• Die kleinen Dinge

    5 december 2024, Laos ⋅ 🌙 21 °C

    Am heutigen Morgen sieht es in unserer Bungalow Anlage nicht viel anders aus als gestern Abend, ein bisschen wie Bauhof. Zwei große Blau-Weiß kariert geflieste Pools in Nierenform vor unserem Bungalow sind fies mit roter Erde verschlammt, die beiden Plastikrutschen total zugewuchert, statt Garten ein vom Traktorspuren zerpflügter breiter Streifen roter Matscherde. Ein paar Blümchen dekorieren die Trasse, aber irgendwie passt das alles so. Die Zimmer sind großzügig, die Dusche hat heißes Wasser, es gibt einen Wasserkocher und eine hübsche Terrasse, was will man mehr.

    Der Himmel ist trüb bewölkt und es ist ziemlich frisch heute morgen, aber wir haben dicke Zudecken und das ist so wunderbar wie notwendig. In einer Ecke vom Bungalow gibt es sogar einen Kamin. Später erzählt man uns, dass es zurzeit ungewöhnlich warm ist, sonst hätte es um die 16/18 Grad tagsüber, an nachts wollen wir da gar nicht erst denken…
    Frühstück in überdachtem Restaurant, kleines getoastetes Baguette, Rührei mit Gemüse drin, dazu eine Fruitplatter und einen Kaffee zum Tote aufwecken.
    Die Zubereitung vom zweiten Kaffee - mich hat der erste noch nicht aufgeweckt - versemmel ich so dermaßen, dass ich einen kleinen Kaffeesee auf dem Tisch verursache. Promt gibt es einen amüsierten Kommentar vom Nebentisch „Wenn wir unsere Trekkinggäste an den Herden der Tribal People in den Bergen kochen lassen, dann sieht das immer genauso aus, ha ha!“.
    Ja, Kaffee filtern über einer Tasse mit einem wabbeligen Teesieb will gelernt sein, da muss ich wohl noch ordentlich üben, puh, wirklich, so eine Plantscherei.
    Der kichernde Kommentator stellt sich mit Deng vor und ist Guide, ein sympathisches Kerlchen. 'Tribal People‘ ist unser Stichwort. Wir machen uns bekannt und setzen uns gleich zu ihm und fragen ihn über die Aktivitäten aus, die man hier so unternehmen kann. „Das hängt von unserer Zeit ab, unserer Lust und unserem Interesse.“

    Es beginnt zu regnen.

    Drei Möglichkeiten gibt es, Trekking im Dschungel und Übernachtung im Zelt im Wald oder Trekking zu einem Bergstamm und Übernachtung im Dorf, in einem Homestay, oder beides zusammen, dann wäre man insgesamt drei Tage unterwegs.

    Es schüttet.

    Zwei andere Reisende wären an der Dreitagestour interessiert, sagt er - dann wären wir also zu viert, was wiederum billiger wäre, sehr gut, sagen wir, deswegen sind wir nämlich hier im hohen Norden, wegen des Dschungels und seiner ethnischen Minderheiten, wie es so schön heißt.
    Aber ist das denn ok, wenn wir deren Dorf heimsuchen und neugierig in ihre Töpfe gucken?

    Es schüttet.

    Ist es. Man ist genauso neugierig, freut sich über Gäste und sie bekommen schließlich auch etwas von unseren Honoraren ab. Und so viele kommen dann auch nicht vorbei. "Bringt man dann vielleicht ein Gastgeschenk mit? Das empfiehlt zumindest der Reiseführer." Salz, Seife, Zahnbürsten und Zahnpasta und Schreibzeug für die Kinder, so in der Art, keinen Süßkram bitte. So erspart man den Leuten den mühsamen Weg in die Stadt, um solche Dinge zu besorgen. Klingt bis dahin sehr gut alles.
    Ausrüstung wird gestellt, unsere Schlafsäcke müssen wir selbst tragen. 130 US$ wenn wir zu zweit sind, weniger, wenn es mehr Teilnehmer werden. Fein, wir sind dabei, übermorgen geht es los!

    Es schüttet.

