Indonesia
Lagudri

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Travelers at this place
    • Day 298

      Life’s better at the beach 1

      July 6, 2019 in Indonesia ⋅ ⛅ 27 °C

      Normalerweise ist in der Villa Warna Warni der „Sunday Funday“ - Beachtag.
      Da die Kids jedoch gerade Ferien haben, gehen wir fast jeden zweiten Tag an den Lagundri-Strand. Viel ist vom Strand nicht mehr übrig, da die Einheimischen ihn lastwagenweise für den Häuserbau abtransportieren.
      Nach der täglichen Mittagsruhe schwirren die Kids wie fleißige Arbeiterbienen in und um unseren (nach deutschem Verständnis schrottreifen) Jeep herum, stopfen ihn mit Schwimmflügeln, Schwimmreifen, Fußball, Bodyboards, Badmintonschlägern, Kokosnusskeksen und Taucherbrillen voll, schnallen die Surfbretter aufs Dach und quetschen sich dann noch selbst in die verbleibenden Lücken im Auto.
      Dreizehn Menschen im Auto und drei bis vier auf dem Roller.
      In dieser Besatzung fahren wir die fünf Minuten zum Strand, wo die Arbeiterbienen sogleich wieder ausschwirren und das Auto entladen.

      Die Großen schnallen sich die Leash um die Fesseln und rennen mit dem Brett unterm Arm in die Wellen. Die Kleinen pressen sich die Schwimmflügel über die Ärmchen und rennen hinterher. Es wird gekickt, Badminton gespielt, im Sand gezeichnet und geplanscht, was das Zeug hält.

      Life’s better at the beach!

      In ihrem Leben vor der Villa Warna Warni haben viele der Kinder noch nie im Meer gebadet. Obwohl sie auf einer Insel wohnen.
      Es ist wunderschön mitanzusehen, wie sehr ihnen das Wasser gefällt und wie sehr sie sich darin austoben können.

      Zum Abschluss eines jeden Beach-Days sammeln wir alle zusammen Plastikmüll vom Strand auf.
      Vom kleinen Aldin bis zum Chef Joli - alle helfen mit. Wir hoffen, auf diese Weise nicht nur unseren Villa-Kids, sondern auch den Locals am Strand ein Bewusstsein für Plastik und Müll zu vermitteln.

      Und der Gedankensamen fruchtet tatsächlich. Mittlerweile fangen vereinzelte Kids schon von selbst mit dem Beach-Clean-Up an.
      Als zusätzliche Motivation und Vorbildfunktion haben wir einen Banner drucken lassen mit der Aufschrift „Villa Warna Warni cleaned our beach!”, natürlich auch in Bahasa Indonesia und Bahasa Nias, so dass es wirklich jeder verstehen kann.

      Life’s even better at a clean beach :)
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    • Day 286

      Die Villa-Bewohner 1

      June 24, 2019 in Indonesia ⋅ ⛅ 26 °C

      Joli hat einmal gesagt: „Die Kinder werden dich jeden Tag mit einem Lächeln belohnen.“ Wir fanden diese Aussage so schön, dass wir sie in unseren Volunteer-Guide abgedruckt haben.
      Unzählige Male habe ich diesen Satz in den letzten Jahren gelesen, aber jetzt darf ich ihn mal wieder am eigenen Leib spüren.
      Die Kinder der Villa Warna Warni sind so unglaublich höflich, geduldig, genügsam, lieb, hilfsbereit, talentiert und fröhlich. Es stimmt tatsächlich- wenn die Kinder einen mit strahlenden Augen anlächeln, wird einem sofort wieder klar, für was man diese ganze ehrenamtliche Arbeit macht. Sie zahlen es einem mit ihrem Lachen tausendfach zurück!

      Momentan wohnen neben Joli Dachi und seiner Familie neun Kinder in der Villa Warna Warni. Allesamt tragen mit ihrer einzigartigen Persönlichkeit zum kunterbunten Treiben in diesem kunterbunten Zuhause bei.

      Aldin. Ein Herzensbrecher und Strahlemann. 3 Jahre alt und schon jetzt ein Charmeur sondersgleichen. Mit seiner quirligen Art hält er die Villa ununterbrochen auf Trab. Und jeden Tag aufs Neue schafft er es, den Menschen um sich herum ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Er ist der Adoptivsohn von Joli und Juli.

