Ich gehe.

februar - oktober 2024
  • WildeHilde
Es gibt einen Plan.
Schließlich braucht’s
was zum Verwerfen…
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  • FalkenraubmöweMitternacht

    11. Juni

    11. juni 2024, Sverige ⋅ ☁️ 3 °C

    Obwohl ich schon um sieben aufstehe, komme ich doch erst gegen neun los, mußte am Morgen noch Winterreifen aufziehen. Es hat bis mindestens um Mitternacht geschneit. Es ist nicht absonderlich kalt, entsprechend ist der Schnee nass und es taut. Ich lasse mir trotzdem ein Bad im Bach am Morgen nicht nehmen, wer weiß, wann wir wieder Schnee kriegen. Während der Weg von der Hütte aus nach einer Hängebrücke erst mal für einige Zeit lang steil aufwärts geht, ist jeglicher Pfad jetzt als Rinnsal ausgebildet, in dem ich nass in nass laufe. Oben auf dem Plateau wird es mehr ein stehendes Gewässer, so dass das Wasser tiefer ist, in dem ich die ganze Zeit rumpatsche. Erstmals heute auf dieser Reise sehe ich ein paar Falkenraubmöwen. Ich beobachte sie erst mal genau, da ich eine Erinnerung der besonderen Art vom nördlichen Kungsleden habe, hier ist mich eine der Möwen damals mehrfach angegangen. Ist dann immer sturzflugartig bis ca. 3m auf mich zugeflogen. Diese hier sind aber friedlicher. Die einzigen sonstigen Begleiter neben dem Wind heute am Morgen sind Goldregenpfeifer, die ich schon seit Wochen wahrnehme. Sie machen immer und immer wieder ein und denselben Piep, das begleitet mich durchaus eine halbe Stunde lang. Er fliegt 50m weiter, sitzt dort wieder, piept mich an, das geht ewig lange so und stört durchaus manchmal meinen Gesang. Schließlich bin ich eh, was das betrifft, auf wackligen Knien unterwegs und dann stört jemand konsequent immer wieder den Takt, da bin ich raus.
    Trotz der tief hängenden Wolken ist es immerhin trocken von oben und ich hoffe, dass meine Schuhe heute recht lange Freude an dieser Art des Wanderns haben werden. Mein Respekt gilt ja heute den Wanderern mit Trailrunnern. Die laufen unter diesen Umständen in wenigen Minuten voll, trocknen können sie aber kein bisschen.
    Der Pfad als solches ist oftmals nicht zu erkennen und er folgt glücklicherweise aktuell dem Winterweg, wie passend, so dass ich mich tatsächlich eher an den roten Kreuzen orientiere. Dann komme ich an einen Wasserlauf, der zwei Seen verbindet.
    Hier heißt es einmal die Wanderstöcke rauszuholen und zumindest das Telefon wasserdicht zu verstauen. Dann gehe ich vorsichtig über die am höchsten liegenden Steine durch das Wasser. Gegen elf geht’s dann auf ein Tal zu, das schon von weitem grün leuchtet, geschneit hat es da unten nicht. Auf dem Weg runter ins Tal begegne ich der ersten Rentierherde. Sie haben junge Kälber dabei, die noch recht klein sind. In der Größe habe ich sie noch nie gesehen, wirklich niedlich. Ich stoppe sofort und setze mich auf einen Stein, einerseits um sie ein wenig zu beobachten, andererseits ist das die Grundregel, nicht weiterzugehen, sondern zu warten und Ihnen Zeit zu geben, so dass sie nicht fluchtartig verschwinden müssen. Es ist inzwischen ein großes Problem, wie ich schon in den letzten Jahren erfahren habe, als ich hier im Norden unterwegs war, dass die Anzahl der Menschen draußen immer mehr zunimmt und immer mehr „Streetflowers“ dabei sind, völlig unerfahren in der Natur und immer scharf auf ein Foto. Entsprechend werden die Tiere so oft gestört am Tag und müssen flüchten, dass die Ureinwohner, die Samis, damit massive Probleme haben, die Kälber groß zu bekommen. Zum Beispiel achtet das Muttertier, mit dem die Kälber typischerweise unterwegs sind, bei schneller Flucht nicht auf das Kalb, sie verlieren sich also sehr schnell und finden dann nicht wieder zueinander. Damit ist das Ende für den Youngster besiegelt.
    Ich dehne das Ganze aus auf meine erste, längst überfällige Pause und es ist schön zu beobachten, wie sie nach kurzer Zeit schon wieder total ruhig sind. Die Kälber wieder gesäugt werden, sie grasen und langsam weiterziehen.
    Auf dem Weg hinab ins Tal nehme ich wahr, dass die Vegetation hier deutlich hinter der ist, die ich bis jetzt so gesehen habe. D.h. die Birken als auch das Weidengestrüpp sind teils gerade erst am Blühen. Das zeigt, dass die Gesamtbedingungen hier deutlich rauer sind als in der südlicheren Gegend, wo ich bisher war. Unten im Tal an einem Shelter mache ich nochmal eine Pause, hier begegnet mir ein älteres wanderndes Ehepaar, das scheinbar auf einer Tageswanderung ist. Sie sollen auf dem Weg heute die einzigen Menschen bleiben, die ich treffe. Und die Rentiere sind hier überall, ständig kommen wieder kleinere Herden dahergezogen.
    Aus dem Tal raus zieht es sich steil im Wald hoch in der Nähe eines größeren Bachlaufs.
    Ziemlich weit oben ist ein schöner Wasserfall und kurz danach muss ich dieses Gewässer überqueren. Das werde ich heute noch weitere fünf oder sechs mal tun. Dazu baue ich wieder alles um nach dem Standard-Procedere, allerdings immer mit den Wanderschuhen.
    Wieder auf dem freien Plateau angekommen, pfeift ein scharfer Wind und ich fühle mich sehr schwach, seitdem es steil hoch auf den Berg ging, sodass ich ständig stehe und Pause mache und mir sehnlich in 3km die nächste Hütte wünsche. Auf dem Weg dahin überlege ich, ob ich dort bleibe. An der Rasthütte Svaaletjahke angekommen esse und trinke ich noch mal was, lege mich dann eine Runde hin und schlafe und so wird es sechs, bis ich wieder aufwache. Bis zur nächsten Hütte sind es 8km und nachdem ich eine Zeit lang hin und her geknobelt habe, entscheide ich mich doch, noch einmal aufzubrechen. Draußen rum ist es aktuell trocken, allerdings weiterhin sehr kräftiger Wind aus West, der mich als laufende Schrankwand gut im Griff hat. Nach dieser Pause läuft es sich wieder geschmiert, da war ich wohl unterzuckert vorhin. Dann begegne ich wieder einer Falkenraubmöwe, die ich dieses Mal sogar toll einfangen kann. Es geht jetzt leicht abwärts in ein grünes Tal, ich kann kilometerweit den Pfad erkennen.
    Gegen acht wird es für heute zum ersten Mal richtig hell, für zehn Minuten kommt die Sonne raus und es gibt eine Portion blauen Himmel, ein wunderbarer Moment.
    Gegen neun erreiche ich die Fjällstuga Fältjägaren, deren Name wohl keiner Übersetzung bedarf. Und den sie in Gedenken an drei Feldjäger bekommen hat, die hier bei einer Übung im März 1944 bei einem Schneesturm ums Leben gekommen sind. Und nachdem ich es seit Tagen erwarte, ist es heute soweit: Ralf, der Holländer sitzt hier schon seit dem Nachmittag und hat Feuer an. Seit über zwei Wochen sehe ich auf dem Pfad immer wieder einen bestimmten Schuhabdruck, von dem ich immer annahm, es kann nur seiner sein, er ist mir nicht weit voraus. Und so kralle ich mir erstmal gleich einen seiner Wanderstiefel und Bingo, das Profil passt. Was für eine Freude, da wird es beim Essen und Plaudern doch gleich wieder Mitternacht.
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  • Im Vordergrund das Helags-Massiv, links hinten Sylarnas
    GoldregenpfeiferSuchbild: Finde die Einraumwohnung.