    Und heute? Heute ist Ruhetag, na ja, ein bisschen vielleicht, mal sehen. Regnet ja erstmal. Wir wollen von einem Zweibettzimmer in ein Zimmer mit Doppelbett wechseln, eigentlich kein Problem, nur müssen wir dazu abwarten, bis die Zimmermädels das fertig hergerichtet haben. Wir hören sie durch die dünnen Bambusmattenwände im Nebenzimmer kruschteln und gschafteln, dann ist plötzlich Ruhe damit und wir hören nur noch den Sound asiatischer Videos - Girlie Break. Warum sollen die Teenager hier anders sein als bei uns, ha ha!

    Wir genießen es im Bett zu liegen und nichts als Pläne für die nächsten beiden Wochen zu machen.

    Der Regen hat aufgehört.

    Das Knistern der Mülltüte auf der Veranda ist das Zeichen, die Mädels sind fertig mit ihrer Arbeit!
    Wir packen unsere Rucksäcke und laufen erst einmal zur Rezeption, Bungalow Nr 5 wird unser neues Zuhause. Ganz nebenbei geben wir auch noch unsere Wäsche ab.
    Unser neues großes Zimmer hat ein wunderbares Doppelbett, ebenfalls einen Kamin.

    Die Sonne kommt raus.

    Wir ziehen uns für Sonnenschein um, Pullis aus, T-Shirts an, marschieren los und begeben uns auf Nahrungssuche, Lunchtime! Statt uns eine Suppe von einer der Straßenküchen zu holen setzen wir uns in das Resto von einem Hostel.
    Meeeep, großer Fehler.
    Unsere Suppen, einmal Gemüse, einmal Bambus, sind ziemlich lasch, kaum gewürzt, kein Grünzeug, wenig Nudeln. Das Pork Larb versöhnt uns dann wieder ein wenig. Allerdings sind die Schnute der Besitzerin und der unangemessene Preis, das mit Abstand teuerste Essen bisher, weitere Gründe diesen Fail bald wieder zu vergessen, das Geld zu vieler Touristen machen eben bequem und gierig.

    Unsere Aufgabe jetzt ist, Geschenke für unseren Besuch in den Bergen zu besorgen. Um ein paar Ecken und ein paar Straßen weiter soll ein großer chinesischer Supermarkt sein. Ein vages Ziel, um dieses Örtchen eingehend zu erkunden.
    Wir staunen doch, wie groß die Gebäude zum Zentrum des Ortes hin werden, wenn man das überhaupt Zentrum nennen kann. Namtha erstreckt sich entlang einer Hauptstraße über mehrere Kilometer, fast schon ein Städtchen. Wie superdörflich und remote sah das gestern Nacht noch aus! Der Verkehr belebt sich etwas, viele größere Schulkinder auf ihren Elektroscootern oder Mamas mit ihren Kleinen hinten drauf sausen durch die Straßen. Auf den breiten Straßen viele bunte Läden, Imbissstände, Handwerkershops, die sehr schwer zu beschreibenden bunten Betonvillen, ältere Holzbauten, asiatisches Neu und Alt, Altmöbel und ungeliebter Hausunrat in den Einfahrten, tropische Pflanzeninseln, ein paar Autos, immer wieder ein rumpelnder LKW an uns vorbei, alles rotstaubig und bunt, siffig und sauber, Auch hier die Unaufgeregtheit, der mäßige Geräuschpegel, alles fließt, ohne Lächeln aber nicht ohne Freude. Unspektakulär aber doch spannend, die kleinen Szenarios am Straßenrand, das Leben der Menschen. Jungs in superbunten Plastik T-Shirts mit asiatischen Superhelden drauf, schwer angesagt bei der Jugend sind auch schwarze Hoodies mit rotem Spinnennetz drauf, Teeniemädels mit plüschigen, übergroßen Jacken mit Kapuze mit großen Schlappohren dran. Mieez. Der hübsche Junge daneben ist ganz glücklich und stolz. Überhaupt, gibt es viele hübsche junge Gesichter hier, später irgendwann verändert das harte Leben auch ihre Gesichtszüge, wie überall.
    Und wie überall, gab es jemals keine Handys? Gab es überhaupt ein Leben vor Smartphone & Co?