      Angela. Sie ist die jüngste Tochter von Joli und Juli. Aldin und Angela sind ein unschlagbares Team und zusammen machen sie die Umgebung unsicher.

      Regina. Jolis älteste Tochter. Früher Prinzessin und heute eine bildhübsche, äußerst intelligente junge Frau. Sie kümmert sich verantwortungsvoll um ihre beiden kleineren Geschwister Angela und Aldin.

      Johan. Der älteste Sohn Jolis und damit wichtigster Nachkomme. Sollte Joli etwas zustoßen, geht nach Niasser Recht der ganze Besitz in Johans Hände über. Er ist klug und übernimmt verantwortungsvolle Jobs in der Villa Warna Warni. Er wird vielleicht eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten.

      Deli. Mit größter Neugierde entdeckt er die Welt und die Menschen um sich herum. Manchmal fallen ihm vor lauter Staunen fast die Augen heraus. Sein Grinsen lässt Herzen schmelzen. Er ist absolut zuverlässig und sehr arbeitstüchtig.

      Aris. Delis größerer Bruder. Ein lustiger, aufgeweckter Kerl, der immer ein Auge auf seinen kleinen Bruder hat. Aris ist sehr aufmerksam und bietet oft von sich aus Hilfe an. Ein äußerst zuvorkommender und fröhlicher Junge.

      Fitri. Sobald sie ihre Schüchternheit abgelegt hat, kommt ein strahlendes, intelligentes und auch freches Mädchen voller Tatkraft und Energie zum Vorschein. Beim Lachen strahlt ihr ganzes Gesicht.

      Susi. Als älteste Bewohnerin der Villa sorgt sie für Recht und Ordnung. Sie ist Julis dritte Hand in der Küche und hat alles im Griff. Joli gibt mehr und mehr Verantwortlichkeiten an sie ab, weil man sich zu hundert Prozent auf sie verlassen kann. Eine unglaublich höfliche, strebsame und pflichtbewusste junge Dame.

      Tina. Susis kleine Schwester. Genau so lieb, aber rotzfrech und äußerst humorvoll. Als Pippi Langstrumpf der Villa hat sie immer einen schlagfertigen Spruch auf Lager und bringt alle zum Lachen. Tina ist sehr fleißig und absolut zuverlässig.

      Piter. Mit seinem ansteckenden Lachen, seinen Tanzkünsten, seiner Engelsstimme und seiner entwaffnenden Liebenswürdigkeit ist er eine ganz besondere Persönlichkeit mit ganz großem Herz. Er ist immer zur Stelle, wenn man Hilfe braucht und ist extrem höflich und dankbar.

      Arianto. Ein hübscher Lausbub, der riesige Portionen Reis verputzen kann. Mit Tina lacht er täglich um die Wette. Er liebt Surfen und fängt gelegentlich Fische im Reisfeld.

      Juni. Der coole Jugendliche. Da er jeden Morgen Klimmzüge und Liegestützen macht, ist er ein ordentliches Kraftpaket. Kein Wunder kann er lockerflockig auf Kokospalmen klettern, wo er einem mit Vergnügen mal schnell eine junge Kokosnuss zum Trinken herunterholt. Mit seiner ruhigen und hilfsbereiten Art hilft er, den Tagesbetrieb der Villa am Laufen zu halten. Tanzen und Surfen sind seine großen Leidenschaften.

      Rofe. Ein fröhlicher, intelligenter Junge voller Tatendrang, der unheimlich gerne Karten spielt. Wenn er sich mit der Gitarre in eine Ecke sitzt und die schönen Klänge seiner Musik durch die Villa schwingen, kommt das quirlige Leben für einen kurzen Moment zum Stillstand.
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    • Day 285

      Schulferien 1

      June 23, 2019 in Indonesia ⋅ ☁️ 25 °C

      Zufälligerweise sind während meiner Zeit hier auf Nias Schulferien. Am Tag meiner Anreise war der letzte Schultag und die Kinder brachten stolz ihre Zeugnisse heim. Alle haben das Schuljahr bestanden, manche erhielten sogar Preise für ihre außerordentlich gute Leistung.

      Was für ein guter Start in die Ferien.
      Der normale Tagesablauf mit Schule, Mittagessen, Lernen, Gartenarbeit ist für die nächsten drei Wochen außer Kraft gesetzt.