    12. Juni

    12. juni 2024, Sverige ⋅ ☁️ 6 °C

    Auf nach Helags! Aber ruhig, erst mal wird zusammen in Ruhe gefrühstückt, die Bude bezahlt und klargemacht. Schließlich haben wir hier in einem richtigen Bett geschlafen, konnten den Gasherd, den Ofen und einige andere Annehmlichkeiten nutzen. Dann starte ich mit Ralf um halb zehn bei kaltem Wind, aber blauen Himmel und Sonnenschein zur gleichnamigen Fjällstation, die östlich des Massivs liegt. Dort werden sich unsere Wege ab heute trennen und wahrscheinlich werden wir uns in Richtung Norden nicht wiedersehen, obwohl wir quasi die selbe Destination haben. Von unserem Startpunkt, der Fjällstuga Fältjägaren, kann man links des Helags-Massivs (1796m ü.M.) auch schon das Sylarnas-Massiv (1762m ü.M.) sehen, das ich morgen ebenfalls an seiner östlichen Flanke passieren werde. Es läuft sich wunderbar, einerseits bei diesem tollen Wetter, aber auch der Weg und das Auf und Ab ist eine Freude. Kaum sind wir eine halbe Stunde unterwegs, begegnen wir der ersten Rentierherde. Die Tiere sind einigermaßen abseits des Weges, so dass wir weiterlaufen können und sie nicht besonders stören. Beim Laufen unterhalten wir uns die ganze Zeit und bleiben recht häufig stehen, um das angefangene Wort in Ruhe und auch akustisch verständlich zu Ende zu bringen, da das Laufen auf dem Pfad meistens nur hintereinander möglich ist, und da ist die Unterhaltung auf Dauer recht müßig.
    Kurz darauf begegnet uns noch einmal eine kleine Herde Rene, wir bleiben stehen, beobachten sie und geben ihnen Zeit, unseren Weg zusammen mit den Kälbern zu kreuzen.
    Zu unserer Linken haben wir hoch aufragend das schneebedeckte Bergmassiv, zur Rechten sehr weite grüne Flächen gespickt mit Seen. Es werden jetzt ständig mehr und mehr Bergkuppen oder -Spitzen, die jenseits der 1700m liegen und deutlich mit Schnee bedeckt sind.
    Nach gut 2 Stunden machen wir die erste Pause, gegen halb drei, wir sind jetzt schon seit einiger Zeit auf einen Ausläufer des Bergs hinaufgestiegen, machen wir unsere Mittagspause. Es ist ein prächtiger Platz, der trotz der Höhe nicht zugig ist und uns einen weiten Blick übers Land bietet. Der Wind hat teilweise komplett aufgehört und so genießen wir die Sonne und absolute Stille. Entsprechend dauern die Pausen recht lange, da wir beide kaum bereit sind, wieder aufzubrechen. Wir stellen recht simpel fest, dass wir gerade mit Nichts und Niemandem das hier eintauschen wollen. Ich freue mich innerlich und sicherlich merkt man es mir auch an, dass wir uns beide so viel Zeit nehmen. Heute ist eine so tolle gemeinsame Atmosphäre, mal ganz vom Wetter abgesehen. Und so schaffen wir es, für ganze 13km bis am Nachmittag um fünf zur Station zu brauchen. Hier sitzen wir noch mal für anderthalb Stunden zusammen, kochen uns einen Kaffee und verabschieden uns gegen halb sieben. Jeder von uns will jetzt noch ein bißchen Strecke machen, obwohl das für den heutigen Tag nur noch Beiwerk ist. Ich laufe ab Helags noch gute 9 km bei steiniger werdendem Gelände und habe das Sylarnas-Massiv schon die ganze Zeit vor mir. Zügig platziere ich noch meine Einraumwohnung auf einer kleinen Anhöhe, stiefele noch mal schnell runter zum Fluss, um alle Wasserflaschen zu füllen und nachdem ich noch was gegessen habe, ist gegen halb zehn Feierabend.
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  • Grabenkämpfe auf hohem Niveau.Das türkise Schimmern im Oval rechtsDas Innere des Sylarna-Massivs

