Essaouira
July 28 in Morocco ⋅ 🌬 24 °C
Auf dem Busticket steht Essaouira, das bedeutet Abschied nehmen. Anza lasse ich heute hinter mir. Es sind jedoch nur die Straßen, das wütende Meer, der Nebel am Horizont. Die Menschen bleiben mir zumindest teilweise erhalten. Ich und Ares gehen zusammen, ein paar weitere Leute aus dem Hostel zufällig auch. Am Morgen bin ich noch surfen, am Nachtmittag kommt der Bus. Fast pünktlich mit einer halben Stunde Verspätung- Marokko liebt mich, es ist so wie ich ! Über meinen Schultern hängt mein kleines Zuhause, in unseren Händen haben wir einen Sack voll grüner Feigen.
Der Bus fährt langsam an der Küste, entlang an Stränden, kleinen und noch kleineren Dörfern und nach einer Weile auch Sanddünen. Und dann - BUM !
Es knallt und der Bus bremst abrupt ab. Mitten im Nirgendwo. Der Reifen ist geplatzt. Nach einer Weile trauen wir uns alle raus. 50 Meter hinter uns liegt die schwarze Reifenhülle wie ein tot gefahrenes Reh - kaum wiederzuerkennen. Jetzt stehen etwa Zehn Männer um die Karosserie des Busses herum, Hebeln und schrauben und montieren irgendwann den restlichen Reifen ab - der kommt jetzt einfach in den Stauraum zu unseren Taschen und einem Tierkäfig - was genau darin schläft erkenne ich nicht. Einer der Männer krabbelt jetzt auch unter den Bus, schlägt mit viel Liebe und Kraft gegen die unteren Wände und schraubt auch etwas. Irgendwann können wir wieder einsteigen und fahren weiter als wäre nie etwas passiert. Das Wetter ändert sich von Ort zu Ort. Je weiter wir vor der Küste fliehen, desto wärmer wird es. Die Sonne strahlt mit voller Schadenfreude durch die Fenster und passend dazu tritt die Klimaanlage in die Fußstapfen des geplatzten Reifens - sie gibt den Geist auf. Wir atmen gegenseitig unsere Luft, fahren durch neue Landschaften und kommen bald an. Ich sehe zum ersten Mal seit Wochen Grünflächen, es gibt sogar Nadelbäume. Hier ist es anders. „Wie“ kann ich aber noch nicht sagen. Der Bus fährt durch die äußere Stadt, unter dem grauen Himmel greisen nach wie vor Möwen, auf den Straßen ziehen alte Männer ihre Karren hinter sich her. Der Busbahnhof lädt zum sofortigen gehen ein. Ich bin nicht sicher was ich denken soll. Auf den Straßen liegen Matratzen, manche Ecken dienen als Mülldeponien. Oft ist es aber auch einfach nur das Licht, das habe ich so langsam gelernt. Vielleicht muss sich bloß der Himmel öffnen. Wir schlagen uns durch Menschenmengen, gehen durch tiefe Unterführungen und laufen Slalom durch enge Gassen. „Wieso schwärmt jeder von diesen Ort ?“
Wir finden unser Hostel, es ist ganz versteckt. Rechts, links, dann wieder links und geradeaus. Durch die hohen Häuser und den bewölkten Himmel sind die Gassen ganz dunkel. „The chill Art Hostel“ - Es ist wie ein kleiner Palast. Wir checken ein und bekommen unser Zimmer zugewiesen. Es gibt 4 Stockwerke, von jeder Etage kann man über ein Geländer in den „Innenhof“ schauen. Der ist mit blau- weißen Kacheln bedeckt. An den Wänden stehen Pflanzen, auf dem Boden verteilt große Kissen und Matratzen. Von der Dachterrasse aus sieht man den blauen Ozean und ein buntes Meer aus Satellitenschüsseln. Wir erkunden uns wo man gut essen kann und navigieren uns dann durch die Gassen hin zur Medina. Jetzt ist es schon dunkel und die Straßen sind belebt. Auf einmal tut sich vor uns ein ganz anderes Essaouira auf, auf einmal verstehen wir warum jeder schwärmt. Die Medina ist voller Stände, an den Seiten gibt es kleinen Läden, von den Terrassen tönt live Musik herunter auf die Straßen und trotz der vielen Menschen, wird man kaum angeredet. Es erinnert mich an Marrakesh - nur entspannter. Mir wurde gesagt, dass die Menschen generell angenehmer werden, je weiter nördlich man geht. Scheinbar weil alle kiffen. Wir finden ein kleines Lokal in einer noch kleineren Seitengasse. Selbst auf den Dächern streunen Katzen herum. Es ist gut zu essen und wir essen viel.
Am nächsten Tag gehen wir zum Hafen, über unseren Köpfen kreisen Möwen - so viele, dass man sie nicht zählen kann. Auf Bänken und Tischen ist der Fang der Fischer ausgebreitet: Sardinen, Makrelen, riesige Fische mit noch größeren Augen, Rochen, Aale, Hummer und Undefinierbares. In einer riesigen Halle kann man sich Fische kaufen, die von den kleinen Lokalen daneben sofort gegrillt werden. Unter den Tischen streunen Katzen, die darauf warten bis etwas auf den Boden fällt. Irgendwann sitzen sie sogar neben uns und essen vom Tisch. Die Augen der Fische schauen immer noch ausdruckslos in die Leere. Samak (سمكة)- das heißt Fisch auf arabisch. Bei Tag ist die Medina noch belebter, überall werden Seifen und Gewürze verkauft. Öfter wird man leise gefragt ob man denn Opium kaufen möchte. Die Gassen sind nicht mehr so dunkel wie gestern, wir verlieren uns in ihnen, Hand in Hand. Am Abend ist der Himmel orange und legt sich leise über die Dächer und das weite Meer. Solange bis nur noch ein orangener Streifen zu sehen ist.
Und dann fliegt Ares schon nach Spanien zurück. Wir sind viel zu spät dran und müssen uns schnell verabschieden. Ihr Bus fährt und ich bin wieder im Hostel. Ich lerne Kari kennen, ein Notfallsanitäter aus Heidelberg. Jetzt weiß ich noch garnicht, dass er mich bis zum Ende meiner Reise begleiten wird. Ich will hier noch lange bleiben, das weiß ich dafür ganz genau.Read more
Traveler Ich sehe, deine Abenteuer sind noch nicht am Ende angelangt, bin schon ganz gespannt.😘
Traveler Sehnsüchtig wurde der Bericht erwartet. Tolle Schilderung.