4. August - Ruhetag

Es ist schon wieder Ruhetag. Der Kalender sagt Sonntag für heute und ich bin nicht auf der Hatz, außerdem muss ich auch mal dringend wieder waschen. Dass das Ganze heute ein Lotteriespiel wird, dieRead more
Es ist schon wieder Ruhetag. Der Kalender sagt Sonntag für heute und ich bin nicht auf der Hatz, außerdem muss ich auch mal dringend wieder waschen. Dass das Ganze heute ein Lotteriespiel wird, die Sachen nach dem Waschen auch trocken zu kriegen, ist mir klar, aber da heißt es wieder Mut zur Lücke. Gestern Abend hatte ich keine Lust mehr dazu und so stehe ich heute um sieben auf und bereite die Wäsche vor, ihr ist es schließlich egal, ob es regnet. Circa dreißig Meter vom Zelt entfernt aus der Bachmulde heraus stehen zwei Holzpfosten, die ich mir zur Konstruktion der Wäscheleine zu Nutze mache. Nachdem ich alles aufgehängt habe, dauert es nur eine gute Stunde und es beginnt zu regnen. Also hole ich alles ins Zelt rein, hänge es hier wieder auf und nachdem der Regen nach wiederum einer Stunde durch ist, geht es wieder raus in den Wind. Diese kleine Böschung Richtung Wäscheplatz ist voll mit Blaubeeren, so dass ich bei jedem Gang dort hängen bleibe und ernte, was möglich ist. Im Laufe des Tages klart das Wetter immer weiter auf, nichtsdestotrotz ziehen auch immer wieder dunkle Wolken durch. Während ich mich an der Leine um die Wäsche bemühe, zieht eine kleine Herde Rentiere in gut hundert Metern vorbei, auf die Entfernung haben sie mich gar nicht wahrgenommen. Nachmittags um drei ist die Wäsche trocken, ich habe inzwischen dies, das und jenes erledigt, unter anderem ein Vollbad im Bach hinter mir.
Zum Abend hin zieht es sich noch einmal zu, bleibt aber trocken. Was mir auch heute Abend wie schon seit gut einer Woche immer mehr auffällt, es wird dunkler. Mittsommer ist gut sechs Wochen her und es liegt am späten Abend und in der Nacht doch inzwischen eine gewisse Dämmerung über dem Land.Read more
Ein wirklich feiner Platz, den ich mir hier für den Sonntag ausgesucht hatte. Die halbe Stunde Regen ist bezahlt, gab es also auch in dieser Nacht und so stehe ich um sieben auf, um das Zelt vom groben Wasser zu befreien. Das macht unheimlich viel aus, was das restliche Trocknen betrifft. Nachdem ich gefrühstückt habe, mache ich mich noch daran, die Schuhe zu wachsen. Es wird mehr und mehr sonnig außenrum und sie haben bis heute Morgen gebraucht, um so weit durchzutrocknen. Ich sitze draußen an der kleinen Feuerstelle, der Rucksack ist schon gepackt und alles, was ein paar Flügel am Leib hat, zerrt an mir rum und nervt mindestens. So gehe ich bei herrlichem Wetter um kurz nach neun los, ich bin hier auf etwas über 900 m Höhe in einer wunderbar sanft hügeligen Landschaft, in der es sich sehr einfach läuft. Nicht allzu weit hin begegnen mir die ersten Rentiere, sie sind hier oben auf den Weiden überall unterwegs, da der Wind immer bläst und sie Ruhe vor den Moskitos haben.
Gegen halb elf sehe ich einen guten halben Kilometer vom Weg entfernt eine Hütte am See, ich nehme an, dass hier Sami leben. Da ich so viel von diesen Menschen gehört und gelesen, aber noch nie bewusst jemanden getroffen hab, stiefel ich in die Richtung, da ich dort jemanden gesehen habe. Ich treffe auf eine Familie, Mutter mit ihren Töchtern und ihrer eigenen Mutter. Sie erzählt mir eine gute halbe Stunde vom Leben hier, dass sie im Winter unten in Ammarnäs leben und die Rentiere spätestens im Oktober eingefangen, auf die verschiedenen Besitzer-Familien verteilt und dann hauptsächlich per LKW an die Ostküste Richtung Umeå gebracht werden. Dort überwintern sie und kommen im April den Weg meist zu Fuß zurück. Das sind Luftlinie gut 350 km, beim Laufen durch die Berge wird an 500 kaum viel fehlen.
Der Wind geht hier über die Höhe den ganzen Tag sehr angenehm und schafft totale Freiheit von Moskitos. Ich mache relativ häufig Pause und genieße die Ausblicke über die unendlich weite Landschaft, noch dazu bei diesem Wetter. Gegen eins kommt Robin, ein Schwede vorbei, wir unterhalten uns kurz, sonst habe ich heute kaum Kontakte zu anderen Wanderern.
