• Next Stop: West Kowloon

    21 April, China ⋅ ☁️ 15 °C

    Unser Hotel in Kunming steht direkt an einer vierspurigen, belebten Straße. Das nehme ich zum Anlass kurz etwas über die neue Ära der Mobilität zu erzählen, weil es mich hier in China doch im Laufe dieser Reise immer wieder schwer beeindruckt.
    Um 22:00 werden die Straßen Kunmings schlagartig leer, es gibt kaum noch Verkehr. Und der ist tagsüber bis auf gelegentliches Gehupe eher flüsternd unterwegs. Die Geräusche der Straßen sind hier mehr ein Gesurre als dieser fiese dröhnende Lärm der Verbrennermororen. Es ist eine ganz neue Erfahrung in einer asiatischen Großstadt, überhaupt in einer Stadt, bei offenem Fenster zu schlafen, bei weitgehender Stille und sehr guter Luftqualität. Wenn etwas laut ist, dann die fröhlichen Chinesischen Nachbarn.
    Die einzigen Benziner, die man noch sieht sind die bekannten Deutschen Fabrikate, von denen noch einige unterwegs sind. Sämtliche Roller und Leihfahrräder sind elektrisch. Von diesem Zustand sind wir in Europa noch weit entfernt, ich bin sehr gespannt, wann wir in Europa das endlich mal auf die Kette kriegen. Shame on Europe, shame on me.

    Um 6:00 Uhr klingelt der Wecker und beendet die kurze Nacht. Nach einem Kaffee sitzen wir 40 Minuten später im DiDi Taxi. Die Sonne geht auf, die Strassen wachen langsam auf und wir flutschen in knapp 40 Minuten zur Kunming South Railwaystation, vorbei an modernen, aber tristen Hochhaushaufen in den Suburbs, zwischen denen die aufgehende Sonne durchblitzt. eTicket- bzw. Passkontrolle läuft glatt wie immer. Bis zum Boarding haben wir jetzt eineinhalb Stunden, die wir mit Schularbeit und Schreiben nutzen.

    Um 9:10 nehmen wir Fahrt auf. Die ca 1.400 km reisen wir erster Klasse, was bedeutet, dass wir bequeme Sitze haben, sehr viel Fußraum und einen sehr beflissenen Service. Zur Begrüßung gibt es ein Wasser und eine Box mit kleinen Snacks, ein Happen Trockenente, Surimi, salzige Kekse, Rosinen. Die Servicedamen sind sehr Retro gekleidet, ich muss unweigerlich an Illustrationen aufs den Fünfzigern denken.
    Die nächsten fast acht Stunden verbringen wir mit vakuumisierte BBQ Hühner mit heißer Nudelsuppe essen - in den Chinesischen Zügen gibt es immer eine Zapfstelle für heißes Wasser - , Schlafen, Schularbeiten, Schreiben und aus dem Fenster kucken.
    Aus dem Boden gestampfte Trabantenstädte sausen vorbei, Hügellandschaften, Dörfer, viel viel Landwirtschaft, Reisterrassen, wir passieren die malerische Gegend von Guillin mit ihren charakteristischen Karstbergen. Es wird spürbar wärmer und grüner, 35 Grad werden als Außentemperatur angegeben, Bananenpflanzen und Palmen gehören bald zum Landschaftsbild, immer wieder große Windparks auf Hügelketten, auch ein neuer Anblick in China, das endlose Shenzen, schon krass, so viel Stadt.

    Wie schnell acht Stunden doch vergehen können, fast überraschend kommt die Durchsage, dass wir in wenigen Minuten Hongkong erreichen.
    Hurtiges Streben zur Immigration, noch ist Hongkong nicht Festlandchina. Geht alles zügig, hello Hongkong!
    Bäm! - ist das warm hier! Feuchtwarme Tropenluft klatscht uns in die Gesichter als wir aus dem AC gekühlten Bahnhof kommen. Ich mag das ja, mein Tropenherz hüpft, willkommen daheim, Nele leidet, sie kann diese warme Luftfeuchte gar nicht ab. Sofort rinnt der Schweiß. Bei den Reisevorbereitungen hatten uns die Wetter und Klima Apps Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad prospektiert, das tropische Hongkong haben wir wohl übersehen, so haben wir nur lange Hosen eingepackt. Das war bisher auch perfekt, jetzt sind lange Jeans definitiv nicht das richtige Outfit. Schwitz.