      Am Tag nach meiner Anreise packen wir alle 9 Villa-Kinder plus die vier Kids von Juli und Joli in den Jeep und auf die zwei Roller. Mit Surfbrettern, Schwimmflügeln, Bällen und Keksen bestückt düsen wir an den nahegelegenen Lagundri-Beach.
      Der sonst menschenleere Strand wird sonntags von Einheimischen belagert, die ein Schlachtfeld aus Plastikverpackungen hinterlassen.
      Es ist mittlerweile schon zur Routine geworden, dass unsere Villa-Kinder am Ende ihres Strandtages einen Beach-Clean-Up machen.

      Mit Hose und Tshirt bekleidet stehe ich im Meer, Aldin und Angela ziehen an meinen Fingern und ich schaue mich um: ich beobachte Felix, wie er mit voller Leidenschaft die Jungs in die Wellen schubst. Ich beobachte Joli, wie er mit den Kleinen am Strand kickt. Ich beobachte Tina, wie sie auf dem Bodyboard balanciert. Ich beobachte Juli, wie sie das ganze Geschehen beobachtet.
      In mir stellt sich ein richtig zufriedenes Gefühl ein. Alle haben Spaß. So viel geballtes Kinderlachen habe ich schon lange nicht mehr miterlebt. Es macht mich glücklich und stolz zu sehen, wie gut es den Kids geht und welch starke Persönlichkeiten sie haben.

      Zurück in der Villa steht dann erst mal „Mandi“ an - duschen.
      Ach ja. Da war was. Kellendusche. Und Kellenklospülung. Fast schon wieder vergessen. Aber auch das Duschen aus dem Eimer fühlt sich vertraut an und gehört einfach dazu. Außerdem ist das Volunteer-/ Gästezimmer, in dem Felix und ich schlafen, durch Michis und Nonos Renovierung extrem gemütlich geworden.

      „Tini! Felix! It’s time to eat!” ruft Deli. Felix warnt mich: ‚Wenn sie das sagen, müssen wir ganz schnell runter!‘ Und tatsächlich - die ganze Mannschaft ist schon um den großen Holztisch in der Küche versammelt und wartet nur auf uns. Kaum sitzen wir da, gehts auch schon los. Aber nicht mit Essen, sondern mit Beten. Als ordentliche Katholiken beten die Villa-Bewohner vor und nach dem Essen. Eine schöne Routine, um nochmal innezuhalten, bevor das große Futtern losgeht. Und wenn man die riesigen Portionen Reis betrachtet, die die Kids sich einverleiben, scheint der Begriff „Futtern“ mehr als angemessen. Der Reis wird mit den Händen in den Mund geschaufelt, es wird geschmatzt und gerülpst. Ich finds lustig und kann das Schmatzen nachvollziehen, denn Julis Essen schmeckt köstlich!
      Felix, der schon seit vier Wochen hier ist, meint dazu nur: „Am Anfang fand ich echt alles toll, aber so langsam nervts. Wie die alle schmatzen zum Beispiel, das macht mich fertig. 3 Wochen fand ichs irgendwie süß, jetzt find ich’s fast schon widerlich.“
      Tja. Andere Kulturen. Andere Sitten.
      Die Niasser findens dafür abartig, dass wir uns in aller Öffentlichkeit umarmen. So was Ungezogenes :)

      Eine Sitte, die ich hier wunderschön finde ist, dass man sich nach dem Händeschütteln die Hand aufs Herz legt.

      Und die nächste tolle Sitte ist - wie konnte ich es vergessen - nach dem Essen auf dem Hof auf roten Plastikstühlen sitzen, Arak aus Plastikbechern trinken und Nelkenzigaretten rauchen.
      So hatten wir doch immer die ergiebigsten und ehrlichsten Vereinsbesprechungen ;)

      Meine ersten Tage hier in der Villa beobachte ich erstmal viel.
      Ich bestaune die von Michi, Nono und den Kids neu bemalten Häuser, begrüße die Schweine (Fun-Fact: die einzige weiße Sau heißt: Buleh = Tourist), die Ziegen, Hühner und Katzen, streife durch den Gemüsegarten und ende schliesslich unten an unseren Reisfeldern. Das war schon immer einer meiner Lieblingsplätze bei der Villa. Das saftige Grün, das sanfte Rascheln der Halme im Wind, das leise Plätschern des Baches, die bunten Stofffetzen, die die Vögel vertreiben sollen. Dieser Platz strahlt eine versöhnliche Ruhe aus. Und macht gleichzeitig so viel Arbeit.
      Wenn man die vielen Schritte vom Säen, Setzen, Unkraut zupfen, Vögel verjagen, Ernten, Klopfen, Trocknen, Öffnen mitbekommt, schätzt man jedes einzelne Reiskorn, das man vor sich auf dem Teller liegen hat, um einiges mehr!