Eben bei dieser Pause sitze ich auch genau an der Grenze des Vindelfjällen Naturreservats. Mein Blick geht von hier in ein Tal mit etlichen Seen, es liegt circa 200 m tiefer als das Plateau, auf dem ich gerade daherkomme und ich kann von hier aus schon den Punkt ausmachen in gut 12 km, an dem ich heute am Abend sein will. Das habe ich nicht allzu oft, um Mittag rum schon zu sehen, wo ich am Ende des Tages sein werde. Gerade als ich die Pause beende, kommt Ivar des Wegs, ein fröhlicher Schwede mit holländischen Wurzeln, der den Winter über in Kiruna ist und dort arbeitet. Wir unterhalten uns eine ganze Weile und gehen noch ein Stück des Weges, es ist für mich natürlich besonders interessant zu hören, wenn jemand dort oben im Norden den Winter zubringt. Vielleicht kann er mir in wenigen Monaten behilflich sein, wenn auch ich Ausschau halte, um für die dunkle Zeit in Lohn und Brot zu kommen. An den Seen entlang ist bei diesem herrlichen Wetter keine Aufgabe, eher ein Geschenk. Den einen oder anderen Wanderer treffe ich schon noch an und lande nach um sechs und etlichen kleinen Genusspausen an der Sjnultje Rastskydd. Am Ende des Tages sind wir hier mindestens zehn Leute, die in und um die Hütte verstreut sind. Nach dem obligatorischen Bad im See und einer lustigen Runde beim Abendessen ist um zehn Schluss für heute.Read more
Klamm, feucht, nass. Das war die Nacht. Dieses Mal nicht von oben her, sondern mehr von unten. Schon am Abend fühlte sich alles sehr klamm an und am Morgen ist alles, das Außenzelt selbst, aber auch von der Innenseite her beschlagen. Die Sonne scheint seit um sechs in mein Zelt und so mache ich mich um sieben auf, erstmal gleich auf direktem Weg runter in den See für ein kurzes Bad und mache dann auf den Holzstufen vor der Hütte Frühstück. Das Trocknen dauert seine Zeit und so wird es kurz nach neun, bis ich als vorletzter aufbreche. Es geht hier durch Birkenlandschaft, die ziemlich nass ist und ich komme nicht allzu weit. Nach knapp 2 km komme ich mit Anna, einer Schwedin ins Gespräch. Sie sitzt am Wegesrand am See und spricht mich an, aus dem kleinen Schwatz wird doch ein deutlich längeres Gespräch, das bis um zwölf dauert. Sie hat ihre Form heute nicht wirklich gefunden, weiß mit sich und diesem Tag nicht recht was anzufangen und da ist es für mich umso erfreulicher, dass sie aus alldem, was ich ihr von mir erzähle, so viel Inspiration mitnimmt, dass sie am Ende total glücklich ist und diesen Tag jetzt doch gut zu nutzen weiß. Es ist wirklich schön, wahrzunehmen, dass diese speziellen Begegnungen also nicht nur zu mir kommen, sondern auch ich etwas geben kann. Nun heißt es aber Aufbruch nach Adolfström. Es ist ein kleiner Ort am Kungsleden, in dem es einen regionalen Laden gibt, den ich morgen früh kurz aufsuchen will. Es sind von der Übernachtungsstelle aus etwa 20 km und ich habe mich mit Ivar und den Holländern für kurz davor verabredet, dass wir uns wahrscheinlich am Abend dort wieder an einem Shelter zusammen finden wollen. Das Wetter ist wieder so, wie es besser nicht sein kann, blauer Himmel mit diesen recht schnell ziehenden, „schwedischen“ Wolken. Ein bisschen kann ich Annas Demotivation verstehen, sie kam schließlich diesen Teil des Weges schon am Morgen entlang, es ist Birkenwald, in dem es nicht wirklich viel zu sehen gibt und von daher ist das Erlebnis nicht so sehr groß. Immerhin läuft es sich sehr einfach, es geht langsam abwärts und es gibt mal wieder wie schon in den letzten Tagen kleine Felder mit Moltebeeren. Ich frage mich so oft, ob all die Wanderer blind sind, oder sie nicht mögen oder einfach nicht wissen, dass es das leckere Gold des Nordens ist. Gegen fünf komme ich an das Värdshus Bäverholmen, sie betreiben hier einen kleinen Campingplatz und ein Restaurant für einfache Sachen. Ich genehmige mir einen Burger mit Pommes und einer Cola dazu und mache mich um kurz vor sechs auf Richtung Adolfström. Es soll kurz vor dem Ort den Shelter geben, der in meiner Karte aber nicht eingezeichnet ist und so nutze ich entlang des Sees Iraft jeden Stich, um runter zum Wasser zu gehen und zu gucken, ob hier die fragliche Stelle ist. Letztendlich finde ich weder den Platz noch die kleine Wandergemeinschaft und ziehe dementsprechend die 8 km durch, um am Ende in Adolfstöm zu landen. An einem Platz, der mir zum Zelten sehr gut gefallen würde, steht ausdrücklich ein Schild, dass es hier unerwünscht ist und man lieber die zwei kleinen Campingangebote im Ort nutzen soll. Da will ich mal nicht so sein, ziehe ein paar Meter weiter und an einem Mehrfamilienhaus öffnet mir ein alter Mann, zeigt mir Waschbecken, Steckdose und Sanitär und nimmt Cash den Obolus entgegen. So kann ich immerhin eine echte Dusche nehmen und in Ruhe auf der kleinen Zeltwiese später mein Zelt platzieren. Den Abend nutze ich noch, um für meinen baldigen Abstecher nach Luleå auszukundschaften, welches Zelt ich mir dort kaufen werde. Mit meinem bin ich gedanklich soweit durch, dass ich es nicht in diesem halbgaren Zustand weiter verwenden will, insbesondere, weil ich steil auf den Herbst zulaufe und in Kürze den Polarkreis überschreite. Da ist gerade das Zelt einer der wichtigsten Punkte, die mir Sicherheit und ein gutes Gefühl geben.Read more
