• Wanderlust

    15 April, China ⋅ ☀️ 23 °C

    Früher aufstehen als neun schaffen wir nicht. Zum müden Kaffee recherchiere ich, wie wir zum Steinwald in Shilin kommen, unserem heutigen Ausflug. Der ist ca 90 km entfernt von Kunming.
    Das bedeutet eine halbe Stunde mit dem Taxi zum Busbahnhof Ost und von dort mit dem Bus zwei Stunden nach Shilin. Hoppala sage ich nur, dann sollten wir aber langsam mal zügig los, was?

    Über Alipay kann man sich beim Taxidienst DiDi anmelden, dem chinesischen Uber. Das Taxi kommt in zwei Minuten und schnell wie der Wind sind wir für 3,60€ am Busterminal Ost. Auch die zwei Tickets nach Shilin Stoneforest sind am
    Ticketcounter schnell gezogen. Zwei Minuten später rollen wir auch schon auf der Autostrada Richtung Wanderparadies, was für ein Timing.
    In Shilin City einmal 30sekündiges umsteigen in den lokalen Bus zum Steinwald. Eins ist es jetzt. Die ganze Strecke von Hostel bis Steinwald haben wir also in gut zwei Stunden absolviert, hui!

    An der Busendstation und zugleich am Eingang zum Weltkulturerbe sind neben riesigen Parkplatzkapazitäten auch diverse Restaurants für entsprechende Mengen Touristen. Aber wo sind die Massen? Nix los hier, die ganze Anlage ist nahezu leer.
    Wir frühstücken eine feine Nudelsuppe, nach gegrillten Bambusmaden oder Heuschrecken war uns gerade nicht. Wobei, Bambusmaden würden wir schon mal probieren, Sula hatte die in Laos auf unserer Dschungeltour für sich und seine Jungs emsig gesammelt.
    Ein Hatscherer zum Ticketcounter, Mit ihren 18 bekommt Nele noch ein Schülerticket, inkl. Elektroshuttle im Park zahlen wir zusammen ca 30 € Eintritt.
    Es ist ein fieser Parcours durch Händler, die Löcher in die Luft kucken, Obsttandler mit appetitlichen Obsthäufchen in der Auslage und verödete Restaurants, durch die Büsche rollen, bis wir endlich den Shuttleservice zum Parkeingang finden. Große lila Golfmobile werden mit gackernden und wartenden Touristen bepackt. Also doch, hier sind sie also, einige wenige Touristengruppen mit Lautsprecher verstärktem Fähnchenführer am Start. Gemessen an den möglichen Kapazitäten, auf die die ungenutzten Wartereihengitter schließen lassen, aber immer noch ein müder Witz. Da kennen wir ganz andere Dimensionen vom ‚Avatar‘- Nationalpark, damals zwanzig19. Wenn hier Hochsaison ist, muss das wohl ähnlich massenhaft abgehen.

    Vom Eingang weg laufen wir dann zwischen vereinzelt krakeelenden Horden über eine lange Brücke in den Park hinein. Die ersten säulenförmigen Felsenformationen des Steinwalds tauchen auf. Um sie herum bestens gepflegter Rasen und hübsch arrangierte Bäume, Zäune davor, dass auch niemand den Felsen zu nah kommt. Weia, hier sieht es ja aus wie in einem Zoo, nur mit Steinen. Wir sind ja einiges von den Chinesen gewohnt, aber das hier, ein Steinzoo, ernsthaft?

    Auf breiter geteerter Straße geht es weiter bis zu einer Gabelung mit einer Karte vom ganzen Park.
    Der kartoffelförmige Umriss beherbergt einige Quadratkilometer zerklüftetes Gelände durchsetzt mit kleinen Pfaden.
    Rechts vor einem Teich führt der Weg durch den Park weiter auf Teer, links scheint es auf weniger großen Wegen mitten ins Gelände zu gehen. Die Gruppen biegen rechts ab, wir gehen links. Ein Stück weiter darf man dann auch den Rasen betreten, auf dem es sich anfühlt, als ginge man auf weichen Matratzen, und wir kommen näher ran an die hübschen Felsen.