    Vom Bahnhof West Kowloon sind es nur gute 20 Minuten Laufstrecke zu unserem Hotel in der Nathan Road, dem Prudential Hotel. Zur Orientierung: Im Untergeschoss des Hotels befindet sich direkt die Metrostation Jordan Road.
    Der erste Eindruck von Hongkong: sehr warm, sehr hoch, eng, bunt, laut und busy und es stinkt nach Verbrennermotoren.
    Schwitzend entern wir die Lobby im zweiten Stock des Hochhauses, herrlich diese Klimaanlage. Wir bekommen ein Zweibettzimmer im 12. Stock. Schön geräumig ist es. Diese Geräumigkeit war mir die paar Euro mehr wert, als ein Minizimmer mit 7 bis 8 m2 in einem dieser Appartmenthäuser ringsum, die es zuhauf an der Nathan Road gibt. Der Blick durchs große Fenster ist großartig, nur dass direkt vor uns eine noch erdgeschossige Baustelle in einer Baulücke einen neuen Skyscraper entstehen lässt.
    Aber die Fenster sind wohl einigermaßen schalldicht, hoffentlich. Denn auch die Straßen lärmen wieder, allen voran die unzähligen Doppeldeckerbusse, die highspeed durch die Strassenschluchten brettern.
    Nach dem wir uns eingerichtet haben und frisch gemacht, fahren wir als erstes mit dem Aufzug in den 17. Stock auf die Dachterrassse. Der Pool dort ist schon geschlossen. Im dämmernden Abendlicht bewundern wir den Rundumblick. So viele hohe Häuser auf so engem Raum haben wir auch noch nicht gesehen. Unten in den Straßen Großstadt Remmidemmi, oben Häuser und Lichter. Sehr geil.

    Unser erstes Ansinnen sind tropentaugliche Klamotten. Unweit befindet sich die Shoppingmall Miraplace. Ich konnte schon viel über die praktische Nähe vom Hotel zu dieser Mall lesen. Im Vergleich zu anderen Malls, selbst in Berlin, erscheint mir Miraplace jedoch eher mickrig, das Angebot an Shops ist recht übersichtlich. Aber wir brauchen nur den einen Shop, der passende kurze Hosen oder Röcke anbietet.
    Ich werde fündig im GU, ein Shop ähnlich H&M & Co., zwei kurze Hosen, zwei kurzärmlige Hemden. Die Preise liegen etwas unter denen von H&M bei uns, gerade noch günstig vielleicht, aber keine Schnäppchen. Nele findet leider nichts für sich, ist aber auch etwas picky mit ihrem Style.

    Viele Modeläden gibt es hier in Kowloon auf unseren ersten Blick nicht gerade, entweder ist die Auswahl sehr spießig oder wir finden die Shops schlichtweg nicht, weil sie vllt im 12., 15. und 17. Stock von einem dieser Hochhäuser sind? Oder ganz woanders…

    Wir machen weiter mit unserem Orientierungslauf und peilen die nahe Templestreet an, die wegen ihres Nightmarkets bekannt ist. Bunte Schirme hängen kopfüber über der ganzen Straße, hübsch anzusehen. Und so schaut’s dann aus, Streetmarket mit Souvenierständen: ja, Streetfood: nicht wirklich.
    Das genau hätten wir uns für einen Nightmarket gewünscht, Hongkong Streetfood. Macht aber auch nix, denn jedes zweite leuchtend bunte Ding in den Straßen ist eh ein Restaurant oder Imbiss. Eine solche Dichte von Küchen habe ich noch nie gesehen. Das Angebot ist erschlagend, es gibt so unfassbar viel leckeres Zeug zu essen. Allerdings sind die Preise im Vergleich zu China ziemlich sportlich, darauf müssen wir uns erst einmal einstellen. Wir fühlen uns irgendwie überfordert, vllt ein bisschen kulturshocked, und versuchen uns zu entscheiden.

    Mein wichtigstes Accessoire sind meine abschwellenden Nasentropfen gegen meine chronische Nebenhöhlengeschichte, die ich immer in der Tasche dabei habe, ohne diese Tropfen schmecke ich nur wenig. Also immer schön rein damit, ich komme mir schon vor wie ein Junkie, ha ha.
    Mit freier Nase schmecke ich dann auch das leckere Chana Masala, das Paratha und das Salty Lassi, auch Neles Chicken Tikka Masala ist sehr fein. …wir sind doch glatt beim Inder gelandet! In Hongkong schwirren auffällig viele Inder herum, schwer zu sagen, ob mehr Touristen oder Expats. Auf jeden Fall, auch hier sitzen Inder auf Elektrobikes und fahren Essen aus.

    Im SevenEleven holen wir uns zwei Tsingtao Bierchen und fahren im Hotel gleich durch in den 17. Stock auf die Dachterrasse, den warmen Abend und das Panorama genießen. Die dicken Wolken über der Stadt reflektieren das bunte Glühen Hongkongs. Es ist ja so schön, so Großstadt! So viel hat man seinem Leben über diese Stadt schon gehört, so oft ist man über diesen Namen schon gestolpert, so viele Bilder im Kopf. Wir können kaum begreifen, dass wir in Hongkong sind, ich fühle mich ein bisschen wie beim Pyramiden Anfassen.
    Um 23:00 scheucht uns ein Hotelmensch von der Terrasse. Gespannt auf die nächsten Tage gehen wir brav ins Bett.
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