Ein Sommermorgen in Lappland. Hier in Adolfström scheint die Sonne, ich bleibe heute bis um neun liegen, da meine Etappen für die nächsten anderthalb Wochen deutlich kürzer ausfallen als bisher. Ich werde um die 17 km am Tag machen, um nicht zu früh in Kvikkjokk anzukommen, da ich von da aus mit Bus und Bahn nach Luleå (sprich Lüleoh) fahre. Das ist am nördlichen Ende von Schwedens Ostküste und von hier aus am ehesten in einigen Stunden erreichbar. Ich genieße ausgiebig mein Frühstück, nehme nochmal eine kurze Dusche und inzwischen sind auch die Holländer vorbeigekommen, die tatsächlich an dem mysteriösen Shelter übernachtet haben, den ich dank Filzbrille wohl übersehen habe. Ich schreibe in Ruhe mein Tagebuch zu Ende und organisiere mir im Laden in Luleå, dass das Zelt, was ich haben möchte, zum gegebenen Zeitpunkt auch vorrätig ist. Dieses Modell, so sagt mir der freundliche Herr am Telefon, ist typischerweise kaum in einem Laden vorhanden, aber er will sich kümmern und alles geht seinen sozialistischen Feldweg. Gegen zwölf verlasse ich den Platz, um zweihundert Meter weiter beim Handelsbod einzukehren. Das ist die Vollendung des Tante-Emma-Ladens aus alten Zeiten. Hier backen Sie Brot und Gebäck selber, man kann Kaffee trinken und Lebensmittel in einem wunderbar alt anmutenden Ambiente einkaufen. Genau in dieser Reihenfolge nehme ich es auch wahr und so bin ich um halb eins dann tatsächlich bereit, nach dem zweiten Frühstück aufzubrechen. Bis dahin habe ich mit ein paar Leuten hier gesprochen, auch ein paar ältere aus der Gegend, etliche kommen aus Arjeplog hierher. Ein an sich unscheinbarer Ort, der aber im Winter aufblüht, wenn aus Deutschland mindestens ein Autohersteller mit Stern mit über 2000 Leuten und Unmengen von Autos hier einfällt, um auf den zugefrorenen Seen, die noch speziell präpariert werden, Fahrzeuge, Elektroniksysteme und so weiter unter extremsten Bedingungen zu testen. Der Winter hier bietet sich mit Temperaturen von -40° ideal dafür an. Schon gestern habe ich ein deutsches Paar angetroffen, er hat jahrelang für Mercedes gearbeitet und immer im Winter kam er mit einem LKW voller Autos selbst noch hier hochgefahren, um dann diese Testreihen zu fahren. Heutzutage ist es alles organisiert, die Leute werden eingeflogen und kommen in Extra-Bussen nach Arjeplog.
Nach dem Ort biegt der Weg direkt in den Wald, hier beginnt das Pieljekaise-Naturreservat, das in der Hauptsache auch in niedriger Höhe verläuft, folglich habe ich wieder Birkenwälder zu beschreiten. Waren am Morgen noch diverse graue Wolken zu sehen, die Regen erahnen ließen, sind es gegen Mittag wieder die typischen Quellwolken, die recht schnell dahin ziehen und einen wunderbaren Tag verheißen. Verheißen allerdings nicht im Wortsinne, denn wirklich heiß ist es eben nicht. Immer wieder schieben sie sich vor die Sonne und so ist es abwechselnd mal prall sonnig und mal etwas schattig mit etwas Wind dazu. Gegen drei erreiche ich den See Luvtávrre, hier mache ich eine längere Pause und genieße… Und bleibe dabei nicht der einzige, nach einiger Zeit gesellt sich der Franzose Jules zu mir. Er ist zum ersten Mal auf einer Wanderung und war mit Freunden gestartet, aber nach Auseinandersetzungen geht er jetzt alleine den Weg. Später kommt Ivar noch dazu und so sitzt es sich einfach zu schön am See in der Sonne und dabei wird es fünf, bis wir uns wieder aufraffen und an einem Shelter in gut 10 km für den Abend vereinbaren.
Gegen sechs lasse ich mich noch einmal zu einer Pause nieder und krame das frische Roggenbrot und den Blauschimmel raus. Was feineres habe ich heute noch nicht gehabt, es ist deliziös. Irgendwie sind die Pausen hier an den Seen das schönste, da es sonst durch die Birkenwälder nicht so wahnsinnig viel zu sehen gibt. Gerade als ich aufbreche, kommt der Däne Peter hier entlang, wir unterhalten uns noch etwas. Dann gehe ich aber tatsächlich weiter, in der Annahme, die anderen zwei werden wahrscheinlich schon ihre Zelte aufgebaut haben. Tatsächlich dauert es nur 10 Minuten und ich habe Jules wieder am Weg und noch mal eine Viertelstunde später treffe ich auch auf Ivar. Sie haben scheinbar so wie ich auch Pausen gemacht und so laufen wir langsam die letzten Kilometer über das Plateau, auf dem es frei von Bäumen ist, wir Rentieren begegnen und einen wunderbaren Blick rundherum auf den Sonnenuntergang und die Berge haben. Mit Ivar ist es wunderbar, zwischen Philosophieren und Blödelei die Mitte zu finden und unsere Erkenntnis am Abend des heutigen Tages: „One Clown a day keeps the tragedy away.“ Gegen zehn erreichen wir die Hütte, in der es Gas gibt und wir uns was zum Essen machen. Um die Zeit ist es inzwischen jetzt auch hier mindestens dämmerig, so dass wir eine Kerze anzünden und uns später entscheiden, auch in der Hütte zu schlafen, da es außenrum ziemlich nach Regen aussieht. Morgen früh geht es noch die restlichen drei 3 km runter nach Jäkkvik, hier gibt es einen richtigen Supermarkt, in dem ich für knapp 100 km Futter einkaufen werde. Es ist ein Stück des Kungsleden, auf dem es auch keine Hütten gibt und laut den Aussagen von einigen Wanderern keinerlei Empfang. Dementsprechend wird es jetzt auch für einige Tage ruhig um die Pinguine.Read more