    Und da taucht doch tatsächlich zwischen zwei Felsen ein kleines, grob gepflastertes Wegerl auf, wie ein Geheimgang, Da müssen wir rein, und es öffnet sich ein magisches Wunderland vor uns. In Schluchten zwischen karstigen Steinsäulen, treppauf, treppab, durch engste Passagen, ducken, Bauch einziehen, kleine Lichtungen, großartig, wunderschön! Bizarre Steingebilde bauen sich über unseren Köpfen auf, ausgewaschene Höhlen und Stege, tiefe Schlitze und Spalten neben uns, unter uns. Spannendes und atemberaubendes Gewandere, Gesteige und Gestaune. Immer wieder begegnen uns Grüppchen schnaufender Chinesen, teilweise in gewagten Schuhen und auch tapfer an Stöcken - wie schaffen die das in diesem Gelände? - schwitzende Schweindis und drahtige old Ladies, overequippte Amateurfotografen und verliebte Pärchen, geführt von ihren dauerquatschenden Guides.
    Mal hört man sie in den Canyons, mal ist es still oder hört nur Vögel zwitschern. Natürlich haben die markantesten Felsen romantische Namen, wie z. B. die tausendjährige Schildkröte - doch ein Steinzoo. Vermutlich reden die Guides deshalb so viel.
    Das Zentrum bildet ein chinesischer Pavillon auf einem der höheren Gipfel, von dem aus wir das Panorama und die Ausdehnung des Steinwalds bestaunen können.
    Immer wieder gibt es in Nischen und auf Steinterrassen kleine Steintische, die zum Picknick einladen. Niemand würde sich hier wundern, wenn plötzlich Elfen oder Trolle an einem dieser Tische sitzen würden.
    Wir begeben uns etwas abseits der Standardrouten. Ein Teich von Grundwasser gespeist leuchtet grünlich vor uns auf, über Stege können wir den umrunden und geraten immer weiter aus dem Zentrum in den Randbereich des Waldes. Schön ruhig ist es hier, exotisches Vogelpfeifen, weniger befestigte Pfade, wildere Natur. Dennoch steht hier alles Nase lang eine SOS-Box samt Kameraüberwachung, Auch gibt es immer wieder kleine Shelter aus Holz, Falls es mal einen heftigen Regenschauer geben sollte. Dann wirds hier ordentlich rutschig. Aber alles in allem, alles unter Kontrolle.
    Noch weiter abseits besuchen wir eine Stelle mit antiken Wandmalereien. Unser letztes Ziel, bevor wir uns langsam auf den Weg zurück zum Haupteingang machen. Dazu orientieren wir uns an einem der Wegweiser, die an jeder wichtigen Wegkreuzung stehen - toll gemacht! - und folgen dem nächsten Pfad in Richtung ‚Ringstraße‘. Auf der gibt es alle paar hundert Meter Haltestellen für die lila Shuttlemobile. Nach drei Stunden schweißtreibenden auf und ab, quer und drüber, haben wir uns diesen Luxus verdient, ziemlich warm ist es in der Sonne dazu.

    Erstaunlicher Weise strömen um kurz vor fünf immer noch neue Besucher in den Park. Geführt hat man den vermutlich in einer Stunde im Wesentlichen straff durchwandert. Exit through the Giftshop. Kundenlose Händler halten einem ständig irgendwelche regionalen Probierstückchen vor die Nase, Pilze, Gebäck, getrocknetes Irgendwas. Wir streben zum Busterminal.

    Bis zum nächsten Bus haben wir eine halbe Stunde Wartezeit und Hunger, ein Kaffee wäre jetzt auch sehr nett. Den einzigen Kaffee, den wir finden können, gibts im Kühlregal, braunes Zuckerwasser, dazu Erdbeer Oreos und Mandelkekse, die fürchterlich bröseln. Um 17:00 fährt der Bus, wieder umsteigen in Shilin City und nach eineinhalb Stunden sind wir wieder am Busbahnhof Ost in Kunming.
    Dieses Mal wollen wir die U-Bahn ausprobieren, die hier Station macht. Einmal Umsteigen müssen wir.
    Am Touchscreen Endhaltestelle aussuchen, Anzahl der Tickets auswählen, Alipay scannen. Funktioniert nicht, weia, also bar zahlen. Nach angenehmen 20 Minuten landen wir unweit vom Upland.
    Den abendlichen Hunger würden wir heute gerne mit einem nudelfreien Gericht stillen. Die Suche nach einem solchen Lokal gestaltet sich schwieriger als gedacht und führt uns weiter und weiter weg von unserer Bleibe und tiefer und tiefer in die City. In der Gegend, wo wir am ersten Abend waren, reiht sich ein Restaurant neben das andere. Hübsch anzusehen, die traditionell nachempfundenen rustikalen Holzhäuser mit sehr ansprechenden Restos darin. Nur bieten die allesamt Nudelgerichte an, gefühlt immer dasselbe in anderem Marketinggewand, meistens mit Schweinehack. Keine strangulierten, rot karamellisierten Enten- oder Hühnerleiber in der Auslage, auf deren zarte Brüste wir Lust hätten.
    Einmal versuchen wir es in einem dieser schicken Lokale, weil der Hunger größer ist. Blöd aber, dass man die Speisenkarte scannen muss und die digitale Karte sich nur auf Chinesisch präsentiert. Auch mit Google Übersetzer würden wir final scheitern, denn die fertigen Gerichte werden am Küchentresen zur Abholung ausgerufen. Eine zu große Challenge jetzt für unseren noch größeren Hunger.
    Rauf und runter, nix. Ein rustikales Restaurant bietet Rinderspiesschen an und eine Art Gulaschsuppe. Dann da. Sehr fein schmeckt mir das, die Suppe mit dicken Nudeln, tatsächlich etwas nach Gulasch, wie wir es kennen, aber feiner mit Minze und dem obligatorischen Sezchuanpfeffer. Nele verweigert die Nudelaufnahme und hält sich an die Spieße.

    An einem Stassenstand sucht sie sich dann gedämpfte Teigaschen aus, an einem Obststand geschälte Ananas und Papaya. Eine ganze halbe Stunde dauert der Nachhauseweg, wir sind komplett durch, als wir ankommen. Aber Teigtaschen und Obst schmecken sehr lecker, besänftigen und trösten. Eigentlich wollten wir ja nach einem schnellen Essen den schönen Tag chillender Weise auf der Terrasse ausklingen lassen, stattdessen eine weitere kleine Wanderung in einem anderen Steinwald. Hätten wir doch einfach mal im Restaurant vom Hostel gegessen… fällt uns jetzt ein, ha, ha.
    Packen noch, duschen noch, aber dann: ausruhen!
    Ein furchtbar lachgackernder Mann und sein spanischer Geschichtenerzähler halten mich dieses Mal Ohrenstöpsellosen bis tief in die Nacht wach, um 7:00 muss morgen Früh schließlich der Wecker gehört werden.
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