    13. Juni - Bergfest

    13. juni 2024, Sverige ⋅ ☁️ 10 °C

    In der Nacht gab es ein paar mal Regen, nicht sonderlich stark und außerdem lag ich auf der richtigen Seite der Zeltplane. Jegliche Feuchtigkeit haben Wind und Sonne am Morgen schon verdampft und sie bitten mich ab um sieben herauszutreten. Ich gehe gleich bei der Gelegenheit runter an den Fluss Handölan und nehme ein kaltes Vollbad. Nach dem Frühstück ist schnell alles verpackt, es ist deutlich das Schrumpfen in all den Fresstüten zu erkennen, morgen Abend will ich schließlich schon in Storlien sein, bis dahin wird es reichen. Bei herrlich bayrisch-kariert beleuchtetem Bergpanorama starte ich gegen neun, es zieht sich jetzt noch einige Kilometer an diesem schönen breiten Fluss entlang. Kaum bin ich eine Viertelstunde unterwegs, da gehen schon zum ersten Mal wieder die Schranken runter und ich lasse eine Herde Rentiere in Ruhe ein wenig ins Abseits ziehen. Obwohl der Wind einigermaßen frisch ist, lege ich nach kurzer Zeit das Hemd ab und bin wieder nur in meinem Terence-Hill-Shirt unterwegs, wie ich es nenne. Ich liebe dieses Teil, es wird mir mit jedem Tag, an dem ich es trage, etwas kürzer, hat inzwischen einige Löcher und mit der wilden Friese oben auf dem Schädel fühle ich mich tatsächlich wie in einem dieser brillanten Schinken aus den Siebzigern.
    Nach einer halben Stunde erreiche ich eine kleine Schutzhütte, die ich auch gestern Abend durchaus noch hätte aufsuchen können, aber nein, nicht für Geld und gute Worte, ich wollte unbedingt draußen schlafen.
    Während der ersten Frühstückspause ist es immer noch wunderbar sonnig, weiße Quellwolken türmen sich, aber der Wind hat deutlich aufgefrischt, so dass ich mir einen Platz hinter einem großen Stein suche, wo ich windgeschützt sitzen kann. Richtung Mittag zieht sich der Weg stetig einen Pass hinauf Richtung Sylarnas Fjällstation. Es sind noch einige Schneefelder zu überqueren, die allerdings dank der niedrigen Temperaturen soweit tragfähig sind, dass ich ohne einzusinken darüberlaufen kann.
    Auf dem Weg rauf sehe ich in einiger Entfernung in einem Schneefeld etwas merkwürdig grünlich-bläuliches schimmern. Das schreit natürlich nach: Komm und guck mal genauer, was hier los ist. Ich gehe vom Weg ab, dieses Mysterium aufzusuchen, an eine riesengroße Stelle, in der der Schnee in einer leichten Senke kreisförmig in sich eingebrochen ist. Während ich anfangs noch befürchte, diese Farbe würde beim Näherkommen oder aus einem anderen Winkel verschwinden, wird es umso intensiver, je dichter ich herankomme. Also bleibt mir nichts übrig, als diese riesengroße Stelle aufzusuchen, natürlich mit größter Freude. Was für ein merkwürdig schöner Ort, einerseits circa 4m hohe Schneemassen, auf denen ich stehe und die hier in Form eines riesigen Ovals zusammengefallen sind und dann dieses Türkis-Blau, was an einer Stelle aus dem Spalt scheint. Es ist tatsächlich das Blau des Himmels, dass sich durch eine besondere Schräglage des abgebrochenen Schneestücks auf der anderen Seite so schön widerspiegelt.
    Ich laufe weiter aufwärts über das gesamte Schneefeld und arbeite mich auf den Pfad zurück, habe dabei aber, das merke ich erst später, eine Weggabelung verpasst, an der ich rechts hätte gehen sollen, jetzt aber auf dem linken Teil bin. Der geht zwar grundsätzlich auch Richtung Fjällstation, aber mit einem kleinen Umweg. Und wie es mit Umwegen so ist, bringt der mich genau an die Stelle, wo ich einen direkten Blick ins Herz des Sylarnas-Massivs habe. Der andere Weg führt etwas kürzer um einen Riesenklumpen-Berg herum, der mir genau diese Ansicht zu 100% verwehrt hätte. Dann nenne ich mich doch selbst Glückspilz. Ab hier geht es jetzt noch gute zweieinhalb Kilometer abwärts Richtung Station. Es ist ziemlich steinig und viel Geröll, aber dafür habe ich es ja bisher ziemlich angenehm gehabt. Kurz nach eins erreiche ich diese Riesenanlage, die eher einem Hotel als einer Hütte im Fjäll gleicht. Sie haben wieviele Betten und ein Restaurant, extra Strom hier hoch gelegt, da man vor Jahren erkannt hat, dass damit Geld zu verdienen ist. Leute fühlen sich hier wie in echter Natur, haben aber ein gemachtes Bett und Essen, das serviert wird. Das bringt die Massen hier raus und genau die Probleme mit sich, gegen die man jetzt wiederum Stück für Stück anzukämpfen beginnt. Die nächste Station auf meinem Weg zum Beispiel, Blåhammarens Fjällstation, hat ihren Pachtvertrag nur deshalb wieder verlängert bekommen, weil das Restaurant geschlossen wird. Die Mengen von Menschen, die nicht viel mit Natur als solches am Hut haben, sondern mehr um der Erlebniswelt wegen hier sind und die Störungen für die Umwelt, die sie mit sich bringen, speziell für die Rentiere, sollen im Sinne der Natur und der Sami-People reduziert werden.
    Während ich noch Pause mache, kommt eine Wanderin rein, es ist Eva aus Estland. Sie lebt hier in Schweden und ist häufiger mal in dieser Region im Fjäll unterwegs. Wir unterhalten uns noch mindestens eine ganze Stunde lang, so dass es doch 16 Uhr wird, bis ich von hier loskomme. Der Weg zieht sich jetzt allerdings längere Zeit leicht abwärts und lange Stücken auf Holzplanken, so dass es für mich wie auf der Autobahn vorangeht. Ich verabschiede mich von Sylarnas und habe jetzt wieder weite, grüne, sanfte Landschaft vor mir, die auch sehr gut zu laufen ist.
    Gegen halb sechs mache ich Pause auf einem Bergrücken auf gut 1000m Höhe, den ich inzwischen erklommen habe, von hier ist es ein weiter Blick 30-40KM entfernt in die norwegischen Berge. Auf einmal habe ich eine ganze Meute der Falkenraubmöwen über mir. Ich beobachte seit Tagen mehr und mehr, dass es eher Neugier denn Angriff ist, sie kommen einige Male relativ dicht angeflogen und erkennen, dass es nur Hilde ist, um dann wieder zurück auf den Hochwiesen auf ihr Gelege zu fliegen.
    Die letzten Kilometer ziehen sich einfach wunderbar über das grüne Hochland, ich kann mich rundherum an den weit entfernen Schneegipfeln und dieser kräftig grünen Fläche kaum satt sehen. Dann liegt ein Stein im Weg, ein recht großer Block, dessen Oberfläche glänzt wie ganz viele Salzkristallle. Irgendwie sind heute so magische Effekte auf dem Weg verteilt.
    Und dann habe ich um kurz vor acht mein heutiges Tagesziel erreicht, auf das ich mich so gefreut habe und auch so gespannt war:
    Es ist Kilometer 2150, also genau die Hälfte meines geplanten Weges zum Nordkap. Da es bis hier auch ungefähr mit dem Tagespensum übereinstimmt, hatte ich mir vorgenommen, genau an diesem Kilometer das Zelt aufzuschlagen, wo auch immer es sein mag. Und natürlich ist das auch mal wieder ein guter Grund für eine kleine Feierlichkeit. Es ist vom Plateau leicht ab in eine Senke gegangen, ganz in der Nähe ist ein Bach und ich bin genau an einem kleinen See, schöner kann es nicht sein. Ruckfix ist das Partyzelt aufgebaut und ich sehe aus der Richtung, aus der ich kam, ziehen dunkle Wolken heran. Die scheinen mit Hilfe von merkwürdiger Beleuchtung durch die Sonne die Polarlichter imitieren zu wollen. Und ab um acht höre ich es von Zeit zu Zeit auch schon donnern. Da es hier draußen nicht allzu oft Partys in der Art gibt, habe ich sofort Unmengen von ungebetenen Zaungästen, denen ich aber den Zutritt verwehren muss und mache deshalb eine geschlossene Veranstaltung daraus. Ich habe jetzt gute zwei Stunden Zeit zu essen und mich zurechtzumachen, die dunklen Wolken ziehen immer näher und das Donnern wird heftiger. Ab circa halb zehn entlädt sich ein kräftiges Gewitter mit Hagel und Regenschauer über mir. Ich beende dann auch irgendwann die Veranstaltung. Daß ich mal wirklich so weit laufe, wer hätte das gedacht? Wie es mir dabei heute geht? Na, es geht so halbwegs. 😂
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  • Blåhammarens FjällstationBahnhof Storlien, der Zug nach Trondheim (100km)