      Ich merke, wie ich immer mehr auf Nias ankomme und freue mich richtig darauf, in die mir so vertraute und doch fremde Kultur einzutauchen.
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    • Day 299

      Nias - Vertraut und doch so fremd 1

      July 7, 2019 in Indonesia ⋅ ⛅ 27 °C

      Unsere Villa Warna Warni.
      Mittlerweile sind es drei Häuser - dank Michi und Nono alle kunterbunt.
      Obwohl ich eigentlich schon weiß, wie es sich hier lebt, bin ich auch dieses Mal wieder von einigen Dingen irritiert:

      Waschbecken. Wieso zur Hölle gibt es nirgends Waschbecken? Es bedarf einiger Angewöhnung, mit derselben Kelle zu duschen, Zähne zu putzen, die Toilette und den Mund zu spülen, Hände und Dinge wie Pinsel oder Kaffeetassen zu waschen.

      Linksverkehr. Wie oft haben wir in den letzten neun Monaten eigentlich die Straßenseite gewechselt?

      Beten. Vor und nach dem Essen. Ein sehr schönes gemeinsames Ritual. Wenn man es mal vergisst und direkt losfuttert, erntet man direkt warnende Blicke.

      Schmatzen. Während des Essens. Anfangs lustig, nach ein paar Wochen nervtötend.

      Schwitzen. Die hohe Luftfeuchtigkeit gepaart mit der Äquatorsonne und dem scharfen Essen treibt einem ununterbrochen den Schweiß ins Gesicht. Ein Zustand, an den man sich als Mitteleuropäer wohl nie gewöhnt. Die Niasser hingegen merken es gar nicht richtig, für sie ist Schwitzen Normalzustand.

      Reis. In Massen. Morgens. Mittags. Abends. Eine Unterscheidung in Frühstück, Mittag- und Abendessen gibt es in der indonesischen Sprache nicht. Es heißt ganz einfach „makan“.

      Chili. In Massen. Morgens. Mittags. Abends. Siehe Punkt „Schwitzen“.

      Mit den Händen essen. Wie zur Hölle kann man denn bitte mit den Händen Reis essen? Nein, ohne Fladenbrot als Löffelersatz. Einfach nur mit den Fingern.

      Das dröhnende Geräusch der Kokosnussreibemaschine. Zwischen Faszination über das geraspelte weiße Gold, das da herausgearbeitet wird und der Angst, dass im nächsten Augenblick ein Kinderfinger geraspelt wird.

      Das markerschütternde Quieken der Schweine. Wenn sie gefüttert werden (bzw. wenn sie - wie fast jede Nacht - beim Nachbarn geschlachtet werden).

      Das Wett-Krähen der Hähne, die den Tag oft schon um drei Uhr nachts einläuten.

      DJ Aisha. Die Kinder gehen krass dazu ab.

      „Tidak apa apa“ - kein Problem. Eigentlich toll, wenn alles kein Problem ist und man immer alles machen darf. Manchmal aber auch echt irritierend. Zum Beispiel wenn man auf die Frage: „Soll ich dir helfen?“ die Antwort: „ Kein Problem“ bekommt. Heißt das jetzt Ja oder Nein? Oder „Soll ich dir etwas aus der Stadt mitbringen?“ - „Tidak apa apa.“

      Spülen. In der Hocke auf dem Boden neben dem Brunnen.

      Das glirrende Geräusch des Nachbar-Schmiedes in aller Herrgottsfrüh.

      Handeln. Um alles. Sogar wenn der eigene Bruder der Verkäufer ist.

      Tante Tini. Lustigerweise sagt man hier zu Frauen, denen man Respekt zeigen will, Tante.

      Spontan. Die normale Vorlaufzeit für Einladungen zu einer Hochzeit beispielsweise beträgt 1-3 Tage. Genau so spontan muss man auch mit Planungen, die die Arbeit im Kinderheim angehen, sein.