Eine gute Wahl, diese Hütte. Es hat zwar nicht die ganze Nacht geregnet, wie es gestern Abend noch aussah, aber am Morgen hat es begonnen. Das ersparen wir uns, schlafen heute bis nach um neun und nach dem Frühstück ziehen wir zu dritt um elf gute 3 km vom Berg runter durch Birkenwald nach Jäkkvik. Hier machen wir einen Stop bei unseren holländischen Freunden, die sich hier schon gestern Abend ein Zimmer genommen haben und heute einen Ruhetag machen. Unter der kleinen Veranda können wir uns ein bisschen unterhalten und anschließend ohne Gepäck die paar hundert Meter zum Supermarkt zu gehen. Da jetzt einige Tage ohne Versorgung anstehen, kommen alle schwer bepackt wieder zurück und wir sortieren alles in die Rucksäcke ein. In der Zwischenzeit ist noch der Franzose Marius zu uns gestoßen, aufgrund diverser Unsicherheiten bezüglich der Bezahlung für die anstehenden Bootsüberfahrten dauert es noch ein wenig, bis er verschiedene Sachen klärt. Wir warten so lange und klären telefonisch, dass es an allen Stellen per Karte möglich ist und wir nicht irgendwoher Bargeld besorgen müssen. Alles in allem wird es dabei drei, einfach auch, weil es bei den drei Geschwistern Jana, Karel und Hugo einfach zu gemütlich ist. Also ziehen wir zu viert los, erst mal ein paar Kilometer wieder durch den Wald. Bis zum Nachmittag hat es immer wieder geregnet, ab jetzt hat es aufgehört, wir haben also genau die richtige Zeit abgewartet. Nach gut 4 km erreichen wir eine Stelle, an der circa 300 m mit dem Ruderboot überzusetzen sind. Das ist grundsätzlich kein Problem, allerdings sind die Boote, speziell die Ruder in einem so desolaten Zustand, also Ruder abgebrochen, Aufnahmen fehlen teilweise, dass es durchaus müßig ist, das Stück rüberzumachen. Und wenn es schon unter diesen Umständen sein muss, dann müssen wir natürlich auch das Wolf-Schaf-Kohlkopf-Spiel in alle drei Richtungen betreiben. Dabei wird es halb sieben und wir haben noch gute 10 km für heute geplant. Zusammen mit Ivar klettere ich Stück für Stück aus dem Wald heraus, es geht ziemlich schweißtreibend auf Richtung 800 m hoch. Oben über das Plateau ziehen die Rentiere und pfeift der Wind, es ist sehr angenehm, aber da es inzwischen auch zehn durch ist, ist deutlich wahrzunehmen, wie es mehr und mehr abends dämmriger wird. Da Regen angemeldet ist, entscheiden wir uns, nicht mehr bis runter an den See zu laufen, wo wir morgen früh mit dem Boot übersetzen müssen, sondern noch auf dem Plateau zu bleiben, bevor es runter zum See geht. Gegen elf dort angekommen lassen wir uns an einem kleinen See nieder, weil wir hier Wasser haben und es dauert auch nicht allzu lange, dann fängt der Regen an, begleitet von heftigen Windböen zwischendurch.Read more
Heute Morgen haben wir einen Termin: Um kurz nach neun geht am See Riebnes das Boot für gut sechs Kilometer, so dass ich um sechs aufstehe, in Ruhe frühstücke und mich darum kümmere, dass das Zelt bis dahin einigermaßen trocken ist. Es hat in der Nacht einige Male heftig geregnet und dazu ordentlich gewindet, so dass ich auch ein paar Tropfen Wasser innendrin hab. Rechtzeitig kurz nach acht starten wir zusammen die zweieinhalb Kilometer runter vom Berg und sind auch überpünktlich an Ort und Stelle, um gegen 9:10 Uhr das Motorboot zum Wucherpreis zu nutzen. Es ist eine Überfahrt von knapp 10 Minuten, die pro Nase mit gut 40€ zu Buche schlägt. Das haben wir alle die letzten Tage schon schon mehrere Male diskutiert, aber mangels Alternativen bleibt keine andere Wahl. Direkt nach der Überfahrt in das kleine Örtchen Vuonatjviken, es sind nur ein paar Häuser, lassen wir uns zum zweiten Frühstück nieder, es ist Ivars Geburtstag heute und um elf lösen wir uns Stück für Stück auf. Jeder geht separat los, es ist auch mal wieder schön, einen Solotag zu machen, wir werden uns ohnehin im Laufe des Tages bei den Pausen jeweils wiedersehen. Ich habe von jetzt an nur 17 km geplant heute, dementsprechend kann ich zwischendurch auch mal eine Pause mehr einlegen und natürlich auch insgesamt recht langsam laufen. Das Wetter ist gut, wie es nicht besser sein könnte. Der Himmel ist fast komplett blau und es ist auffällig, dass doch neben der abendlichen Dämmerung auch am Tag der Herbst ganz langsam und still einzieht. Die Birken bekommen einige gelbe Blätter, gerade auf den Hochebenen wirken die grünen Flächen nicht mehr so sehr grün, sondern bekommen bräunliche Töne und nicht zuletzt leuchtet der Schwedische Hartriegel in den letzten Tagen knallig rot. Das ist ein Zeichen, dass er reif ist und das Jahr sich langsam zu neigen beginnt. Es ist für mich ein merkwürdiges Gefühl, nachdem ich jetzt über so lange Zeit das Licht dauerhaft an hatte, mich nicht darum kümmern musste, und jetzt doch spätabends die Stirnlampe nehmen muss. Also auch insgesamt den Tag an sich wieder mehr nach dem Tageslicht ausrichten werde. So blau der Himmel auch ist, so schnell ziehen auch innerhalb einer halben Stunde dicke weiße Quellwolken von Südosten heran, die dicksten von Ihnen untenrum schon grau und ich bin gespannt, was der Nachmittag bringt. Gegen zwölf komme ich an den Fluss Bartek, viele kleine Stromschnellen, das ist sehr einladend, und so mache ich einen kurzen Stop und nehme ein Bad. Allzu weit kann ich nicht in die Strömung hineingehen, da ich schon am Rand merke, dass ich ihr nicht standhalten würde. Also bleibe ich in dem Bereich, in dem es für ein Bad gut taugt und einen großen Stein gibt, auf dem ich zwischendurch eine Weile sitzen kann, um danach noch einmal reinzugehen. An diesem Fluss soll es noch eine Zeit aufwärts entlang gehen. Er ist die Verbindung zwischen mehreren Seen, ich passiere am Nachmittag einen davon, es ist der Lijggá. Vorher mache ich aber noch eine längere Pause, nehme noch einmal mein Zelt raus, lasse alles in der prallen Sonne richtig durchtrocknen. Dabei liege ich auf der Isomatte und sehe über mir vor dem quellend weißen Hintergrund einem Adler zu, wie er seine Kreise zieht.