    14. Juni

    14. juni 2024, Sverige ⋅ ☀️ 11 °C

    Nach dem Regen am späten Abend war die Nacht ruhig und leicht windig. Am Morgen sehe ich schon auf dem Mesh außenrum die wütende Meute, die mich ausbuht und nur darauf wartet, dass ich rauskomme. Da sie nicht mit Steinen nach mir schmeißen können, tun sie es auf ihre Art, also ist die Aktion „Hose runter, Hose hoch“ sehr schnell abgehandelt.
    Der Weg führt mich jetzt über diese gut zu laufende Riesengrünanlage auf etwas über 1000m ü.M. über die Blåhammarens Fjällstation und ab dann wird es bis Storlien den Rest des Tages abwärts gehen. Entsprechend freue ich mich schon auf diesen Downhill-Tag. Gegen elf erreiche ich die Fjällstation, sie ist so ziemlich der höchste Punkt hier rundherum. Ich lasse mich auf Ihrer Nordseite im Windschatten, aber mit Sonne nieder und habe einen extrem weiten Blick Richtung Norden, kann unter anderem schon Storlien in 15km Luftlinie sehen, wo ich heute Abend sein will. Der Weg ins Tal entlang der Hänge ist steinig und immer mal pampig je nach Wasserlauf, oft führt er durch kniehohes Weidengestrüpp.
    Gegen eins treffe ich den Norweger Thore, der neben seinem Job als Börsianer gerne am Wochenende das volle Kontrast-Programm fährt und heute also auf dem Weg rauf nach Blåhammarens ist. Am Abend will er wieder unten und zu Hause sein, weil es wohl heute Abend ein spezielles Fußballspiel gibt. War da was? Wir unterhalten uns, eine halbe Stunde ist dabei schnell rum, über diese zwei völlig konträren Welten: Stundenlang fokussiertes Arbeiten hinter einem Display und Wandern hier draußen. Was mir heute mal wieder auffällt: Wenn ich mein Start und Ziel erwähne, ist die Antwort ziemlich immer ein entsetztes, bedeutungsschwangeres „Dschiejses“ (der Gekreuzigte). Obwohl es doch von hier in beide Richtungen gar nicht so weit ist…
    Inzwischen habe ich ziemlich die Talsohle erreicht, die ich hier durchschreiten muss. Es ist alles voller Birken und in Kürze auch Nadelwald. Dementsprechend ist Stehenbleiben, wofür auch immer, mit ständig Wischen und um mich gestikulieren verbunden, um die Blutsauger einigermaßen abzuhalten. Kurz darauf, als ich wieder unterwegs bin, passiert mal was ganz eigenartiges, ich gerate in eine Mini-Windhose. Es ist bester Sonnenschein und auch kaum Wind, ich nehme ein heftiges Geräusch wahr, während ich gleichzeitig in 20-30 m Entfernung sehe, wie am Boden jegliche Pflanzen wüst flattern. Und noch bevor ich verstehe, was dort passiert, bin ich auch schon selbst mittendrin und der heftige Wind schleudert mich so an, dass ich sieben, acht Schritte laufen muss, um nicht zu fallen und wieder festen Stand zu haben. Wow, ich stehe und verstehe. Und sehe dem Phänomen hinterher, wie es recht schnell weiterzieht und alles, was am Boden an Bäumen und Sträuchern ist, ordentlich durchgerüttelt wird.
    Die Gegend hier ist übrigens ein ziemliches Kontrastprogramm zu dem, was ich die letzten Tage oben in den Bergen hatte. Gegen fünf erreiche ich Storlien, gleich am Ortseingang ist ein riesengroßer Supermarkt, in dem ich zumindest für heute Abend ein paar Sachen einkaufe. Da ich mit den neuen Schuhen insofern Probleme habe, dass sich schon recht kurze Zeit nach dem Kauf die Geröllkante an einer Stelle zu lösen begann und ich inzwischen noch zwei weitere Stellen hab, möchte ich das im letzten Laden Richtung Norden, der für mich erreichbar ist, klären lassen. Dieser Laden ist in Åre, gute 50 km östlich von Storlien. Gegen halb sieben fährt der letzte Zug, ich bin um sechs kurz vor dem Bahnhof. Dort sehe ich, dass dieser Zug wegen eines Gleisschadens ausfällt und ersatzweise eine Dreiviertelstunde später ein Bus fährt. Da ich zwecks Ausfall des Zuges das Ticket nicht mehr buchen kann, ist diese Fahrt dann für mich am Ende gratis, da es den Busfahrer nicht interessiert. In Åre ist direkt beim Bahnhof ein nettes kleines Restaurant mit eigener Brauerei. Dort gibt es für mich Fischtartar und ein frisches Bier, danach ziehe ich noch einen guten Kilometer weiter an den Strand, um hier zu nächtigen. Der Laden öffnet morgen um zehn, so dass ich ganz in Ruhe ausschlafen kann.
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  • 15. Juni

    15. juni 2024, Sverige ⋅ ⛅ 16 °C

    Bis um Mitternacht hatte ich neugieriges Menschenvolk rund ums Zelt, man schläft hier halt typischerweise eher im Hotel oder guten Pensionen. Recht früh am Morgen kommt ein städtischer Angestellter mit Motorsense entlang des Gehwegs, die glücklicherweise elektrisch und daher recht leise ist. Und er senst auch sehr, sehr zärtlich. Besten Dank dem Meister!
    Nach dem Einpacken gehe ich zurück zum Bahnhof, es gibt hier eine öffentliche Toilette. Unter denen darf man sich nicht das vorstellen, was wir üblicherweise von Bahnhofs- und Autobahntoiletten kennen, hier haben sie eher den Standard eines guten Restaurants oder fast Hotels. Diese hier in Åre ist für 50 Pfennig sogar mit einer Dusche dabei, folglich gibt es für mich das Feudalprogramm am Morgen. Von hier aus gehe ich 500m weiter zu einem Bäcker, den ich mir rausgesucht hatte. Bin erstaunt, es gibt nicht nur einfach ein paar Teilchen, sondern Sie bieten wie in einem Hotel ein Buffet an. Für den Preis bin ich sehr angenehm überrascht, nicht einfach hingeworfene Toastbrote, sondern es ist so umfangreich, so vielfältig, so frisch, dass ich es mir richtig besorge, während ich den vielen Paraglidern oben am Berg zusehe.
    Der Weg zurück Richtung Zentrum führt an der Kirche entlang, die ich erst mal aufsuche und ein paar Minuten die Ruhe genieße. Gegen elf bin ich dann in Naturkompaniet und trage Lisa mein Leid vor. Sehr freundlich und kompetent bietet sie mir anstandslos den Austausch der Schuhe an, holt mir schon das passende neue Paar her. Während ich am Anprobieren bin, sehe ich in der Auslage auch ein Paar, von dem Thore gestern gesprochen hat. Eine andere Marke, die ich aber gerne mal probiere und von der ich sofort hellauf begeistert bin. Sie kosten etwas mehr, aber ich bin gerne bereit, diesen Aufpreis zu zahlen und gehe nach anderthalb Stunden ganz glücklich mit einem neuen Paar Wanderschuhe raus auf den Marktplatz und wachse die neuen voller Hingabe erst mal ein. An den Leuten und ihren Blicken nehme ich wohl wahr, dass der barfüßig wild behaarte in dieser fancy Umgebung doch zumindest mal auffällig ist. Auch genau deswegen finden auf einmal die Finnen Ida und Bjorn zu mir, sie haben gestern Thore irgendwo auf dem Weg getroffen, über mich gesprochen und waren eben auch im Outdoorladen und da ging es wieder um mich. Also war ihnen sofort klar, das muss er sein, der Wandersmann. Übrigens hatte Ralf auch die Tage erwähnt, dass ihn ein Schwede auf dem Weg gefragt hat, ob er der Deutsche aus dem Radio wäre. Es ist die erste Reaktion aus dem Interview, die ich irgendwo wahrgenommen habe.
    Ich drehe noch eine kleine Runde in der Stadt, esse dann was vernünftiges in einem Restaurant, wie meine Mutter es mir aufgetragen hat und nehme um kurz vor vier einen Zug noch eine halbe Stunde weiter in östliche Richtung nach Järpen. Hier habe ich mir ein Zimmer gebucht, um meine Klamotten mal durchzuwaschen und den morgigen Ruhetag zuzubringen. Elvira, die freundliche deutsche Betreiberin holt mich sogar vom Bahnhof ab.
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  • 16. Juni - Ruhetag