      Meine Zeit hier in der Villa Warna Warni ist zwar anstrengend, aber tut dem Herzchen sehr gut. Hier kennt man mich, hier habe ich eine Aufgabe, mache etwas Sinnvolles. Hier werde ich in Liebe bezahlt und bin ein Teil eines extrem gut funktionierenden Systems. Eines sauber geölten Großfamiliengetriebes, in dem jeder genau weiß, was er wann zu tun hat. Am allermeisten begeistert mich, wie gut die Kinder erzogen sind. Sie sind überaus höflich, respektvoll, sagen immer zu allem Danke und Entschuldigung (sogar, wenn ich wo dagegenlaufe. Sie entschuldigen sich sozusagen für meine Blödheit ;).
      In der Freizeit der Kinder knüpfen wir Freundschaftsbändchen, falten Origami, spielen Tischtennis und UNO, singen oder sitzen einfach vor dem Haus auf dem Boden und quatschen. Oder glotzen auf die Straße. Oder tun nix.

      Besonders schön finde ich auch den „jalan jalan“ (Spaziergang) durch unseren villaeigenen Garten.
      Grün. Bananenstauden, Tapiocapflanzen, Chilibäumchen, Kokosnusspalmen. Alles grün. Bis runter zum Reisfeld. Und auch hier: Grün soweit das Auge reicht.
      Die pure Schönheit der Reisfelder hat mich schon oft in ihren Bann gezogen und auch dieses Mal breitet sich in mir unmittelbar eine innere Ruhe aus. Die dünnen, langen Pflänzchen, die in verwunderlich beruhigender Art in ordentlichen Reihen stehen und bei jedem Windzug sachte rascheln.
      Gekonnt huschen Deli und Aris auf den sumpfigen Wegen zwischen den bewässerten Feldern hin und her, pfeifen auf Grashalmen und zeigen uns die leeren Reis-Ähren.
      „Normally you can hear the people screaming to chase away the birds. But now we don’t hear anyone.”
      Joli erklärt, dass die diesjährigen Reispflanzen kaputt sind. In ganz Südnias wird die Reisernte äußerst schlecht ausfallen, da in den Ähren schlichtweg nichts drin ist. Niemand weiß genau, woher das kommt. Es könnte an der Temperatur liegen oder an der Luftfeuchtigkeit. Keiner weiß es genau, aber es ist für viele Niasser Bauern ein Genickbruch. Sie leben vom Reis und müssen nun schauen, wo sie ihr „täglich Brot“ herbekommen. Auch in unserer Villa muss mehr Reis zugekauft werden. Pro Jahr gibt es drei Reisernten, wobei auf unseren Feldern insgesamt 17 - 25 Säcke Reis produziert werden. In mühevoller und schweißtreibender Arbeit. Wieder einmal mehr wird mir bewusst, wieviel Zeit, Schweiß und sich zwischen die Zehen festsaugende Blutegel in dem Reis stecken, den wir einfach so ganz bequem zuhause vom Regal kaufen. Und wieder einmal mehr nehme ich mir vor, zuhause ausschließlich fair gehandelten Reis zu kaufen, damit die Arbeiter vor Ort wenigstens annähernd für das belohnt werden, was sie leisten.

      Auf dem Weg durch den Garten zurück zur Villa erhasche ich ein Näschen des mittlerweile so vertrauten Geruches nach Chili, Knoblauch und Ingwer. Juli kocht. Hmmmm mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Vor allem weil ich weiß, dass ein Großteil unseres Abendessens genau aus diesem Garten stammt.

      Ach wie schön ist es, hier auf Nias zu sein. Es sind so viele Kleinigkeiten, die diesen Ort und seine Menschen zu meiner zweiten Heimat machen.
      Dschungelgeräusche zum Einschlafen. Sonnenaufgang über Kokosnusspalmen. Mit der Sonne leben. Das ausgiebige, sinnliche Bet- und Singritual vor dem Schlafen.

      Apropos Schlafen: Michi und Nono haben unglaublich viel Zeit und Liebe in die Renovierung der Villa gesteckt, so auch in die oberen beiden Zimmer des zweiten Hauses. Dort schlafen Volunteers, Gäste und auch wir, wenn wir vor Ort sind. Felix und ich gestalten die Räume weiter, statten sie mit Betten, Moskitonetzen und einem prall gefüllten Materialschrank für die Volunteers aus. Außerdem stellen wir einen Volunteerguide zusammen, der zukünftigen Freiwilligen helfen soll, sich auf Nias und in der Villa Warna Warni zurecht zu finden. Besonders betonen wir dabei die Kulturellen Unterschiede, die sogar uns nach acht Jahren Nias-Erfahrung immer wieder an unsere Grenzen bringen.

