India
Hāthras

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Travelers at this place
    • Day 33

      Hathras (27.03.)

      March 27, 2016 in India ⋅ ⛅ 8 °C

      Was für eine vollkommen außergewöhnliche Erfahrung. Wie bereits angekündigt, hat uns Dil heute mit zu seiner Familie genommen. Wir fuhren also auf dem Weg von Agra nach Delhi in Hathras vorbei, irgendwo auf dem Land.
      Als wir ausstiegen wuselten nach kurzer Zeit schon einige Kinder um uns herum und in fröhlichem Gedränge wurden wir in einem kleinen Haus von einer handvoll Leute eine vielleicht 50 cm breite Treppe hochgeschoben.
      Oben in einer Wohnung so groß wie unser Wohnzimmer angekommen wurde uns geheißen, uns doch bitte mit Dil auf das einzige Sofa zu setzen. Wir hatten uns kaum gesetzt, da war aus den paar Leuten schon eine solche Menge an Verwandten geworden, die unsereins nicht einmal zu Weihnachten einlädt. Obwohl der offizielle Anlass für unsere Stippvisite nicht wir waren, waren wir trotzdem die große Attraktion, denn viele der Leute haben noch nie live einen weißen Menschen gesehen.
      Die verschiedenen Brüder, Schwestern, Onkels und Tanten packten dann nacheinander alle Kinder einmal zu uns, um Fotos zu machen, natürlich immer eifrig nachfragend, ob wir auch "comfortable" sind. Dil war mit irgendwem in einem Nebenraum und wir somit alleine mit seiner Familie. Mit Händen und Füßen wurden Bilder arrangiert und man bekam die Verwandtschaftsverhältnisse erklärt. Ein paar Unklarheiten bleiben jedoch, denn Fragen wie "How many brothers do you have?" wurden ausnahmslos mit einem "Yes" und nettem Kopfwackeln beantwortet. Da wir anschließend auf die Rateversuche "Two?" und "Three?" nacheinander die selbe Antwort bekamen, wurden wir auch nicht schlauer. Unterdessen hatten die Frauen in der Küche ein Mittagessen vorbereitet. Wir wurden dann als erste in den nächsten Raum geleitet, zogen unsere Schuhe aus und setzten uns zusammen mit Dil und drei weiteren Männern auf ein Bett, auf dem dann ein Dal*, Aloo Gobhi**, Linsen, Rindfleisch (zur Erinnerung: Dil und seine Familie sind Moslems) und Butterreis serviert wurden. Zum Nachtisch gab es Khir***. Während wir am essen waren, vergrößerte sich die Menge immer weiter und bald strahlten uns rund 50 fröhliche Gesichter an, Männer, Frauen und Kinder. Beim Essen sind auch unten die Bilder entstanden und das war keinen Moment zu früh, denn als weiteren Nachtisch bekamen wir einen Joint in die Hand gedrückt, "Indian Dessert" wurde es später genannt und gehört wohl zu so einer Gelegenheit dazu, na gut.
      Danach startete auch gleich die nächste Fotosession und dann trauten sich auch die Erwachsenen aufs Foto. "Wer hat noch nicht, wer will nochmal?" schien das Motto zu sein, jeder wollte ein Bild haben und selbst die älteren Damen, die ich aus Respekt und ein wenig Schiss, etwas kulturell falsch zu machen, nicht direkt umarmt hätte, drückten sich so eng an uns, als wenn wir zur Familie gehören würden. Aber so unangenehm diese Erfahrung manchmal auf der Straße ist, wenn ein paar halbstarke Jungs, denen schon der Geifer vom Kinn tropft, nach einem Foto mit Lisa fragen - oder es versuchen, ohne Erlaubnis zu schießen - so schön war es hier. Man spürte einfach, dass sich jeder einfach freute, dass wir da waren und wir uns auf den Spaß einließen. Dass wir von Bild zu Bild bematschter aussahen, schien sie nicht zu stören.
      Es ging dann wieder zurück auf die Couch. Uns wurde ein wenig mulmig, denn es war im Vorfeld von einer Zeremonie die Rede und plötzlich lagen vor unseren Füßen Dinge, die augenscheinlich Geschenke darstellen sollten. Manche waren eingepackt, manche nicht, das Meiste waren Klamotten für sie und ihn. Sollte das etwa für uns sein? Die werden uns doch jetzt nicht, nur weil wir da sind, etwas schenken? Unsere hilflosen Blicke kommentierte Dil nur damit, dass er es später erklären würde.
      Ein älterer Herr, der sich später als Imam entpuppte, bekam dann das größte Paket überreicht und packte es mit hoher Sorgfalt aus. Hervor kam eine eingerahmte Sure aus dem Koran mit Blinklichtern drum herum, die vom Geistlichen dann vorgelesen wurde.
      Die restlichen Sachen wurden dann glücklicherweise nicht uns, sondern einer von Dils Schwagern oder Schwägerinnen überreicht, konnten wir nicht so genau sehen. Der Imam musste außerdem auch die Einladung zur in vier Wochen stattfindenden Hochzeit lesen und danach bekamen wir alle so etwas wie Zuckerwürfel in die Hand gedrückt. Diese interessante Zeremonie war der Grund für das ganze Zusammenkommen: Mit dem Verlesen der Einladung ist das Datum fest und es gibt kein Zurück mehr. Außerdem sind - mit Ausnahme von uns - alle Anwesenden verpflichtet zu erscheinen.
      Nach dem offiziellen Teil standen wir dann wieder im Mittelpunkt. Zwischendurch musste ich mal mit auf den Balkon, wo wir unter Männern dann noch einen rauchen sollten. Ich lehnte einen eigenen dankend ab. Lisa war zwischendurch mal ins Ess/-Schlafzimmer geleitet worden und nachdem Kissen und Decken gebracht worden waren, wurde ihr von rund einem Dutzend Leute, die um das Bett herum standen, gesagt, sie solle sich doch schlafen legen. Warum, haben wir bisher nicht verstanden. Nachdem sie ablehnte, musste auch sie weitere Versuche abwehren, einen zweiten Joint zu rauchen.
      Nach zwei Stunden und unzähligen Fotos war der Spaß vorbei und wir machten uns auf den Weg nach Delhi.

      Oh mann, gerade beim Stop-And-Go-Verkehr nach Delhi rein ist ein Autofahrer einem Motorrad rein gefahren. Der Motorradfahrer wurde ein bisschen durchgeschüttelt, befreite sein im Kotflügel des Autos verkeiltes Fahrzeug mit etwas Gewalt, woraufhin ein Nebelscheinwerfer des Autos auf die Straße fiel, und beide fuhren weiter. So entspannt muss erstmal sein.

      *Sollten aufmerksame Leser schon kennen
      **Aloo = Kartoffel, Gobhi = Blumenkohl
      ***Ein Pudding aus Reisnudeln mit Kardamom, Zimt und Cashewkernen. Hier auch noch mit Kokosnuss.

      Bild 1: Esszimmeresseckentischbett
      Bild 2: Lecker essen
      Bild 3&4: Verwandtschaft von Dil. Dass kleine Kinder die Augen geschminkt haben, sieht man hier übrigens sehr häufig. Der Kajal wird benutzt, um die Augen zu umranden, sodass böse Geister darin in einem ewigen Kreis gefangen werden und dem Kind keinen Schaden zufügen können. So hats uns jedenfalls jemand erklärt...
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    You might also know this place by the following names:

    Hāthras, Hathras

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