Es geht von hier weiter durch Birkenwald, wir sind alle ziemlich am Nölen und hoffen, dass der irgendwann durch ist und wir wieder hoch aufs Plateau kommen. Aber vorher steht noch eine ganz besondere Sache an, auf die ich mich schon seit einigen Tagen freue: der Polarkreis. Er ist einer der besonderen Punkte, die ich auf meiner Tour als Meilenstein sehe, leider aber in den Karten, die wir alle nutzen, nicht finden kann. Aus einem Buch konnte ich mir vor einigen Tagen ein Foto machen mit einem Punkt, wo er circa am Kungsleden sein soll. Mit Ivar zusammen komme ich in diese Gegend und wir halten beim Laufen Ausschau, ob es irgendein Schild oder einen Hinweis gibt und siehe da, im Birkenwald hängt ein Schild, dass uns die Bestätigung gibt, auf 66° 33′ 55″ nördlicher Breite zu sein. Kaum einen Kilometer weiter treffen wir ein paar deutsche Wanderer in entgegengesetzter Richtung, die uns auch ganz freudig davon berichten, vorhin da und da den Polarkreis überquert zu haben. Erst gucken wir uns alle an, dann gibt es großes Gelächter und am Ende ist es auch nicht mehr ganz so wichtig, schließlich verschiebt er sich durch die Änderung der Erdneigung jedes Jahr um fast 15 Meter. Kurz darauf verlassen wir endlich den Birkenwald. Es zieht sich auf einen Berg hoch und da passieren wir die Stelle, an der mit kleinen Steinen das Wort „Arctic Circle“ dargestellt ist. Da ich heute nicht wieder so lange wie gestern unterwegs sein will und es auch gar nicht nötig ist, entscheide ich mich, hier an diesem besonderen Punkt den Tag zu beenden und mein Zelt aufzubauen.Read more
Ich habe so gut geschlafen, bis um neun. Dabei habe ich nicht mal mitbekommen, dass es irgendwann in der Nacht angefangen hat zu regnen. Und so kümmere ich mich am Morgen erst mal um die Stellen, an denen es von oben reingetropft hat. Glücklicherweise auf den Rucksack, das ist verschmerzbar, ich decke für die restliche Zeit die Stelle mit meinem Handtuch ab. Es scheint sich eingeregnet zu haben, dabei windet es hier oben am Berg ganz ordentlich und ja, außenrum ist alles grau und neblig. Während des Frühstücks lässt der Regen deutlich nach, es ist mir aber zu unsicher, alles draußen zu packen, wer weiß, wie lange das anhält. Also beginne ich, das Innenzelt und alles runterzunehmen, packe den Rucksack innendrin und habe am Ende nur noch das Zeltcover mit Gestänge und den Außenbefestigungen stehen. Zuletzt heißt es also nur noch die Sturmleinen lösen, die letzten Heringe raus und just in diesem Moment passiert, was niemals passieren darf: Ich bin für einen Moment unaufmerksam und wende mich von der ungesicherten Halbkugel ab, der Wind greift rein und es beginnt die Slapstickkomödie des Morgens, die für mich allerdings gar nicht lustig ist. Wie ein großer Ball rollt die in sich stabile Halbkugel und der Wind kickt sie immer wieder an. Ich renne schreiend hinterher: „Nein, nein, nein…“. Rennen ist in diesem Gelände so eine Sache, da der Untergrund so wechselhaft ist, das ganze Strauchwerk, kleine Löcher, Steine… und es dauert gefühlt ewig, bis ich mich annähere. Dabei gehen wir die wildesten Bilder durch den Kopf: „Was, wenn ich es nicht schaffen kann, nicht schnell genug bin?“ Nach gut achtzig bis hundert Metern bin ich ganz dicht dran, die ersten zwei oder drei Versuche, es zu greifen, scheitern noch, dann habe ich es!
„Gottverdammte Sauzucht!“ schreie ich es hellwach und pumpend an. Oder eher mich selbst. Da war jetzt eimerweise Glück dabei, dass es nicht den Berg hoch oder sogar runtergeweht wurde, das hätte ich von der Geschwindigkeit her niemals schaffen können. Wie lange hätte ich hinterher rennen können, wenn ich es nicht so schnell geschafft hätte? Okay, nun also zurück zum Rucksack, hier binde ich mir eine der Sturmleinen an den Arm, um alle weiteren Eventualitäten auszuschließen. Gegen elf verlasse ich diesen schönen Schlafplatz. Es zieht sich jetzt noch weiter hoch aufs Plateau der Regen nimmt zu und je höher ich komme, desto mehr Nebel ist dabei, der Wind treibt sie beide quer übers Land. Gleich zu Beginn kann ich noch ein paar Rentiere sehen und ab dann ist es nur die kleine Welt, in der ich mich bewege. Ein paar Wanderer begegnen mir entlang des Weges, die meisten von Ihnen wollen gar nicht stehen bleiben, da sie sofort anfangen zu frieren. War der Weg anfangs eher ein ausgetretener Pfad im Grasland, wird es mehr und mehr steinig und es liegen große Felsblöcke verstreut umher. In diesem Nass in Nass habe ich auch kaum Lust, Fotos zu machen, da eh alles beschlagen ist. Da ist der Typ in der merkwürdigen Aufmachung, der mir am Nachmittag entgegenkommt, doch zur Erheiterung tauglich: Ein kleiner Regenschirm, der teils vom Wind hochgestülpt ist, die Jogginghose mit dazu passenden Schuhen und das lodderige Gepäck wirken irgendwie, als wäre er grad aus einem Heim rausgeflogen. Als erstes fragt er mich nach einer Zigarette… Ein zusammenhängendes gescheites Bild ergibt das in meinem Kopf nicht, wenige Minuten später auf dem Weg löst aber eine junge Italienerin das Rätsel auf. Er ist ihr Freund, und er ist der beste in der Gruppe, sagt sie mir. Braucht all dieses Zeugs nicht, was wir alle haben, gegen Regen und so. Naja, ich glaube, sie mag ihn sehr.
