• Wanderlust

    December 7, 2024 in Laos ⋅ ☀️ 28 °C

    Heute starten wir unsere drei Tage Trekking in die Wälder von Nordlaos, ein etwas müder Start. Ich hatte wegen dieser offenen Zugbucherei eine eher unruhige Nacht.
    Zum ersten Kaffee vor Frühstück und Abfahrt versuche ich gleich noch einmal bei Laotrain einen Zug zu buchen. Und siehe da, es klappt, alle in Frage kommenden Züge nach Luang Prabang sind heute Morgen buchbar! Juhu. Das Portal war wegen routinemäßiger, nächtlicher Maintenance einfach geschlossen, steht da plötzlich auf der Website. Dazu kommt, dass man Züge erst maximal drei Tage vor Abfahrt fest buchen kann. Aha!
    Wir buchen den Highspeed Train von Boten, direkt von der Grenze zu China weg, 21 € für jeden. Puh, mir fällt ein Stein vom Herzen. Dann kann ich auch gleich unser zweitägiges Camp im Elefanten Sanctuary verbindlich buchen, sind noch genug Plätze frei. Klappt also auch.
    Jetzt können wir entspannt unserem Waldspaziergang entgegen sehen. Wir frühstücken gemächlich und lernen dabei einen Engländer kennen. Der rät uns wegen der schlechten Strassenverhältnisse schwer davon ab, von Boten aus zu starten, lieber von Natuey aus, wo wir auch angekommen sind. Nur wenige Taxifahrer tun sich diese lange ‚very bumpy Road‘ nach Boten an und der öffentliche Bus braucht ewig.
    Ich sehe bei Laotrain nach - es hält nur ein regulärer Zug in Natuey an diesem
    Tag, kein Highspeed Train. Ich buche. Dann brauchen wir zwar zwei Stunden nach Luang Prabang statt eineinhalb, sparen aber die zwei drei Stunden Rumpelei nach Boten. Deal. Die ersten Tickets storniere ich sofort und bekomme den größten Teil wieder gut geschrieben. Das war’s aber jetzt.

    Wir lernen unseren Guide kennen, Sula heißt er, seinen stillen aber lächelnden Helfer mit unausprechbaren Namen, und auch unsere Mithikerinnen, Lea und Lucie aus Frankreich. Wir bekommen Schlafsäcke ausgehändigt und Wasser, jeder drei Liter, die müssen bis morgen Abend ausreichen. Brumm, brumm, die Fahrt im Minivan geht los.

    Erster Stopp am Markt, wir warten 20 Minuten bis unsere Guides alle Vorräte geshoppt haben. Weiter geht es nach Norden Richtung chinesische Grenze.
    Auf dem Weg sehen wir zwei, mit dem Roller verunglückte Mädchen. Es muss gerade passiert sein, ein Mädchen steht, eines Sitz mit schmerzverzerrtem Gesicht, der Roller liegt noch im Straßengraben. Wir halten sofort und eilen zu den beiden, die sichtlich unter Schock stehen.
    Die Männer kümmern sich um den Roller, der nicht mehr fahrtüchtig ist, die Frauen um die beiden Mädels. Die Schulter der einen, der Fahrerin, scheint verletzt, sie kann ihren Arm kaum heben, sonst hat sie ein paar blutige Schrammen und vor allem riesen Glück, denn sonst ist nichts passiert. Die Laoten fahren meist ohne Helm, gerade die jungen. Heike versorgt die Wunden und gibt Ibus.
    Unsere Guides organisieren über Vorbeifahrende einen Transport der beiden in ihr Dorf. Mehr können wir nicht machen, wir fahren weiter. Nach etwa 45 min sind wir am Startpunkt, ein weiterer Guide aus einem der umliegenden Dörfer kommt hinzu. Erfreulicher Weise können wir viel Gepäck einer Raftinggruppe mitgeben, die unweit von unserem heutigen Etappenziel vorbei kommen wird. Rucksäcke aufgeschnallt, los geht das Abenteuer.