    16. juni 2024, Sverige ⋅ ☀️ 12 °C

    Es ist Ruhetag heute. Das heißt, bei Regen am Vormittag ein wenig länger schlafen als sonst und Elvira macht leckere Pfannkuchen zum Frühstück. Es ist schön, hier in dieser privaten Atmosphäre mit ihr und ihrem Mann Joke den Tag zu verbringen und sich zu unterhalten. Am Abend bringt sie mich auch wieder runter zum Bahnhof, so spare ich mir eine Dreiviertelstunde Fußweg. Ebensoviel Verspätung hat auch der Zug, mit dem ich zurück nach Storlien will. Es ist für den letzten Teil der Strecke wieder Schienenersatzverkehr eingerichtet, mit dem die Fahrt natürlich deutlich länger dauert als geplant. Erstens ist der Ort nicht klar, an dem der Bus uns aufnehmen soll, dann wird durchgesagt, wir fahren noch eine Station weiter, weil der Bus diese Station schon verlassen hat. Also wir fahren ihm hinterher. Dort angekommen warten wir dann noch einmal eine halbe Stunde, bis der Bus dann auch eintrifft. Der Busfahrer hat nicht wirklich Infos bekommen und weiß nicht, dass er seinen vollen Bus hier an den Zug übergeben soll und dafür uns mitnehmen soll. So ist er konfuserweise mit Mann und Maus schon wieder kurz vorm Abfahren, als einer der Kondukteure mit ihm spricht und Klarheit schafft. So ist es dann halb neun durch, bis ich in Storlien am Bahnhof stehe. Auf der Fahrt lerne ich noch Alva kennen, eine junge Schwedin, die auf dem Weg nach Insel Hitra in Norwegen ist, um dort zu arbeiten. Es ist sehr angenehm, mit ihr zu sprechen, noch dazu sie so gut deutsch kann.
    Den Einkauf, den ich für heute Abend geplant habe, werde ich doch auf morgen früh vertagen, da der Supermarkt um neun schließt und ich mit allem Hin und Her nicht mehr genug Zeit dafür habe. Der Platz für die Nacht ist aber schnell gefunden, auf der anderen Seite der Gleise ist ein alter Lokschuppen mit integrierter Drehscheibe. Der schreit förmlich danach, mein Asyl zu sein. Und so platziere ich mich direkt neben der alten Lok, die noch hier drin steht. Wann habe ich denn zum letzten Mal im Lokschuppen gelegen?
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  • 17. Juni

    17. juni 2024, Norge ⋅ ☁️ 12 °C

    Seit um fünf ist die Sonne raus und die Wärme lässt das riesige Stahlgebälk über mir wieder laut knacken, wenn es sich ausdehnt. So wie es gestern Abend auch beim Abkühlen immer wieder diese Geräusche gab. Das lässt mich bis um sieben schon noch schlafen, aber nicht mehr so ruhig. Dann heißt es für mich zusammenpacken, gegenüber im Bahnhofsgebäude frisch machen und den halben Kilometer rüber zum Supermarkt. Dort mache ich erst mal Frühstück und gucke noch mal meinen Futtervorrat durch, um mit einer kleinen Liste durch den Riesen-Supermarkt zu laufen. Der hier ist unter anderem so groß, weil die Norweger über die nahe Grenze kommen, um günstig einzukaufen. Mit anschließendem aufwändigen Einpacken, es ist Futter für 180km bis zum nächsten Supermarkt, wird es gut und gern halb zwölf, bis ich Storlien verlasse. Jetzt heißt es: Auf nach Norwegen! Ich werde am Nachmittag über die Grenze gehen und ab dann für einige Wochen dort unterwegs sein.
    Aus der Stadt raus zieht es sich gleich recht lang hoch auf den Berg. Es ist bewölkt, also einigermaßen kühl und gut zu wandern, aber grad oben auf dem Berg weht ein sehr frischer Wind dazu. Gegen halb eins erreiche ich Vindarnas Tempel, eine Art Schutzhütte und mache die vorerst letzte Pause in Sverige. Von hier aus erreiche ich eine Stunde später in circa 3 km Entfernung Norge, wo ich am Riksrøys 161 (Reichsmarkierung) die EU, aber nicht Europa verlasse. Und so sehr ich mich auch bemühe, keine Klischees zu bedienen, habe ich schon über den Berg auf den See zu das Gefühl gehabt, es sieht hier anders aus. Die Felsen, die mich an Karl-May-Filme erinnern, hatte ich so in der Art bisher nicht und auch die Häuser, die am See stehen sind in ihrer Art und Farbe nicht das, was ich seit Hunderten von Kilometern in Schweden gesehen habe. Um das Ganze noch zu vollenden, beginnt es eine halbe Stunde später zu regnen, das höre ich seit wie vielen Tagen in Schweden, wie schön doch Norwegen ist, wenn es da nicht immer regnen würde. Empfangen werde ich von einer Handvoll Bremsen, die aber freundlicherweise nur die neuen Schuhe inspizieren statt meiner Haut. Die ist wohl noch etwas geschmeidiger.
    Es dauert nicht allzu lange und ich habe direkt vor mir ein paar Rentiere, im Verlaufe des Nachmittags sehe ich in weiterer Höhe, teils über den Schneefeldern noch weitere. Es geht die nächsten Stunden entlang der Grenze über diese wunderschöne, sanft rund geformte Landschaft ewig auf und ab und lässt sich durch das begrünte recht gut und weich laufen. Und es ist sehr schön anzusehen, wie die Eiszeit die Felsen hier in mühsamer Kleinarbeit rundgeformt hat. Sie sind nicht so schroff wie bisher, sondern große rundliche Flächen, oftmals auch mit speziellen Mustern, an denen ich sehen kann, dass auch Stein sich ziemlich weit biegen kann. An mehreren Stellen, wo ich über diese weiten Steinflächen laufe, finde ich obendrauf eine kleine Steinkante, vielleicht so dick wie ein Trinkhalm, die sich über die gesamte Fläche zieht und nach oben aufgewölbt ist. Sieht aus wie eine Silikonraupe und ich muss hinfassen, um zu glauben, dass es tatsächlich Stein ist. Frage mich die ganze Zeit, wer das wohl gemacht hat. Und vor allem wie?
    Gegen sechs, nachdem ich heute diverse kleinere Schneefelder überquert habe, sitze ich am Weg und blicke zurück, dahin, wo auch die grauen Wolken seit heute Nachmittag herkommen und sehe ziemlich weit hinten hinter etwas dunstigem Vorhang viel Licht und Azur.
    Um halb acht habe ich an einem Schneefeld, dass sich in einer kleinen Schlucht entlangzieht, einen schönen Platz gefunden direkt neben dem plätschernden kleinen Wasserfall. Das Wasser, dass direkt das Schmelzwasser dieses Schneefelds ist, soll mir noch am Abend zu einem Bad reichen. So kurz war er schon lange nicht mehr…
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  • 18. Juni