Was mich mehr umtreibt, ist der Gedanke, heute nur 16 oder 17 Kilometer zu laufen und morgen einen Ruhetag zu machen. Von all den Leuten habe ich soweit die Vorhersagen mitbekommen, dass es heute und auch morgen regnen wird, was für mich bedeutet, einen ganzen Tag und zwei Nächte in der Tropfsteinhöhle zu sitzen. Also ist mein Gedanke eher dahingehend, so lange zu laufen, wie es irgendwie geht und vielleicht doch schon morgen in Kvikkjokk anzukommen. Der Regen ist zwar dort genauso nass wie hier, aber irgendwie ist das Gefühl, dass es dort eine Fjällstation gibt und ich mir irgendeinen von oben trockenen Unterschlupf ergattern kann, sehr verlockend. Ein älterer Herr, der mir gegen vier am Nachmittag begegnet, erzählt mir, dass er jetzt schon deutlich vor der für heute geplanten Zeit aufhört, er hat die ganze Zeit diese Bilder eines trockenen, gemütlichen Zeltes im Kopf und geht jetzt dieser Fantasie nach. Na vielen Dank auch. Zwischendurch beim Blick auf die Uhr bin ich gerade zu erschrocken, wie spät es jeweils schon ist, wenn ich denn mal eine kurze Pause mache. Es läuft sich halt so stupide dahin bei diesem Wetter. Gegen fünf komme ich an einen Platz mit einem Shelter. Ok, Shelter ist etwas hoch gegriffen. Es ist eine große Plane, die man schräg zwischen den Bäumen aufgespannt hat mit einem Brett darunter zum Sitzen. Ein Schwede sitzt dort und sucht Schutz, sie ist total löchrig und überall tropft es durch. Trotzdem wirkt sie einladend und ich setze mich zu ihm. Wir machen eine längere Pause, unterhalten uns gut, insbesondere auch, weil er gerade vom Nordkap kommt. Dabei wird es sechs und ich überlege hin und her, vielleicht jetzt hier mein Zelt aufzubauen, da es sogar eine Toilette gibt. In der Zwischenzeit sind einige Wanderer hier angekommen, die beginnen, ihre Zelte aufzubauen und mich fragen, ob ich auch hierbleibe. Ich hadere noch für einen Moment, breche dann aber auf, weil mir der Gedanke, nach Kvikkjokk zu kommen, noch im Kopf ist. Wie ich den Pfad weiter verfolge, merke ich irgendwann, dass die typisch roten Markierungen an den Bäumen fehlen, obwohl der Pfad selbst gut ausgetreten ist und es hierum nicht allzu viele in der Art gibt, der Blick in die Karte verrät mir, ich bin gut einen Kilometer an einer großen Hängebrücke vorbeigelaufen, die ich hätte überqueren müssen. Also einmal retour, dabei kann ich aber eine ganze Reihe Moltebeeren ernten und nach dieser langen Pause ist mir eh nach Laufen, Laufen, Laufen zumute, obwohl es weiterhin von oben gießt wie aus der Kanne. Und es brauchte wohl genau dieses Verlaufen, denn grad als ich auf dem Weg zurück Richtung Brücke bin, kommt mir die Idee, was ich gegen das Durchtropfen tun kann. Ich hatte schon an den Poncho gedacht, ihn oben drüber zu spannen in irgendeiner Art, aber nein, ich habe ja eine Rettungdecke, sie ist aus stärkerem Aluminium. Dann kann sie ihrem Namen auch alle Ehre machen und mir die nächsten Tage retten, bis ich mein neues Zelt habe. Ich werde sie oben quer über das Zelt spannen, gegen Wegfliegen fixieren und damit den undichten Bereich der Naht vom Wasser freihalten. Yes, das wird‘s. Inzwischen ist es neun geworden und der Regen hat nachgelassen, fast aufgehört, wie erfreulich. Was mich aber noch mehr wundert, statt dunkel wird es immer heller und wie ich mich umdrehe, sehe ich am Himmel ein klitzekleines Stück blau, wo es doch den ganzen Tag eine zusammenhängende graue Masse dort oben war. Für mich ist das die Bestätigung, dass es genau richtig war, weiterzulaufen und ich hoffe einfach mal, dass diese Regenpause jetzt für mich gedacht ist, in der nächsten halben bis Dreiviertelstunde einen Platz zu finden und das Zelt im Trockenen aufzubauen. Genauso wird es auch, gegen halb zehn habe ich auf einem Hügel einen Platz gefunden, der zwar nicht absolut gerade ist, aber der Wind pfeift so schön hier drüber und ich bin jetzt auch nach fast 28 km bereit, den Tag zu beenden. Es ist ein kleiner See ganz in der Nähe, eigentlich zu klein, um das Wasser pur zu verwenden, aber das, was ich hier rausnehme, werde ich eh nur für gekochte Sachen nehmen und damit ist es okay. Der Regen hat tatsächlich aufgehört und das Stückchen Azur ist viel größer geworden. Bei ziemlich starkem Wind konstruiere ich mir auf dem Zelt mithilfe meiner Leine eine Halterung, die das Zusatzdach fixiert und spanne den Rest gleich in die Bäume, um später all die nassen Sachen zum Trocknen aufzuhängen. Das alles nimmt sicher 1 Stunde in Anspruch, die ich aber gerne bereit bin und so kann ich gegen elf die Augen zumachen und freue mich darauf, morgen den Ruhetag abzuhalten, egal wie das Wetter wird.Read more
