alle auf dem gleichen Level, das entspannte das gemeinsame Projekt.

    Gegen halb elf schlichen wir uns bei immer noch bedecktem Himmel aus dem Ort.

    Unsere Wanderung führt uns heute zur gut zwanzig Kilometer entfernten „Église Notre-Dame“, in „Lugos“, einem Kaff mit knapp eintausend Nasen. Dort haben wir uns mit einem Taxi verabredet das uns wieder zurück ins Hotel bringen sollte und morgen wieder zurück hierher.

    Die Idee mit mehreren Übernachtungen an einem Ort, dafür aber Taxitransfers zu den jeweiligen Start- oder Endpunkten, gefällt uns immer besser. Man bekommt so mehr Urlaubsfeeling, lebt nicht nur aus dem Koffer, und hat nicht ständig das Gefühl auf der „Flucht“ zu sein.

    Unsere verhassten Fichten-Monokulturen scheinen für heute erst einmal der Vergangenheit anzugehören. Stattdessen fanden wir uns in einer schönen Heidelandschaft wieder. Der Horizont und unser Wanderweg waren eine Einheit, viele Kilometer geradeaus, nicht gerade abwechslungsreich, aber immer noch deutlich besser als Monokulturen.
    Dennoch war es kurzweilig weil es immer noch viel zu quatschen gab. Auch der Himmel meinte es gut mit uns und überzeugte mit seinem Blau.

    Mit dem zehnten Kilometer, genau zur Hälfte der Tagesstrecke, beglückten wir die siebentausendvierhundert und elf Bewohner von „Salles“.

    Als wir an der Bundesstraße den Erstbesten, geöffneten Imbiss entdeckten (Untere Kategorie), nutzen wir die Gelegenheit für einen Snack, wer weiß, wann- oder ob überhaupt, die Nächste kommt. Der Wirt machte mit uns vermutlich seinen gesamten Tagesumsatz, wir hielten ihn ordentlich auf Trab.
    Später, noch in Salles, entdeckten wir deutlich bessere Snack-Gelegenheiten, beispielsweise ein schönes Café mit einer ordentlichen Kuchenauswahl, Pech, wir waren bereits so abgefüllt, dass nichts mehr ging.
    Nach einem kurzen Abstecher zur „Église de Salles“ und drei Kilometer weiter hatte uns die unberührte Monokultur wieder. Ja, hier waren sie wieder, die geliebten Kieferplantagen, auch Rahul sollte das Vergnügen haben sie kennen zu lernen.

    Unser Wanderweg mündete nach gut fünfzehn Kilometer in die Bundesstraße „D108E3“, der „Route du Lanot“. Die „Bundesstraße“ war so gut wie unbefahren, was die restlichen fünf Kilometer bis zur Kirche in Lugos deutlich entspannte.

    Da wir zu früh am vereinbarten Treffpunkt waren mussten wir noch einige Zeit auf das Taxi zu warten. Die Kirche „Église Notre-Dame“, der Name war ja wohl völlig übertrieben, gab leider auch nicht allzu viel her.

    Auf dem Weg zurück zum Hotel war die Unterhaltung mit dem Taxifahrer ziemlich angeregt.
    Rahul hat das Talent fremde Manschen furchtlos anzusprechen und in kürzester Zeit in angeregte Gespräche zu verwickeln. Dabei sind seine Fragen oft derart direkt und manchmal auch indiskret, dass Marion und ich direkt rote Ohren bekommen, so auch hier. Nach kürzester Zeit wussten wir alles über unseren Fahrer, er über uns nichts, der Arme.

    Abends wollten wir uns dann im feinen Restaurant unseres Hotels mal so richtig von den Pinguinen verwöhnen lassen. Zwar hatten wir nicht reserviert, bekamen aber als Hotelgäste dennoch einen Tisch.
    Als ich mich jedoch erdreistete meinen unbequemen Stuhl gegen einen bequemeren vom noch leeren Nachbartisch ohne Genehmigung auszutauschen, kam unverzüglich unser „Garcon“ angeschossen und wurde so richtig böse. Er riss mir den Stuhl aus der Hand und knallte ihn zurück zum Nachbartisch. Bei dem habe ich wohl verschissen, na ja, morgen sind wir ja eh hier weg.
    Trotzdem hatten wir noch einen lustigen Abend bei dem Rahul seine „Weinprobe“ ausgiebig fortsetzte. Marion und ich wunderten uns über sein Durchhaltevermögen. Wenn wir aus Singapur zurückkommen, sind wir wegen des Zeitunterschiedes meist gegen achtzehn Uhr Bett reif.
    Rahul hingegen schien gegen Jetlag immun zu sein.
    Read more