      Zum Beispiel, dass der älteste Sohn eine übermächtige Stellung hat (beim Todesfall des Vaters geht alles Hab und Gut an den ältesten Sohn und nichts an die Frau) und Johan aufgrund dessen nie bei den normalen Haushalts-Tätigkeiten in der Villa helfen wird. Auch wenn das mit unserem deutschen Gerechtigkeitsempfinden nicht vereinbar ist: man muss akzeptieren, dass die anderen Kinder Johans Teller spülen und seine Hosen waschen.
      Anderes Beispiel: Es ist unglaublich schwierig, neue Mädchen in das Kinderheim zu bekommen. Das liegt nicht daran, dass etwa alle Niasser Mädchen eh schon zur Schule gehen können. Nein, davon sind wir weit entfernt. Es liegt daran, dass die Familien ihre Mädchen nur ungern gehen lassen, da sie diese für gutes Geld an zukünftige Ehemänner „verkaufen“ können. Harinatal berichtete uns, wie er seiner Schwiegermama in spe jeden Tag Hühner brachte und ihr alle möglichen Dienste erwies, um den Preis für seine Nattie etwas zu drücken.

      Ein sehr krasser Unterschied ist auch, wie extrem gläubig die Niasser sind. Die Mehrheit sind Katholiken. Jedoch von der Sorte „Händchen halten in der Öffentlichkeit ist obszön, Sex vor der Ehe geht gar nicht und Verhüten ist auch nicht drin.“ Nach dem verheerenden Tsunami 2005 arbeitete Joli für „Surf-Aid“ und sollte in diesem Rahmen Aufklärungsarbeit in den Dörfern Nias‘ leisten. Als er dies jedoch tat, bekam er vom ersten Dorfchef direkt eine Strafe auferlegt und musste zwei Säcke Reis und ein Schwein bezahlen.

      Nias ist wirklich eine andere Welt. Ich habe selten so einen Ort erlebt, der noch kaum von der westlichen Konsum- und Kapitalismuswelt beeinflusst ist, an dem die wenigsten Menschen ein Bankkonto haben, an dem Traditionen fast schon über den Gesetzen stehen, an dem die Dorfgemeinschaft einen extrem hohen Stellenwert hat, an dem in Kokosnüssen und Schweinen bezahlt wird, an dem Hähne gehegt und gepflegt werden, an dem das Ansehen im Dorf so wichtig ist, dass man sich tief verschuldet, weil man lieber hunderte Menschen, die man nicht einmal kennt, zu seiner Hochzeit einlädt, als dass man nur wenige Gäste hat, was nicht gerade für einen guten Ruf spricht.

      Und mitten in diese stark traditionsbehaftete Kultur platzten vor acht Jahren ein paar deutsche Studenten und haben es geschafft, über tausende Kilometer hinweg eine Kooperation aufzubauen und das Kinderheim Villa Warna Warni zu erbauen. Unfassbar. Immer wieder, wenn ich das selbst von außen betrachte, wundere ich mich, wie wir das eigentlich geschafft haben. Wie wir da jetzt mitten in der bunten Villa sitzen können und sogar ich als Frau ein Meeting mit vier Männern anleiten darf.

      Ein Elefantenanteil am Gelingen dieses Projektes liegt ganz klar bei Joli. Mit seiner weltoffenen Art, seiner Kooperationsbereitschaft, seiner tief verwurzelten sozialen Ader und seinen unendlichen Ideen leistet er Tag für Tag grandiose Dinge und hält den Laden am Laufen.