Es ist Sonntag und ich freue mich, dass ich den Ruhetag jetzt doch so halten kann wie angedacht. Und noch mehr freue ich mich über diesen „Regentag“, also zumindest den angekündigten. Ich werde einfach kein Freund dieser Vorhersagen und des Gesülzes von X,Y Millimeter um die und die Zeit und so weiter. Am Morgen, nachdem ich alle nassen Sachen wieder raus auf die Leine gehängt hab, dauert es eine gute halbe Stunde und es gibt für eine gute halbe Stunde Regen. Das war’s. So habe ich am frühen Nachmittag alles in trockenen Tüchern und kann mich um diverse Kleinigkeiten und mein Wohlbefinden kümmern. Mein Knie hat sich nicht wirklich gebessert, aus der Sicht heraus es ist gut, dass ich nur noch den Weg bis Kvikkjokk habe und ab dann für einige Tage Ruhe, an denen ich nicht laufe. Rundherum auf meinem Sonntagshügel wachsen Blaubeeren und der schwedische Hartriegel, so dass ich zwischendurch immer mal wieder zur Ernte ausrücke, dabei die Landschaft und die Berge rundherum genießen kann. Gegen drei zieht dann tatsächlich Regen auf gepaart mit ordentlich kräftigem Wind, für mich die beste Zeit für einen Sonntagnachmittagsschlaf. Der Wind wird am Abend noch deutlich stärker, ich hoffe, dass meine Flatterplane oben auf dem Dach das mitmacht, schließlich ist es nur improvisiert.Read more
Nichts hält besser als ein gutes Provisorium. Meine Dachkonstruktion hat sich bewährt, obwohl es die halbe Nacht mächtig gewindet hat. Nicht umsonst stehen die Birken an diesem Hang alle schräg, sie kriegen scheinbar ihr Leben lang heftigen Wind immer aus Nordwest. Am Morgen, ich weiß gar nicht genau wann, hat es noch mal kräftig geregnet, aber als ich um acht aufstehe, ist das Zelt schon wieder fast trocken. Ich hänge die Rettungsdecke auf, damit sie auch trocknen kann, sehe aber in wenigen Kilometern Entfernung ein Regengebiet heranziehen und setze sie direkt wieder aufs Zelt. Kann ich also erst mal in Ruhe Frühstück machen, aber irgendwie kommt der Regen nicht, den ich erwartet habe und als ich nach gut 20 Minuten noch mal rausgucke, ist weit und breit nichts mehr davon zu sehen. Umso besser, dann kann ich alles, was noch feucht oder klamm sein sollte, raushängen und komplett trocknen lassen. Ich habe ja heute ein sehr schmales Programm auf dem Plan, nur zwölf, vielleicht fünfzehn Kilometer zu laufen, um dann morgen ganz in Ruhe noch einmal so viel bis zum letzten Bootstransfer vor Kvikkjokk zu machen. Gegen zehn starte ich durch dichtes Gewächs, junge Birken, die bis in den Pfad reingewachsen sind, so dass ich mit dem Rucksack und meinen Sachen jeden Baum streife und Stück für Stück durchweiche. Auf die Regensachen habe ich trotzdem keine Lust, da ich weiß, in spätestens einer halben Stunde habe ich die Baumgrenze überquert, da es sich jetzt deutlich auf einen Berg hochzieht, der wie ein Tafelberg vor mir steht. Es geht an einem wunderschönen, kräftig rauschenden Fluss aufwärts, der von weit oben aus den Bergen kommt. Bevor der Weg vom Fluss weg geht, mache ich die erste Pause und sitze staunend vor dieser 1250 m hohen Steilwand. An ihrem Fuß werde ich gleich in nordwestliche Richtung weitergehen. Bei der kurzen Strecke heute fallen die Pausen natürlich länger aus und es fällt mir mal wieder mehr auf, wie schön es ist, mit so viel Ruhe rundherum alles zu genießen. Als ich den Berg fast in seiner Breite passiert habe, treffe ich um zwölf auf eine junge Schweizerin, sie kommt mit ihrem Hund gerade vom Nordkap und so unterhalten wir uns ein wenig über unsere etwas ähnliche Wanderung. Und nebenbei, für mich ist es ein Novum, huscht ein Lemming unter die Steine. Kurz darauf ist er noch einmal zu sehen, dann nicht wieder. Ich habe so oft davon gehört, dass man diese kleinen, etwas mehr als mausgroßen Tiere auf dem Weg sehen kann, heute ist es für mich das erste Mal und umso schöner. Wir beenden unseren Talk am Wegesrand, da uns ein Regenschauer dazwischenkommt, ich sitze aber gegen eins schon wieder zum nächsten Mal bei trockenem herrlichen Wetter und dem typischen Bergwind und schaue weit in die Täler, wo die Sonne auf die vielen Seen scheint und ich weit weit im Hintergrund Bergkette um Bergkette sehen kann. Es ist wirklich ein wunderschöner Tag heute, Sonne, Wolken, Regenschauer, Berge, ich kann mir aussuchen, was immer ich sehen will, muss mich nur in die richtige Richtung drehen. Gegen zwei sehe ich wieder einen Lemming, leider ist der tot und liegt auf dem Weg. Immerhin aber eine Bestätigung, dass es hier welche gibt und ich mich vorhin nicht verguckt hab. Kurz darauf öffnet sich vor mir ein wunderschönes grünes Tal, in dem es jetzt abwärts geht. Es sind insgesamt nur noch gute 15 km und ich bin der Meinung, einen bestimmten Berg vor Kvikkjokk zu erkennen, den ich in den letzten Jahren schon mal gesehen habe. In den riesigen Quellwolken bilden sich die ungewöhnlichsten Formationen, in einer sehe ich sogar einen Regenbogen nur in der Wolke. In der Karte habe ich in nicht allzu weiter Entfernung einen Fluss gesehen, an dem ich heute beenden will. Es ist der Tsielekjåhkå und ich sehe schon vom weiten, er ist sehr breit und