    18. juni 2024, Norge ⋅ ☁️ 11 °C

    Trockene Nacht und trockener Morgen heißen doch schon mal etwas Gutes. Der Himmel ist zwar etwas bedeckt, aber ich habe die Sonne schon mal gesehen und ich habe auch schon blau gesehen. Wie würde der Franzose jetzt sagen? My day is done. Das eiskalte Wasser gestern abend hatte doch irgendetwas und so muss ich heute morgen einfach noch mal kurz dort reinsteigen.
    In der Hauptsache starte ich leicht abwärts in Richtung des Sees Fjergen. Hier gibt es eine Schutzhütte, die ich gestern Abend ursprünglich angepeilt hatte. Der Weg als solches ist hier in schöner Regelmäßigkeit mit roten Markierungen gekennzeichnet. Er scheint aber nicht wirklich viel belaufen zu sein wie der deutlich bekanntere Kungsleden und so verliere ich zwischendurch immer mal wieder den Pfad, bleibe stehen und versuche, rot zu sehen. Je tiefer und näher zum See ich komme, desto nasser wird es, desto häufiger verlaufen sich die Spuren. Entsprechend verliere ich hier im Koltjønndalen Naturreservat immer mal wieder den roten Faden.
    Und während es mehr und mehr ein Kampf wird, durch diese nass-sumpfige Landschaft zu kommen, entdecke ich dabei doch immer wieder neue Sachen, die das zu 100% aufwiegen. Da ist heute die erste Jortron-Frucht, auf die die ganze Welt wartet, zumindest die skandinavische. Damit wird Kurt seine Andeutung, Richtung Mittsommer werden die ersten recht früh reif sein, tatsächlich wahr. Kurz darauf entdecke ich die Schlüsselblume, die ich wohl bisher nicht auf dem Weg gesehen habe, oder? Wirklich toll, was hier so alles rumsteht. Für das pampig-sumpfige habe ich inzwischen ein Gefühl, einen Blick, wo ich einfach weiterlaufen kann oder wo ich weiß, in 1 Sekunde bin ich bis zum Knie weg, und mit dem nächsten Schritt versenke ich auch den zweiten Fuß. Entsprechend laufe ich doch den einen oder anderen Umweg, um die völlig unbegehbaren Zonen zu umlaufen.
    Um zehn erreiche ich die Angeltjønnhytta. Angesichts der Tatsache, dass sie mit dem DNT-Key verschlossen ist, der See hier einen sehr niedrigen Wasserstand hat, der Forstdienst hier rundherum ziemlich wilde Sau gespielt hat und auch die Blutsbrüder hier bei 650m Höhe auf mich warten, war es doch eine gute Idee, die Nacht oben am Berg zu bleiben.
    Ach, genau genommen sind es ja Blutsschwestern. Es sind nämlich nur Weibchen, die saugenderweise unterwegs sind, weil sie das Eiweiß aus dem Blut für die nächste Brut benötigen.
    Der DNT (Den Norske Turistforening), das Pendant zum STF in Schweden, ist etwas anders strukturiert. Es gibt hier keine Hütten mit Restaurant und Hotel am Berg, es ist alles simpler und auch die Wege sind durchaus einfacher gehalten. Das nasse Land, was ich heute belaufe, wäre in Schweden zu großen Teilen beplankt, was es hier nicht ist und so überlasst man die Natur mehr denen, die es wirklich wollen. Ich kenne mich mit dem norwegischen System nicht so gut aus wie mit dem schwedischen, weiß aber, dass der Zugang zu vielen Hütten mit einem Schlüssel möglich ist, den ich mir in anderthalb Wochen besorgen werde. Den bekommt nur, wer Mitglied im DNT oder STF ist und kann ihn gegen eine Gebühr von zehn Euro ausleihen. Ich hatte vor der Tour geguckt, ob ich ihn mir bestelle, aber es wäre mit 30€ Frachtkosten verbunden gewesen und so habe ich mir die Orte rausgesucht, an denen ich direkt vorstellig werden kann. Da ich recht frisch in Norwegen bin, ist das in anderthalb Wochen noch völlig okay.
    Es kommen jetzt ein paar Flüsse, die jeweils mit hohen Hängebrücken überspannt sind. Das Wasser hat sich hier tief in die Felsen eingegraben und die haben eine ganz spezielle Maserung, es sind ganz viele dünne Schichten von Steinen aneinander, was herrliche Bilder zeichnet. An einem kleineren See kommt auf einmal eine Wildente auffällig auf mich zugeflogen, ihr Flug mehr schlecht als recht, als wäre sie schon zum dritten Mal durch die Prüfung gefallen. Eine Sekunde später, als ich weiter auf dem See ihre Küken sehe, verstehe ich, welches Spiel sie spielt. Sie mimt mir, als dem Fressfeind, die schwache und leicht zu habende, der ich doch bitte folgen soll, um sie von ihrer Brut weg zu locken.
    Nach der Mittagspause, als ich wieder auf den freien Weiden weiter oben unterwegs bin, gerade an einer jungen Kiefer stehe und die frischen Knospen abknabbere, höre ich Glockenläuten wie auf einer Alm. Erwartet habe ich beim Rundgucken jetzt eher Rentiere, da ich auch bei Ihnen schon mal welche mit einer solchen Glocke gesehen habe, aber in diesem Fall sehe ich drei Schafe in gut 200m Entfernung, so dass ich sie auch nur mit dem Fernglas gut erkennen kann. Sie haben ein ziemlich dickes Fell, wohl ein Mutterschaf mit zwei schon recht großen Lämmern, die hier in der Landschaft auch völlig frei unterwegs sind.
    Ähnlich in der nächsten Pause, als ich an einem Hang sitze und über diese schöne, saftig grüne wellige Landschaft schaue. Ich höre wieder das Geläut, kann aber weit und breit kein Schaf dazu erkennen, bis ich wahrnehme, dass sie gar nicht weit unter mir grasen, es ist nur ein bisschen Buschwerk dazwischen, was mir die Sicht versperrt hat.
    Im Laufe des Nachmittags werden es immer mehr Schafe und Ziegen, die hier überall in der Landschaft unterwegs sind, scheinbar der norwegische Rentierersatz. Sie sind scheu und beobachten mich extrem lange, bis ich wirklich in sicherer Entfernung bin. Gegen halb vier komme ich an einem Hang entlang, an dem großflächig die Birken alle in einer Richtung, nämlich hangabwärts abgebrochen bzw. umgeknickt sind. Die einzige Vorstellung, die ich dazu hab, ist, dass von diesem hohen steilen Hang, unter dem ich stehe, im Winter eine ordentliche Lawine abgegangen ist und hier entsprechend alles wegrasiert hat.
    Trotz der Wolken, die mich schon zur Mittagspause verfolgt haben, hat es sich den ganzen Nachmittag über trocken gehalten. Es sind fantastische Wolkenkonstellationen, die ich rundherum beobachten kann, so auch über dem See Feren, zu dem ich jetzt absteigen werde. Aber kurz vorher, bevor es wirklich runter ins Tal geht, zeigt sich noch ein kleiner, weicher, wirklich niedlicher Gesell. Ein Hase huscht vor mir übers Gras und macht sich, obwohl er schon nicht groß ist, so klein er kann und wartet aber doch geduldig, bis ich ein Foto von ihm gemacht hab. Da freue ich mich doch sehr, dass ich mit meinem Telefon einen ganz guten Zoom habe, um eben nicht weiter herangehen zu müssen, sondern aus einiger Entfernung ein ganz schönes Bild hinzubekommen.
    Gegen sechs mache ich an der Hütte Ferslia die letzte Pause, auch sie ist verschlossen, ich sitze bei gutem Wetter draußen. Gegen sieben beginnt es dann doch zu regnen und ich werde an der nächsten Hütte zusehen, ob ich dort einen geeigneten Platz finde, das Zelt aufzustellen. Hier in dem Gebiet, in dem ich unterwegs bin, ist kein Quadratzentimeter in irgendeiner Form trocken, um dort ein Zelt zu platzieren. Die Dagsturhytte Fersdalen erreiche ich gegen halb acht, sie ist sogar offen und so werde ich hier übernachten und alles was nass ist, trocknen können.
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  • 19. Juni

