• Going Slow

    December 19, 2024 in Laos ⋅ ☁️ 27 °C

    Ja, es war ein Fehler, dass wir gestern nicht die Ohrenstöpsel reingemacht haben. Zwangswecken, Rushhour um 6:30 auf dem Mekong. Trotziges Liegenbleiben, wird zum ausgedehnten Liegenbleiben, zum Kaffeetrinken, zum Baumeln in der Hängematte, zum zweiten Kaffeetrinken und mattem weiter baumeln.
    Die Italienerinnen, es sind jetzt zwei, rattern sich nach stillem Kaffee und Kippchen wie schon gestern wieder ihre Geschichten um die Ohren.
    Schulkinder werden mit Motorbooten am Pier direkt neben uns zur Schule abgesetzt. Kleine Jungs, so zehn bis zwölf schätzen wir sie, bereiten direkt unter uns ein Holzboot für ihr Rudertraining vor, bedeutet erstmal fleißig Wasser ausschöpfen und wichtige Dinge abstimmen. Dann setzen sie sich ins Boot, der Steuermann gibt Kommamdo und wie blöd stechen die vier Ruderer mit ihren Paddeln und ganzer Kraft rhythmisch ins Wasser, wie die Großen. Nach ein paar Metern ist aber schon die erste Luft raus. Sie verschnaufen und machen tapfer weiter, ganz diszipliniert, Respekt!

    Wir würden dann mal frühstücken gehen. Ein gemütlicher Walk durch Don Det Centro, die kleinen Dinge entdecken, Fotos machen. Am Westufer suchen wir ein Restaurant, an dessen Tischen wir wieder flezen und lagern können,
    wieder Shakshuka und Banana Shakes, auf den Mekong schauen und chillen.
    Dann schlendern wir zurück durch den Ort, mit den Augen um jede Ecke. Wir sichten drei weitere Laptops, ein Hotel mit Pool, an dem die Holländer
    von gestern Abend krakeelen und herumlungern, da sind die also tagsüber!
    Das Herumschlendern war jetzt sehr anstrengend, wir müssen dringend Pause machen. Ein nettes Café mit großer Bücherwand und kleiner Bühne kommt uns da gerade Recht. In der Mittagszeit schläft alles, der ganze Ort, wie bei Dornröschen.
    Der Barista quält unsere beiden Kaffees aus der Maschine, er meint es gut mit uns und macht aus unseren bestellten Americanos und Cappuccinos kurzerhand zwei Eiskaffees. Auch gut. Dann legt er sich wieder zurück auf seine Pritsche.
    Nur ein ältlicher Poet sitzt wach, sinniert, dichtet und schreibt seine Texte nieder, dann hebt er an zu rezitieren und sein müder Musenknabe filmt ihn. Ich muss an den Dichter in Ödipussi denken, Loriot mit der knisternden, schwarzen Lederjacke, kraweel, kraweel.
    Der Eiskaffee hat uns komplett platt gemacht, wir müssen uns dringend etwas ausruhen und fahren ins Guesthouse zu unseren Hängematten. Ein netter Herr steckt seinen Kopf aus dem Nachbarzimmer und begrüßt uns sehr asiatisch herzlich. Er sei Koreaner - und wir? Ah hihi, Jelmany, guut, ho ho. Daumen hoch. Er lässt uns über seinen Googleübersetzer fragen, wie lange wir schon hier seien. Hände und Füße müssen ran, um die Kommunikation zu bestreiten, die nach gegenseitigem aneinander vorbei gestikulieren dann aber höflichst und einvernehmlich scheitert. Jeder baumelt leicht missverstanden in seiner Hängematte weiter.