es gibt eine Hängebrücke. Was ich bisher nicht auf dem Schirm hatte, mir aber ganz gelegen kommt, ist die Tsielejåkkastuga, an der ich um vier ankomme. In ihr werde ich übernachten und muss mich also nicht um Zelt und Regen kümmern. Ich setze gleich erst mal etwas Wäsche an, die Sonne scheint, es geht gut Wind dazu, da kriege ich alles noch am Abend trocken. Während ich hier so beschäftigt bin, kommen ganz unerwartet meine holländischen Freunde daher, die ich schon lange im Voraus in Kvikkjokk wähnte. Sie haben auch die letzten zwei Tage ruhiger gemacht, es ist umso erfreulicher, sie als die letzten aus den vergangenen Tagen doch noch mal wiederzusehen. Nachdem ich im Fluss ein Bad genommen und gegessen habe, gehe ich noch mal zu ihnen auf die andere Seite des Flusses. Wir sitzen etwas zusammen, unterhalten uns, nebenbei füllen sich auf dieser Seite alle möglichen Plätze mit Zelten. Kurz bevor ich rüber zum Schlafen gehen will, platziert Sven sein Zelt nebenan. Er ist für einen guten Zweck unterwegs, hoch zum Nordkap getrampt und seit Juni wie ich zu Fuß unterwegs auf dem Weg nach Spanien. Na das ist ja mal ein paar Worte wert, sich über mehr als 8000 km und alle möglichen anderen interessanten Sachen etwas auszutauschen.Read more
Mal wieder eine Nacht in der Hütte, aber der Bringer war‘s irgendwie nicht. Moskitos abklatschen und fast stickige zwanzig Grad… Da ist es im Zelt doch angenehmer. Aber gut, es war ja nicht die letzte Nacht auf dem Weg, ein paar habe ich noch vor mir. Für circa um acht bin ich mit dem Geschwistertrio zum Frühstück verabredet. Dann noch ein kurzer Schwatz und ein Foto mit Sven, dem Charity Hiker und dann ziehen wir um kurz nach neun zusammen los, es sind heute nur 12 km bis zum Bootsanleger. Kvikkjokk ist von westlicher Seite von den Flüssen Gamájåhkå und Tarraätno begrenzt, deshalb ist der Zugang nur mit dem Boot möglich. Der Ort an sich mit seinen zwölf dauerhaften Einwohnern ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, es gibt hier eine Fjällstation und von hier aus geht täglich ein Bus in Richtung Osten zur wichtigen Nord-Süd-Bahnlinie. Wir haben wieder prächtiges Wetter, laufen recht zügig erst noch über freies Sumpfland, später zieht sich der Weg im Wald auf ziemlich matschigen Wegen abwärts. Das Ziel wird am Ende auf 300 m.ü.M. sein. Entlang des Weges sind immer wieder Schilder aufgestellt, die auf den Bootstransfer hinweisen, es gibt hier zwei private Betreiber, die auf diesem Weg um die Kundschaft kämpfen. Wir laufen zwar zu viert als kleine Gruppe, trotzdem ist es ein sehr angenehmer Schweigemarsch. Das Reden beim Laufen ist ziemlich aufwändig, alle laufen schließlich hintereinander, so versteht man kaum was von dem, was vorne gesprochen wird. Außerdem ist es sehr schön, auch mal nicht zu reden. Zwischendrin beobachten wir einen sibirischen Häher (Unglückshäher), ein Vogel, den ich vor etlichen Wochen schon einmal am Weg hatte. Sie sind recht zutraulich und wenn man etwas Zeit hat, kommen sie immer wieder zurück, weil sie scheinbar recht neugierig sind. Gegen 14:00 Uhr erreichen wir die Stelle, an der das Boot zweimal täglich nach Plan verkehrt, eins ist allerdings in dem Moment schon vor Ort, da Jana vorab schon angerufen hatte. Es ist etwas konfus, der Bootsführer Björn nimmt die Holländer mit und ich soll doch besser auf das nächste Boot mit Helena warten, um dann mit einem weiteren Deutschen überzusetzen. Da ich nicht in Eile bin, ist es kein Problem, aber richtig verstehen tue ich es nicht. Wir treffen uns später auf der Zeltwiese gute hundert Meter vor der Fjällstation wieder, auf der ich die nächsten drei Nächte bleiben werde. Der Platz ist oberhalb einer steilen bewaldeten Böschung vom Fluss, der Geräuschpegel ist tierisch laut, da es viele Felsen und Stromschnellen gibt. Am Nachmittag gönnen wir uns bei diesem herrlichen Sonnenwetter ein Bad im Fluss, hier muss man schon aufpassen, welche Stelle überhaupt zugänglich ist, um ja nicht in eine dieser Stromschnellen zu geraten. Die riesengroßen Felsen sind von der Sonne wunderbar aufgewärmt und so liegen wir drei Kerle nach dem Bad wie am Strand nackt in der Sonne und lassen uns trocknen. Gegen Abend füllt sich die Wiese immer mehr mit Wanderern, die aus Nord oder Süd hier ankommen und hier draußen übernachten. Viele von ihnen werden morgen früh den Bus nach Jokkmokk nehmen oder auf dem Weg weiterziehen. Da es hier wieder Empfang gibt, kümmere ich mich am späten Abend um den weiteren Weg, da ich erst am Donnerstag nächster Woche von hier aus weitergehe, wenn ich aus Luleå zurück bin. Das Boot, das ich in gut 130 km Entfernung dann über den See Akkajaure benötige, ist dieses Jahr bis zum 8. September aktiv, so dass ich ausreichend Zeit habe und meinen geplanten Weg zumindest im groben so weiter verfolgen kann. Bin ja schließlich bei gut sieben Wochen „Verspätung“.Read more