    19. juni 2024, Norge ⋅ ☁️ 7 °C

    Gegen sieben gehen meine Augen auf, nachdem es die ganze Nacht geregnet hat und auch jetzt noch tut. Ich sehe, dass es ziemlich stark windet, der Nebel außenrum schnell durch den Wald getrieben wird und lege mich für einen Moment noch mal hin. Den Moment definiere ich heute mit anderthalb Stunden, ups, da ist es doch halb neun, bis ich wieder aufwache und mich dem Frühstück widme. Aber ich bin ja nicht auf der Hatz und das sollte sicher wieder mal so sein, denn im Laufe des Frühstücks sehe ich zwischendurch ganz kurz erste blaue Stellen am Firmament, die aber durch die hohe Geschwindigkeit der Wolken ebenso schnell wieder verdeckt sind. Nach dem Frühstück gehe ich noch mal gut 150m runter an den Fluss zum Gewäsch, finde aber die Stelle von gestern Abend nicht mehr wieder. Der ganze Regen in der Nacht hat den Wasserstand deutlich erhöht und da es eh ein Abstieg über eine steile Böschung ist, suche ich mir eine andere Stelle flussaufwärts in Richtung des kleinen Wasserfalls. Hier ist es herrlich, mit den Crocs an den Füßen kann ich ziemlich weit durch das klare kalte Wasser gehen, Herr Kneipp würde mir jetzt sicher auf die Schultern klopfen. Und so ist es am Ende zehn, bis ich loskomme. Der Regen hat seit über einer halben Stunde aufgehört, der Wind tut alles, um das Nass zu trocknen, was will ich denn mehr?
    Diese Freude hält eine gute halbe Stunde und der Regen setzt doch wieder ein, als ich hoch aus der bewaldeten Zone raus bin, kommt ziemlich straffer Wind dazu, der treibt Regen und Nebel fast waagerecht übers Land und zerrt laut an mir. Ich bin gut verpackt, erst nur mit Poncho, später noch mit der Regenjacke dazu und komme sogar besser voran als gestern. Zur ersten Pause sitze ich in einer kleinen Senke, über die der Wind hinwegfegt und habe es dort sogar halbwegs ruhig. Circa um zwölf hört der Regen relativ schlagartig auf, nur der Wind lässt nicht nach. Über mir ziehen sehr schnell die tief hängenden Wolken übers Land. Ich baue soweit um, dass der Wind alle nassen Sachen trocknen kann und vor allem die Solarzelle wieder frei ist, da ich doch bei dieser Halbschatten-Beleuchtung auch von gestern her auf jede Stunde angewiesen bin. Zur Mittagspause an einem sonnigen Plätzchen packe ich meinen geräucherten Kochschinken aus, zusammen mit etwas Brot. Er sieht zwar nicht sehr vertrauenswürdig aus, aber mal schauen was mein Magen dazu sagt. Ich muss bei all diesen Sachen, die eigentlich Kühlung benötigen, etwas vorsichtig sein und sogar beim Brot rechne ich irgendwie ständig damit, dass es mal schimmelig wird. Dementsprechend halte ich mich ran, dass ich diese Sachen immer in den ersten Tagen aufesse, schließlich würden Sie mir in meiner Gesamtkalkulation einfach fehlen, wenn ich sie zwecks Verderb wegschmeißen müsste.
    Jedes Rinnsal, jeder Bach, jede Fläche, auf der irgendwo Wasser stehen kann, schaffen jetzt die Brühe weg, was nur irgendwie geht. Dementsprechend nass ist der Weg, den ich jetzt beschreite. Und obwohl das die Fortsetzung von gestern ist, geht es mir heute flotter vom Fuß, ich fühle mich kraftvoller, vielleicht macht das die eine Stunde länger schlafen.
    Es zieht sich immer mal wieder etwas tiefer zu irgendwelchen Senken, in denen Flüsse durchrauschen, aber meistens bin ich in der Höhe, wo keine Bäume sind. Der Wind kommt seit geraumer Zeit glücklicherweise von hinten und hilft mir damit auf dem Weg. Außer ein paar Vögeln gibt es heute nur florale Kontakte, merkwürdigerweise sind selbst all die Schafe von gestern wie spurlos verschwunden. Während ich am Morgen wie an jedem Morgen mit der ewigen „Angst“ losgelaufen bin, heute möglicherweise nichts besonderes zu sehen, zu erleben oder zu entdecken, hat sich das allerspätestens gegen zwei erledigt, als ich an einem Raupennest beziehungsweise Kokon vorbeikomme. Eine ganze Menge Raupen sind dort als Knäuel dicht gedrängt in einer Art Netz, einige kriechen außen, ich habe das so noch nie gesehen. Diese angesprochene Angst ist übrigens ein rein subjektives Gefühl, objektiv weiß ich, dass ich so viele Meilen gelaufen bin und es täglich Neues zu sehen und entdecken gab, trotzdem grüßt dieses Murmeltier an jedem Tag wieder.
    Gegen drei an einem steilen Wiesenstück runter zu einem See habe ich mal kurz Bodenkontakt, nachdem das nasse Gras samt Erde unter mir weggeschmiert war. Glücklicherweise aber ohne Schaden. Kurz darauf setzt der Regen mal wieder ein, es ist jetzt immer wieder wechselhaft. Ebenso wechselhaft ist es jetzt mit der Landschaft. Ich steige zwar viel auf und ab, aber es ist auch ein häufiges Herum um die Seen. Viele kleinere und auch größere. Es ist herrlich anzusehen, das Ganze immer garniert mit grüner Landschaft. Es geht jetzt die ganze Zeit abwärts zum See Innsvatnet, an dem ich mir ein Plätzchen zum Übernachten suchen will. Es ist viel Birkenwald und wie sollte es anders sein, der Boden, dieser Riesenschwamm trieft nur so vor Wasser überall. Aus dem Wald raus stehe ich plötzlich auf einer echten Straße: geteert, norwegisch mit gelben Mittelstreifen. Es gibt hier unten am See eine Reihe von Häusern, die auch schon der Größe nach bewohnt aussehen und wie ich erkennen muss, sind alle möglichen Zugänge zum See privat und tatsächlich mit elektrischen Schranken, Zäunen und so weiter versperrt, so dass ich keine Chance sehe, irgendwo am See mein Zelt aufzubauen. Ein Stück weiter entlang der Straße geht es auf einen Lagerplatz einer Baufirma, es stehen ein paar Winterdienstgeräte hier rum und um die Ecke geht es an den Fluss Vargåa. Wie ich genau um diese Ecke komme, steht kaum 20m von mir entfernt ein Elch. Wir sind beide recht erschrocken. Er rennt erst mal noch gute 20m weiter, bleibt stehen und wir starren uns beide an. Als ich langsam nach dem Telefon greife, ergreift er aber vollends die Flucht und verschwindet in den Birken. Da war es wieder: Was soll denn heut‘ schon noch passieren? Ich finde ein Plätzchen ganz in der Nähe des Flusses. Die Fläche ist von großen runden Steinen bis zu feinstem Kies, aber ich rake mir mit den Schuhen eine Fläche zurecht, auf der ich die Stube einrichte und ab um halb acht den Feierabend genieße.
    Apropos Schuhe: Die neuen sind wirklich wunderbar, laufen sich bequem, sind dicht und haben eine sehr rutschfeste Sohle, da hat der Italiener wirklich was gutes zusammengeklöppelt.
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  • 20. Juni