    Für den Nachmittag beschließen wir dann doch noch etwas aktiv zu werden und schwingen uns auf die Räder, in Zeitlupe bittesehr und die Landpartie im Kuhgang. Diese bestimmte Straße, die quer von Don Det bis zur Eisenbahnbrücke führt, die ist für uns Yoga. Sie fließt so gemächlich über die Insel, durch diese super gechillte, mild sonnigwarme Welt aus Reisfeldern und Bäumen, Kühen und Bauernhöfen, das ist wie wenn man eine dicke Tüte geraucht hat, eine Welt aus Watte und Glück.
    Drüben auf Don Khon biegen wir mal nach Links ab, die Straße kennen wir noch nicht. Sie führt entlang einem sehr zerinselten Abschnitt des Mekong, ab und zu klingt das Rauschen von Stromschnellen zu uns herüber. Auf diesem grünen, schattigen Weg gibt es nur den Alltag der Einheimischen zu schauen. Immer viele Kinder, die spielen, lachen, gucken, bei Mama oder Papa sitzen, die ihrer Arbeit nachgehen. An vielen Hütten wird gewerkelt, der Gemüsegarten gepflegt. In all seiner Härte und Einfachheit wirkt das Leben hier dennoch sehr ausgeglichen und zufrieden, dennoch ist die Armut der Menschen hier mit all ihren Bürden sicher nicht zu leugnen. Dann ist das hier vielleicht doch auch eine ein wenig perverse Touristenromantik unsererseits, andererseits helfen wir mit unserem Geld gut mit, dass es für die Menschen hier ein bisschen mehr wird als nur das Minimum.
    300 Meter noch bis zum größten Wasserfall der Inseln, einer der absoluten Attraktionen hier. Eine tektonische Abbruchkante, die über die gesamte Breite des Mekong für ein beeindruckendes, tosendes Wasserpiel sorgt und der Grund waren für das Ende der französischen Avancen.
    Die Tage vorher hatten wir gelesen, dass der Eintritt 200.000 Kip kostet, unverhältnismäßig viel für dieses Land und dieses Spektakel. Als wir jedoch zur Eingangspforte kommen, ist alles leer, kein Kassierer, keine Absperrung, nicht einmal die Gastro ist in Betrieb. Die Tür zur Hängebrücke, bekannt aus YouTube, steht offen. Ungläubig passieren wir die und queren die sehr stabil und neu gebaute Brücke, durch deren Gitterboden man den wilden Sturzbach bewundern kann,.
    Wenn da nur einer wäre. Uns präsentiert sich eher ein nett rauschendes Bächlein, das bestimmt gerne ein bisschen wilder wäre, es ist halt Trockenzeit, der Wasserhahn ist zu.
    Verzweigte Trampelpfade führen weiter durch Gebüsch zu diversen Aussichtspünktchen am Flussufer. Wir können die Stufe sehen, die der Fluss hier überwinden muss, heute in bescheidenen Kaskaden, weiter hinten auch einmal etwas imposanter. Kaum vorstellbar, wie das hier so abgehen kann, wenn man die YT Videos guckt.
    Wir versuchen an weiteren Aussichtspunkten mehr vom der Idee eines wilden Flusses zu erhaschen, kehren dann aber schließlich mit zuckenden Schultern zu unseren Rädern zurück. Zwei kleine Mädels wollen vorher an der Brückenpforte etwas Geld abziehen, sind dann aber mit ein paar von Heikes Kaugummies auch zufrieden, wir dürfen passieren.
    In schönstem, goldenen 17:00 Uhr Licht genießen wir unseren gemächlichen Flow zurück nach Don Det.
    Eine Grundschule feiert in Don Khon, eine kleine Kirmes säumt die Straße, Kinder überall, freudiges Gezeter und aufgeregtes Gerenne. Eine Hüpfburg im Schulgarten, Spickerbuden, bei denen man auch eine Dose Bier gewinnen kann, Luftballons, Spielzeugstand mit diversen Plastik-MGs, Schießbuden, wo Plasikstöpsel mit Luftdruck verschossen und bunt gefüllte Flaschen umgeworfen werden müssen, fürchterlicher asiatischer Kinderpop liegt über dem Ganzen, bunt, laut, aufgeregt, Mamas grillen Spiesschen, der Rauch ihrer Feuer rahmt die ganze Szene im Gegenlicht der späten Nachmittagssonne in pittoreske Dorfpoesie. Dann wieder die üblich unaufgeregte Stille.

    Gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang hechten wir auf Liegeplätze in einem Resto und schlabbern unsere Shakes.
    Es ist gar nicht so einfach in einem touristischen Ort wie diesem eine gute Küche zu finden. Auch wenn wir von einem äußerst niedrigen Preisniveau auch für Essen sprechen, gibt es an prominenten Stellen im Ort durchaus Restaurants mit auffällig erhöhten Preisen - die im Verhältnis aber immer noch supergünstig sind - die Qualität der Gerichte ist jedoch vice versa tendenziell touristengerecht mau.
    Da ist dann aber auch die kleine Suppenküche in einer Nische zwischen den dicken Dingern, die man erst einmal als solche wahrnehmen muss, und da nehmen wir Platz. Wenige Minuten steht eine dampfende, aromatisch duftende, klassische Reisnudelsuppe vor unseren Nasen. Mhhhmm, welch eine Freude für unsere Gaumen. Eineuroachtzig macht das dann pro Person, unglaublich. Essen ist einfach so unfassbar günstig in Laos. Dennoch ist die Essenslust noch nicht gestillt. Vorhin haben wir im Vorbeigehen einem älteren Inder auf sein Werben ein freundliches See You Later zugerufen. Und weil wir ein gewisses Ehrgefühl haben und noch ein bisschen Platz, gehen wir drei Häuser weiter noch zu dem.

    Ein Beamer klatscht dudelndes oldschool Bollywoodkino auf eine Leinwand in einer dunklen Ecke, die schrillen Farben der Deko leuchten aus den Schatten, die Tischdecken an bunter Trashigkeit kaum zu überbieten, juhu, Indien! Der dicke Wirt mit grauem Schnauzer grinst uns fröhlich entgegen. Zwei Salty Lassi bitte, dazu Masala Dosa - yes! - und Auberginen Masala.
    Die Portionen sind gottseidank klein und wir bekommen die Leckerlies noch gut rein in unsere Bäuche. Und jetzt? Einen würdigen Abschluss kann dieser super entspannte Tag nur in der Reggae Bar finden. Gleich um die Ecke, hier ist alles um die Ecke, Schuhe im Meer der Schuhe der anderen Gäste versenken und rein in die große Höhle. Die Reggae Bars dieser Welt sind fast schon wie ein Franchise, sehen alle gleich aus, schummriges Licht, Bob Marley Bilder, ‚One Love‘ und Regenbogen Graffiti an den Wänden, schwere Holzmöbel, mindestens einer mit fetten Dreadlocks, mindestens, lustige, fröhliche, quatschende Leute, Bier und Dübel. Hier in Laos wird viel gekifft, trotz einmal mehr restriktiver Drogenpolitik. Nicht nur Bob schallt aus den Lautsprechern. Sofort das Da-bin-I-dahoam Gefühl. Ein kleines und ein großes Beerlao bitte.
    Auf der Bühne wird genestelt, ein hagerer Italiener, den wir mit einem hageren Kumpanen schon haben herumradeln sehen, wird wohl den Livegig bestreiten. Der runde, schon etwas ältere Laotische Resident Percussionist macht sich mit seinen lachenden Augen schon freudig an den Bingos bereit.

    Pling, pling, der Italiener legt los. Wir trauen unseren Ohren nicht, Sologitarre Fahrstuhlmusik! Eeeek! Brasilianisches Popdudeldu, Santanavergewaltigung, Easy Listening Bossanova. Zu allem Überfuss lässt er sich von einer gruseligen Rhythmusmaschine begleiten, oder er begleitet sie, auf jeden Fall zählt die mit einem Klack, Klack, Klack, jedes Lied an. Er sitzt stoisch da wie ein Schulbub, der Gitarre übt, mit ohne Talent. Der Club hält den Atem an, fassungslos, echt jetzt? Ha ha! Murmelnde Witzchen machen die Runde. Aber er zieht sein Ding unverdrossen durch. Der jetzt noch breiter grinsende Bongomann verleiht dem Ganzen wenigstens ein bisschen Würde, wird aber vom Artist jäh unterbrochen mit der Bitte, das Bongospiel zu stoppen, sonst hört er seine Begleitung nicht mehr. Jetzt müssen wir alle breit grinsen. What a Wurst!
    Lange halten wir das dann nicht mehr aus, auch der lustige Bongomann hat sich getrollt. Wir rollen mit Stirnlampe und Handylicht immer weiter weg vom hellen Touristendorf in die sternklare Nacht, unglaublich schön!
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