      Welch Privileg, einen solchen Menschen seinen Freund und Partner nennen zu dürfen!
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    • Day 300

      Abschied von der Villa Warna Warni 1

      July 8, 2019 in Indonesia ⋅ 🌧 26 °C

      Eigentlich wollen wir an unserem letzten Tag nur mal schnell zu einem Strand, an dem wir noch nie waren. Einfach kurz Tschüss sagen zum indischen Ozean, in welchen Nias so wunderschön eingebettet ist. Der Sogabi Mboho Beach. Keine acht Kilometer weg von unserer Villa Warna Warni. Ein Kinderspiel. Wie immer auf Nias wird man eines besseren belehrt. Die Straße wird bald zum Holperweg, der Holperweg wird bald zum Schlagloch-Trail, der Schlagloch-Trail wird bald zu Baumstämmen, die über Flüsse führen und diese wiederum enden in einem Reisfeld, wo der Weg einfach aufhört. Wir kommen nicht weiter. Aber da wir professionelle Glückspilze sind, kommt uns ein Reisbauer entgegen, der direkt seine Ladung Bambusholz auf den Boden wirft und in erschreckend schnellem Lauftempo vor unserem Roller hermarschiert, um uns den Weg zu zeigen. Wir können uns nicht wirklich verständigen, da nichtmal unser Basic-Indonesisch hilft. Tja Hausaufgaben bis zum nächsten Nias Aufenthalt: Bahasa Nias lernen.
      Jedenfalls führt er uns zu einer Kirche, an der wir den Roller stehen lassen müssen und dann zu einem Fluss, wo er auf das gegenüberliegende Ufer deutet. Weit und breit kein Meer zu sehen. Naja was soll’s. Vertrauen hat schon immer geholfen. Also steigen wir in seinen wackeligen Einbaum. Meine Hüften passen kaum in das Boot. Als Felix auch noch einsteigt, schwappt der Fluss fast ins Boot, das Wasser reicht exakt bis zur Bootskante. Wir dürften kein Gramm schwerer sein.
      Am anderen Ufer angekommen, begleiten unser neuer Freund und dessen Freund uns über Tapiocafelder (sie waren nicht schlecht begeistert, dass zwei buleh wissen, dass dies Schweinefutter ist) und durch Palmenhaine zum Meer.
      Dort angekommen schauen sie uns an und wir uns um. Kein Mensch weit und breit. „Foto! Foto!“ meinen sie. Sie können gar nicht verstehen, dass wir nicht zum Fotografieren gekommen sind. Als wir uns bis auf unsere Badesachen entkleiden und uns auf unsere Strandtücher legen, fallen ihnen fast die Augen aus. Was für eine absurde Situation. Wir liegen auf unseren Tüchern, bräunen uns und nebenan sitzen die zwei Jungs, warten darauf, dass wir damit fertig sind und können es offensichtlich nicht fassen. Diese verrückten Weißen. Legen sich in dieser brütenden Hitze unter die pralle Sonne und das auch noch halbnackt. Nach einer Stunde - die Jungs haben sich mittlerweile unter einen Busch verzogen - ist unsere Zeit dann auch schon abgelaufen und wir machen uns zu viert auf den abenteuerlichen Weg zurück zum Roller, wo wir den zweien ein ordentliches Trinkgeld in die Hand drücken. Sie freuen sich wie kleine Kinder über dieses unerwartete Einkommen und bedanken sich mit einem dicken Grinsen.
      „Friedlich und Freundlich“. Damit bringt Felix die Niasser Art ziemlich genau auf den Punkt.

      Zurück in der Villa Warna Warni besticken wir die letzten Mützen (als Abschiedsgeschenk bekommt jeder von uns eine Cap mit seinem Namen), packen unsere Rucksäcke und versuchen, Massen an Muscheln darin zu verstauen.
      Und wieder beschleicht mich dieses verwirrende Gefühl aus Freude, Dankbarkeit und Abschiedsschmerz, als wir da so Stück für Stück aus „unserem“ Zimmer ausziehen.

      „Iiiiiit iiiiis time to iiiiiiiiiit!“ ruft es mitten in meine melancholische Gedankenreise hinein.
      Ein letztes Mal kommt der süße Deli zu unserem Zimmer herauf und ruft uns fürs Abendessen. Ein Abendessen der besonderen Art.

      Für unser Abschiedsessen hat Joli elf Kilogramm frischen Fisch besorgt und Johan zwei Hühner geschlachtet. Alle sind sie da. Joli, Juli, alle Villa-Kinder, Harinatal und seine gesamte Familie, Anton (Jolis Bruder), seine Frau mit zwei Kindern, Marina (Jolis Schwester) mit ihren Mädels und last but not least Jolis Mama. Alle helfen mit, es wird Fisch in Bananenblätter gewickelt und auf Kokosnussfeuer gegrillt, es wird aus frisch gepflückten Chilis Sambal hergestellt, es wird eine riesige Tafel aufgebaut, es werden massenweise rote und grüne Plastikstühle drumrum gestellt, es wird geschnitten, gerieben, gebraten, es werden Avocados zu Smoothie verarbeitet, es wird Wasser im Kessel über dem Holz-Feuer abgekocht und es werden natürlich Berge an Reis zum Tisch getragen.