    20. juni 2024, Norge ⋅ 🌬 6 °C

    Die Nacht war immer mal wieder Regen, so dass ich am Morgen schon damit rechne, nass einzupacken. Als ich raus gucke, schwirren eine ganze Menge Knots vor dem Zelt umher, dass es der schlimmste Morgen mit Ihnen wird, ist mir bis dahin noch nicht klar. Man kann sich nicht wirklich gegen sie wehren, sie sind so klein und man merkt auch nichts, bis wenn sie denn gebissen haben. Bei mir speziell im Bereich der Augen, um die Augenlider ist das einfach hässlich. So halte ich schon das Frühstück im Zelt ab, um nur mit denen auszukommen, die eh schon reingekommen sind, später das Einpacken wird zur Tortur, selbst das Netz über den Kopf hilft nicht wirklich. Ich muss einfach von diesem Platz weg. So geschieht das Packen sehr zügig und um neun ziehe ich los, schon 30m weiter ist alles friedlich, einfach weil die Fläche etwas freier ist und ein wenig Wind, den vertragen sie einfach nicht.
    Ich versuche mich wieder auf den E1 zu finden, der hier durch eine Gras- und Baumlandschaft geht. Das Gras ist bis hüfthoch, ich erkenne nicht wirklich, wo ich hintrete und es ist auch scheinbar seit 100 Jahren hier niemand gelaufen, so dass es mehr ein Schätzen ist nach der Richtung. Das ganze wechselt, nachdem ich einen kleinen Fluss durchquert habe, in einen Wald, der Pfad als solches ist völlig zugewuchert und auch vom Boden her ist Farn und allerlei Gebüsch so hoch, dass ich froh bin, die Regenhose gleich am Anfang übergezogen zu haben. Immerhin treffe ich in dieser Umgebung mal einen Menschen, ein Norweger arbeitet hier scheinbar privat mit der Kettensäge zusammen mit seiner Frau, und als er mich sieht, stellt er ab und wir unterhalten uns ein bisschen. Wenig später bin ich schon wieder weit ab vom Pfad, den es scheinbar auch nur in der Karte gibt. Ich komme an einem Privatgrundstück aus dem Wald heraus, hier steht eine schöne Rastbank, an der ich die erste Pause mache und mich entscheide, die nächsten 2km an der Straße entlang zu laufen, die parallel zum Weg führt.
    Wieder ab von der Straße kommt die Bellingstua, eine verschlossen Hütte, an der ich draußen eine kurze Rast mache. Ab jetzt ist wieder Zeit für Wackelpudding all the Day. Kurz vor zwölf komme ich an einen Wegweiser, an dem scheinbar mehrere Wege kreuzen. Und da werde ich doch das Gefühl nicht los, dass sie mich hier verulken. Es gibt seit der Stua bis hierher einen beplankten Weg, er ist zwar etwas länger, aber dafür Autobahn. Na gut, in meiner Richtung vorwärts kann ich noch 30m dieser Planken nutzen und habe dann wieder die altbekannten Umstände.
    Hab ich mich da eben gerade aufgeregt? Das muss ich wohl scheinbar, denn Tada, auf einmal habe ich Planken, soweit das Auge reicht. Tatsächlich ist ab hier Richtung Norden mit recht neuem Material kilometerweit alles ausgelegt, wo es notwendig und sinnvoll ist, teils hunderte zusammenhängende Meter.
    Gegen eins erreiche ich die Jurte Gamma, hier hänge ich mein Zelt und alles, was Wind und Sonne braucht auf, um nebenbei meine große Hofpause zu halten. Während ich friedlich ein Käsebrot esse, beginnt es schlagartig zu regnen, ohne dass ich in irgendeiner Form darauf vorbereitet bin. Ziemlich zügig, leider nicht schnell genug, baue ich alles ab und packe es zusammen, bevor es vollends klatschnass ist. Es wechselt jetzt scheinbar im Viertelstunden-Takt zwischen Wind, Regen und etwas Sonne.
    Von hier aus weiter stelle ich fest, dass die ausgelegten Planken nur bis zu dem letzten Platz waren, also jetzt wieder altdeutsch nach dem Schema: Hilf dir selbst. Es geht heute den ganzen Tag nicht wirklich steil auf und ab, es sind Steigungen von maximal 100m dabei. Irgendwann habe ich das Gefühl, nicht mehr wirklich auf dem Weg zu sein. Und tatsächlich sagt mir die Karte, ich habe einen anderen Pfad eingeschlagen, der vielleicht heute abend oder morgen früh wieder auf den E1 zurückkommt. Da er beim grob Drüberschauen nicht viel länger aussieht, aber etwas höher über die Berge gezogen ist, gehe ich wieder einmal nicht zurück, sondern folge ihm. Der Rest wirkt wie in einem guten Drehbuch und der Regisseur hält sich strikt daran. Als ich an dem Punkt losgehe, wo ich mich entschieden hab, sehe ich noch rote Markierungen. Freue mich drauf, dieser Weg ist gekennzeichnet. Es sollen allerdings die letzten sein. Gut, ich nehme das hin und folge dem halbwegs zu erkennenden Pfad. Der verläuft sich aber wohl scheinbar in verschiedene Richtungen und so stelle ich irgendwann fest, als ich zwischendurch mal wieder die Karte befrage, dass ich auf irgendeinem Pfad bin, den es aber weder in der Karte gibt, noch hat er etwas mit dem Meinigen zu tun. Deshalb beschließe ich, ab jetzt nur noch auf Richtung zu laufen und finde den Pfad zwischendurch nicht einmal im Ansatz wieder. Dazu kommt kurz darauf Regen mit heftigstem Wind, das ganze von vorn, sodass ich tatsächlich gut zu tun habe. Daß es über die Höhe geht, hatte ich ja gewollt und so habe ich den Wind umso stärker, da es hier keinerlei Bäume oder sonst irgendetwas gibt. Glücklicherweise lässt zumindest der Regen gegen vier nach und hört irgendwann auf, der Wind legt dafür allerdings noch mal eine Schippe drauf, so dass ich manchen Meter nur in Schräglage vorwärts komme. Ich orientiere mich an weit entfernten Bergen im Voraus, nehme mir einen Punkt vor und laufe bis dorthin, allerdings ist auch das relativ schwierig, da sich mit jedem Meter, den ich gehe, die Ansicht verändert und ich, sobald ich wieder auf irgendeine Anhöhe komme, mich deutlich drehen muss, um wieder die Richtung zu haben. Gegen sechs geht es niedriger durch dichten Wald, in dem ich diese Art von Orientierung natürlich nicht nutzen kann, da ich keinerlei Berg oder sonst irgendwas sehe, kurz gesagt, es ist müßig.
    Als kleine Belohnung, wo ich gerade zwischen zwei Seen nicht sicher bin, ob sie miteinander verbunden oder das Stück begehbar ist, sehe ich seit einiger Zeit mal wieder einen Kranich, der am Ufer entlang stakt.
    Von diesem Punkt aus geht es in den Wald, an dem ich vor Dichtheit nicht mal einen Eingang finde und dazu extrem steil. Es kostet mich für diese vielleicht 70m, die ich hoch muss, durchaus eine halbe Stunde, weil der erste Weg am Ende mit ein paar Felsbrocken fast senkrecht ist, ich erst wieder ein Stück zurück nach unten muss, um dann einen anderen Weg zu finden. Irgendwann habe ich den Berg erklommen und von hier aus geht es jetzt gute 2km abwärts über zwar nasse Sumpfwiesen, aber es geht die ganze Zeit so schön hinab, dass es wirklich einfach läuft. Dann komme ich an eine Straße, der folge ich noch einen guten Kilometer, biege dann wieder in den Wald und nach wiederum 1km bin ich an der Hütte Bringsåsen. Sie ist zwar verschlossen, hat aber einen kleinen überdachten Nebenbereich, der Richtung Toilette geht und zu einem kleinen Lagerschuppen. Dieser Raum wird mein Nachtlager. Alles, was zum Trocknen her muss, hänge ich rundherum auf und um mich gegen die Knots zu schützen, hänge ich den Haupteingang mit meinem Zelt zu. Was für eine tolle Unterkunft.
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