    Zunächst laufen wir eine gute Zeit bergauf durch eine Gummiplantage. Sila erklärt, dass die Chinesen das Land gepachtet haben und die Pflanzungen besorgen. Ganze Hügel werden abgerodet und zu Gummiplantagen umfunktioniert. Die Chinesen sind auch die einzigen Abnehmer für den Kautschuk. Die Laoten sind einmal mehr komplett von der chinesischen Gunst abhängig. Dazu haben Thailand und China in einem gemeinsamen Projekt eine Straße zu ihren Grenzen gebaut und Laos quasi geschenkt. Laos muss diese Straßen nur instand halten, vom Ergebnis dieses Unterfangens können unsere Rücken jetzt ein paar Geschichten erzählen.
    Den Bauern der Bergdörfer aber bedeutet der Kautschuk ein wichtiges, weil stetiges Zusatzeinkommen. Und die Bergregion ist sehr arm.
    Der Urwald beginnt. Es geht jetzt steil bergauf durch wilden Wald, auf einem schmalen Pfad, roter Lehm, eine gute Stunde, in der wir auch immer wieder Verschnaufpausen machen. Es ist zwar nicht superheiß oder übermäßig schwül, anstrengend ist es trotzdem, unsere T-Shirts sind im Nu klatschnass. Zwischendrin zeigt uns Sula Früchte und Gewürze, die am Wegesrand zu finden sind. Einmal eine supersaure Frucht, bei der keiner über den ersten Bissen hinauskommt, alle spucken wieder aus. Mit dieser zwetschgengroßen Frucht werden Suppen gewürzt. Ein andermal lässt er uns an einer Pflanze knabbern, die er Galanga nennt, bei uns heisst sie Galgant, sehr oft verwendet in der Laotischen Küche. Dann schält er eine bestimmte Palme und gibt uns ihr weißes Mark zum probieren, Rattan nennt er das, das werden wir nachher gekocht als Gemüse bekommen. Die anderen Guides sind eh immer wieder im Busch unterwegs, fix wie Eichhörnchen, naja, gemütlich fix eher, und organisieren unser Essen. Aus einem Stengel einer anderen Palme holt Sula eine fette weiße Made, mal richtig lecker, die behält er für sich fürs Abendessen, sind wir jetzt nicht so traurig. So erfahren wir auch, dass die Hilltribes einen großen Teil ihrer Speisenkarte im Wald finden, was bei drei nicht auf dem Baum ist, wird verspiesen, Frösche, Ratten, Vögel, Maden, Fische, sogar Flusskrabben, Squirrel, einfach alles, dazu immer Klebereis.
    Und so vergeht die Zeit kurzweilig, aber schweisstreibend bis wir bei unserem Lunchspot ankommen, eine kleine Lichtung im Wald. Baumstämme als Sitzgelegenheit und Feuerstelle.
    Die Guides kochen schon fleißig, an einem Feuer werden Fische gegart und Gemüse gekocht.
    Klebereisportionen in Bananenblättern. Mit Bananenblättern ist auch unsere Tafel aus Bambus gedeckt, direkt darauf wird uns das Festessen in Portionen kredenzt, der gegrillte Fisch, Bambusgemüse und grünes Gemüse mit Blüten aus dem Wald, Minibananen als Dessert. Dschungel Cuisine vom feinsten!
    Und wieder Atem für ein erstes vorsichtiges Frage und Antwortspiel unter uns Gefährten. Die beiden Mädels scheinen nach den ersten Eindrücken ziemlich nett. Lea ist 25, Lucie 28, beide leben seit einer Weile in Australien und haben sich auch dort kennen gelernt, sie kleiden sich, ich würde mal sagen, im typischen Boho Backpackerlook, gehen einfach mit kurzen Hosen und T-Shirts in den Wald, immerhin mit hohen Boots, während wir mit dem Erwerb langer Funktionshosen herumkasperln. Lucie hat eine Ukulele im Gepäck, auf der sie ein paar Melodien klimpert, schon viel besser als nur amateurhaft. Der neugierige Sula will das sofort lernen und bekommt seinen ersten Unterricht.
    To be continued.

    Der Dschungel ist eher unspektakulär, vor allem: Grün. Kaum Blüten, kaum Vogelgesang, nur wenig Insekten - der Moskitosturm bleibt uns erspart - , keine Zikaden, kaum Tiere, nicht einmal das Rascheln von Affen in den Baumwipfeln. Ein stilles Vergnügen, ganz wie das Land und seine Menschen. Die Wege, die wir gehen sind dennoch abwechslungsreich und sehr erfreulich in ihrer Erscheinung, schön urwaldig und wild. Ich liebe diese Pflanzen im Urwald, sie haben in ihrer Form und Größe oft etwas sehr grafisches, das dem Wald im Gesamten sehr viel optischen Charme verleiht, Monstera, Fächerpalmen, Bambus, Farne und Co.

    Wir erreichen einen breiteren Fluss, am anderen Ufer lockt ein Strand und eine Holzhütte, die Unterkunft für unsere erste Nacht! So viel unerwarteter Komfort und keine Zelte, juhu! Doch der Fluss zwischen uns, bestimmt 20 Meter breit. Für die Überquerung heißte es Hosen hoch bis zum Anschlag und Schuhe aus. Der Blick auf die Strömung lässt mich vorher noch einen herumliegenden Bambusstab als Stütze aufnehmen, die anderen haben den schon custom made von Sula bekommen.
    Nach den ersten unsicheren Schritten auf und zwischen glitschigen Steinen, man merkt, der sanft fließende und angenehm kühle Fluss zerrt spürbar am festen Stand. Ein Gewackel und Balancieren der wagemutigen Wanderer bis zum ersehnten anderen Ufer. Der Fluss ist plötzlich fünfzig Meter breit, ach was hundert! Ein eiskaltes, gnadenloses Wildwasser, lauernde Blutegel saugen uns gierig in die Tiefe, riesige Fische versuchen uns umzustoßen, Schlingpflanzen zerren an unseren Füßen, Steine weichen plötzlich zurück, glitschige Moosflächen verhindern jeden Halt, ein dramatischer Kampf gegen die bedingungslose Natur - sie oder wir.
    Mein Bambusstock bricht.
    Ich lande im Wasser.
    Klatschnass, also weitestgehend, ha, ha! Musste ja so sein! Der Fluss hat sein Opfer und wird, so besänftigt, umgehend wieder zum unschuldigen Bächlein. Ich habe es nur für die anderen getan, damit wenigstens sie eine Chance haben und ihren Spaß, jawohl.
    Gut nur, dass einer der Guides mir auf halbem Weg den Rucksack abgenommen hat.