    Viele Motorräder parken vor einem größeren Gebäude am Straßenrand, was ist da nur so interessant? Müssen wir gleich mal nachsehen.
    Nach fetten Telefonshops öffnet sich eine riesige Halle mit einem großartigen Markt! Es gibt wirklich alles. Besonderen Spaß macht es durch die Gemüse und vor allem Kräuterabteilung zu gehen, diese Düfte! Dann entdecken wir einige Gemüse, die wir vorher noch nicht gesehen haben, eine Marktfrau lässt und eine pyramidenförmige Wurzel probieren, schält sie extra für uns. Aussen selleriebraun, innen sellerieweiß und schmeckt wie frische Erbsen. Wir verputzen das Ding komplett.
    Wir schnuppern und glotzen uns durch die vielen Reihen, viele essbare Blüten liegen auf den Tischen, Bananenblüten darunter, Wurzeln, Kürbisse, Avocados, Mangos - unsere Schatzis - Zitrusfrüchte, überraschender Weise Kakis, und und und. Chiliabteilung, ein stinkendes Separée für Geflügel, eines für Fleisch. Dafür dass Laos ein Binnenland ohne Küsten ist, gibt es ziemlich viel Fisch, Mekong sei Dank. Die vielen Prawns und Squids würde ich hier im Traum nicht essen. Süßwasserfische gibt es frisch aus dem Becken. Viele fette Kröten warten auf ihre Fans, fiese Sache.
    Vereinzelt liegen Vögel und auch Squirrels zum Verkauf. Wir kaufen kleine Bananen, Kakis und so kleine hellbraune runde Früchte, deren Namen ich vergessen habe. Snacks, Süßkram, Textilien, Schuhe und Körperpflegeprodukte gibts auch.

    Wir verbringen recht viel Zeit in der Markthalle, das Abendlicht, das das Gebälk der Deckrenkonstruktion flutet, zaubert grade das schönste Licht in diese exotische Welt. Wobei eher wir mit unserer seltsamen Fotografierei die Exoten sind. So ein bisschen werden sich die Marktleute schon über uns wundern, immerhin sind wir heute die einzigen Touristen auf dem Markt wie es scheint.

    In die Dämmerung hinein schlendern wir das gute Stück zum Nightmarket zurück. Dabei bewundern wir die etwas entarteten Paläste der reichen Chinesen. Neben mickrig wirkenden Stadthäusern bombastische immer wieder hoch aufragende Betonschlösser mit goldenen Gittern vor neugierigen Blicken geschützt, in chinesischem Neobarock, einem hohen Säulenportal, das gekrönt wird von einem Megakristalllüster, der über allem hängt. Je reicher der stolze Besitzer, desto größer der Lüster, billiger Prunk und Protz. Es gibt auch weniger große Paläste in der gleichen Bauweise, manchmal auch in gängiger Einfamilienhausgröße, sehr seltsame architektonische Auswüchse, die grenzenlose Geschmacklosigkeit, die fast schon wieder geil ist, wie ihr Bauherr vermutlich, in seinem Bademantel aus güldenem Plaste-Sateng.

    Wir kommen auch an dem chinesischen Supermarkt vorbei, in dem wir ursprünglich einkaufen wollten. Da gehen wir dann schon mal auf einen Blick rein. Wie ein Museumsbesuch für uns, zeitgenössische chinesische Lebensart und Kultur. Wirklich alles stammt aus China. Laos ist offensichtlicher Weise eh eng mit China verhandelt, politisch wie wirtschaftlich. Freundschaft! Die chinesischen Investitionen in die Laotische Infrastruktur und Wirtschaft sind sicher ein Segen für dieses arme Land, allem voran die Zugstrecke nach Vientiane, vermutlich auch ein Fluch.

    Juhu, der Nachtmarkt! Rechtzeitig zu unserem Hunger. Knuspriger Schweinebauch, eine halbe, zerhackte Ente, gegrillte Süßkartoffel und Mais und dieser superleckere Papayasalat, den Heike bei der Zubereitung immer mit abschmecken darf. A big Beerlao, klar. Ein Festmahl zwischen all den schmatzenden Laotischen Familien und den wenigen Touristen. Müde rollen wir Nachhause. Wir haben neue Nachbarinnen, drei Amerikanerinnen, die sehr sehr begeistert von ihren Geschichten sind, die sie durch die Bambuswände posaunen. Dazu die schrägen Klänge eine Laotischen Band von einem Nachbarhotel. Unsere Ohrenstöpsel machen alles wieder gut.
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