      Und so schmausen wir wie die Könige, bis uns fast die Bäuche platzen. Ein unfassbar leckeres Festmahl!

      Nach dem Essen zieht mich Susi, unsere Älteste, in das Mädchenzimmer, um mir ein Freundschaftsbändchen zu schenken. Ich lobe sie für ihre unglaublich höfliche Art, für das liebevolle Bemuttern der Kleineren in der Villa, für ihre Zuverlässigkeit und ihre guten Leistungen in der Schule. Sie schaut mich an, ihr steigen die Tränen in die Augen. Ich umarme sie und mir zerreißt es fast das Herz, als sie weinend erzählt, dass sie heute Nacht von ihrem verstorbenen Papa geträumt hat und dass sie ein vorbildliches Mädchen mit guten Noten sein möchte, um ihre Mutter und ihren Vater im Himmel stolz machen möchte. Ihre Mutter Nuritia haben wir vor zwei Jahren für unsere Dokumentation besucht. Susi erzählt, dass sie immer traurig ist, wenn sie sich daran erinnert, wie ihre Mama jeden Tag zuhause weint, weil sie kein Geld hat, um weder ihren Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, noch genug Reis zu kaufen. Außer Susi und Tina, die beide bei uns in der Villa Warna Warni leben, hat Nuritia noch fünf weitere Kinder. Ihre Holzhütte war so marode, dass es überall hereingeregnet hat. Deshalb hat unser Verein letztes Jahr entschieden, sie beim Bau eines stabilen Hauses finanziell zu unterstützen.
      Das Gespräch mit Susi berührt mich zutiefst. Da wird mir wieder bewusst, welch harten Schicksale diese Kinder haben. Welch verletze Herzen hinter diesen lachenden, fröhlichen Gesichtern stecken. Und genau in solchen Momenten wird einem klar, für was beziehungsweise wen wir die viele Arbeit zuhause machen. Nämlich genau für diese wunderbaren Kinder, die einen so schweren Start ins Leben hatten und jetzt ihr Bestes geben, um die ihnen eröffnete Chance so gut wie möglich zu nützen. Um einen guten Schul-Abschluss zu machen. Um einen ordentlichen Job zu lernen. Oder um zu studieren. Um ihre Familie stolz zu machen. Um dann wiederum Anderen zu helfen. Um ihre Familie und ihr Dorf zu unterstützen.
      Genau das predigt Joli den Kids auch regelmäßig. Er erwartet nicht, dass sie zu ihm zurückkommen werden, um ihm irgendwas zurückzugeben. Er möchte, dass sie in ihre Dörfer gehen und dort den Menschen helfen. Den Samen der Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft säen. Um die Welt Stück für Stück zu einem besseren Ort zu machen.

      Getreu unseres Mottos: „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“

      Und als ich da so auf meinem Plastikstuhl im Hof sitze, Arak trinke, Jolis Nelkenzigarette rieche, die spielenden Kinder beobachte und Aldin seelig auf meinem Schoß schlummert, ergreift mich ein ganz tiefes Gefühl des Stolzes.
      Stolz auf Joli und Juli. Stolz auf die Kinder. Stolz auf uns.

      „Selamat jalan“ (Guten Weg) - „Selamat tinggal“ (Gutes Daheimbleiben) verabschieden wir uns am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrüh. Gottseidank ist es noch zu früh für ausufernde Emotionen. So geht unser Abschied kurz und knackig über den Tisch.

      „Hati Hati, ja?!“ - Bitte Aufpassen, ja? Ein letztes Mal hören wir diese so oft gehörte, äußert lieb gemeinte und aufmerksame Bitte.

      Tschüss Nias! Wieder ein Abschied. Wieder loslassen. Wieder Herzschmerz. Mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal weiß:
      Es ist kein Tschüss.
      Es ist ein Auf Wieder-Sehen.
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    You might also know this place by the following names:

    Lagudri

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