    Die Holzhütte ist super, auf Stelzen und geräumig mit kleiner Terrasse. In hergerichtetem Zustand bekommt später jedes Paar sein privates Moskitonetzseparee samt Isomatten, was will man mehr! Vor der Hütte eine überdachte Outdoorküche, davor der Fluss, rundherum wilde Natur, was für ein schönes Fleckchen Erde.
    Wir kommen an, hängen unsere nassen Klamotten über verfügbare Gelegenheiten, Sneaker aus, Flip Flops an, Gelände erkunden und entspannen.

    Vor meiner Flusstaufe war da auch viel Schweiss auf der Haut und der muss weg. Um die Ecke durchs Gebüsch führen Wege zum vorher erspähten Strand. Da stehen improvisierte Hütten aus Bambus, mit Bananenblättern als Dach, ich vermute ehemalige Unterkünfte von Kajakabenteurern. Ein gute Möglichkeit, die Klamotten trocken aufzuhängen.
    Und oohhhh, wie erfrischend ist der Fluss, angenehm kühl und an dieser Stelle ziemlich tief. So gut tut das Bad. Dann wieder frische trockene Klamotten an, am Ufer sitzen, die Ruhe und die schöne Natur genießen, endlich, wie herrlich!

    In der Dschungelküche wird schon fleißig geköchelt, ein Süppchen? Der Dämpftopf für den Reis steht auch schon auf einem Feuer.
    Heike lernt von den Mädels ein Kartenspiel, ich schreibe. Die Dämmerung wird schnell zur Nacht, um 18:00 ist es finster. Sehr hübsch die blaukalten Strahlen der Stirnlampen im Rauch der warm leuchtenden Küchenfeuer.
    Wir unterhalten uns und erzählen schon ein bisschen mehr von uns, das erste Thema natürlich unser aller Reisen, Routen und Pläne, es folgen die Erfahrungen und die Tipps.
    Lucie holt wieder ihre Ukulele heraus und beginnt zu klimpern, bald wird daraus ein Lied, begleitet von ihrer wirklich sehr schönen, melancholischen Stimme. Lea holt Pois aus ihrer Wundertüte, die mit bunten LEDs funktionieren. Und sie startet ihre Übungen, lässt die Pois in Regenbogenfarben um ihren Körper kreisen, kreuzen und wirbeln und sie ist verdammt gut damit, wow!
    Später erfahren wir dass sie mit ihrer Poi-Feuer-Show an diversen Orten Kost und Logie, sogar schon etwas Geld verdient hat. Sie zeigt uns Fotos mit ihr in schwarzem Kostüm, dunkel geschminkt und ihren Pois. Superwitzig, welche Persönlichkeiten man auf seinen Reisen alles kennenlernt.

    Unser Dinner besteht aus einer Gemüsesuppe, inklusive Rattan, Bambus und Blüten, dazu gibt es süßes Tomatengemüse und gekochte Kartoffelsticks. Die Grillage besteht aus Medium gegarten Büffelsteaklets. Die riechen sehr kräftig und ungewohnt, den Büffelduft hatten wir auf der Fahrradtour schon einmal in den Nasen. Und so schmeckt das Fleisch auch, sehr kräftig nach Rind in der Potenz, etwas müffelig. Nicht wirklich unser Geschmack.
    Die Guides essen Pansen und das Büffelsteaks fast roh, Sula seine Made. Den Pansen probieren wir natürlich auch. Aber er schmeckt fies nach Tier und ist gummiartig zäh, für uns nicht kaubar und schon gar nicht essbar.

    Während wir ratschen, bastelt Sula für jeden Ringe aus Bambusrinde, ein anderer Guide schnitzt uns Trinkbecher aus dicken Bambusstangen, jedem wird ein Bildchen in die Rinde geritzt, Heike ein Herz, mir einen Sonnenaufgang über den Bergen. Das werden morgen früh unsere Kaffeebecher sein.
    Unsere Lager sind ja schon hergerichtet, so können wir uns nach dem Zähneputzen direkt auf den brettharten Boden kuscheln. Aber wir sind so dermaßen müde, dass uns der Boden egal ist.
    Read more